Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung Dr. Heinrich Widmer, cemsuisse
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1 Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung Dr. Heinrich Widmer, cemsuisse vdz Fachtagung Zement-Verfahrenstechnik 2008 am in Düsseldorf
2 Inhalt 1. Rahmenbedingungen in der Schweiz Einführung der Verbrennungspflicht 2003 Verfügbare Entsorgungswege Verfahrensevaluationen / Nachhaltigkeit Kapazitätsplanung der Klärschlammverbrennung Klärschlammverwertung in Zementwerken Klärschlamm als Ersatzbrennstoff Umweltverträglichkeit Emissionsminderung 3. Verfahrenstechnische Aspekte Prozess im Zementwerk Sicherheitsaspekte Selbstentzündung von Trockenklärschlamm 4. Ausblick Bedeutung von TKS für die Schweizerische Zementindustrie Abfallwirtschaftliche Tendenzen vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 2
3 Verbrennungspflicht für Klärschlamm Entsorgungswege für Klärschlamm in der Schweiz in den Jahren 2000 und 2002 (Abfallstatistik BUWAL). Einführung der Verbrennungspflicht per 1. Mai 2003 Änderung der Stoffverordnung Ausbringungsverbot für Klärschlamm in Futter- und Gemüsebau sofort übrige Flächen: Übergangsfrist bis spätestens 2006 vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 3
4 Thermische Entsorgungswege in der Schweiz Aufbereitungs- und Verbrennungsverfahren Produktion (Kläranlagen) Entwässerung Trocknung Vorstufen 1000 kg 4% TS 148 kg 27% TS 44 kg 90% TS Zement- Werk (ZW) Schlamm- Verbrennung (SVA) Kehricht- Verbrennung (KVA) Verbrennung Vigier Cement AG / Seite 4
5 Verfahrensbeurteilung - Beispiel Studie Ernst Basler und Partner, 1998 Vorgehen Erfassen ökonomische und ökologische Grundlagen Vergleich von Verfahrensvarianten Beurteilung der Ökoeffizienz Transport Trocknung Transport Verbrennung Deponierung ZW (KVA) Dickschlamm KVA Trockenschlamm Zementwerk -- ZW (ARA) -- ARA Trockenschlamm Zementwerk -- ZW (ZW) Dickschlamm Zementwerk Trockenschlamm Zementwerk -- ZW (zentr.) Dickschlamm Zentral Trockenschlamm Zementwerk -- SVA SVA Rückstände KVA (KVA) Dickschlamm KVA -- KVA Rückstände KVA (ARA) -- ARA Trockenschlamm KVA Rückstände Tabelle 1: Verglichene Verbrennungsvarianten mit ihren wesentlichen Prozessschritten Aus: Ernst Basler und Partner, 1998 vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 5
6 Beispiel 1: Beste Ökoeffizienz 1. Trockung in KVA 2. Verbrennung in Zementwerk Der Vergleich zeigt, dass der Einsatz von Klärschlamm als alternativer Brennstoff in Zementwerken nach ökologischen Kriterien am vorteilhaftesten ist. bezüglich der Kosten die Klärschlamm- Mitverbrennung in der KVA sowie Verwertung in Zementwerken etwa gleich viel kosten Zementwerk (KVA) NOx CO 2 Untersuchte Kenngrössen I: Investitionen B: Betriebskosten PE: Primärenergie CO 2 : Emissionen NO x : Emissionen I PE A B Trocknung KVA /Verbrennung ZW Quelle: Ernst Basler und Partner, 1998 Ǿ aller Optionen vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 6
7 Planung verschiedene Interessen Einzelbetriebe ARA Transporteure Trockner Zementwerke SVA KVA Andere Ziele aller Betriebe Kapazitätsauslastung Ersatz fehlender Anliefermengen Optimierte Betriebsrechnung Überregionales Vorgehen Koordination der Planung Erfassung der erwartete Mengen Kurzfristig: Deklaration der freien Kapazitäten Mittelfristig Private /öffentliche Investitionen Aktuell: Alle wollen CO 2 sparen... Komplexes System: ARA Abfallwirtschaft - Industrie Theorie Praxis: Nicht immer kann die in Studien als nachhaltig beurteilte Lösung politisch auch realisiert werden vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 7
8 Planung - Koordinationsbestrebungen Klärschlammplattform als Sofortmassnahme Trägerschaft: Abwasser- und Abfallbetreiberverbände (VSA, VBSA) und cemsuisse Idee: Anlagen deklarieren Ihre freien Kapazitäten freier Markt Wöchentliche Deklaration nach Region / Betrieb Getrennt nach Dünn-, Dick- und Trockenklärschlamm vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 8
9 Kapazitätsplanung des Bundes Koordination (BAFU 2004) Arbeitsgruppe Klärschlamm Studie betreffend der geplanten Verbrennungskapazitäten vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 9
10 Standorte der Schweizer Zementwerke Reuchenette Cornaux Eclépens Siggenthal Wildegg Brunnen Untervaz Holcim (Schweiz) AG Jura Cement AG Ciments Vigier SA
11 Einsatz von Abfällen in Zementwerken Zugabe Trockenklärschlamm Fleisch- / Knochenmehl Tierfett Altöl Lösungsmittel Destillationsrückstände Kunststoffe CSS KER Altreifen Rahmenbedingungen Die Zementherstellung: Ein chemischer Prozess! Energetischer Nutzen (2006: 45.6% Substitution) Zerstörung der org.- chem. Schadstoffe (2000/1450 C) Mineralische Bestandteile werden eingebunden Reduktion der Emissionen Zunehmend auch Zugabe in Calcinator (Nachrüstung) Produktqualität gleichbleibend Quelle: Holcim (Schweiz) AG, modifiziert vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 11
12 AFR in Schweizer Zementwerken vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 12
13 TKS in Schweizer Zementwerken 2006 wurden t TKS verwertet Verwertungskapazität der Zementindustrie für TKS und Tiermehl: ca t /Jahr Der Substitutionsgrad der letzten zwei Jahre war rückläufig Weitere Tendenz?? vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 13
14 Klärschlamm im Zementwerk bedeutet generell: ~ 50 % organische Masse wird durch energetische Substitution fossiler Brennstoffe verwertet ~ 50 % anorganische Masse wird durch Substitution von Primärrohstoffen verwertet 100 % des Klärschlamms wird verwertet, ohne Asche oder Schlacke zu produzieren Die Energie in der organischen Masse gilt als CO 2 -neutral vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 14
15 Einsatz von Abfällen in Zementwerken Die Zementherstellung ist ein chemischer Umwandlungsprozess! Keine Mischanlage! 0 Mergel Rückst. Bodenwäsche 80 Zementklinker Rohmaterialien fossile Brennstoffe alt. Brennstoffe alt. Rohmaterialien 60 SIO 2 in % Zement- Klinker Steinkohle 40 Reifen 20 Kalkstein Al Fe in % 0 Quelle: Holcim (Schweiz) AG vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 15
16 Umweltverträglichkeit ist gegeben Stofflüsse 1. Die BUWAL - Richtlinie Entsorgung von Abfällen in Zementwerken enthält Qualitätskriterien für Roh- und Brennstoffe sowie Produkte Richtwerte für Schwermetalle 2. Keine Reststoffe (Deponierung) 3. NO x -Minderung Primärmassnahmen Sekundärmassnahmen (DeNO x ) Energie Substitution fossiler Brennstoffe Sn ppm Schwermetalle im Rohmehl Schwermetallgehalte Rohmehl Sn ppm Tl ppm Tl ppm Se ppm Sb ppm V ppm Hg ppm Zn ppm Pb ppm As ppm Ni ppm Ba ppm Mn ppm Be ppm Cd ppm Cu ppm Co ppm Cr ppm Schwermetalle in Klinker Schwermetallgehalte Klinker V ppm Zn ppm As ppm Ba ppm Be ppm Cd ppm Co ppm Reduktion von fossilem CO 2 Se ppm Cr ppm Sb ppm Cu ppm Hg ppm Pb ppm Ni ppm Mn ppm Quelle cemsuisse vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 16
17 Gesamt- Emissionen werden reduziert vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung Quelle: Holcim (Schweiz) AG 17
18 NO x /SO 2 - Emissionen mit und ohne Klärschlamm (Holcim - Werk Siggenthal) NOx (mg/m3) Grenzwert (LRV 92) SO2 (mg/m3) Grenzwert (LRV 92) ohne TKS mit TKS ohne TKS mit TKS Die Emissionen der Zementwerke sind prozessbedingt und praktisch unabhängig vom eingesetzten Brennstoff Quelle: Holcim (Schweiz) AG vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 18
19 Qualität des gelieferten Klärschlamms Spezifikation Temperatur vor Entladen < 50 C Trockensubstanz > 90 % Granulometrie 95 % < 10 mm / 10 % < 800 µm Zusammensetzung Hu 10.5 MJ/kg (~2 500 kcal/kg) C 24.5 % S 0.6 % P 1.4 % H 3.8 % N 3.3 % H2O 5.0 % Aschengehalt % Klärschlammasche SiO2 41 % MgO 0.6 % Al2O3 14 % Na2O 0.4 % Fe2O3 10 % K2O 0.2 % CaO 8 % SO3 1.6 % P2O5 7 % Cl 0.05 % Bsp. Vigier Cement AG vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 19
20 Anlieferung TKS und Lagerung Beispiel Vigier Cement Reuchenette t/a t/a t/a t/a t/a t/a t/a 2003/ t/a Silo m 3 Silo m 3 Silo m 3 Silo m 3 vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 20
21 Annahmekontrolle Pneumatische Entladung -> Druckluft (25 C, 6 bar auf 2 bar reduziert) vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 21
22 Massnahmen gegen Selbstentzündung Sicherstellen der Annahmequalität Temperatur- und Gaskontrolle im Silo Inertgas für Brandfall Stickstoff zur Flutung kostspielig, da 3-faches Volumen benötigt vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 22
23 Verbrennung Optimierung des Brennstoffmix im Brenner vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 23
24 Brennerfunktionen Radialluft (Drall-Luft) Axialluft (Zentral-Luft) Kohlenstaub Öllanze TKS + Tiermehl Lösungsmittellanze Holcim (Schweiz) AG vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 24
25 Zugabe im Calcinator (Bsp. JCF Wildegg) Calcinator wurde 2006 verlängert ca. 4 Sekunden Verweilzeit eingesetzt für Altreifen, Kunststoffgranulat, Fleischmehl und TKS Zudosierung Betonsilo 230 m 3 (umgerüstet aus bestehendem Anlageteil) Menge 2 t / h (vermischt mit 0.5 t / h Kunststoffgranulat) Effekt Guter Ausbrand (längere Verweilzeit) einfacheres Handling vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 25
26 Arbeitssicherheit Transport Fahrzeug gesichert Schutzmaske und brille im Fahrzeug Bei Staubbildung Maske und Brille tragen Bei Routinearbeiten Sauberkeit der Installationen Arbeitshandschuhe Schutzmaske und brille auf Mann Bei Staubbildung Maske und Brille tragen Duschen nach Arbeitsende Bei Interventionen Wegwerfoverall Arbeitshandschuhe Schutzmaske und brille am Mann Duschen nach Arbeitsende vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 26
27 Arbeitssicherheit im Störfall Störfallbeseitigung Atemschutzgerät Zutritt Dritter verhindern Vorsichtsmassnahmen TKS muss bei einer Temperatur über 80 C getrocknet worden sein Schutzmassnahmen gegen PM 10 Schutzmassnahmen gegen Staubexplosionen <80 C vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 27
28 Forschungsprojekt Selbstentzündung Unkontrollierter Temperaturanstieg in Trockenklärschlammsilos Martine Poffet (Dissertation), Prof. Dr T. Jenny Universität Freiburg (UNI-FR) und Prof. Dr K. Käser, Fachhochschule Freiburg (EIA-FR) Ziel Erforschung der Ursachen für die Selbstentzündung Ergebnisse Keine Ursache des Temperaturanstiegs sind Biologische Prozesse Elektrostatische Entladungen während der Lagerung Explosionsverhalten Variation im täglichen Ablaufplan des Trockners Pneumatisches Entladen Unterschiedliche thermische Leitfähigkeit in Funktion des Materialdrucks Ortspezifische (chemische) Bildung im Silo (Hot spots) Wasserzusatz (allein) Luftzusatz (allein) Aber Kombination! Der Temperaturanstieg erfolgt auch bei Zusatz von inertem Gas vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 28
29 Forschungsprojekt Selbstentzündung Ergebnisse (Fortsetzung) Der Temperaturanstieg ist beschleunigt bei: Wasserzusatz Luftzusatz kombiniert Der erste Temperaturanstieg wird verursacht durch eine anorganische Oxidation im TKS Oxidation von Fe 2+ (80% von Eisen im Klärschlamm ist Fe 2+ ) Oxidation von S 2- (Bildung von Hochtemperaturschwefelkristallen) Die Verstärkung des thermischen Ereignisses wird begünstigt durch Isolationswert von TKS Granulat Autoxidation der organischen Stoffe im TKS ab 80 C Vivianitzerfall ab 75 C (Oxidation von Fe2+ und Wasserfreigabe) Exothermer Hydratationseffekt Selbstverbrennung ab 120 C Publikation ist noch in Vorbereitung vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung
30 Ausblick Die Schweizer Zementindustrie ist aktuell mit verschiedenen Einflüssen bezüglich der zukünftigen Klärschlammverwertung konfrontiert: Verfügbarkeit genügender AFR - Mengen Notwendig zur Umsetzung von CO 2 - Vereinbarung und CO 2 - Gesetz in der Schweiz Energiesubstitution zur Produktion von Zement (= Infrastruktur) Verfahrentechnische Entwicklungen in der Abfalltechnologie Phosphorrückgewinnung nach Monoverbrennung Wirbelschichtverbrennungen für Siedlungsabfall Planerische Rahmenbedingungen der Abfallwirtschaft KVA als thermische Kraftwerke Regelungen im Rahmen der BAFU - Richtlinie vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung 30
31 Ausblick Die Klärschlammverwertung in Zementwerken ist in der Schweiz eine nachhaltige Lösung umwelt- und wirtschaftverträglich kostengünstig reststofffrei energieoptimiert dank hohen Wirkungsgrad (> 97%) Optimierungspotential durch Abluftnutzung (Bsp. Siggenthal) Substitution von fossiler Produktionsenergie Substitution von Rohstoffen Die Schweizerische Zementindustrie bleibt ein zuverlässiger Partner zur Klärschlammverwertung! vdz H. Widmer: Der Schweizer Weg der Klärschlammentsorgung
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