Thema: wohnungslos - chancenlos Präsentation der Wohnungslosenerhebung 2008
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- Detlef Fiedler
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1 Pressekonferenz Thema: wohnungslos - chancenlos Präsentation der Wohnungslosenerhebung 2008 TeilnehmerInnen: Robert Buggler Salzburger Armutskonferenz Petra Geschwendtner Soziale Arbeit GmbH, Beratung Friedrich Laimböck Caritas Salzburg, Notschlafstelle Sarah Untner Soziale Arbeit GmbH, Fachbereich Beratung & Betreuung
2 1. Die Wohnungslosenerhebung Die Erhebung Ein nachhaltiges Projekt des Forums Wohnungslosenhilfe stellt die jährlich durchgeführte Wohnungslosenerhebung dar, die dazu dient, einen aktuellen Überblick über die Trends und Entwicklungen der Wohnungslosigkeit in der Stadt Salzburg zu bieten. Das betrifft sowohl die Anzahl der von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen als auch die Verteilung dieser Personen auf die unterschiedlichsten Formen der Wohn(not)versorgung. Erfasst werden Menschen, die akut wohnungslos und obdachlos sind, sowie jene, die von bevorstehender Wohnungslosigkeit bedroht sind. Dazu zählen: Obdachlose Wohnnotversorgte in Klöstern, Asylen, Herbergen, Pensionszimmern und Notschlafstellen Menschen ohne eigenen Wohnraum, die bei Bekannten und Freunden untergekommen sind Menschen in betreuten Unterkünften Menschen ohne Wohnung, die zum Zeitpunkt der Erhebung in Krankenhäusern, Kur und Therapieanstalten aufgenommen sind Wohnungslose Menschen in Gefangenenhäusern Menschen in unzumutbaren Wohnverhältnissen (baulich, hygienisch, starke soziale Spannungen) Menschen, die in sehr beengten Wohnmietverhältnissen leben müssen (Überbelag) Methode der Erhebung: Es werden insgesamt 90 Institutionen befragt, an die sich Menschen mit Wohnproblemen wenden, davon liefern ca. 60 Einrichtungen Daten für die Erhebung Der Erhebungszeitrum ist jährlich der Monat Oktober, es handelt sich also um eine Stichprobenerhebung. Erfasst werden die soziodemografischen Merkmale Geschlecht, Geburtsdatum, Familienstand, Anfangsbuchstabe des Familiennamens zur Erfassung von Doppelnennungen. Doppelnennungen werden gefiltert. 2
3 Seit 1994 wurden laufend Anpassungen in der Erhebung vorgenommen (Schwerpunkt Frauen und Jugendliche), zuletzt z. B. wurde auch versucht Personen zu erfassen, die starken sozialen Spannungen in Trennungs- und Gewaltsituationen ausgesetzt sind. Der Salzburger Wohnungslosenerhebung kommt in dieser Form in Österreich einer Vorreiterrolle gleich, in Graz und Innsbruck wurde das Konzept bereits übernommen und umgesetzt
4 Wohnungslosenerhebung 2008 zentrale Ergebnisse GESAMTÜBERSICHT 814 Personen (Erwachsene und Jugendliche) wurden im Oktober 2008 in der Stadt Salzburg bei den befragten Einrichtungen als wohnungslos registriert, dies entspricht einer Steigerung von + 6,8 % gegenüber 2007 (762 Personen): 545 wohnungslose InländerInnen (2007: 534) 82 wohnungslose EU-BürgerInnen (2007: 54) 102 wohnungslose MigrantInnen (2007: 99) 41 wohnungslose AsylwerberInnen (2007: 30) 44 wohnungslose Jugendliche (2007: 45) Der Anstieg ist dieses Jahr ein männliches Phänomen : 2008: 25 % Frauen (135), 75 % Männer (410) 2007: 30 % Frauen (165), 70 % Männer (369) ZUSAMENFASSUNG Privatisierung o Fortsetzung des bereits in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Trends des Anstiegs von versteckter Wohnungslosigkeit: o Nach wie vor ansteigende Zahl von Wohnungslosen in der Kategorie Wohnen bei Bekannten / Freunden : Von 192 (2007) auf 233 im Jahr 2008 (+ 21 %). o Besonders stark war der Anstieg in dieser Kategorie bei wohnungslosen Männern (absolut von 132 auf 180 = + 36 %) o Bei den Frauen ist in dieser Kategorie ein Rückgang von 60 (2007) auf 53 (2008) zu konstatieren (- 11,7 %). Internationalisierung o Weiterhin starker Anstieg von ausländischen wohnungslosen Personen: o Z. B. EU-BürgerInnen von 8 Personen im Jahr 2001 auf 82 im Jahr o MigrantInnen: Von 22 Personen im Jahr 2002 auf 102 im Jahr
5 2. Entwicklungen & Trends, Analyse, Fallbeispiele An den bereits jährlich immer wieder vom Forum Wohnungslosenhilfe kritisierten defizitären Hilfestrukturen im Rahmen der Wohnungslosenhilfe hat sich in den vergangenen Jahren wenig verändert, einzig die Winternotschlafstelle Mülln wurde neu in Betrieb genommen, eine Einrichtung, deren grundsätzlicher Bedarf nicht bezweifelt wird, die Ausgestaltung / Organisation allerdings zu Recht bemängelt werden kann / muss. Das Projekt Nachfolgewohnraum wurde nach ca. 1,5-jähriger Diskussion seitens des Landes und der Stadt abgelehnt. Neue Angebote sind derzeit allerdings im Gespräch / in Planung. Die Unterstützung seitens des Sozialamtes für den Wohnbedarf ( Höchst zulässiger Wohnaufwand HWA) klafft im Gegensatz zur Preisentwicklung auf dem privaten Wohnungsmarkt immer weiter auseinander, wie folgende Grafik verdeutlicht: Vergleich private Mietpreise - HWA 12,00 11,48 11,61 11,00 11,19 10,00 9,00 10,17 9,67 9,20 8, HWA - 1 Person 40 m2 Mietpreise pivat lt. AK Quelle: AK Salzburg (Mietpreisentwicklung), RIS (HWA für Einzelperson in der Stadt Salzburg, max 40 m 2 ), Zusammenstellung / Grafik: Salzburger Armutskonferenz. Die Erfahrung in der täglichen Beratungstätigkeit bestätigt diese Entwicklung. Bei der Suche nach einer Kleinwohnung scheitert Mann/ Frau an den Kosten. In der Samtagsausgabe der Salzburger Nachrichten vom beispielsweise lassen sich insgesamt 54 Kleinwohnungen/ Garconnieren finden, 4 davon sind innerhalb des HWA, bei 3 sind die Angaben zu ungenau, alle anderen sind über dem HWA. 5
6 Auch die Nachfrage bei Immobilienbüros verlief ähnlich, von 12 angefragten Immobilienbüros hat lediglich eines in der nächsten Zeit eine Wohnung innerhalb des HWA! Auszug aus der Verordnung: Gemäß 12a Abs 2 des Salzburger Sozialhilfegesetzes ist der höchstzulässige Wohnungsaufwand je m² Wohnnutzfläche unter Bedachtnahme auf die durchschnittlichen regionalen statistischen Daten des Sozialhilfeträgers für Wohnungen mit zweckentsprechender Ausstattung für jeden politischen Bezirk gesondert jeweils für ein Kalenderjahr durch Verordnung festzulegen. Zusätzlich wird seitens des Sozialamtes für Pensionszimmer (seit ) nur mehr 75 % des Richtsatzes (HWA) bezahlt (Stadt Salzburg), mit der Konsequenz, dass laufend Fälle bekannt werden, bei denen die BewohnerInnen von Pensionszimmern teilweise deutlich mehr zahlen müssen als durch den Richtsatz zur Vergütung gestellt wird. Dies ist gleichbedeutend mit einer Richtsatzkürzung für den Lebensunterhalt. Bei den Pensionszimmern (deren Qualität nur zum Teil adäquat erscheint) hat zusätzlich die Verringerung des Angebotes zu einer weiteren Verknappung der Unterbringungsmöglichkeiten geführt, eine Verdrängung in Richtung private Wohnversorgung wird angenommen und durch Einzelfälle auch erhärtet, auch die Ergebnisse der aktuellen Wohnungslosenerhebung weisen in diese Richtung. Die gesteigerte Neubautätigkeit im Bereich des geförderten Wohnbaus wird sehr begrüßt (Einfluss auf Mietpreisentwicklung, Liste am Wohnungsamt wird kürzer), allerdings ist darauf hinzuweisen, dass damit dem Problem der Wohnungslosigkeit nur unzureichend Rechnung getragen wird. Einerseits kann die Neubautätigkeit das Problem der Wohnungslosigkeit quantitativ nicht bewältigen, zum Zweiten bedarf es einer umfassenden, aufeinander abgestimmten Wohnungslosenhilfe, die auf die speziellen Bedarfs- und Problemlagen der Betroffenen einzugehen vermag (Beratung, Bedarf an kleinen Wohneinheiten/ Garconnieren). In der täglichen Beratungstätigkeit kann kein Rückgang der Wohnungsnot verzeichnet werden. Dies betrifft einerseits die steigende Belastung mit Wohnkosten, andererseits aber auch die Suche nach entsprechend leistbarem Wohnraum. 6
7 Fallbeispiel I: Herr S., beim Wohnungsamt als wohnungssuchend vorgemerkt und sogar in der Reihung unter den ersten 40, bewohnt nach einer Partnertrennung ein Pensionszimmer. Seinen Lebensunterhalt bezieht er neben einem geringen Pensionsvorschuss vorwiegend aus der Sozialhilfe. Für das Substandard-Zimmer ohne Waschbecken muss er aus Eigenmitteln noch rund 80,- aus seinem Lebensunterhalt bestreiten (Gesamtpreis 360,-), sodass ihm im Jahr 2008 monatlich tatsächlich nur 369,- vom Lebensunterhalt verbleiben (statt der ihm zustehenden 449,-). Zusätzlich berichtete er fast immer von Konflikten, Demütigungen und Erniedrigungen seitens des Pensionszimmerbetreibers, bis zuletzt ein Auszug unumgänglich war. Danach fing für ihn ein monatelanger beschwerlicher Weg an - zwischen Notschlafstellen und Freunden und Bekannten bis hin zur Liege in einem Keller. Fallbeispiel II: Herr G. bezieht Arbeitslosengeld. Er hat seit Jahren keinen festen Wohnsitz, seine Nächtigungen beschränken sich auf Aufenthalte bei Bekannten, in der Notschlafstelle, der Pension Torwirt sowie auf die vom Sozialamt mitfinanzierten Substandard-Pensionszimmer. Im Sommer 2006 trat erstmals eine Verordnung der Landesregierung in Kraft, die eine Kürzung der Wohnunterstützung für so genannte Pensionszimmer vorsieht (Stadt Salzburg / Tg. 25 %, andere Bezirke 20 %). Statt 380,-- erhalten die Pensionszimmerbetreiber Vermieter in der Stadt Salzburg also nur mehr maximal 285,--/Monat (= Werte 2009). Für viele KlientInnen der Wohnungslosenhilfe, auch für Herrn G., bringt diese Verordnung eine finanzielle Schlechterstellung. Viele Vermieter akzeptieren diese Veränderung nicht und fordern von den KlientInnen eine zusätzliche Mietleistung, die diese aus ihrem Lebensunterhalt begleichen müssen. Die MieterInnen dieser Pensionszimmer können sich gegen dieses unlautere Verhalten der Vermieter nicht wehren, da eine Weigerung der Zahlung zur sofortigen Kündigung und in weiterer Folge zu akuter Obdachlosigkeit führt. Herr G. wohnte bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung in einem dieser Pensionszimmer; als persönliche Konsequenz zog er es dann vor bei Bekannten bzw. in den oben genannten Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zu nächtigen. Mehrmals betonte er uns gegenüber, dass er nicht bereit ist, für die Substandardzimmer Geld aus seinem Lebensunterhalt zu bezahlen. Die Geschichte von Herrn G. ist kein Einzelfall und ist einer der Erklärungen für den Anstieg der Männer, die bei Bekannten/ Freunden nächtigen. 7
8 Die Situation von wohnungslosen Frauen mit oder ohne Kinder bildet sich in der konkreten Beratungstätigkeit unverändert ab. Über den Rückgang (laut aktueller Erhebung) bei versteckt wohnungslosen Frauen können wir nur Vermutungen anstellen. Einerseits hat eine frauenspezifische Einrichtungen heuer keine Datensätze geliefert, andererseits wurden, laut Auskunft des Wohnungsamtes, im letzten Jahr vermehrt Frauen (mit Kinder) mit einer Wohnung versorgt. Aber: wo kein Angebot da keine Nachfrage. Es gibt nach wie vor keine Angebote in der Wohnungslosenhilfe, die geschlechtsspezifisch ausgerichtet und somit die weiblichen Problemlagen berücksichtigen. Frauen in Wohnnotsituationen können daher nur unbefriedigend beraten und versorgt werden. 4. 8
9 Fordungen, Perspektiven: wohnungslos - chancenlos Die Forderungen und Perspektiven, die sich aus den Ergebnissen der Wohnungslosenerhebung ableiten lassen, können in den letzten Jahren als quasi unverändert bezeichnet und damit großteils wiederholt - werden: Strukturelle Verankerung und qualitativer Ausbau der jährlichen Wohnungslosenerhebung, um ein noch detaillierteres Bild der Betroffenen zu Planungszwecken zu erhalten (Bedarfsdeckungsprüfung als Grundlage für Wohnungslosenhilfeplanung). Der Verweis auf eine derzeit laufende österreichweite Erhebung ist unzureichend, da diese wiederum auf die Daten der vorliegenden Erhebung zurückgreift. Stadt und Land Salzburg werden aufgerufen eine verbindliche partizipative Wohnungslosenhilfeplanung einzurichten und einen Entwicklungsplan für die Angebote der Wohnungslosenhilfe aufzulegen. Das Schließen der Lücken in der Wohnnotversorgung (Spezielle Angebote für Frauen, Jugendliche, psychisch Kranke; Projekt Nachfolgewohnraum, soziale Betreuungsnetze etc.), vor allen Dingen qualitativ. Anpassung öffentlicher finanzieller Unterstützungssysteme (vor allem der Sozialhilfe) an die realen Kostensteigerungen. Erhöhung des Kontingentes an leistbarem kommunalem / öffentlichen Wohnraum (durch Neubau, Änderung Vergabekriterien etc.) Geförderter Wohnbau alleine ist nicht ausreichend; es braucht zielgruppenspezifische Wohnangebote und schnell verfügbaren, leistbaren Wohnraum. Die Lage am Wohnungsmarkt wird sich durch die momentane Wirtschaftskrise weiterhin zuspitzen, daher braucht es neben arbeitsmarktpolitischen- u.a. auch wohnpolitische Interventionen. Und das heute, nicht morgen! 9
10 Das Forum Wohnungslosenhilfe: Das Forum Wohnungslosenhilfe ist ein Netzwerk von Trägern der Wohnungslosenhilfe sowie von Einrichtungen der psychosozialen Versorgung im Bundesland Salzburg. Netzwerk- bzw. KooperationspartnerInnen: Caritas Salzburg Soziale Arbeit GmbH Verein Frauentreffpunkt Laube NEUSTART Salzburg Pro Mente Salzburg VertretungsNetz Sachwalterschaft Salzburger Armutskonferenz BAWO (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe) Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg helix - Forschung & Entwicklung Das Forum Wohnungslosenhilfe ist vertreten in der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe ( 10
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