Umweltkongress - IHK-Brandenburg. Immissionsschutzrechtliche Herausforderungen für landwirtschaftliche Unternehmen
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- Hertha Hauer
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1 Frankfurt (Oder), 1. Juni 2016 Umweltkongress - IHK-Brandenburg Immissionsschutzrechtliche Herausforderungen für die Wirtschaft Sind alle Anforderungen noch zu schaffen? Immissionsschutzrechtliche Herausforderungen für landwirtschaftliche Unternehmen Lessingstraße 16, Ahrensfelde umweltberatung@eckhof.de Tel:
2 Sind alle Anforderungen noch zu schaffen? Mathematisch betrachtet geht es um Gleichungen mit Bekannten und vielen Unbekannten. Es ist nicht immer vorhersehbar, ob es im Einzelfall Lösungen gibt. 1. Rechtliche Aspekte => von Menschen gemachte Gesetze Problem: unbestimmte Rechtsbegriffe => Klageverfahren 2. Naturwissenschaftliche Aspekte => Naturgesetze Problem: oft unzureichendes Wissen 3. Stand der Technik (BVT) => Hohe Dynamik Problem: Anerkennung und Datenbeschaffung 4. Sachverständigentätigkeit oder Internetrecherche Lösung: Worst-Case-Betrachtung?
3 Spezifik der Nutztierhaltung - Landwirtschaftliche Unternehmen müssen bei der Genehmigung und beim Betrieb von Anlagen eine Vielzahl rechtlicher Regelungen beachten. - Besonders die Nutztierhaltung steht fast täglich in der öffentlichen Kritik und in fast allen Medien. - Die Natur- und Tierschutzverbände sind äußerst aktiv. - Es gibt viele Bürgerinitiativen und Klagen gegen Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen. - Im Land Brandenburg gab es ein Volksbegehren gegen die Massentierhaltung. - Es geht um Tierschutz und Umweltwirkungen. Der Gesetzgeber reagiert auf EU-, Bundes- und Landesebene mit der Änderung von gesetzlichen Regelungen.
4 Gutachten des wissenschaftlicher Beirates für Agrarpolitik (WBA) vom März 2015 Im Bereich des Tierschutzes sieht der WBA folgende wichtige Punkte als Leitlinien für die Entwicklung einer zukunftsfähigen, in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptierten Tierhaltung : 1. Zugang aller Nutztiere zu verschiedenen Klimazonen, vorzugsweise Außenklima, 2. Angebot unterschiedlicher Funktionsbereiche mit verschiedenen Bodenbelägen, 3. Angebot von Einrichtungen, Stoffen und Reizen zur artgemäßen Beschäftigung, Nahrungsaufnahme und Körperpflege, 4. Angebot von ausreichend Platz, 5. Verzicht auf Amputationen, 6. routinemäßige betriebliche Eigenkontrollen anhand tierbezogener Tierwohlindikatoren, 7. deutlich reduzierter Arzneimitteleinsatz, 8. verbesserter Bildungs-, Kenntnis- und Motivationsstand der im Tierbereich arbeitenden Personen und 9. eine stärkere Berücksichtigung funktionaler Merkmale in der Zucht Hinzu kommen die Umweltaspekte. Insbesondere der Punkt 1 widerspricht der Forderung des Immissionsschutz nach Kapselung der Emissionsquellen.
5 Aus Gutachten des wissenschaftlicher Beirates für Agrarpolitik vom März 2015 Für einen Großteil der Tierhaltung wird die Umsetzung der Leitlinien für die Entwicklung einer zukunftsfähigen, in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptierten Tierhaltung zu Mehrkosten in der überschlagsmäßig ermittelten Größenordnung von 13 bis 23 % (insgesamt etwa 3 bis 5 Mrd. Euro jährlich) führen. Diese Mehrkosten würden. bei einfacher Überwälzung zu einer Erhöhung der Verbraucherpreise von etwa 3 bis 6 % führen. Wichtig: Die angestrebten Veränderungen bedürfen im Regelfall einer behördlichen Genehmigung!
6 Zur Genehmigung von Tierhaltungsanlagen: Wer den Neu- oder Umbau von Tierhaltungsanlagen plant, muss die geltenden bau- und umweltrechtlichen Rahmenbedingungen beachten. Aus der aktuellen Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen ergeben sich höhere Anforderungen in fast allen Rechtsbereichen. Handlungsbedarf besteht besonders hinsichtlich des Tierschutzes, der globalen, regionalen und standortbezogenen Emissions- und Immissionsminderung sowie des Natur-, Gewässer- und Bodenschutz insbesondere unter Beachtung der Schutzgebiete (FFH, SPA, NSG, WSG, LSG usw.)
7 Übersicht über wichtige Gesetze Grundgesetz Richtlinien der EU (IED/BVT) Bundeswaldgesetz TierSchG/TierSchNutztV Tierseuchenschutzgesetz Tierische Nebenprodukte- Beseitigungsgesetz Düngegesetz Bodenschutzgesetz Umweltinformationsgesetz Verordnungen (TA Luft, TA Lärm, DüV, AwSV) Richtlinien (z.b. GIRL, FFH, N-Deposition, Bioaerosole, AWSV) Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz Bundesimmissionsschutzgesetz Baugesetzbuch Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz Bundesnaturschutzgesetz Raumordnungsgesetz Umwelthaftungsgesetz Kreislaufwirtschaftsgesetz Normen (VDI-R./ DIN u.a.18910) Erlasse z.b. zu Emissionsfaktoren
8 Zu den Schutzgütern Menschen (Geruch, Lärm, Staub, Bioaerosole) Tiere (Tierschutz, Tierseuchenschutz, FFH) Pflanzen (Pflanzen-, Biotop-, Waldschutz, FFH) Boden (Bodenschutz, Versiegelung, Altlasten) Wasser (Gewässerschutz, Grund- und Oberflächengewässer, Trinkwasserschutz) Luft, Klima, Atmosphäre (Immissionsschutz) Landschaft (Landschaftsbild), Eingriffs- Ausgleichsmaßnahmen Kultur- und sonstige Sachgüter Wechselwirkungen
9 Die TA Luft eine der wichtigsten Verwaltungsvorschriften für den Immissionsschutz Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft = TA Luft - Normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage des BImSchG - Grundlage für die Genehmigung von nach BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen - Schutzanforderungen gelten auch für baurechtliche Anlagen (als Erkenntnisquelle) - Verbindliche bundeseinheitliche Anforderungen - Anlagenspezifische Anforderungen - Erhöhung der Rechts- und Planungssicherheit - Umsetzung von Richtlinien der EU
10 Ziel der Anpassung der TA Luft - Umsetzung der IVU und IED-Richtlinien der EU mit den BVT Schlussfolgerungen - Anpassung an den Stand der Technik + BVT - Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie der EU - Umsetzung der NEC-Richtlinie - Übernahme von Vollzugsempfehlungen der Länder (GIRL, ARE) - Harmonisierung mit anderen Rechtsbereichen => Einbindung naturschutzfachlicher Regelungen
11 Einzelaspekte der Anpassung der TA Luft Definitionen u.a.: Vorbelastung, Zusatzbelastung, Gesamtbelastung - neu Gesamtzusatzbelastung Kumulation => UVPG Zeitliche Komponente Räuliche Komponente Betrieblicher Zusammenhang Datenbeschaffung/Datenschutz Bagatellgrenzen Irrelevanzregelungen Abschneidekriterien
12 Umfang der Anpassung der TA Luft - Änderungen der Schutzanforderungen, insb.: - Implementierung der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) - Partikel/Staub PM 2,5 - Implementierung naturschutzfachlicher Anforderungen - Beurteilung von Einwirkungen auf FFH-Gebiete - Beurteilung von Einwirkungen auf N-empfindlichen Biotopen - Implementierung der Bioaerosolbeurteilung - Änderungen der Vorsorgeanforderungen u.a. - Rechtsverbindliche Einführung der BVT - Änderung der Abstandsregelung zu Geruch - Einführung ARE für bestimmte Anlagen - Güllelagerzeit 9 Monate
13 Aspekte der TA Luft bezüglich der Nutztierhaltung - BVT für Nutztierhaltung =>Umsetzung soll mit der Anpassung der TA Luft erfolgen! - Neue Vorsorge-Abstandsregelung für Geruch = 60 % des am Immissionsort geltenden Geruchsimmissionswertes => gelten auch für Rinder!? - Abschneidekriterium N-Deposition für Biotope: von 5 kg/ha auf 2 kg/ha abgesenkt - Bagatellschwelle für Geruchsemissionen greift kaum für Tierhaltung (erst ab 10 m Schachthöhe) - Für PM 2,5 => Neuregelung => unzureichende Datenbasis - Bioaerosole: unzureichende wissenschaftliche Grundlagen (Untersuchungen Sachsen, VDI Richtlinien noch nicht komplett) - Abluftreinigung: Wirtschaftlichkeitsprobleme, fehlende Lösungen für Teilbereiche - Emissionsdatenbasis: nicht ausreichend und nicht auf dem neuesten Stand (nicht in TA Luft einordnen!)
14 Übersicht über die beabsichtigten Neuregelungen Nr. 4.1: Wegfall der Bagatellmassenströme für Geruchsemissionen => erst ab 10m Schachthöhe Nr : Aufnahme einer Immissionsbegrenzung für PM 2,5 Nr i.v. Anhang 7: Aufnahme der GIRL, z.t. in abweichender Form => (Kommentartexte für Anwendung unverzichtbar!) Nr. 4.8 i.v. Anhang 8: Aufnahme einer Stickstoff- und Schwefeldepositionsregelung für Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete) Nr. 4.8 i.v. Anhang 9: Aufnahme des bisherigen LAI-Leitfaden zur Stickstoffdeposition, z.t. in abweichender Form (Definition N- Empfindlichkeit: Pflanzen => Biotope) Nr. 4.8 i.v. Anhang 10: Aufnahme einer Regelung zu Bioaerosolen entsprechend VDI und weitere
15 Übersicht über die beabsichtigten Neuregelungen Nr : Reduzierung des zulässigen Massenstromes für Staub von 20 mg/m³ auf 10 mg/m³. Problem im Geflügelbereich! Nr : Einführung eines Ammoniakmassenstroms für Tierhaltungsanlagen, ab dem kontinuierlich überwacht werden muss (12,5 kg/h) Nr : Einführung einer Immissionsbegrenzung bei Geruch von 60 % des Immissionswertes der GIRL als Ist-Bestimmung Kontingentierungsregelungen gehören ins Bauplanungsrecht! Nr c): nährstoffangepasste Fütterung - Verpflichtende Einführung der Mehrphasenfütterung Nr d): Stallklima - neue Ställe müssen mit ARE nachrüstbar sein Nr e): Festmistverfahren Dungplatten sind zu überdachen Nr g): Unterflurabsaugung bei Neuanlagen verboten
16 Übersicht über die beabsichtigten Neuregelungen Nr h): Abdeckung Flüssigmistbehälter 90 % Minderung Nr i): Lagerkapazität Flüssigmist 9 Monate Nr j): verpflichtende Einführung von ARE für IED Schweineanlagen (Neubau -und Erweiterung) Nr k): Kotbandbelüftung bei Volieren mit 60 % TS Nr : Abnahmemessung für ARE mit Sommer- und Wintermessung Nr : Altanlagen Nachrüstung von ARE in 4 Jahren bei IED Schweineanlagen und IED- Mastgeflügelanlagen mit Verhältnismäßigkeitsprüfung
17 Übersicht über die beabsichtigten Neuregelungen Nr : Altanlagen Abdeckung Flüssigmistbehälter mit 85 % Minderung Nr : Streichung der Abwägung zwischen Umweltschutz und artgerechter Tierhaltung Nr. 5.5: Anforderungen zur Abluftführung und Anwendung der Schornsteinhöhenberechnung bei Tierhaltungsanlagen (Im Bereich der Tierhaltung sollte statt Abgase der Begriff Abluft verwendet werden, entsprechend Abluftschächte statt Schornsteine, da es sich bei Ställen nicht um Feuerungsanlagen handelt. (Konsequenz: keine Anwendung der Schornsteinhöhenberechnung für Ställe!). Anhang 2: Ausbreitungsrechnung, insb. für Gerüche, aber auch für Ammoniak und Staub (auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen)
18 Aspekte zur Anpassung der TA Luft Zum vorliegenden Entwurf der TA Luft und den getroffenen Neuregelungen fehlen weitgehend die Begründungen. EU-Recht sollte 1:1 umgesetzt werden, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden (Rinderhaltung und ARE sind nicht Bestandteil IED bzw. BVT-Schlussfolgerungen). Anforderungen des Tierschutzes dürfen durch Forderungen zum Immissionsschutz nicht konterkariert werden. Überschneidungen zwischen rechtlichen Regelungen z.b. zum Düngerecht, hinsichtlich Lagerzeiten für Gülle, zum UVPG, hinsichtlich der Definitionen: Hintergrundbelastung, Vorbelastung, Zusatzbelastung, Gesamtzusatzbelastung und Kumulation und zum Baurecht hinsichtlich Schutzanforderungen und Nachrüstpflichten sind zu klären.
19 Zur TA Luft - Erste Teile der TA Luft-Anpassung liegen als Entwürfe vor und standen für die Diskussion zur Verfügung. Daraus wurden die Darstellungen in diesem Vortrag abgeleitet. - Ein überarbeiteter Entwurf soll im Juni 2016 vorliegen und erneut zur Diskussion gestellt werden. - Eine gründliche Auseinandersetzung mit den Inhalten, eine Prüfung der Betroffenheit und Beteiligung an der Diskussion ist dringend geraten. Von den rechtlichen Rahmenbedingungen in ihrer Gesamtheit, - der inhaltlichen Bestimmtheit, - der Verhältnismäßigkeit, - den Übergangsregelungen und - der Finanzkraft der Betroffenen hängt es ab, ob die Herausforderungen im Sinne der Thematik dieses Kongress geschafft werden können.
20 Fazit - Für die zukunftsfähige Gestaltung der Nutztierhaltung ist eine Qualitätsdiskussion und eine Qualitätsentwicklung erforderlich. - Der Gesetzgeber muss hierfür vollziehbare Rahmenbedingungen schaffen und Förderinstrumente bereitstellen (AFP). - Der Begriff Massentierhaltung hilft in der Diskussion nicht weiter, da er keine Aussagen zur Qualität trifft. Er bringt zum Ausdruck groß ist schlecht, klein ist gut. Das trifft aber nicht den Kern. - Es wird immer eine strukturelle Vielfalt geben. Deshalb muss die Qualitätsentwicklung auch die gesamte strukturelle Vielfalt erfassen. - Für das Land Brandenburg soll ein Tierschutzplan und einer Strategie für die zukünftige Nutztierhaltung erarbeitet werden. Diesbezüglich befindet sich aber Vieles in der Regelungskompetenz der EU oder des Bundes und es gibt globale Einflüsse. Alleingänge scheinen wenig hilfreich. Die Diskussion um die richtige Strategie muss geführt werden!
21 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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