Bilder erschließen uns die Welt. Eine Rezension von Laura Jutrowska, Janka Rosenstock und Mimoza Shala
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- Eduard Brandt
- vor 7 Jahren
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1 Brüning, Barbara und Ekkehard Martens (Hrsg.): Anschaulich philosophieren Mit Märchen, Fabeln, Bildern und Filmen, Beltz Verlag Basel und Weinheim, 2007, 155 Seiten, ISBN , 22,90 Euro Bilder erschließen uns die Welt Eine Rezension von Laura Jutrowska, Janka Rosenstock und Mimoza Shala Ein Bild sagt mehr als tausend Worte oder Bilder erschließen uns die Welt - Alte Sprichwörter und Zitate wie das des bekannten Schriftstellers George Orwell weisen bereits seit langer Zeit auf den Wert und die Bedeutung von Bildern hin. Und dennoch, so scheint es, wird gerade in der Schule und in besonderem Maße im Ethik- und Philosophieunterricht abstrakte, analytische Arbeit mit literarischen Texten noch immer bevorzugt. Diese Tendenz geht sogar so weit, Philosophieren anhand von anschaulichem Material nicht als richtiges Philosophieren zu bezeichnen. Barbara Brüning und Ekkehard Martens machen es sich mit ihrer Fachdidaktik Anschauliches Philosophieren zur Aufgabe, dieser Tendenz praktisch entgegen zu wirken. Bereits im kurzen und übersichtlichen Inhaltsverzeichnis wird der praxisorientierte Zugang zu Bildmedien für das anschauliche Philosophieren deutlich. Der inhaltliche Aufbau folgt dabei in seiner Aufteilung in nicht-sprachliche und sprachliche Bilder einer klaren, nachvollziehbaren Struktur. Die weitere Unterteilung in Artikel verschiedener Autoren weist auf eine Vielfalt an Themen hin und bietet den Lesern eine gute Orientierung in den Bereichen Märchen, Fabeln, Bilder, Collagen, Filmen und Theater. Somit zieht sich ein roter Faden klar durch das Werk: Vorwort und Grundlagenartikel der Herausgeber bieten eine gute Einführung und geben einen kurzen Einblick in Ziele, Themen und Methoden des Buches und gehen über in die detaillierten medialen Ausführungen, in denen sich eine ebenfalls logisch strukturierte Form wiederfindet. Zu jedem Medium gibt es einen kurzen Einleitungstext des jeweiligen Autors, welcher dann in ausgewählte Beispiele und Arbeitsanregungen übergeht. Die Autoren unterstützen ihre Texte sinnvoll anhand von Tabellen und Grafiken sowie klug gewählter Überschriften und Textabschnitte. Dabei wird versucht, einen Ausgleich zwischen theoretischer Basis und unterrichtsnaher Beispiele herzustellen. Jedoch lässt sich schnell erkennen, dass der praktische Anteil in der Regel klar überwiegt, spricht doch beispielsweise ein Anteil von 37 Seiten Märchentexte mit Fragestellungen im Verhältnis zu dreieinhalb Seiten 'Theorie' klar für eine derartige Schwerpunktsetzung. 1
2 Im Vorwort wird der Anspruch des Werkes deutlich, anhand der Möglichkeit zur Auswahl aus einer Fülle an Material, bei der, so die Herausgeber, hoffentlich für alle das Richtige dabei ist, den Ethikund Philosophieunterricht anschaulicher und abwechslungsreicher zu gestalten (vgl. S.8). Adressiert werden hier nicht gezielt Lehrer oder Lerner, sondern der Philosophierende selbst, wobei sich der Lehrer schnell als hauptsächlicher Nutzer des Werkes herausstellen wird, der die Beispiele nach den Bedürfnissen seiner Schülerinnen und Schüler in den Unterricht integrieren muss. Es ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, dass sich das Werk zwar an Schülerinnen und Schüler sowohl der Sekundarstufe I als auch der Sekundarstufe II richtet, in den einzelnen Beispielen jedoch in der Regel keine bestimmte Lerngruppe oder Jahrgangstufe mehr angegeben wird, sodass oftmals wohl nur anhand einer Zuordnung der Themen zu den Rahmenplänen auch die gewünschte Lerngruppe erschlossen werden kann. So kann der Lehrer zwar nach eigener Lerngruppenanalyse und Einschätzung das Material freier auswählen, jedoch ist die Intention der jeweiligen Autoren zur Stellung bestimmter Arbeitsaufträge dadurch schlechter nachvollziehen. Zwischen den einzelnen Artikeln unterscheiden sich die Darstellung der didaktischen Theorien und die wissenschaftliche Qualität in erheblichem Maße. Der einführende Artikel von Ekkehard Martens Anschaulich philosophieren (wie) geht das? gibt eine philosophisch fundiert formulierte, wissenschaftliche Einführung in die Methode, in der er zum einen auf die wichtigsten Elemente eines anschaulichen Philosophierens, zum anderen aber auch auf die elementaren Methoden des Philosophierens anhand phänomenologischer, hermeneutischer, analytischer, dialektischer und spekulativer/intuitiv-kreativer Zugangsweisen Bezug nimmt. Die einzelnen Artikel nehmen zwar unterschiedliche theoretische Ansätze und methodische Zugänge vor, beziehen sich jedoch in der Regel zumindest ebenfalls auf die zuvor genannten Zugangsweisen in ihrer Einbettung der Themen und Arbeitsanregungen. Die stilistische Variation mündet in 'fundiertes Wissen in unterschiedlicher Verpackung'. Mal wird sprachlich hochwissenschaftlich (Fabeln), mal ganz praktisch (Collagen) formuliert. Auch im Maße an literarischen Querverweisen auf andere Wissenschaftler oder gar Philosophen im klassischen Sinne herrscht große Unterschiedlichkeit. Man findet so beispielsweise in Christine Grünbergs Artikel Arbeiten mit Collagen Tipps für den Unterricht nicht einen Beleg zu ihren Ausführungen, hat jedoch durch ihre konkreten Beschreibungen das Gefühl einer viel größeren Praxisnähe. Grundsätzlich sind die Artikel jedoch durch ihre gemeinsame Grundlage im Bereich anschauliches Philosophieren in ihrer jeweiligen Konzeption verständlich, zusammenhängend und kompetent. In besonderem Maße profiliert sich das Werk mit seiner großen Anzahl an Beispielen und Arbeitsanregungen, welche sich wiederum an konkreten Themen der Rahmenpläne des Ethik-und Philosophieunterrichts orientieren. Hierbei wird auch gezielt Wert auf ein breites Spektrum an 2
3 Aufgabentypen gelegt. So findet sich z.b. gerade in Uwe Violes Fabeln als Spiegel der Gesellschaft eine gute Mischung aus an den Texten orientierten Analyse- und Inhaltsfragen sowie Diskussions- und Transferfragen. Ebenso werden auch kreative Aufgaben wie Zeichnungen, Rollenspiele etc. angestrebt und größtenteils eine Formulierung nach Operatoren beachtet. Im Allgemeinen stellt sich jedoch heraus, dass vor allem einfache Klassengespräche und persönliche Stellungnahmen sowohl schriftlicher als auch mündlicher Art angeregt werden. Somit steht also ein 'klassischer' Aufgabentyp klar im Vordergrund. Die zahlreichen Vorschläge, die von den Autoren gegeben werden, sind als realistisch umsetzbar einzuschätzen. Sie sind überwiegend schülerorientiert und lassen sich dem Curriculum zuordnen. Leider werden die Beispiele und Anregungen oftmals nur gegeben, nicht aber konkretisiert in Bezug darauf, in welcher Sozialform, in welcher Lerngruppe oder gar zu welchem Zeitpunkt sie geeignet wären. So könnte man sich beinahe wünschen, an einigen Stellen anstatt zehn nur zwei Beispiele vorgeschlagen zu bekommen, für diese aber dann eine konkrete didaktische Einbettung im Sinne einer didaktischen Reduktion, Lerngruppenanalyse und Sachanalyse nachvollziehen zu können. Somit ergibt sich, gerade auch beim Versuch eines kreativ-intuitiven Zugangs zu den jeweiligen Beispielen, teilweise der Eindruck einer relativen Willkür bei der Auswahl der jeweiligen Arbeitsanregung bzw. es wird nicht deutlich, warum eine bestimmte Arbeitsanweisung auf das Beispiel passt. Schlage ich also vor, für das Märchen Die Teigpuppe (S.57 f.) eine neue Überschrift finden zu lassen, wäre es dann nicht auch sinnvoll zu belegen, warum dies eine für die Schülerinnen und Schüler angemessene Aufgabe wäre? Gerade für Berufsanfänger wäre hier ein Vorteil anstatt des bloßen Aufzeigens von Möglichkeiten konkretere didaktische Hinweise zu geben. Hinzu kommt, dass durch die fehlende Legitimation der Aufgaben ebenfalls der Eindruck entstehen kann, dass eine Aufgabe unbedingt innovativ-kreativ aussehen muss, um dem grundlegenden Anspruch des Anschaulichen und Abwechslungsreichen gerecht zu werden. Es folgt, dass sich im Durchschnitt mit den dargestellten Theorien nicht kritisch auseinandergesetzt wird. Von missglückten Unterrichtsversuchen oder Problemen, die bei der Behandlung der Themen aufkommen können, ist nur in Jörg Peters und Bernd Rolfs Artikel zu Spielfilmen im Ethik-und Philosophieunterrichts die Rede. Somit fehlen häufig Tipps für Verbesserungs-, Konflikt- oder Problemlösestrategien. Zudem gibt nur Christine Grünberg in Arbeiten mit Collagen Tipps für den Unterricht Hinweise darauf, wie eine Leistungsbewertung vorzunehmen sei. Daraus ergibt sich ein besonderer Nachteil bei neueren oder kreativen Zugängen zum Philosophieren und für Berufsanfänger, die natürlich noch keinerlei Erfahrung bei der Bewertung haben, v.a. nicht mit ggf. alternativer Leistungsbewertung. Hiermit fehlt also eine 3
4 weitere wichtige Teilkomponente didaktischer Herangehensweisen. Auch wird trotz der großen Anzahl an Arbeitsanregungen nicht konkret auf die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler eingegangen, v.a. da es keine primär adressierte Lerngruppe gibt. Es wird also wenig Möglichkeit zur Differenzierung vorgeschlagen. Eine Möglichkeit zumindest an eine eventuelle interkulturelle Heterogenität der Schülerinnen und Schüler anzuknüpfen, bieten beispielsweise die verschiedenen Märchen internationaler Herkunft. Ein großer Nachteil ist zusätzlich, dass weder anhand von Lernzielen noch anhand von Kompetenzen gearbeitet wird. So ist es doch von großer Relevanz, ein klares Ziel vor Augen zu haben, wenn man eine bestimmte Vorgehensweise vorschlägt. Transparenz dabei wäre hilfreich gewesen. Die fehlende Zuordnung zu Kompetenzbereichen im Ethik-und Philosophieunterricht spricht dem Werk somit einen Teil seiner Aktualität ab. Die Themenauswahl der Autoren orientiert sich an den Rahmenplänen des Ethik- und Philosophieunterrichts. Grundlegende Themen wie 'Freiheit', 'Erkenntnis', 'Gut und Böse', 'Gerecht und Ungerecht' werden somit vielfältig abgedeckt. Ein Bezug zu aktuellen Debatten, wie beispielsweise im Bereich 'Mensch und Natur' und 'Genetik' unter der Frage Darf der Mensch alles tun, was er kann? (S.107), wird zwar nicht explizit vorgeschlagen, ist jedoch durch Erweiterung der vorgeschlagenen Herangehensweisen durchaus möglich. Grundsätzlich sind Themen wie 'Freundschaft', 'Arbeit und Freizeit' sowie 'Umgang mit Konflikten' so gewählt, dass sie die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler auch betreffen. Somit ist eine klare Schülerorientierung gewährleistet. Auf einen wünschenswerten fächerübergreifenden Zugang zur Thematik wird leider nicht hingewiesen, hätte er sich doch vielleicht in manchen Teilen (z.b. Thema Genetik mit dem Fach Biologie) sicher angeboten. Dieser kann aber natürlich anhand anderer Zusatzmaterialien selbstständig vorgenommen werden. In Anbetracht des Titels bezieht sich das Werk natürlich nur auf die Methode des anschaulichen Philosophierens. Durch die Aufteilung der Methode in Philosophieren anhand sprachlicher und nicht-sprachlicher Bilder sowie die weitere Unterteilung dieser Bereiche ist dennoch eine recht große Vielfalt ermöglicht. Auch hier wird das Werk seinem Anspruch gerecht, eine Auswahl zu bieten, in der für jeden Bedarf und jedes Interesse etwas dabei sein kann. Was häufig fehlt, ist leider erneut eine tiefer greifende Analyse, wie sich beispielsweise eine bestimmte Methode auf die Schülerinnen und Schüler auswirkt und welche Rolle der Lehrer dabei spielt. Zusammenfassend befasst sich das Werk also mit dem anschaulichen Philosophieren als Methode des philosophischen Denkens. Es erkennt damit das Potenzial von Bildern als mehrdeutige Symbole, die Raum zum Philosophieren bieten und wendet sich somit einem Gebiet zu, dass 4
5 entgegen der bisher vermehrt literarischen Zugänge zur Philosophie steht und somit den Schülerinnen und Schülern wie auch Lehrern neue Fähigkeiten abverlangt, die sowohl aktuell als auch relevant sind. Gemäß seinem Anspruch übt das Werk somit zu Recht Kritik daran, anschauliches Philosophieren nicht als richtiges Philosophieren zu bezeichnen und gibt durch die große Vielfalt an Autoren und Zugängen die Legitimation dafür, dass anschauliches Philosophieren im Ethik- und Philosophieunterricht möglich und auch wichtig ist. Dabei kann das Werk durch die große Auswahl und Darbietung von Beispielen und Arbeitsanregungen berechtigterweise einer Pädagogikpraxisreihe zugeordnet werden. Die Fachdidaktik ist also grundsätzlich durch die sowohl visuelle als auch inhaltlich moderne Aufmachung für den Adressaten ansprechend und bietet durch die große Bandbreite an Methoden und realistisch umsetzbaren Vorschlägen gerade für angehende Lehrerinnen und Lehrer Freiheit, Grundlage und Aufforderung für eine methodisch flexible und abwechslungsreiche Gestaltung ihres Unterrichts. Somit kann den Schülerinnen und Schülern bei kompetenter Umsetzung der angestrebte spannende Ethik- und Philosophieunterricht geboten werden. Besonders durch den thematisch gegebenen Lebensweltbezug können die gegebenen Vorschläge Aufmerksamkeit, Kreativität und Handeln der Lernenden fördern und somit stille Zuhörer in aktive Mitgestalter des Unterrichts verwandeln. 5
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