INTEGRATIVES MENTALTRAINING IM SPORT

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2 Michael Russ Wolfgang Amler, Patrick Bernatzky & Wolfgang Knörzer INTEGRATIVES MENTALTRAINING IM SPORT Meyer & Meyer Verlag

3 Papier aus nachweislich umweltverträglicher Forstwirtschaft. Garantiert nicht aus abgeholzten Urwäldern! Integratives Mentaltraining im Sport Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über < abrufbar. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzungen, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden by Meyer & Meyer Verlag, Aachen 2. Auflage 2009 Adelaide, Auckland, Cape Town, Budapest, Graz, Indianapolis, Maidenhead, New York, Olten (CH), Singapore, Toronto Member of the World Sportpublishers Association (WSPA) Druck und Bindung: B.O.S.S Druck und Medien GmbH ISBN:

4 INHALT Inhalt Vorwort Einleitung Der integrative Ansatz Phase 1 Orientierung Werteanalyse Zielarbeit Stärkenanalyse Phase 2 Stärken stärken Konzentration a. Das Prinzip der Geistesgegenwart b. Das Hara-Prinzip Selbstmotivationsstrategien Bewegungen mental optimieren Phase 3 Mentale Blockaden Blockadenprävention Blockadenlösung a. Mangelnde Sinnhaftigkeit b. Mangelnde Verstehbarkeit c. Mangelnde Machbarkeit Phase 4 Erfolgskontrolle Grundprinzipien der Evaluation Messinstrumente Mentales Training auf den Punkt gebracht Ausblick Literatur Index Übersicht Arbeitsblätter Bildnachweis

5 MENTALTRAINING IM SPORT VORWORT Sportler, Trainer und Management versuchen, mit gezielter Planung, riesigem Aufwand und hohen Umfängen zu sportlichen Erfolgen zu gelangen oder eine Spitzenposition zu halten. Daher ist es richtungweisend, dass in diesem komplexen Trainingsprozess bis zu einem erfolgreichen Wettkampf neben vielen anderen Komponenten, wie Technik-, Taktik- oder Athletiktraining, auch das Mentaltraining eine wichtige Rolle spielt. Für mich gehört in den Entwicklungsprozess einer Mannschaft in der Vorbereitung auf Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften das Mentaltraining gleichrangig wie die anderen Komponenten dazu, ansonsten handle ich als Trainer fahrlässig und nutze nicht die gesamten Ressourcen des einzelnen Spielers und des Teams. In wichtigen, entscheidenden Spielen sollten die Spieler in der Lage sein, ihre Stärken für den Teamerfolg auf dem Platz einzusetzen. Dazu sollten sich die Spieler im optimalen körperlichen und mentalen Zustand befinden. Dies ist nicht voneinander zu trennen. Den idealen mentalen Leistungszustand eines Sportlers herzustellen, wird durch das vorliegende Buch Integratives Mentaltraining im Sport praxisnah mit vielen Übungen hervorragend herausgearbeitet. Erfolg oder Misserfolg im Sport haben auch immer eine gefühlsmäßig-emotionale Ausprägung. Kann ich als Spieler in den letzten drei Minuten eines entscheidenden Halbfinales einer WM meine Stärken für den Erfolg einsetzen, oder bin ich so blockiert und gestresst, dass ich die richtigen Entscheidungen auf dem Platz nicht mehr erkennen kann? Zum Mentaltraining gehört sowohl die kognitive Seite, wie z. B. das Formulieren realistischer Ziele, aber eben auch die emotionale Seite, wie z. B. weiter klar unter starkem Druck im entscheidenden Wettkampf richtig entscheiden und handeln zu können. Die Autoren stellen gut strukturiert ein Vier-Stufen-Modell als Sportmentaltrainingszyklus vor, den ich aus meiner praktischen Erfahrung als Trainer als zielführend ansehe. 6

6 VORWORT Wir haben mit der Hockeynationalmannschaft in einer ersten Phase die Werte (Wofür stehen wir als Team? Was ist uns wichtig? Wie wollen wir gesehen werden?) und unsere Ziele für die anstehende Meisterschaft als Ergebnis- und Handlungsziele konkret formuliert. In der zweiten Phase lag der Schwerpunkt darin, die Stärken des Einzelnen für das Team herauszuarbeiten, dann die Stärken in unserer Teamarbeit als Einheit zu finden. Um technische und taktische Bewegungsabläufe auf einem stabilen, automatisierten Niveau ablaufen zu lassen, gehört auch eine mental aufgebaute Bewegungsvorstellung und das Empfinden eines entsprechenden Bewegungsgefühls in den Prozess des Stärkens. Wie kann ich eigentlich Konzentration auf den entscheidenden Moment (Hier und Jetzt!) erlangen? Hierzu gehört mehr als das obligatorische: Jetzt konzentriere dich endlich mal! auf vielen Sportplätzen. Das vorliegende Buch stellt zu diesem Thema aus der Tradition asiatischer Kampf- und Bewegungskünste Erfolg versprechende Methoden zur Auswahl. In unserer Mannschaft wurden in der dritten Phase, entsprechend dem Modell von Amler, Bernatzky und Knörzer, schwierige Szenarien vorher durch mentale Übungen angegangen, die die Spieler in bedrohliche, stresshafte Situationen mit hoher Anspannung vor oder in entscheidenden Phasen des Wettkampfs geführt haben. Wir versuchen, neben dem Training, auch mental, auf alle zu erwartenden schwierigen Spielsituationen vorbereitet zu sein. Sicher sollte in einer abschließenden vierten Überprüfungsphase eine Erfolgskontrolle eingebaut sein. An welchen Kriterien lässt sich erkennen, ob wir den gesamten Prozess erfolgreich gestaltet und unsere Ziele erreicht haben? Aus meiner Erfahrung als Bundestrainer erscheint es mir wichtig, im Sport die Formen des kognitiven Mentaltrainings durch emotional-gefühlsmäßige mentale Übungen in allen Sinneskanälen erst zur Wirkung kommen zu lassen. Diese Verbindung wird durch das Konzept des Integrativen Mentaltrainings im Sport für alle Leistungsebenen eindrucksvoll geboten, ein überaus gelungenes Buch zum Einsatz des praktischen Mentaltrainings durch Sportler und Trainer. Bernhard Peters (Bundestrainer Deutscher Hockey-Bund) 7

7 MENTALTRAINING IM SPORT EINLEITUNG Mentaltraining, ja oder nein? Dies ist für uns keine Frage. Wir gehen davon aus, dass jede sportliche (aber auch nichtsportliche) Handlung immer von einem mentalen Prozess begleitet wird. Seine Qualität beeinflusst entscheidend die Qualität der sportlichen Handlung. Es geht also nur darum, ob wir diesen mentalen Prozess bewusst beeinflussen möchten oder ob wir seinen Verlauf dem Zufall überlassen. Mithilfe des Mentaltrainings (MT) können mentale Prozesse bewusst und systematisch beeinflusst werden. Dem MT kommt daher eine ebenso wichtige Bedeutung zu wie dem körperlichen Training. Während es jedoch im Sport seit Jahrzehnten selbstverständlich ist, die Erkenntnisse der Trainingslehre im Technik-, Taktik- und Konditionstraining umzusetzen, wird das MT nach wie vor nicht oder nur in Einzelfällen angewandt, meist erst dann, wenn mentale Probleme die sportliche Leistungsfähigkeit oder gar die Karriere ernsthaft gefährden. Somit bleiben die Potenziale, die gerade in diesem Bereich liegen, weit gehend ungenutzt. MT sollte nicht erst dann einsetzen, wenn Probleme und Blockaden auftauchen, sondern es sollte wie das körperliche Training langfristig und systematisch geplant und durchgeführt werden. Trainer und Aktive müssen sich entscheiden, ob sie die Möglichkeiten des MT nutzen oder vernachlässigen wollen. Bei der Beschäftigung mit MT sollten die Besonderheiten mentaler Prozesse berücksichtigt werden. Wir gehen davon aus, dass jeder mentale Prozess immer eine gedanklich-kognitive Seite und eine gefühlsmäßig-emotionale Seite hat. Gerade die emotionale Grundstruktur hat einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des mentalen Prozesses. Jeder Sportler, jeder Trainer weiß dies. Eine noch so klare kognitive Bewegungsvorstellung, ein noch so gut verstandenes taktisches Konzept scheitert in der sportlichen Praxis, wenn gleichzeitig eine durch Verunsicherung und Angst geprägte emotionale Grundstimmung die mentalen Prozesse beeinträchtigt. Unser Ansatz des MT stellt daher neben der Beeinflussung der kognitiven Prozesse die Beeinflussung der emotionalen Prozesse in den Mittelpunkt. Schließlich wirken sich mentale Prozesse auf die körperlich-physiologischen Prozesse aus. Lampen- bzw. Startfieber lässt sich in physiologischen Kennzahlen tatsächlich messen; großer mentaler Druck verändert unsere Muskelspannung und Körper- 8

8 Einleitung haltung und führt dadurch zu Einschränkungen unserer Bewegungsmöglichkeiten; Be geist erung verleiht uns sprichwörtlich Flügel, lässt uns all unsere körperliche Leistungsfähigkeit aktivieren und einsetzen. Mentale Prozesse weisen also immer eine gedanklich-kognitive, gefühlsmäßig-emotionale wie auch körperlich-physiologische Komponente auf. Gerade hierin liegen die Möglichkeiten ihrer Beeinflussung. Wir können unsere mentalen Prozesse durch Impulse auf kognitiver, emotionaler und physiologischer Ebene bzw. durch deren Kombination gezielt beeinflussen. Je mehr Komponenten beteiligt sind, umso weit reichender die Auswirkung auf den mentalen Prozess. Ein kognitiv erarbeitetes Ziel wirkt deutlich intensiver, wenn man sich zusätzlich in den emotionalen Zustand der Zielerreichung versetzt und wird noch einmal intensiviert durch das Einnehmen der Geste und Haltung im Moment der Zielerreichung. Unser Ansatz des MT berücksichtigt deshalb immer alle drei Komponenten. 9

9 Der integrative Ansatz DER INTEGRATIVE ANSATZ Die übergeordnete Zielsetzung des Mentaltrainings im Sport besteht darin, den Sportler dabei zu unterstützen, einen Zustand idealer Leistungsfähigkeit zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Dieser Zustand wird in der Literatur mit verschiedenen Begriffen beschrieben (Zone of Optimal Functioning Hanin, 1995; Ideal Performance State Unestahl, 1986; Flow Csikszentmihalyi et al., 2000; Inner Game Gallwey, 1977; State of Excellence Zerlauth, 2000; Geistesgegenwart Dürckheim, 1981; Tiwald 1981; Synchronisation Eberspächer, 2001; optimaler Erregungszustand Liggett, 2004). Befindet sich der Sportler in diesem Zustand, gelingt es ihm, seine Fähigkeiten optimal zu nutzen; er erlebt dabei die Leichtigkeit des Handelns. Er befindet sich in einer Zone idealer Leistungsfähigkeit. Häufig erleben wir, dass sich der Athlet im Training, vor allem aber im Wettkampf außerhalb dieser Zone befindet bzw. aus dieser Zone hinausgerät. Er befindet sich dann, äußerlich betrachtet, in einer Zone zu hoher Motivation oder in einer Zone zu geringer Motivation. Um das gesamte Erlebensrepertoire eines Sportlers zu erfassen, verwenden wir ein Drei-Zonen-Modell. Übermotivationszone Zone idealer Leistungsfähigkeit Untermotivationszone In der Übermotivationszone befindet sich der Sportler immer dann, wenn er zu viel des Guten erreichen will. Er möchte einen Wettkampf besonders erfolgreich bestreiten, eine Übung ganz perfekt ausführen, einen Spielzug äußerst trickreich gestalten und strengt sich deshalb aufs Äußerste an. Trotzdem oder gerade deshalb geht die Übung daneben, der Ball landet beim Gegner, der Wettkampf wird verloren. Jeder Sportler und jeder Trainer kennt solche Situationen. Alle geben scheinbar ihr Bestes, wollen 150 % Leistung bringen und erreichen doch genau das Gegenteil des gewünschten Ergebnisses. In der Sportpsychologie wird hier von einem Übererregungsgrad gesprochen, der Muskeltonus ist sehr hoch, häufig geht das Ganze mit einem hohen Aggressionsgrad einher. Die eingesetzte Energie verpufft oft in unkonzentrierten und ziellosen Aktionen. 11