Fatigue Design bei Offshore-Windenergieanlagen
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1 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 1 Fatigue Design bei Offshore-Windenergieanlagen Univ. Prof. Dr.-Ing. Peter Schaumann; Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Patric Kleineidam; Dipl.-Ing. Fabian Wilke Institut für Stahlbau, Universität Hannover, Appelstraße 9A; Hannover Herrn em. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karlheinz Roik zur Vollendung seines 80. Lebensjahres gewidmet. In diesem Beitrag werden Ergebnisse von Untersuchungen zum Nachweis gegen Ermüdung von Offshore-Windenergieanlagen vorgestellt. Nach der Vorstellung und Diskussion möglicher Varianten von Tragstrukturen werden verschiedene Konzepte zur Berücksichtigung der Beanspruchungen aus dem Seegang für den Nachweis gegen Ermüdung beschrieben und bewertet. Die Konzepte reichen von deterministischen Verfahren, über Berechnungen im Zeitbereich zu Berechnungen im Frequenzbereich. Aufgelöste Strukturen machen zudem die Anwendung von Berechnungsansätzen erforderlich, die über das Nennspannungskonzept hinausgehen. Fatigue Design of Offshore Wind Energy Conversion Systems. This paper compares concepts for the fatigue design of offshore wind energy conversion systems (OWECS). After a description of several types of support structures for OWECS, different methods for the fatigue design of these structures under wave loading are described. Possible concepts are the deterministic approach, the calculation in the time domain or in the frequency domain. As the nominal stress approach can hardly be applied to the joints of braced or lattice structures, local approaches to the fatigue assessment of welded joints have to be used. 1 Einleitung Bild 1: links: Offshore-Windpark North Hoyle, UK. Foto: Anthony Upton rechts: Turmmontage beim Offshore-Windpark Arklow Bank, IRL. Foto: GE Wind Energy Fig. 1: left: North Hoyle wind farm, UK. Photo: Anthony Upton right: Installation of towers at the wind farm Arklow Bank, IRL. Photo: GE Wind Energy
2 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 2 Die Windenergieindustrie hat sich in den letzten Jahren in Deutschland zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Dies hat sich auch bei der Turmherstellung auf den Stahlbau ausgewirkt. Bis Ende 2003 sind in Deutschland mehr als Windenergieanlagen (WEA) errichtet worden. Die Türme für diese Anlagen werden überwiegend aus Stahl gefertigt. Am weitesten verbreitet sind dabei Stahlrohrtürme, für die mit Stahlmassen - nur für die Turmkonstruktion - von etwa 80 t/mw zu rechnen ist, wie eine Untersuchung ergeben hat, siehe [1]. Nach einer Studie des DEWI ist für Landanlagen eine jährliche Installation von etwa 1500 MW in Deutschland nach einem Rückgang innerhalb des kommenden Jahrzehnts auch langfristig noch zu erwarten, siehe Bild 1. Aus dem oben angegebenen Wert können die nennenswerten Stahlmassen abgeleitet werden, mit deren Einsatz im Bereich der Windenergieanlagen gerechnet werden kann. Bild 2: Installierte Windenergieleistung pro Jahr in Deutschland, Entwicklung seit 1990 und Marktprognose bis 2030, Quelle: DEWI-Studie [2] Fig. 2: Installed wind energy capacity per year (Germany), development since 1990 and assessment until 2030, Source DEWI-Study [2] Der Rückgang innerhalb der nächsten Jahre wird zudem durch die erwartete Entwicklung von großen Windparks in der Nord- und Ostsee ausgeglichen. Bezüglich der benötigten Stahlmengen pro Anlage kann bei Offshore-Projekten aus den bisherigen Erfahrungen in Dänemark, bei vorsichtiger Schätzung, von einer Verdoppelung gegenüber den Landanlagen ausgegangen werden. Denn den günstigeren natürlichen Windbedingungen steht ein höherer technischer Aufwand entgegen. Insbesondere die Investitionen für Fundament und
3 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 3 Energietransport sind für Offshore-Standorte bedeutend höher. Bei der derzeitigen Kostenstruktur entfallen etwa 20% der Investitionskosten auf die Fundamente und deren Installation. Für Offshore-Standorte kommt daher einer Optimierung der Konstruktion im Vergleich zu Landanlagen eine größere Bedeutung zu. Durch die Errichtung der Anlagen auf See entstehen gegenüber den Landanlagen Fragestellungen, die die zusätzlichen Beanspruchungen aus dem Seegang und spezielle Konstruktionsformen betreffen. Auf diese Fragestellungen sind die Forschungsprojekte im Bereich der Offshore-Windenergieanlagen ausgerichtet, die am Institut für Stahlbau der Universität Hannover bearbeitet werden. Im Rahmen dieses Beitrages werden zunächst typische Tragstrukturen für Offshore-WEA beschrieben. Anschließend wird die Ermittlung der maßgebenden Beanspruchungen für diese Anlagen erläutert, bevor verschiedene Verfahren zur Durchführung einer Lebensdaueranalyse von Tragstrukturen unter Seegangslasten als maßgebender Bestandteil vorgestellt und vergleichend bewertet werden. Für Rohrknotenverbindungen, die als Bestandteile der Tragstrukturen in der Nord- und Ostsee erwartet werden können, wird in diesem Beitrag auf verschiedene Aspekte des Nachweises gegen Ermüdung eingegangen. 2 Tragstrukturen für Offshore-WEA 2.1 Gründungskonzepte Von den in Deutschland etwa 30 derzeitig beantragten Windparks in der 12-Seemeilen-Zone und der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) befinden sich nahezu alle in Wassertiefen bis maximal 45 m. Oberhalb der Wasserlinie weisen alle Konzepte den gleichen Aufbau auf. Die Anlagen, für die zukünftigen Offshorestandorte in der Größenklasse bis 5,0 MW, werden auf stählerne Rohr- oder Fachwerktürme mit Nabenhöhen um 80 m montiert. Aufgrund der günstigeren Windverhältnisse Offshore, sowohl bezüglich der mittleren Windgeschwindigkeit als auch der Rauhigkeitseinflüsse in der Grenzschicht, kann auf höhere Türme onshore geht die Entwicklung hin zu Türmen mit Nabenhöhen von 130 m und mehr verzichtet werden.
4 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 4 Tabelle 1: Bisher in Europa ausgeführte Nearshore- und Offshoreprojekte Table 1: Previously carried out European nearshore and offshore projects Vor allem wegen des bedeutenden Anteils an den Investitionskosten (siehe Abschnitt 1) werden derzeit auf Basis des vorliegenden Wassertiefenbereichs für die Tragstrukturen der Offshore-WEA verschiedene Gründungskonzepte diskutiert, wobei sich Erfahrungen an bisher ausgeführten Nearshore- und Offshore-Projekten auf die beiden im folgenden erstgenannten Konzepte konzentrieren (vgl. Tabelle 1).
5 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 5 Bild 3: Konzepte für die Gründungsstrukturen von Offshore-WEA Fig. 3: Concepts for the support structures of offshore wind energy conversion systems
6 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 6 Die in Bild 3 dargestellten Grundvarianten sind: a.) Monopile-Strukturen Bei diesem Konzept wird ein einzelnes Stahlrohr in den Baugrund gerammt (oder auch gebohrt). Die Verfahren zur Einbringung von Pfählen mit großem Durchmesser (> 5m) werden stetig weiterentwickelt. Über eine spezielle Verbindung, den grouted joint, bei dem zwei ineinander gestellte Rohrstücke mit hochfestem Mörtel verpresst werden, können Schiefstellungen des gerammten Pfahlteils ausgeglichen werden. Im Gegensatz zu Mehrpfahl-Lösungen ist bei dieser Variante für den Biegemomententabtrag die laterale Bodentragfähigkeit von besonderer Bedeutung. Das Tragverhalten von Monopiles mit großem Durchmesser, vor allem unter zyklischer Dauerlast, ist nicht vollständig geklärt und Bestandteil der aktuellen Forschung [3], [4]. b.) Schwergewichtsgründungen Das Funktionsprinzip entspricht im Wesentlichen dem der klassischen, massiven Flachgründung. Alternativ bieten sich Stahl- oder auch Betonkästen an, die abgesenkt und ballastiert werden. Untersuchungen zu Schwerkraft-Fundamenten aus Beton für die ersten Offshore-Parks in Dänemark (z.b. [5], [6]) haben gezeigt, dass diese durch den technische Aufwand und die Kosten mit zunehmender Wassertiefe unwirtschaftlich werden, wenngleich neuere Untersuchungen zeigen, dass diese Konzepte, vor allem bei steigender Anlagengröße, auch für Wassertiefen bis etwa 25 m mit vertretbaren Aufwand umzusetzen sind, siehe [7] und [8]. c.) Tripod (Dreibein-Fundament) Bei der Gründungsvariante Tripod wird der Turmschaft durch eine dreibeinige Abstrebung und horizontal liegende Aussteifungen gestützt. Die Verbindung mit dem Baugrund erfolgt mit Pfählen, die in Hülsen am Ende der Tripodbeine geführt und durch Verpressen kraftschlüssig mit diesen verbunden werden. Im Vergleich zu den vorgenannten Konzepten ermöglicht die aufwändigere Konstruktion den Einsatz in größeren Wassertiefen. d.) Jacket-Gründungen Die Jacket-Gründung (in Bild 3c als kombinierte Jacket-Monoturm-Variante dargestellt) ist eine fachwerkartige Struktur aus Rundhohlprofilen mit großer Basis, die wie das Tripod-Fundament mit Pfählen im Baugrund verankert wird und eine große Steifigkeit aufweist. Der Wassertiefenbereich entspricht etwa dem des Tripods. e.) Bucket-Fundament Das Bucket-Fundament ist ein eimerartiges Stahlfundament, das mit der Öffnung nach unten mittels eines Vakuumverfahrens in den Boden eingesaugt wird [9]. Die gesamte vom
7 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 7 Fundament eingeschlossene Bodenmasse trägt zur Stabilität des Fundamentes bei. Es kann nach [9] bei Wassertiefen bis 40 m eingesetzt werden. Die Vorteile sind die niedrigen Kosten der einfachen Struktur und eine leichte Rückbaufähigkeit: Wenn Luft hineingepumpt wird, hebt sich das Fundament aus dem Boden. Wenngleich kleine Hindernisse mittels örtlicher Bodenverflüssigung beseitigt werden können, ist zur Anwendung des Konzepts ein homogener Baugrundaufbau nötig. f.) Tension Leg-Konzept Dieses neue Konzept (Bild 3f nach [10]) sieht einen halbtauchenden, d.h. unter der Meeresoberfläche befindlichen aber nicht auf dem Meeresgrund abgesetzten, Schwimmkörper vor, der aus mehreren Pontons besteht, die durch eine Aussteifungskonstruktion verbunden sind. Die Pontons werden mit mittels Abspannungen am Meeresgrund verankert. Im Verbindungspunkt der Pontons wird der WEA-Mast eingespannt. Großer Vorteil dieses Konzepts, das ab mittleren Wassertiefen eingesetzt werden soll, ist das einfache Einschwimmen der Schwimmkörper zum Offshore-Standort. Mischsysteme aus den dargestellten Varianten, wie z.b. das aus der Ölförderindustrie bekannte Suction Bucket-Konzept (eine Jacketkonstruktion mit Saugpfählen als Verankerung) sind möglich. Tabelle 2: Wassertiefenbereiche für die verschiedenen Gründungskonzepte Table 2: recommended water depths for different types of support structures Die für die Konzepte in Tabelle 2 angegebenen Wassertiefen stellen nur eine grobe Orientierung bei der Untersuchung möglicher Konzepte dar. Erfahrungen beim Entwurf der Offshore-Tragstrukturen zeigen deutlich, dass eine Betrachtung allein der Wassertiefe der Aufgabenstellung bei weitem nicht gerecht wird. Weitere maßgebende Einflussgrößen für die Wahl der Tragstruktur ergeben sich neben der Einbeziehung von Montage, Transport und Rückbaufähigkeit sowohl aus den standortspezifischen Umweltbedingungen als auch dem Anlagenbetrieb:
8 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 8 Bodenverhältnisse: Insbesondere für Monopile-Strukturen sind tragfähige Böden ohne größere Rammhindernisse von großer Bedeutung. Bei Tripods und Jacket-Konstruktion sind die Anforderungen an die laterale Tragfähigkeit geringer, da Biegemomente im Wesentlichen als aufgelöstes Kräftepaar in den Baugrund eingeleitet werden. Ein ebener, gut tragfähiger Meeresboden reduziert die Vorbereitungskosten bei Schwergewichtsfundamenten. Seegangs- und Strömungsverhältnisse am Standort: Wellenhöhe und -verteilung, Strömungsgeschwindigkeit und Eisgang, vor allem in der Ostsee, beeinflussen die Bemessung. Einflüsse aus der Anlage: Um die insbesondere für die Ermüdung nachteilige Anregung der Struktur im Bereich der Eigenfrequenzen zu vermeiden, sollten diese in einem Abstand von mindestens 5% von den wesentlichen Anregenden, der Rotordrehzahl (1P) und der Blattdurchgangsfrequenz (3P bei den üblichen 3-Blatt-WEA), liegen. Liegt die Eigenfrequenz der Tragstruktur gemäß des Resonanzdiagramms (Cambell-Diagramm) nach Bild 4 zwischen 1P-Anregender und der 3P-Anregenender, wird die Eigenfrequenz nur beim An- oder Abschalten der Anlage durchlaufen. Im Produktionsbetrieb besteht keine Resonanzgefahr. Man bezeichnet diese Auslegung als soft-stiff. Eigenfrequenzen oberhalb beider Anregenden ( stiff-stiff ) sind vor allem bei größeren Wassertiefen nur schwer erreichbar. Hingegen erfordert die sehr weiche Konstruktion der soft-soft - Variante besondere Aufmerksamkeit bei der Berechnung, da hier neben der Resonanzgefahr im Produktionsbetrieb auch die Schwingamplituden stark zunehmen. Bild 4: Resonanz-Diagramm einer drehzahlvariablen Dreiblatt-WEA Fig. 4: Campbell-diagramm of a three-bladed wind turbine
9 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 9 Die bisher vorliegenden Erfahrungen mit Anlagengrößen bis maximal 3,6 MW werden nicht ohne weiteres auf die zukünftige Offshore-Anlagengeneration übertragbar sein, da deutlich steigende Turmkopfmassen das dynamische Verhalten stark beeinflussen werden. 2.2 Stähle für Offshorestrukturen Die im Vergleich zu Onshore-Anlagen größeren erforderlichen Blechdicken sowie die speziellen Umgebungsbedingungen führen zu erweiterten Anforderungen an die Stähle. Die Normen [11], sowie die Richtlinien der Zertifizierungsstellen (z.b. [10], [12], [13]) bestimmen die Werkstoffwahl. Bei den Offshorestählen nach [11] handelt es sich um ausschließlich voll beruhigt vergossene, feinkörnige Stähle, die entweder normalisierend oder thermomechanisch gewalzt sind [14]. Sie weisen gegenüber üblichen Baustählen deutlich geringere Schwefelgehalte auf, wodurch Sulfideinschlüsse reduziert werden und die Anisotropie der Eigenschaften verringert wird. Die an die Kerbschlagzähigkeit gestellten Anforderungen sind mit Prüftemperaturen bis -40 C und erhöhten Mindestwerten der Kerbschlagarbeit deutlich höher als bei üblichen Baustählen. 3 Beanspruchungen Offshore-WEA sind vielfältigen Beanspruchungen ausgesetzt. Zusätzlich zu den Beanspruchungen aus dem Anlagenbetrieb unter Wind, der bei Landanlagen den maßgeblichen Lasteinfluss darstellt, können sich die in Abschnitt 2.1 beschriebenen Bedingungen auf die Strukturauslegung auswirken. Die Erfahrungen bei der Auslegung der Tragstrukturen von Offshore-WEA zeigen, dass vor allem für die unter kombinierten Windund Wellenlasten stehenden, geschweißten Strukturteile unterhalb der Wasserlinie der Ermüdungsnachweis maßgebend wird. Allein aus der Wellenbelastung ist für Nord- und Ostseestandorte während der Auslegungslebensdauer der Anlagen von 20 Jahren mit Lastspielzahlen um 10 9 zu rechnen. Die Nachweise gegen Ermüdung stellen daher den Schwerpunkt der hier dargestellten Betrachtungen dar. 3.1 Strukturbeanspruchungen aus Anlagenbetrieb Die Ermittlung von Strukturbeanspruchungen aus dem Betrieb der Anlage erfolgt für die Windenergieanlagen der Megawattklasse durch Simulationsrechnungen im Zeitbereich, die mit speziellen Programmen durchgeführt werden müssen, siehe hierzu z.b. [15]. In diesen Berechnungen werden repräsentative Umweltverhältnisse berücksichtigt, die in den entsprechenden Vorschriften, siehe DIBt-Ri [16] und GL-Ri [17], geregelt sind und z.b. Böeneigenschaften des Windes, Richtungsänderungen, Start- und Stoppvorgänge der Anlage
10 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 10 u.ä. beinhalten. Die DIBt-Richtlinie ist unter Mitwirkung des Erstautors überarbeitet worden und im Mai 2004 erschienen. Zur Durchführung der angesprochenen Berechnungen sind zudem Informationen über die Gestaltung der Rotorblätter und die Steuerung der Anlage erforderlich, die nur bei den Herstellern der Anlage vorliegen. Als Konsequenz werden die Berechnungen meistens von den Herstellerfirmen selbst oder spezialisierten Ingenieurbüros durchgeführt. Die Überprüfung der Lastansätze erfolgt über Gutachten, die von unabhängigen Institutionen, wie etwa dem Germanischen Lloyd, dem Det Norske Veritas, einigen TÜV-Stellen und z.b. dem DEWI-OCC, angefertigt werden. Als Ergebnis der Berechnungen liegen Zeitreihen der Beanspruchungen an unterschiedlichen Schnitten der Anlage vor, die für die Nachweise gegen Ermüdung für die Struktur üblicherweise in Summenkollektive umgerechnet werden. Bei Windenergieanlagen wirkt sich der drehende Rotor überwiegend dämpfend auf die dynamische Reaktion der Anlage aus. Die Werte einer solchen aerodynamischen Dämpfung sind vom Betriebszustand der Anlage und damit der Windgeschwindigkeit abhängig. Realistische Werte können aus den angesprochenen Berechnungen abgeleitet werden. Die aerodynamische Dämpfung kann die Größenordnung der Strukturdämpfung übersteigen. und hat daher einen maßgebenden Einfluss auf die rechnerisch ermittelten Schädigungen. In Bild 5 ist die Zusammensetzung der Gesamtdämpfung aus Strukturdämpfung und aerodynamischer Dämpfung in Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit dargestellt. Für die Strukturdämpfung wurden mittlere Werte für einen Stahlturm mit Flachgründung auf Sand nach [18] angenommen. Die aerodynamische Dämpfung ist vom Anlagentyp abhängig; hier sind exemplarisch Werte nach [19] dargestellt. Im Betriebsbereich der Anlage übersteigt die aerodynamische Dämpfung die Strukturdämpfung deutlich, so dass in diesem Bereich von einem großen Einfluss der aerodynamischen Dämpfung auf die Strukturantwort und damit die ermittelte Schädigung auszugehen ist. Bei Windgeschwindigkeiten außerhalb des Betriebsbereiches, kleiner als die Einschaltwindgeschwindigkeit oder größer als die Ausschaltwindgeschwindigkeit, wirkt ausschließlich die Strukturdämpfung.
11 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 11 Bild 5: Zusammensetzung der Dämpfung für Tragstrukturen von Windenergieanlagen in Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit, exemplarische Darstellung Fig. 5: Composition of damping values for support structures of wind energy converters against the wind speed, exemplary illustration 3.2 Kombinierte Beanspruchung aus Anlagenbetrieb und Seegang In den verbreiteten Programmen Flex5 [20] und Bladed [21] zur Durchführung der oben angesprochenen Berechnungen können zwar bereits Wellenbeanspruchungen berücksichtigt werden, es ist aber Stand der Technik, dass bei diesen Berechnungen die Tragstruktur der Windenergieanlage auf einen Kragbalken mit elastischer Lagerung zurückgeführt wird. Dies basiert auf der Entwicklung der Windenergietechnik mit ihren typischen Turmstrukturen für Landanlagen. Die Möglichkeit, aufgelöste Strukturen, wie etwa eine Offshore-WEA mit Tripod-Gründung, in die Simulationsrechnung einzubeziehen, liegt momentan in diesen Programmen noch nicht vor sondern ist Gegenstand laufender Entwicklungen, so dass zur Zeit getrennte Berechnungen für Belastungen aus Wind und Wellen durchgeführt werden müssen. Zur Kombination der Ermüdungsbeanspruchungen kann beispielsweise auf die Entwicklungen der TU Delft zurückgegriffen werden, siehe z.b. Kühn [19] und Tempel [22]. Vor diesem Hintergrund werden hier im Folgenden Berechnungsverfahren für allgemeine Strukturen unter Seegangsbeanspruchung vorgestellt. 3.3 Konzepte für den Nachweis gegen Ermüdung bei Seegangsbeanspruchungen Die Konzepte für den Nachweis gegen Ermüdung von Tragstrukturen unter Seegangsbeanspruchungen reichen von deterministischen Methoden, die häufig für Öl- und
12 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 12 Gasplattformen eingesetzt werden, über Berechnungen im Frequenzbereich bis zu Berechnungen im Zeitbereich. Bild 6: Berechnungskonzepte zur Schädigungsbewertung von Offshore-Tragstrukturen unter Seegangsbeanspruchungen Fig. 6: Concepts for fatigue assessment of offshore structures under wave loading Die grundlegenden Verfahrensschritte sind in Bild 6 zusammengestellt und werden im Folgenden näher erläutert. Ausgangspunkt für alle Berechnungskonzepte ist, wie in der Abbildung erkennbar, die langzeitstatistische Beschreibung des Seegangs. Bevor auf die
13 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 13 Verfahren näher eingegangen wird, werden daher maßgebende Charakterisierungen der maritimen Umgebungsbedingungen zusammengestellt Maritime Umgebungsbedingungen und Seegangslasten Unregelmäßiger Seegang, wie er in der Natur angetroffen wird, kann allgemein durch einen stochastischen Verlauf der Wasserspiegelauslenkungen beschrieben werden, siehe [23]. Den maßgebenden Einfluss bei der Ausbildung des Seegangszustandes besitzt der Wind, der Bewegungsenergie in das Meer in Abhängigkeit der Überstreichungslänge (Fetch) einträgt. Der stochastische Verlauf des Seegangs ist in Zeitperioden von mehreren Stunden nahezu stationär, siehe [23]. Die Eigenschaften des Seegangs werden für diese Seegangszustände empirisch über so genannte Wellenenergiespektren - auch Seegangsspektren genannt - beschrieben. Üblich ist nach Clauss [24] die Verwendung der beiden folgenden empirischen Beschreibungen. Für eine voll entwickelte Windsee in tiefem Wasser und bei unbegrenztem Fetch wird das Pierson-Moskowitz-Spektrum S ζζ,pm empfohlen, siehe Gleichung 1. S H s 1 π 1 ζζ, PM ( ω) = 4 π exp T ω Z T ω Z mit H S [m] signifikante Wellenhöhe T Z [s] mittlere Nulldurchgangsperiode (1) Für flacheres Wasser und bei extremen Seegangsverhältnissen wird dort auf das JONSWAP- Spektrum S ζζ,js verwiesen, das auf umfangreichen Messungen vor der deutschen Nordseeküste basiert. In Gleichung 2 ist die Formulierung für das JONSWAP-Spektrum angegeben, wie sie bei Vugts [25] verwendet wird. 2 1 ω ω exp m 2 σω ζζ, ( ω) ζζ, ( ω) m S = γ JS nf S PM (2) mit nf [-] Normalisierungsfaktor γ, σ [-] Anpassungsfaktoren ω m [rad/s] Modale Frequenz des Spektrums Informationen über langzeitstatistische Verteilungen dieser Seegangszustände dienen als Grundlage für die Strukturauslegung und werden für Bemessungsaufgaben in so genannten Wellenverteilungsdiagrammen zusammengestellt. In Bild 7 sind typische Wellenverteilungsdiagramme für Nordsee- bzw. Ostseebedingungen nach [26] dargestellt. Sie
14 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 14 enthalten Informationen darüber mit welchen Häufigkeiten bestimmte Seegangszustände mit den maßgebenden Parametern H S und T Z auftreten. Beruhend auf Seegangsbeobachtungen und Messungen können diese Informationen ortsbezogen z.b. vom Deutschen Wetterdienst zur Verfügung gestellt werden. Alternativ können Ergebnisse von Simulationsrechnungen verwendet werden, die für die Deutsche Bucht beispielsweise am Institut für Strömungsmechanik der Universität Hannover durchgeführt worden sind, siehe [3]. Bild 7: Typische Wellenverteilungsdiagramme für Nordsee- bzw. Ostsee-Umgebungbedingungen, nach [26], auf Klassenbreite der Wellenhöhe bzw. Wellenperiode bez. Häufigkeit in Promille Fig. 7: Typical wave scatter diagrams for North Sea and Baltic Sea conditions, see [26], probability in part per thousand, related to class range of wave height respectively wave period, Die Berechnung von Wellenlasten ist der nächste Schritt, um von den Umgebungsbedingungen auf die Strukturbeanspruchungen zu schließen. Mit geeigneten Wellentheorien werden für die jeweiligen Seegangsbedingungen die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der Wasserpartikel ermittelt. Aus diesen können für hydrodynamisch transparente Tragstrukturen mit Hilfe der Morison-Formel die Strukturbelastungen abgeleitet werden, siehe z.b. Clauss [24]. Grundlegende Überlegung ist, die Komponenten der Wasserpartikelkinematik zu bestimmen, die senkrecht auf die Struktur ausgerichtet sind, und aus diesen die Strukturbelastung mit Hilfe der Morison-Formel zu berechnen. Das Vorgehen ist bei Clauss [24] ausführlich beschrieben, hier wird nur die allgemeine Gleichung der Morison-Formel für beliebig orientierte Strukturelemente angegeben.
15 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 15 2 π D D f = C ρ + ρ m un Cd urn u RN (3) 4 2 mit D [m] Durchmesser des betrachteten Strukturelementes C m, C d [-] Beiwerte zur Berücksichtigung der Strömungsverhältnisse ρ [kg/m³] Dichte von Seewasser u RN [m/s] relative Geschwindigkeit der Wasserpartikel, senkrecht auf das betrachtete Strukturelement u N [m/s²] Beschleunigung der Wasserpartikel, senkrecht auf das betrachtete Strukturelement Verschiedene Wellentheorien existieren, und die jeweils den aktuellen Welleneigenschaften angepasste Wellentheorie muss verwendet werden, da die Verwendung einer nicht angepassten Wellentheorie zu signifikanten Fehlern führen kann, wie z.b. von Schaumann und Kleineidam in [27] beschrieben Deterministisches Konzept Das deterministische Konzept wird von verschiedenen Richtlinien als Basiskonzept für den Nachweis gegen Ermüdung von Offshore-Strukturen angegeben und ist detailliert von Schaumann und Kleineidam [28] beschrieben worden. Die langzeitstatistischen Seegangseigenschaften werden am betrachteten Standort durch Entwicklung des Wellenhöhenüberschreitungsdiagramms berücksichtigt. Das Diagramm enthält die Informationen darüber, wie viele der auftretenden Wellen eine bestimmte Wellenhöhe im zu Grunde liegenden Bezugszeitraum überschreiten, siehe Bild 6 links oben. Der Entwicklung des Diagramms liegt die Annahme zu Grunde, dass die langzeitstatistische Verteilung aus dem Wellenverteilungsdiagramm unter Berücksichtigung einer Rayleigh-Verteilung für die einzelnen Seegangszustände abgeleitet werden kann, siehe [23]. Die Anzahl der Wellen, die in einem Betrachtungszeitraum, z.b. einem Jahr, eine bestimmte Wellenhöhe überschreiten, kann dann aus Gleichung 4 abgeleitet werden. 2 H 0 ( s) s H 0 s n(h) = n exp 2 f H dh (4) mit n(h) [-] Anzahl von Wellen, die die Wellenhöhe H im Betrachtungszeitraum übersteigen n 0 [-] Anzahl der Wellen im Betrachtungszeitraum H s [m] signifikante Wellenhöhe f(h s ) [-] Wahrscheinlichkeitsdichte von H s
16 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 16 Zusätzlich muss die Strukturantwort für eine ausreichende Anzahl an Wellenhöhen untersucht werden, um ein Spannungs-Wellenhöhendiagramm abzuleiten, siehe Bild 6 links unten. Das Diagramm verbindet die Wellenhöhe mit einer zugehörigen Spannungsschwingbreite und ist für jedes untersuchte Kerbdetail zu entwickeln. Zur Ermittlung der Wellenlasten muss jeder Wellenhöhe eine bestimmte Wellenperiode zugeordnet werden. Die Bestimmung dieser Wellenperiode hat einen bedeutenden Einfluss auf die zu verwendende Wellentheorie und die dynamische Strukturantwort. Die dynamische Strukturantwort wird bei diesem Verfahren über dynamische Vergrößerungsfaktoren berücksichtigt, die analytisch oder numerisch unter einer repräsentativen Wellenlast ermittelt werden können, wie in [28] beschrieben Berechnungen im Zeitbereich Bei den Berechnungen im Zeitbereich werden Wellenenergiespektren verwendet, um Zeitreihen der Wasserspiegelauslenkung durch Überlagerung von linearen Teilwellen zu erreichen, siehe z.b. [3]. Die Amplituden der Teilwellen ergeben sich nach dem in Gleichung 5 dargestelltem Zusammenhang. a = 2 S ( ω ) ω (5) n ζζ n n mit a n [m] Amplitude der Teilwelle S ζζ [m²s] Wert des einseitiges Seegangsspektrums ω n [rad/s] Breite des betrachten Ausschnitt des Spektrums Die Strukturlasten werden durch Auswertung der überlagerten Wasserpartikelkinematik, siehe Bild 6 Mitte oben, mit der Morison-Gleichung ermittelt, dabei sind geeignete Annahmen zur Berücksichtigung der überlagerten Wasserspiegelauslenkung aus den Teilwellen zu berücksichtigen, siehe z.b. [29]. Um die dynamischen Einflüsse einzubeziehen, ist die Strukturantwort mit transienten Berechnungen im Zeitbereich zu ermitteln, die Strukturmassen und Dämpfungseigenschaften berücksichtigen, siehe [30]. Das Vorgehen ist ausführlicher in [31] beschrieben. Für die Lebensdauerbewertung wird die Schadensakkumulationshypothese nach Palmgren/Miner angewendet. Um die dafür erforderliche Anzahl der auftretenden Spannungsschwingbreiten unterschiedlicher Klassenbreiten aus einer Spannungszeitreihe zu ermitteln, sind geeignete Klassierverfahren anzuwenden; hier wurde das Rainflow- Zählverfahren nach Clormann [34] verwendet. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Simulationen, die länger als etwa 30 Minuten andauern, nur geringe Unterschiede in den ermittelten Schädigungen beim Vergleich verschiedener Realisierungen auftreten, während bei Verkürzung der Simulationsdauer die Ungenauigkeiten überproportional zunehmen, siehe
17 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 17 Schaumann und Kleineidam [33]. Für die Durchführung von Schädigungsbewertungen können zusätzliche Überlegungen zur Reduzierung der Anzahl der zu untersuchenden Seegangszustände eines Wellenverteilungsdiagramms angestellt werden, da die Berechnungen im Zeitbereich mit einem vergleichsweise hohen numerischen Aufwand verbunden sind Berechnungen im Frequenzbereich Ein Seegang ist durch stochastische Eigenschaften charakterisiert. Ist eine Struktur einer solchen Seegangsbeanspruchung ausgesetzt, so ist die Antwort ebenfalls ein stochastischer Prozess. Ebenso wie der Eingangsprozess des Seegangs durch Wellenspektren der Wasserspiegelauslenkung S ζζ (ω) dargestellt wird, kann auch die Strukturantwort, beispielsweise charakterisiert als Spannung, in Form eines Spannungsspektrums S σσ (ω) dargestellt werden. Um diese Methode für Berechnungen anwenden zu können, muss der Zusammenhang zwischen dem Eingangssignal und dem Ausgangssignal hergestellt werden. Formal kann er folgendermaßen dargestellt werden, dabei ist H die so genannte Transferfunktion, die die Verknüpfung der beiden Prozesse darstellt: S ω H ω S ω (6) 2 σσ ( ) = ( ) ζζ ( ) mit S σσ [N²/mm 4 s] Spannungsspektrum H [N/m³] Hydrodynamische Transferfunktion S ζζ [m²s] einseitiges Seegangsspektrum Für jedes zu untersuchende Kerbdetail ist eine solche Transferfunktion zu bestimmen. Für Pfahlstrukturen, wie z.b. Monopiles, können analytische Zusammenhänge abgeleitet werden, siehe [23]. Für Tiefwasser-Plattformen ist in der Offshore-Industrie die so genannte Hybride Zeit- und Frequenzbereichsanalyse bekannt, siehe [35]. Dieses Konzept beinhaltet die Simulation repräsentativer Zeitreihen von Wellenlasten und daraus die Ermittlung der Strukturantwort im Zeitbereich unter Verwendung nichtlinearer Effekte. Für diese repräsentative Spannungszeitreihe kann die zugehörige Transfer-Funktion bestimmt werden. Zu diesem Zweck muss die Zeitreihe unter Verwendung z.b. der schnellen Fourier- Transformation nach [36] zunächst in den Frequenzbereich übertragen werden, um dann im Verhältnis zum Anregungsspektrum die Transfer-Funktion ableiten zu können, siehe z.b. Schaumann und Kleineidam [33]. Liegen geeignete Transfer-Funktionen vor, können für beliebige Seegangsspektren die zugehörigen Spannungsspektren berechnet werden, siehe Bild 6 rechts unten. Die Schädigungsbewertung im Frequenzbereich wird unter Verwendung der
18 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 18 Formel nach Dirlik [37] zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsdichte der Spannungsschwingbreiten durchgeführt. In [32] ist die Berücksichtigung einer allgemeinen Wöhlerlinie mit abschnittsweise unterschiedlichen Exponenten für dieses Verfahren beschrieben, wie sie in den Offshore-Richtlinien vorgeschrieben sind, siehe z.b. [17]. 3.4 Berechnungsumgebung Han-Off Zur Anwendung der beschriebenen Verfahren wurde das Offshore-Berechnungsprogramm Han-Off verwendet, das in den letzten Jahren am Institut für Stahlbau der Universität Hannover entstanden ist. Mit dem Programm können beliebige hydrodynamisch transparente Strukturen unter Seegangsbeanspruchungen statisch und dynamisch berechnet werden. Für die Bestimmung der Strukturantwort unter den Beanspruchungen wird das kommerzielle FE- Programm ANSYS [38] verwendet. Im Rahmen des Postprocessings können Rohrknotenverbindungen mit dem Strukturspannungskonzept bewertet werden, siehe Abschnitt 4. Weiterhin können Schädigungsberechnungen im Zeitbereich bzw. im Frequenzbereich durchgeführt werden. Die Wellenlasten werden für die Berechnungen je nach aktuellen Anforderungen mit linearen und nichtlinearen Wellentheorien sowie für regelmäßige Wellen und unregelmäßigen Seegang ermittelt. Neben eigenen Entwicklungen können dabei über eine vorbereitete Schnittstelle die Ergebnisse des Wellenlastberechnungsprogrammes WaveLoads (siehe z.b. [3]) verwendet werden. 3.5 Vergleichende Bewertung der Berechnungskonzepte Von den Autoren wurden umfangreiche Berechnungen zu den Berechnungskonzepten mit dem oben beschriebenen Programm Han-Off durchgeführt. Die beschriebenen Konzepte unterscheiden sich in Bezug auf die Berücksichtigung der dynamischen Strukturantworten. Dies wirkt sich deutlich auf den erforderlichen numerischen Aufwand aus. Weitere Unterschiede sind im Hinblick auf die Schädigungsbewertung festzustellen. Es ist davon auszugehen, dass die Berechnungen im Zeitbereich eine zutreffende Beschreibung der Beanspruchungen und der Strukturantworten ermöglichen, sofern die Randbedingungen, die sich aus Simulationsdauer und zulässiger Wellentheorie ergeben, eingehalten werden. Der geringste numerische Aufwand ist mit der deterministischen Berechnung verbunden. In den Vergleichen konnte gezeigt werden, dass das Verfahren zu guten Ergebnissen führt, sofern dynamische Effekte aus den Wellenanregungen nur eine geringe Rolle spielen. Die Einsetzbarkeit des Verfahrens ist daher orts- und strukturabhängig. Für typische Tragstrukturen, wie z.b. Monopiles, kann sich der dynamische Einfluss zwischen Nord- und Ostseebedingungen deutlich unterscheiden. Bei den meisten Tragstrukturvarianten nach
19 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 19 Abschnitt 2 liegen die ersten Eigenfrequenzen im Bereich von 0,3 Hz bis 0,4 Hz; dies entspricht Eigenperioden zwischen 2,5 s und 3,5 s. Für die Ostsee ist die Häufigkeit von Seegangszuständen mit entsprechenden Wellenperioden deutlich größer, vergleiche auch Bild 7. Die Berechnungen im Frequenzbereich erfordern, zumindest für aufgelöste Strukturen wie Tripod-Gründungen, einen numerischen Aufwand, der zwischen den Berechnungen nach dem deterministischen Konzept und denen im Zeitbereich liegt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass eine begrenzte Anzahl von Berechnungen im Zeitbereich durchgeführt werden muss, um die Transferfunktionen abzuleiten. Die durchgeführten Untersuchungen legen nahe, dass mit den Berechnungen im Frequenzbereich das Strukturverhalten im Vergleich zu dem deterministischen Verfahren besser beschrieben werden kann, wenn dynamische Effekte eine größere Rolle spielen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die Schädigungsbewertung im Frequenzbereich eine gute Übereinstimmung mit der Schädigungsbewertung im Zeitbereich über eine Rainflow-Auszählung aufweist. Ausführlichere Dokumentationen zu den durchgeführten Berechnungen sind in den Veröffentlichungen der Autoren zu dem Forschungsprojekt Bau- und umwelttechnische Aspekte von Off-shore Windenergieanlagen, Kurztitel GIGAWIND, enthalten, siehe z.b. [32], [26] sowie [33]. 4 Beanspruchbarkeiten 4.1 Nachweisverfahren Je nach Art der Tragstruktur werden bei dem Nachweis der Ermüdungsfestigkeit zwei verschiedene Konzepte angewendet. Bei einfachen Strukturen wie Monopiles kann das z.b. aus dem EC 3 [39] bekannte Nennspannungskonzept verwendet werden. Die Ermüdungsbeanspruchungen werden hierbei mit den Nenngrößen des Querschnitts ermittelt. Alle lokalen Einflüsse wie Bauteilgeometrie und Art und Ausbildung der Schweißnaht werden auf der Widerstandsseite über kerbfallspezifische Ermüdungsfestigkeitskurven (Wöhlerlinien) erfasst. Bei den für größere Wassertiefen favorisierten aufgelösten Strukturen mit geschweißten Hohlprofilknoten liegen für die Vielzahl der möglichen Knotengeometrien und -typen sowie Last- und Randbedingungen keine Kerbfallkataloge vor. Hier kommt das einfachste der so genannten lokalen Konzepte, das Strukturspannungskonzept, zur Anwendung ([40], [41], [42]). Die Anwendung von Kerbspannungs- oder Kerbdehnungskonzepten, kombiniert mit bruchmechanischen Rissfortschrittsrechnungen
20 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 20 (siehe z.b. [41], [42]) ist in Richtlinien wie [10] grundsätzlich zugelassen. Sie beschränkt sich wegen des großen Aufwands und den vor allem bei Schweißkonstruktionen statistisch oft ungenügend abgesicherten Eingangsparametern auf Einzelfälle. Beim Strukturspannungskonzept werden die Nennspannungsschwingbreiten durch die Strukturspannungsschwingbreiten ersetzt. Diese ergeben sich aus den lokalen Spannungen direkt vor der Schweißnahtkerbe, den hot spot stresses σ HS. Bild 8: Bestimmung der Hot-Spot-Spannungen an der Nahtübergangskerbe eines Hohlprofilknotens Fig. 8: Determination of hot-spot stresses at weld toe of tubular joint Die Strukturspannungen erfassen die Bauteilgeometrie und die Lastparameter, jedoch nicht die Kerbwirkung der Schweißnaht. Bild 8 zeigt die Definition der Strukturspannungen. In größerer Entfernung der Schweißnaht wirkt die Nennspannung. Daran schließt sich ein Bereich mit näherungsweise linear ansteigender Spannung infolge Knotengeometrie an. Der stark nichtlineare Anstieg der Kerbspannungen am Schweißnahtfußpunkt wird über lineare Extrapolation der Strukturspannungen über zwei Basispunkte (A und B) aus der Einwirkungsseite ausgeklammert. Über den Spannungskonzentrationsfaktor (stress concentration factor = SCF) können die Strukturspannungen aus den Nennspannungen berechnet werden σ = SCF σ (7) HS N Neben der Möglichkeit, die SCF aus Versuchen zu bestimmen, bietet sich für diese Problemstellung die Anwendung der Finite-Element-Methode an. Um aufwändige Rechnungen vor allem bei Verwendung von Volumenelementen mit Modellierung der über den Umfang veränderlichen Schweißnahtgeometrie (Bild 9) zu vermeiden, wurden in den letzten Jahrzehnten Parametergleichungen zur Berechnung der lokalen Spannung entwickelt, die auf Versuchsergebnissen oder FE-Berechnungen aufbauen. Die Strukturspannungen werden damit an den versagenskritischen Stellen, den Kronen und Sattelpunkten, bestimmt.
21 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 21 Eine Zusammenstellung der für den Offshore-Bereich maßgebenden Arbeiten kann [43] entnommen werden. Bild 9: Schnitt durch das Volumenmodells eines typischen Y-Knotens mit Modellierung der veränderlichen Schweißnahtgeometrie nach [44]. Fig. 9: Section of a typical, solid modelled tubular Y-joint with the weld geometry acc. to [44]. Die bei den Tragstrukturen verwendeten Knoten werden infolge Wind und Wellen räumlich, mit wechselnden Normalkräften und Biegemomenten in und aus der Ebene, beansprucht. Für diese Zwecke sind Standardverfahren nicht geeignet. Ein auch in den Richtlinien der Zertifizierungsstellen (siehe [13], [10]) zugelassenes Näherungsverfahren hat Efthymiou in [45] vorgestellt. Das Konzept erfasst mit gewissen Einschränkungen beliebige räumliche Knotentypen unter dreidimensionalen Beanspruchungen. Die Auswirkungen der Belastungen von weiteren angeschlossenen Streben auf die gewählte Bezugsstrebe werden dabei über Einflussfunktionen erfasst. Zudem können die Lagerungsbedingungen und Behinderungen der Ovalisierung mitberücksichtigt werden. Durch die allgemeine Formulierung der verschiedenen Einflussparameter lässt sich das Verfahren gut in Berechnungsprogramme wie Han-Off integrieren. Bei komplizierten Knoten und wenn die Randbedingungen und der Kraftfluss nicht mit den den parametrischen Formeln zugrunde liegenden Annahmen übereinstimmen, muss bereits in der Entwurfsphase mit der FE-Methode gearbeitet werden. Da alle parametrischen Formeln über eine Ausgleichsrechnung an die berechneten oder gemessenen Ergebnisse angepasst wurden, sind die Streuungen der Ergebnisse mit Standardabweichungen nach [43] zwischen % zum Teil sehr hoch. Dies zeigt sich auch, wenn man die Ergebnisse der Parametergleichungen mit Berechnungen basierend auf der Methode der finiten Elemente vergleicht (Bild 10).
22 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 22 Bild 10: Vergleich von Berechnungsergebnissen mit der FE-Methode (Volumenelemente mit Schweißnahtmodellierung) mit den parametrischen Formeln nach Efthymiou [45], Y-Knoten mit Θ = 45. Fig. 10: Comparison of results of a finite-element-method calculation (solid elements with modelled weld geometry) with the parametric equations acc. to Efthymiou [45], tubular Y-joints with Θ = 45. Aus diesem Grund kommt dem Sicherheitskonzept eine besondere Bedeutung zu. Neben dem in [39] und [12] angewendeten Konzept mit Teilsicherheitsbeiwerten auf der Last- und Widerstandsseite wird im skandinavischen Raum ein Konzept angewendet, bei dem die mit der linearen Schadensakkumulationshypothese ermittelten Schädigungen durch Sicherheitsfaktoren (DFF: Design Fatigue Factors) abgemindert werden (vgl. [10] und [13]). Wie auch beim Nennspannungskonzept werden die dem Strukturspannungskonzept zugrunde liegenden Wöhlerlinien experimentell ermittelt. Einflüsse aus Blechdickeneffekten unzureichendem Korrosionsschutz Schweißnahtnachbearbeitung (Schleifen, Nageln, UIT) werden über zum Teil empirisch ermittelte Abminderungs- oder Erhöhungsfaktoren erfasst. 4.2 Einflüsse aus Wellenspreading Eine Berücksichtigung der Richtungsabhängigkeit der Wellen (Wellenspreading) wirkt sich grundsätzlich positiv auf die Ermüdungsnachweise aus. Ansätze für die Richtungsfunktionen können z.b. [46] entnommen werden. Da die überwiegende Anzahl der Berechnungsprogramme gemäß
23 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 23 π π 2 2 E =ρ g S ( ωµ, ) dω dµ=ρ g S ( ω) M( µ ) dω dµ ςς 0 π 0 π 2 2 π 2 =ρ g S ( ω) dω M( µ ) dµ=ρ g S ( ω) dω 1 ςς 0 π 0 2 mit E [kg m² s - ²/m²] Wellenenergie je Einheitsfläche des Ruhewasserspiegels ςς ςς (8) unter Vernachlässigung der Richtungsfunktion M(µ) mit einseitig gerichteten Wellenenergiespektren S ζζ (ω) arbeitet, kann die Richtungsabhängigkeit z.b. aus Messdaten am Standort diskret berücksichtigt werden. Bild 11 zeigt die Schädigungsverteilung eines Monopiles auf Höhe Baugrund aufgetragen über einen 180 -Ausschnitt. Bild 11: Schädigung D aus Ermüdung bei einem Monopilequerschnitt mit und ohne Wellenspreading Fig. 11: Damage D acc. to Miners rule of a monopile section with and w/o consideration of wavespreading 5 Zusammenfassung und Ausblick Der vorliegende Beitrag handelt von aktuellen ingenieurtechnischen Entwicklungen bei der Bemessung und Konstruktion von Offshore-Windenergieanlagen. Dabei wird ausgehend von den aktuellen Prognosen für die Entwicklung der Windenergie die Bedeutung für den Stahlbau herausgestellt. Nach der Vorstellung und Diskussion möglicher Varianten von Tragstrukturen werden im Hinblick auf den vielfach maßgebenden Nachweis gegen Ermüdung verschiedene Konzepte zur Berücksichtigung der Beanspruchungen aus dem Seegang beschrieben. Die Konzepte reichen von deterministischen Verfahren, über Berechnungen im Zeitbereich zu Berechnungen im Frequenzbereich. Sie unterscheiden sich in dem erforderlichen numerischen Aufwand. Es konnte festgestellt werden, dass bei Auftreten von stärkeren Resonanzeffekten die Anwendbarkeit des deterministischen Verfahrens
24 Stahlbau 73 (2004), H.9, S Seite 24 begrenzt ist. Vergleichsberechnungen wurden mit dem am Institut für Stahlbau entstandenen Berechnungsprogramm Han-Off durchgeführt. Insbesondere die Einflüsse aus dem Anlagenbetrieb, z.b. in Form der aerodynamischen Dämpfung, machen für wettbewerbsfähige Entwürfe eine kombinierte Berechnung von Windund Wellenbeanspruchungen erforderlich. Für aufgelöste Tragstrukturen befinden sich die dafür erforderlichen Software-Programme noch in der Entwicklung. Die aufgelösten Strukturen machen zudem die Anwendung von Ermüdungsansätzen erforderlich, die über das Nennspannungskonzept hinausgehen. Die Offshore-Windenergietechnik stellt einen Bereich des Stahlbaus dar, der sowohl aufgrund modernster Berechnungsverfahren und vielerlei technologischer Entwicklungen als auch aufgrund der Zukunftsprognosen eine große Herausforderung darstellt. Danksagung Die hier dargestellten Forschungsergebnisse zum Ermüdungsnachweis der Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen sind innerhalb der Forschungsprojekte "Bau- und umwelttechnische Aspekte von Offshore-Windenergieanlagen" (Kurztitel GIGAWIND) und "Lebensdauerprognose für die Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen" erarbeitet worden. Ersteres Projekt wurde von Ende 2000 bis Ende 2003 an der Universität Hannover unter Beteiligung von vier Instituten durchgeführt; es wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert und stand unter der Projektträgerschaft des PTJ, Forschungszentrum Jülich GmbH. Das zweite Projekt hat im August 2003 begonnen und wird innerhalb des ForWind-Zentrums für Windenergieforschung vom Land Niedersachsen gefördert. Ausführliche und weitergehende Informationen zu den Forschungsprojekten sind in zahlreichen Veröffentlichungen enthalten, die auf den Webseiten und zu finden sind; meist als download. Der besondere Dank der Autoren gilt den Förderstellen und den Projektträgem.
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