Evolutionäre Grundlagen des Sozialverhaltens
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- Herta Schmitt
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1 Evolutionäre Grundlagen des Sozialverhaltens Intelligenz, Bewusstsein, Selbstbewusstsein ZÜR-07
2 Wichtige Stichwörter Social Brain Hypothesis Theory of Mind Machiavellian Intelligence False belief tests
3 So groß nun auch nichtsdestoweniger die Verschiedenheit an Geist zwischen dem Menschen und den höheren Thieren sein mag, so ist sie doch sicher nur eine Verschiedenheit des Grads und nicht der Art
4 Es ist... keine Übertreibung zu sagen, dass das geistige Leben des Menschen eine neue Art von Leben sei 1973:225
5 "Aus der Sicht der Hirnforschung ist die Annahme einer Sonderstellung des Menschen in der Natur nicht berechtigt. Das menschliche Gehirn hat denselben Grundaufbau wie das Gehirn anderer Wirbeltiere und ist vom Gehirn der Affen auch in Details kaum unterschieden Gerhard Roth 1994
6 Hirngewichte in g Pottwal Elefant Mensch Pferd 590 Gorilla 550 Schimpanse 400 Hund 135 Katze 30 Mausmaki 1,8 Maus 0,4
7 Hirngewicht Körpergewicht Verhältnis Mausmaki 1,8 g 60 g 1 : 33 Mensch g 60 kg 1 : 46
8 Folge der Köhler-Experimente: Intelligenz wird als technologische Intelligenz verstanden
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12 Die Intelligenz der nichtmenschlichen Primaten scheint ein Überflussphänomen zu sein, denn im Freiland machen die Primaten von ihrer technologischen Kompetenz nur recht wenig Gebrauch. Aber wie kann das sein? Das biologische Evolutionsgeschehen ist ein konsequent ökonomisches Prinzip, das niemals ungenutzte Überflüsse hervorbringen kann.
13 Die Social Brain -Hypothese Der evolutionäre Erfolg der Primaten ist weniger ökologisch als sozial begrenzt Intelligenz entstand vorrangig durch soziale Herausforderungen, weil das Sozialleben der Primaten sowohl Kooperation als auch Wettbewerb innerhalb ein- und derselben Beziehungsdyade erfordert ( Machiavellische Intelligenz )
14 Social Brain -Hypothese In komplexen Gesellschaften, wie sie unter den höheren Primaten verbreitet sind, können die Gruppenmitglieder Gewinn ziehen sowohl aus der Aufrechterhaltung der Gruppenstruktur als auch durch Ausbeutung und Austricksen der anderen Mitglieder. Das soziale System erfordert von Beginn an, dass Primaten kalkulierende Wesen sind. Sie müssen das wahrscheinliche Verhalten der anderen vorausahnen können, Bilanzen von Kosten und Nutzen ziehen können und dies alles in einem sozialen Kontext, in dem die Grundlagen dieser Kalkulationen sich ständig ändern können, nicht zuletzt auf Grund des eigenen Verhaltens. In solch einer Situation ist social skill gleichzusetzen mit Intellekt. N. K. Humphrey 1976: 309
15 Die biologische Evolution von Intelligenz Ökologische Herausforderungen Das Anpassungsproblem? Soziale Herausforderungen Konventionelle Sichtweise der Köhler-Tradition Social Brain - Hypothese
16 Soziale Planhandlungen? Kooperation
17 Soziale Planhandlungen? Kooperation soziale Manipulation gesichertes Drohen
18 Soziale Planhandlungen unter Primaten Kooperative Allianzen im Wettbewerb um Ressourcennutzung Politische Unterstützung in Dominanzauseinandersetzungen Lang dauernde Freundschaften Beachtliche Investition in soziale Beziehungen ( social grooming ) Schlichtung und Versöhnung nach Streit ( reconciliation ) Wissen um die sozialen Beziehungen der Gruppenmitglieder untereinander Techniken sozialer Manipulation (Täuschung)
19 Soziale Planhandlungen unter Primaten Kooperative Allianzen im Wettbewerb um Ressourcennutzung Politische Unterstützung in Dominanzauseinandersetzungen Lang dauernde Freundschaften Beachtliche Investition in soziale Beziehungen ( social grooming ) Schlichtung und Versöhnung nach Streit ( reconciliation ) Wissen um die sozialen Beziehungen der Gruppenmitglieder untereinander Techniken sozialer Manipulation (Täuschung)
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21 Die großen Menschenaffen haben in Bezug auf ihre Gruppengröße einen relativ größeren Neocortex. Dunbar 1998
22 Gängige Hypothese: Die großen Menschenaffen haben eine Vorstellung von der Intention der Anderen. Sie haben damit Zugang zum Erleben von Dritten ( Theory of Mind )
23 Theory of mind Theory of Mind (mind reading): Das Wissen vom Wissen, Glauben, Denken, Wollen, Verstehen, Wünschen und anderen Bewusstseinszuständen
24 Ich weiß, dass sie glaubt, dass ich sie liebe Theory of mind Ich weiß, dass sie mich liebt Ich weiß, dass ich liebe Ich weiß, dass sie glaubt, ich sei der Überzeugung, dass sie mich liebt Ich weiß, dass sie glaubt, ich sei der Überzeugung, dass sie weiß, dass ich sie liebe Ich weiß, dass sie glaubt, ich sei der Überzeugung, dass sie weiß, dass ich glaube, dass sie mich liebt
25 So genannte false belief - Tests können nur von Probanden gelöst werden, die eigenes Wissen von fremdem Wissen unterscheiden können
26 120 % richtig Ratewahrscheinlichkeit Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 Jahre Autisten 0 O Connell & Dunbar (2006)
27 Theory of Mind bei Großen Menschenaffen? Taktische Täuschungen Kognitive Empathie Emotionale Empathie Selbsterkennung im Spiegel Foto: Bierschwale
28 Fotos: Bierschwale Metakognition: Einige Menschenaffen können sich selbst zum Objekt der eigenen Aufmerksamkeit machen (= sie sind sich selbst bewusst, = erleben personale Identität)
29 Wozu Selbstbewusstsein? Nur Organismen, die sich selbst erkennen lernen, sind in der Lage, später eine theory of mind zu entwickeln (Gallup 1982) Wir erkennen andere als uns ähnlich (Gallese 2003) Die Kenntnis unserer eigenen mentalen Zustände erlaubt Voraussagen über die Absichten von anderen (Frith & Frith 1999) Aber: Muss ich mich wirklich selbst verstehen, um andere verstehen zu können?
30 Wozu Selbstbewusstsein? Selbstbewusstsein evolviert als Voraussetzung zum Fremdverstehen. Fremdverstehen evolviert im Zusammenhang sozialer Herausforderungen. Kontingenzbewältigung ist das adaptive Problem, nicht Selbsterkenntnis
31 Wozu Selbstbewusstsein? Es kommt zu einer Art kognitiver Transferleistung: Die Kompetenz des Gedankenlesen wendet ego auf sich selbst an
32 Wir erkennen andere als uns ähnlich Wir erkennen uns als anderen ähnlich
33 Fazit Metakognition (Selbstbewusstsein, und damit personale Identität) ist Ausfluss der sozialen Evolution der Primaten. Sie ist ein Nebeneffekt der adaptiven Leistung des Gedankenlesen ( mind-reading ), also eine nicht selektierte Nebenwirkung sozialer Intelligenz Foto: Bierschwale
34 Kann man dem menschlichen Bewußtsein, das [...] sich aus einem so niedrigen Bewußtsein entwickelt hat, wie es das niedrigste Lebewesen besitzt, kann man ihm trauen, wenn man so anspruchsvolle Schlüsse zieht?
35 Wichtige Stichwörter Social Brain Hypothesis Theory of Mind Machiavellian Intelligence False belief tests
36 Leistungsnachweis Eine Seminararbeit zu einem selbst gewählten Aspekt aus der Vorlesung. Umfang: 8-10 Seiten, 1 ½-zeilig Wissenschaftlicher Stil (kein Besinnungsaufsatz) Deutsch oder Englisch Termin: 31. Januar 2016, 12:00 h Eckart.voland@phil.uni-giessen.de
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