S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

Transkript

1 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Billig auf Kosten Anderer: Wie ein Discounter mit osteuropäischen Dienstleistern den Sozialstaat schädigt Autor: Red. Mitarbeit: Eric Beres Harriett Ferenczi Jürgen Kleinschnitger Kamera: Jànos Badrossy Heiko Bokern Fabian Köchert Schnitt: Klaus Kübel Moderation Fritz Frey: Ein ganz anderes Thema. Natürlich wollen wir günstig einkaufen, Preise vergleichen und für unser Geld möglichst viel nach Hause tragen. Aber mehr und mehr schauen wir auch danach, unter welchen Bedingungen Unternehmen das produzieren, was sie uns anbieten und wie Unternehmen ihre Mitarbeiter behandeln. Und weil das so ist, haben wir mal den Lebensmittelkonzern Kaufland unter die Lupe genommen. Dass ein Unternehmen mit fragwürdigen Methoden seine Kosten drückt, das hat uns nicht

2 2 überrascht. Aber wie trickreich und ausgebufft da vorgegangen wird, das erstaunt schon. Eric Beres mit den Details. Bericht: Kaufland. Trotz Schnäppchenpreisen: Der Lebensmittelkonzern gibt sich verantwortungsbewusst. Im Internet überschlägt er sich geradezu mit Versprechen: soziale Verantwortung, gesellschaftliches Engagement. Wird er dieser Verantwortung gerecht? Möckmühl, Baden-Württemberg. Hier im Logistikzentrum werden Waren für Filialen gepackt. Auf dem Parkplatz entdecken wir viele Arbeiter aus Osteuropa. Haben sie hier ganz normal bezahlte Arbeit gefunden? In ihrer Unterkunft treffen wir zwei Arbeiter aus Polen. Sie wollen unerkannt bleiben. O-Ton, Stimme nachgesprochen:»ich verdiene neun Euro brutto die Stunde. Dafür muss ich 290 Collies, also Kisten, zusammenstellen.«neun Euro klingt nicht schlecht. Nach dem hier üblichen Branchen- Tariflohn hätten sie allerdings rund drei Euro mehr. Doch die bekommen sie nicht, weil sie bei Kaufland nicht fest angestellt sind. Wie Hunderte andere auch arbeiten sie hier im Rahmen eines Werkvertrags. Das heißt, sie sind bei einer osteuropäischen Werkvertragsfirma angestellt. Die hat ganze Bereiche im Lager übernommen. Dabei gelten nicht die Branchen-Tariflöhne. Und so senkt am Ende auch Kaufland seine Kosten. Doch Kaufland spart nicht nur wegen niedriger Löhne. Es gibt da noch einen Trick. Wir bekommen diesen Arbeitsvertrag: Eine Firma aus Tschechien, MSK FOOD & MEAT, schickt Arbeiter zu Kaufland in Dortmund. Erstaunlich: Der Grundlohn liegt bei Kronen im Monat, umgerechnet rund 360 Euro. Der Rest aber wird als diéty ausbezahlt als Spesen. 45 Euro am Tag. Insgesamt also wird der größte Teil des Lohns als Spesen ausbezahlt. Der Arbeitsrechtler Professor Peter Schüren beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Werkverträge. Was sagt er zu diesem Arbeitsvertrag?

3 3 O-Ton, Prof. Peter Schüren, Arbeitsrechtler, Universität Münster:»Der Trick ist, dass man einen wesentlichen Teil des Einkommens nicht mehr als Arbeitseinkommen deklariert und dann entsprechend auch sehr wenige Sozialversicherungsbeiträge abführt. Das ist so ein bisschen ähnlich wie bei der Schwarzarbeit.«Also: Während deutsche Werkvertragsfirmen auf den kompletten Lohn Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen, können osteuropäische Firmen für bis zu zwei Jahre den Großteil des Lohns einfach zu Spesen erklären und zahlen so weniger in die Sozialversicherung. Eine hübsche Kostenersparnis. Weiß Kaufland von dieser Trickserei? Ein Interview wird abgelehnt. Schriftlich heißt es, in Dortmund habe man den entsprechenden Werkvertrag beendet. Zu dem Sozialversicherungsmodell will man allerdings lieber nichts sagen. Warum eigentlich nicht? Budapest. Unternehmer aus ganz Ungarn sind zu einer Tagung angereist. Thema: Wie man in Deutschland Geld macht. Mit Landsleuten, die man dort zum Arbeiten schickt. Hier erklärt man uns: Die Arbeiter sind nach ungarischem Recht beschäftigt. Vorteil für die Unternehmer: Sozialversicherungsbeiträge müssen sie nur auf die viel niedrigeren ungarischen Löhne zahlen. O-Ton, Pèter Mervai, Ungarischer Bauunternehmerverband (ÈVOSZ): O-Ton, Andràs Orosz, Fa. IMC Kft:»Es geht darum, dass die ungarischen Unternehmer für ihre entsandten Arbeitnehmer die Beiträge bezahlen, die in Ungarn für die entsandten Arbeitnehmer vorgeschrieben sind. Das ist ein preismäßiger Wettbewerbsvorteil für uns.«im Publikum entdecken wir einen interessierten Zuhörer: Pèter Mezö. Er kommt von der Firma TB Logisztik. Auch die schickt Arbeiter nach Deutschland zu Kaufland.

4 4 O-Ton, Pèter Mezö, Fa. TB Logisztik:»Natürlich bemühen wir uns, die rechtlichen Möglichkeiten auszunutzen.«nutzen, was geht. Nach unseren Recherchen machen das mindestens fünf weitere osteuropäische Firmen, die mit Kaufland im Geschäft sind oder im Geschäft waren. O-Ton, Prof. Peter Schüren, Arbeitsrechtler, Universität Münster:»Gewinner sind die ausländischen Subunternehmer, die damit gut verdienen. Aber auch Kaufland, die von den günstigen Preisen profitieren.«und die Verlierer? Die entsandten osteuropäischen Arbeiter wohnen und arbeiten hier in Deutschland. Doch das Wenige, was Ihr Lohn an Sozialbeiträgen bringt, bekommen ihre Heimatstaaten. Der Gewerkschafter Bernhard Jirku von ver.di sieht dramatische Folgen für den Arbeitsmarkt in Deutschland. O-Ton, Bernhard Jirku, ver.di-bundesvorstand:»mit Sicherheit wird da eine Dynamik in Gang gesetzt, die am Ende sozialversicherungspflichtige Jobs in Deutschland verdrängt, und das ist nicht akzeptabel. Vielmehr müssen diese Leute hier regulär, ganz normal beschäftigt werden, zu einem ganz normalen, regulären Lohn, auf den auch ganz normal Sozialversicherungsabgaben bezahlt werden.«inzwischen ist auch die Politik hellhörig geworden. Exklusiv liegt uns diese Mitteilung des Bundesarbeitsministeriums an die EU-Kommission vor. Durch Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen profitierten Firmen in den Entsendestaaten zu Lasten des Arbeitsmarktes der Zielstaaten. Das sei unzulässig. Doch bis sich etwas ändert, kann Kaufland mit osteuropäischen Arbeitskräften weiter Kosten senken. Mit einem fragwürdigen Modell, das in Deutschland sozialversicherungspflichtige Jobs vernichtet. Verantwortung sieht anders aus.

5 5 Abmoderation Fritz Frey: Hier bin ich richtig mit diesem Satz wirbt Kaufland für sich. Ob dieser Satz für Sie morgen noch gilt, das entscheiden Sie selbst.