DA BRAUT SICH WAS ZUSAMMEN

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1 DA BRAUT SICH WAS ZUSAMMEN MAL WIEDER IST EIN TREND AUS DEN USA NACH DEUTSCHLAND GESCHWAPPT. IMMER MEHR BRAUER, AUCH IN DER REGION, BLICKEN ÜBER DIE RÄNDER VON PILS-, WEIZEN- UND EXPORTGLÄSERN HINAUS, EXPERIMENTIEREN MIT AROMATISCHEN HOPFENSORTEN UND BRINGEN CRAFT BIERE ZUR VOLLENDETEN REIFUNG GESCHMACKSINTENSIV, HANDGEMACHT UND UNVERWECHSELBAR. SO ENTSTEHEN AUCH GENÜSSE, DIE MAN WEDER IM STEHEN NOCH AUS DER FLASCHE TRINKEN SOLLTE. 8 9

2 Das Auge sieht goldgelbe Farbe. Die Nase atmet intensive Zitrus-Aromen. Die Zunge schmeckt die Frucht, die in einem nachhaltigen, bitter-herben Abgang mündet. Sie glauben, in diesem Glas perlt ein feiner Weißwein, vielleicht eine Riesling-Spätlese oder eine Scheurebe? Falsch! Im geschwungenen Stielglas mit nach außen gewölbtem Rand schäumt ein Bier. Ein Pale Ale aus dem Braukunstkeller Michelstadt genau genommen. Alexander Himburg hat es gebraut, und er nennt es sein Einsteiger-Bier. Wer es probiert, steigt tatsächlich ein in eine neue Welt des Biergenusses abseits des Mainstreams und der geschmacklichen Wahllosigkeit der industriell produzierten Fernsehbiere, deren Logos unmittelbar vor Fußball-Länderspielen eingeblendet werden. Doch nicht nur Newcomer wie Himburg machen derzeit neue Fässer auf. Lokale Brauereien wie die Woinemer Hausbrauerei setzen auf handgemachtes Bier und langsame Reifung. Alteingesessene Unternehmen wie Mayer-Bräu in Oggersheim entdecken das Spiel mit neuen, aromatischen Hopfensorten. Und auch große regionale Marken wie Welde in Plankstadt besetzen die Nische für neugierige, qualitätsbewusste und genussorientierte Biertrinker und brauen Craft Biere. Handarbeit von Männern in Gummistiefeln Wer angesichts dieser englisch-deutschen Wortschöpfung erst einmal Kraftbier liest, liegt nicht ganz falsch. Die Erzeugnisse nach dem deutschen Reinheitsgebot haben einen intensiven Geschmack und häufig auch einen etwas höheren Alkoholgehalt. Doch in erster Linie steht Craft für Geschmack, Qualität und Handwerk, oder, wie es Jochen Hardt, Chef der Woinemer Hausbrauerei, ausdrückt, für Biere, die von Männern in Gummistiefeln von Hand gemacht werden. Die Bewegung entstand vor rund 30 Jahren in den USA. Biertrinker, die die dünne Einheitsware der großen Konzerne satt hatten, übten sich in der heimischen Garage im Selbstversuch. Mit einigem Erfolg: Immer mehr deckten so nicht mehr nur den Eigenbedarf, sondern fanden Gleichgesinnte, die bereit waren, ein bisschen mehr Geld für Qualität auszugeben. In Deutschland sind es dagegen vor allem Profis, die die Craft-Bier-Szene rasant wachsen lassen: Männer, die den Beruf des Brauers gelernt und häufig auch an der TU Berlin oder in Weihenstephan studiert haben. Sie verbinden Jahrhunderte alte Handwerkstradition mit Experimentierfreude, die mit den Aromen neuer Hopfenzüchtungen angereichert und von Verfahren wie dem Hopfenstopfen, also der Zugabe von Hopfen nicht nur beim Kochen, sondern vor allem während des Lagerprozesses, zusätzlich befeuert wird. Doch auch wenn plötzlich Pale Ales, India Pale Ales (IPA) oder Stouts die Bierpalette erweitern zu einer Revolution auf dem deutschen Biermarkt hat dies bislang nicht geführt. Der Konsum ist seit Jahren rückläufig; Zuwächse verzeichnete die Branche zuletzt allenfalls bei Biermischgetränken und alkoholfreien Bieren. Und die spielen, aufgrund der hoch technisierten Herstellungsverfahren, bei kleinen, inhabergeführten Brauereien eine untergeordnete Rolle. Dass nun gerade die internationalen Sorten einen neuen Bierdurst bei den Deutschen entfachen sollen, glaubt Stephan Dück, Braumeister bei Welde, nicht. 90 Prozent der Biertrinker werden bei den klassischen Sorten bleiben, aber bei denen merken wir, dass Regionalität und Qualität geschätzt werden. Sie wollen Biere mit Charakter

3 12 Das bestätigt Hans-Jörg Mayer, einer der Geschäftsführer von Mayerbräu. IPAs wären uns zu nischig. Wir setzen auf die Klassiker, die wir in Craft- Bier-Qualität herstellen. Pilz, Weizenbier, das würzige Stammhausbier und das naturtrübe Kellerbier stehen bei Biertrinkern in der Vorderpfalz seit vielen Jahren in der Beliebtheitsskala weit oben. Doch das heißt nicht, dass man in der ältesten Brauerei der Pfalz im Herzen des Ludwigshafener Stadtteils Oggersheim auf der Stelle treten würde. 15 Sorten umfasst die Produktpalette mittlerweile. Darunter sind Spezialitäten mit einer kleinen, aber treuen Fangemeinde wie das unfiltrierte Schillerbier ebenso wie das 150er, ein herbes Schwarzbier, oder auch der Pfalzstoff mit einem hohen Anteil an Aromahopfen und Zutaten aus integriert kontrolliertem Anbau. Hoffnungslose Romantiker Diplom-Brauingenieur Hans-Jörg Mayer liebt das Spiel mit den immer zahlreicher werdenden Hopfensorten. Bei der Neuzüchtung Mandarina Bavaria riecht man den Mandarinen-Duft und auch der Hallertauer Mittelfrüh mit Zedern- und Zitrusaromen ist eine schöne Sorte zum Stopfen, erzählt er und erklärt den Prozess der Kalthopfung: Wenn Hopfen bei der Lagerung bei null Grad Celsius zugegeben wird, lösen sich die Öle und die individuellen Aromastoffe gehen ins Bier. Auch Jochen Hardt wendet dieses Verfahren an. Vor 16 Jahren hat der heute 42-Jährige die Woinemer Hausbrauerei übernommen. Seine Biere gibt es überall dort, wo man Woinem aussprechen kann, sagt er. Das soll auch so bleiben. Wir haben mit 800 Hektolitern pro Jahr angefangen und stehen jetzt bei Hektolitern. Irgendwann ist die Kapazitätsgrenze erreicht, denn bei uns ist Brauen Handarbeit. Da sind wir hoffnungslose Romantiker. Der Blick ins Sudhaus bestätigt das: In der Luft liegt der Duft von Malz und Hopfen, der Kessel wird von Hand befüllt. Im Keller lagern in großen Tanks ganzjährig für mindestens vier bis sechs Wochen Helles, Dunkles, Weizen und Pils und saisonal auch Bockbiere oder das Irish Black. Zu diesem Schwarzbier inspirierte Hardt die Geschichte des Iren O Malley, der sein letztes Fass Schwarzbier dem Teufel überließ, um in den Himmel zu kommen. Auf eine eigene Flaschenfüllanlage verzichtet der gebürtige Hesse alle Biere, auch das Plob, eine naturtrübe Spezialität in der Bügelflasche, werden beim großen Bruder, der Darmstädter Brauerei, abgefüllt, für die Hardt früher gearbeitet hat. Den Brauern fehlen (noch) die Worte Man muss wissen, was man will und was machbar ist, erklärt Jochen Hardt die Entwicklung neuer Biere. Im vergangenen Jahr brachte er seine erste Edition heraus. Red George ist ein fruchtiges Red Ale von dunkelroter Farbe, für das eine spezielle Ale-Hefe aus Weihenstephan verwendet wurde. Die ist eine Diva. Wir mussten das Fass umlagern, weil erst durch die Fußbodenheizung der Gärprozess in Gang kam. Der Aufwand hat sich gelohnt: Die Edition, die in der 0,7-Liter-Flasche mitsamt einem bauchigen Glas angeboten wurde, ist längst ausverkauft. Und Hardt auf den Geschmack gekommen. Die nächste Edition ist in Vorbereitung. Nexxus wird ein Weizen-Doppelbock mit Mandarin-Hopfen, dessen Aroma durch die Filtration besonders gut zur Geltung kommt. IPAs sind dem Bierspezialisten dagegen zu extrem. Ich will Biere machen, die den Leuten schmecken. Bei den IPAs muss man zu viel erklären. Und genau dafür fehlen vielen Brauern bislang noch die Worte. Nicht nur Wein, auch Bier ist ein Produkt mit vielen Feinheiten, sagt Hans-Jörg Mayer. Wir müssen dahin kommen, dass wir das den Biertrinkern näherbringen. Im Dialog mit Ihnen planen und errichten wir Bäder, die die individuelle Entfaltung ermöglichen. In unserem Showroom Spazio W zeigen wir internationale Kreationen aus der Fertigung renommierter Partner. Vereinbaren Sie Ihren individuellen Besuch. Willer Sanitär + Heizung GmbH Oppauer Straße Ludwigshafen Telefon 0621/ willergmbh.de

4 Einer, der Bier in all seinen Facetten erklären kann, ist Stephan Dück. Der 38-jährige Diplom-Braumeister und Biersommelier ist seit fünf Jahren für die Bierherstellung im Hause Welde verantwortlich. Seitdem ist das Sortiment von acht auf 15 verschiedene Produkte gewachsen. Zuletzt kamen das Bio-Bier Naturstoff und die Erste Liebe hinzu. In der 0,33-Liter-Flasche ist nichts anderes als ein klassisches Export, wie es schon die Väter der heutigen Zielgruppe zu schätzen wussten, allerdings mit leicht veränderter Rezeptur und sechs Wochen gereift. Slow Beer steht auf dem Etikett, in Anlehnung an die Slow-Food-Bewegung. Doch neben der Produktion des Flaggschiffs No.1 Premium Pils gestattet Dr. Hans Spielmann, der Chef der Privatbrauerei in Plankstadt, seinem Braumeister immer wieder Ausflüge in die Nische. Einmal im Jahr, wenn die Sandhäuser Bevölkerung Ende August zum traditionellen Hopfezopfe ausgerückt ist und die frischen Dolden angeliefert werden, braut Dück daraus das Sandhäuser Kerwebier. Ansonsten werden gepresste Pellets verwendet zumeist aus der Holledau, Deutschlands größtem Anbaugebiet, aber auch aus allen anderen Teilen der Welt. Neue Vielfalt auf dem Biermarkt Zur Tradition ist das Welde-Jahrgangsbier für einen kleinen Kreis von Genießern geworden, die Bier auch mal wie eine Flasche Wein verkosten, und da hat Stephan Dück tatsächlich das Ziel, irgendwann alle Erdteile nach den aromareichsten Hopfensorten abgegrast zu haben. Der für den 2013er-Jahrgang kam aus Südafrika und ergab ein fruchtig-schäumendes Weizenbier. Das haben viele sehr gemocht, aber wer kein Weizenbier mag, für den war es eher nichts, erzählt er. Daher wird die diesjährige Auflage einen Kontrapunkt setzen: ein kräftiges Bockbier mit Hopfen aus Neuseeland. Regelmäßig ist Stephan Dück auch als Biersommelier im Einsatz. Die Ausbildung hat er in Österreich absolviert, er sagt, sie habe seinen Horizont deutlich erweitert. Bei Verkostungen hat er nicht nur die eigenen Erzeugnisse dabei, sondern allerlei Interessantes, aber Erklärungsbedürftiges, was der Biermarkt in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat: belgische Biere oder stark gehopfte IPAs zum Beispiel. Mir geht es darum, die Vielfalt aufzuzeigen, begründet der gebürtige Sigmaringer, der aus einer Brauerfamilie kommt. Bier hat genauso viele Facetten wie Wein, nur wird das leider nicht wahrgenommen. Experimente im Keller Dass mittlerweile auch die ganz großen Produzenten auf den Craft-Bier- Zug aufspringen und Spezialitäten in kleinen Mengen auf den Markt bringen, stört ihn nicht, im Gegenteil. Erdinger hat vor Jahren mit einer riesigen Marketing-Maschinerie alkoholfreies Hefeweizen als isotonisches Sportgetränk am Markt positioniert. Davon haben alle profitiert. Jetzt sorgen die Radeberger-Gruppe oder auch Bitburger mit ihren Werbeetats dafür, das Thema Craft Bier in den Köpfen zu verankern, begründet er. Doch er verhehlt nicht, dass sein Herz vor allem für die kleinen, eher unbekannten Brauer schlägt. Das Hauptgeschäft einer Brauerei von der Größe von Welde kann nur das wohlschmeckende Bier für die breite Masse sein, erklärt er. Aber in der Nische gibt es Raritäten, die sehr spannend für die Entwicklung des Bieres insgesamt sind. Ein paar dieser Raritäten kommen aus Michelstadt im Odenwald. Vor 16 Monaten hat Alexander Himburg dort begonnen, seine eigenen Biere zu kreieren. Zunächst in kleinen Mengen im eigenen Keller, was seiner Marke den schönen Namen Braukunstkeller gab. Mittlerweile hat er sich 14

5 1/1 SEGMÜLLER in der Michelstadter Brauerei eingemietet, wo er Überkapazitäten nutzt, drei Tanks belegt und dabei das Thema Craft Bier auf die Spitze treibt. Vier Biere hat er entwickelt: das schon erwähnte Pale Ale und drei IPAs. Für das Mandarina IPA verwendet er die frischen Hopfendolden, die er direkt nach der Ernte verarbeiten muss. Für das Laguna und das Amarsi nimmt er Pellets, die das ganze Jahr verfügbar sind. Der Rohstoffeinsatz ist deutlich höher als bei herkömmlichen Bieren, der Preis doppelt so hoch. Doch auch wenn seine Biere mittlerweile mehrfach ausgezeichnet sind, unter anderem als Testsieger bei Meiningers Craft Beer Award 2013 und mit zwei Silbermedaillen beim Dublin Craft Beer Award 2014 welche Hopfensorten und Malze drin ist, ist kein Betriebsgeheimnis. Der 34-Jährige sucht gezielt den Austausch mit den Craft-Bier-Mitstreitern, denn: Ich will die Branche voranbringen. Der etwas andere Keller-Meister Der gebürtige Berliner liebt vieldimensionale Biere, bei denen man auch nach dem zehnten Schluck noch neue Facetten entdeckt. Sein Erweckungserlebnis hatte er vor Jahren bei einem IPA, erzählt er: Das war komplett anders als alles, was ich kannte. Ungezählte Experimente im Keller später ist er da, wo er hin wollte, aber längst nicht am Ende: Es gibt unzählige Hopfenarten, die man miteinander und mit den verschiedensten Malzen kombinieren kann. So lassen sich Aromen von Grapefruit, Pfirsich, Mango und Orange oder schokoladige und karamellige Noten ins Bier hineinzaubern. Man ahnt, dass das Bierreich noch zahlreiche unentdeckte Schätze bergen könnte. Alexander Himburgs Herangehensweise und auch die Art, wie er über Bier spricht, ähnelt dem Weinbau. Möglicherweise hat der etwas andere Keller-Meister die Worte schon gefunden, nach der große Teile der Branche noch suchen. Derzeit entwickelt eine limitierte Barrel-Age- Edition: Ein Imperial Stout lagert er in fünf verschiedenen Fässern: eines enthielt amerikanischen Bourbon, eines Glennmorangie, die drei anderen Rum, Rotwein und Tequila. Jedes fasst 225 Liter, im Herbst sollen die Biere ausgereift sein. Der regionale Markt spielt für den gelernten Brauer eine untergeordnete Rolle. Bis Ende des Jahres will er in sieben Ländern vertreten sein, und mittlerweile fragen Gastronomen und gut sortierte Getränkehändler bei ihm an, ob sie sein Bier verkaufen dürfen. Auf seiner Website gibt es eine Weltkarte, in der alle Bars und Kneipen verzeichnet sind, in denen man Bier aus dem Braukunstkeller trinken kann. Denn die Zielgruppe ist offenbar größer, als viele glauben. Frauen und Männer. Alle, außer die klassischen Pilstrinker. Denen ist der Geschmack zu intensiv, hat Himburg festgestellt. Und während traditionelle Brauereien oft aus den Absatzzahlen herauslesen können, ob ein Monat komplett verregnet war oder die Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft früh die Heimreise antreten musste, spielen solche Faktoren für Alexander Himburg keine Rolle: Mein Bier hat das ganze Jahr über Saison. Man trinkt es ja auch eher wie Wein. Deshalb: Hinsetzen. Den Kronkorken öffnen. Ins Glas gießen. Riechen. Schmecken. Der Rest ist: Genießen. Text: Ute Maag 16