EEG: Kostenbremse und alternative Finanzierung
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- Jan Simen
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1 Daten und Fakten EEG: Kostenbremse und alternative Finanzierung Energiebedarf der chemischen Industrie in Megawattstunden (MWh), 2014 Insgesamt rund 205 Millionen MWh (rund 9 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland), davon Erdgas (nur energetische Nutzung): rund 90 Millionen MWh (rund 12 Prozent des Erdgasverbrauchs Deutschlands) Strom: rund 53 Millionen MWh (rund 10 Prozent des gesamten Stromverbrauchs Deutschlands) Kohle: rund 8 Millionen MWh (rund 1 Prozent des gesamten Kohleverbrauchs Deutschlands) Belastungen der Chemie aus EEG, Emissionshandel und Stromsteuer liegen 2016 trotz Entlastungsregelungen bei mindestens 1,6 Milliarden Euro ohne Entlastungsregelung/ Kompensation mit Entlastungsregelung (Maximum) mit Entlastungsregelung/ Kompensation Drohende zukünftige Entwicklung Quelle: VCI 230 EEG Stromsteuer Emissionshandel (ET) ET mit Marktstabilitätsreserve (Zertifikatepreis 40 /t CO2) 340 Energiepolitische Regulierungen sorgen für immer weiter steigende Strompreise. Ohne die Entlastungsregeln ginge die internationale Wettbewerbsfähigkeit besonders energieintensiver Betriebe der chemischen Industrie verloren. Berechnungsgrundlagen zur Belastungsgrafik EEG-Umlage: Mit Besonderer Ausgleichsregelung und Befreiung der Eigenerzeugung liegt die Belastung zwischen 1,07 Millionen und 1,31 Milliarden Euro (seit der EEG-Reform 2014 kann für die Branche nur noch eine Spannbreite angegeben werden); ohne Entlastungsregelungen, bei voller Umlage auf den gesamten Stromverbrauch, lägen die Kosten bei 3,4 Milliarden Euro. Stromsteuer: 230 Millionen Euro bei Spitzenausgleich und Befreiung bestimmter Prozesse. Wenn man die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge gegenrechnet, sinkt die Belastung auf 50 Millionen Euro. Bei Wegfall des Spitzenausgleichs würde die Belastung 1,1 Milliarden Euro ausmachen. Emissionshandel: Berechnung mit einem Zertifikatepreis von aktuell 7 /t CO 2 : 340 Millionen Euro, falls die emissionshandelsbedingt steigenden Stromkosten teilweise kompensiert werden, 400 Millionen Euro ohne Kompensation. (Berechnet mit dem von der EU-Kommission verwendeten Emissionsfaktor von 0,76 t CO 2 /MWh). Die Kosten für Prozessemissionen und die Erzeugung von Wärme sind nicht enthalten, da diese nur auf Ebene der einzelnen Unternehmen ermittelbar sind. Emissionshandel mit Marktstabilitätsreserve: Drohende zukünftige Belastung bei Einführung der Marktstabilitätsreserve, berechnet mit dem erwarteten Zertifikatepreis von 40 /t CO 2. 1,75 Milliarden Euro, falls die emissionshandelsbedingt steigenden Stromkosten teilweise kompensiert werden, 2,3 Milliarden Euro ohne Kompensation. 1
2 Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Betreiber von EEG-Anlagen erhalten 15 bis 20 Jahre lang eine festgelegte Vergütung für den von ihnen erzeugten Strom, den Netzbetreiber vorrangig abnehmen müssen. Die Höhe der Vergütungssätze ist nach Technologien und Standorten differenziert. Die Netzbetreiber stellen die hierdurch entstehenden Kosten den Stromverbrauchern in Rechnung (EEG-Umlage). Entwicklung der EEG-Umlage EEG-Umlage Euro pro Megawattstunde 62,40 61,70 63,54 68,80 52,77 35,32 35,92 20,47 2,46 3,24 3,88 5,16 5,84 6,31 11,02 11,60 13, Quelle: VCI Die EEG-Umlage ist in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen. Dieser Trend wird sich vermutlich auch mittelfristig weiter fortsetzen. Die kurzfristige Erholung 2015 ist lediglich auf eine ausreichend hohe Umlage 2014 und nicht auf Kostenreduktion im EEG selbst zurückzuführen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung soll sich bis 2025 von derzeit rund 33 Prozent (2015) auf 40 bis 45 Prozent erhöhen. Im Jahr 2035 soll ein Ausbaukorridor von 55 bis 60 Prozent, im Jahr 2050 ein Anteil von mindestens 80 Prozent an der Stromerzeugung erreicht werden. Die EEG-induzierten Kosten der Förderung erneuerbarer Energien belaufen sich 2017 laut Schätzung der Übertragungsnetzbetreiber auf über 24 Milliarden Euro. Dies entspricht einer EEG- Umlage von 6,88 ct/kwh für alle zahlenden Letztverbraucher. Die Industrie zahlt aufgrund ihrer Stellung im internationalen Wettbewerb zum Teil eine niedrigere Umlage (Härtefallregelung). Davon profitierten im Jahr 2014 nur 146 von über Unternehmen der chemischen Industrie also weniger als 10 Prozent. EEG-Novelle 2016 Seit dem Inkrafttreten des EEG 2014 gelten bei der Entlastung energieintensiver Unternehmen Regelungen, die teilweise durch die im Mai 2014 verabschiedeten Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien vorgegeben werden. Im Einzelnen: Die Beihilfeleitlinien umfassen zwei Listen mit Industrie-Sektoren: Liste 1 und Liste 2. Diese Listen decken circa 90 Prozent der Sektoren des produzierenden Gewerbes ab. Unternehmen auf beiden Sektorenlisten sind grundsätzlich berechtigt, einen Antrag auf Entlastung zu stellen. Das bisherige nationale Kriterium bei der Stromintensität (Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung) wurde von der EU geändert. Die Stromintensität musste im Antragsjahr Prozent (statt vorher 14) betragen, ab dem Antragsjahr 2015 sind es nun 17 Prozent. Unternehmen, deren Sektoren auf der Liste 2 (152 Sektoren) aufgeführt sind, müssen jedoch 20 Prozent Stromintensität vorweisen. Unternehmen, die 2014 die Besondere Ausgleichsregelung in Anspruch nehmen konnten, jedoch nicht auf den Sektorenlisten stehen, oder die 20 Prozent Stromintensität nicht erfüllen, die für die 2
3 Liste 2 nötig ist, zahlen ab 2015 dauerhaft 20 Prozent der Umlage. Dies gilt seit der Verabschiedung des EEG 2016 nun auch für solche Unternehmen, deren Stromintensität zwischen 14 und 17 Prozent liegt. Für alle Unternehmen, die bisher die Besondere Ausgleichsregelung in Anspruch nehmen konnten, künftig aber höhere EEG-Kosten haben, gilt: Ihre zu zahlende Umlage darf sich in einem Jahr gegenüber dem Vorjahr jeweils maximal verdoppeln. Dadurch soll vermieden werden, dass Unternehmen durch einen kurzfristig starken Anstieg ihrer Umlagenzahlung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Für besonders stromintensive Unternehmen (Stromintensität >20 Prozent) ist der Wert bei 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gedeckelt. Für alle anderen Unternehmen gilt ein Deckel von 4 Prozent der Bruttowertschöpfung. Auch gibt es einen neuen Sockelbetrag, den jedes Unternehmen mindestens zu zahlen hat. Dieser Betrag liegt bei 0,1 ct/kwh (Sonderregelung für Nichteisen-Metalle: 0,05 ct/kwh). Für die erste GWh zahlen alle Unternehmen aber die volle Umlage. Unternehmensteile sind weiterhin antragsberechtigt allerdings nur dann, wenn das Unternehmen der Liste 1 (dort im Anhang 4) angehört. Unternehmensteile, deren Unternehmen sich über Liste 2 qualifizieren würden, sind nicht antragsberechtigt. Für industrielle Eigenstromanlagen ist ein Bestandsschutz vorgesehen. Unternehmen, die ihren Strom selbst erzeugen und verbrauchen, sind weiterhin von der Umlage befreit. Diese Regelung soll allerdings aufgrund von beihilfenrechtlichen Bedenken der Europäischen Kommission im Jahr 2016 evaluiert und spätestens bis Ende 2017 an europarechtliche Vorgaben angepasst werden. Nach einer grundsätzlichen Verständigung zwischen Bundesregierung und Europäischen Kommission im August 2016 sieht die neue Regelung voraussichtlich vor, dass Eigenstromanlagen nur solange von der Umlage entlastet werden, bis die Anlage substantiell modernisiert wird. Gemeint ist damit der Austausch des Generators. 1 Generell zahlen neue Anlagen 100 Prozent der Umlage. Für hocheffiziente KWK-Anlagen (wie zum großen Teil in der Chemie) und Erneuerbare-Energien-Anlagen reduziert sich dieser Satz und liegt ab 2017 bei 40 Prozent der Umlage. Mit dem Antragsjahr 2016 werden zur Berechnung der Stromkostenintensität erstmals Durchschnittsstrompreise (Veröffentlichung durch BAFA) gemäß Durchschnittsstrompreisverordnung angewendet. Auswirkung der Besonderen Ausgleichsregelung auf die EEG-Umlage: Die privilegierte Strommenge in der Besonderen Ausgleichsregelung beträgt im Jahr 2016 circa 107 Terawattstunden (TWh), davon entfallen knapp 95 TWh auf Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Dies bedeutet eine geringe Senkung im Vergleich zu Die Besondere Ausgleichsregelung belastet die EEG-Umlage 2016 mit gut 1,33 ct/kwh, ein etwas geringerer Wert als 2015 (Quelle: BMWi). Standortschwäche lenkt Investitionen der Chemie ins Ausland Investitionen der chemischen Industrie fließen zunehmend ins Ausland. Eine Erhebung des VCI zeigt, dass Unternehmen diese Entscheidung nicht nur wegen der Erschließung von neuen Märkten treffen, sondern auch wegen niedrigerer Kosten an ausländischen Standorten. So werden zwei Drittel der Investitionen in den USA aus diesem Motiv getätigt. Die günstigen Preise für Rohstoffe und Energie durch den Schiefergasboom spielen hier eine Rolle. Seit Beginn des Booms der Förderung von Schiefergas 2009 sinken die Energie- und Rohstoffkosten in den USA, während sie in Deutschland vor allem wegen der Energiewende kräftig gestiegen sind. Derzeit sind Strom und Gas hierzulande rund 2,5-mal so teuer wie in den USA. Gemäß der VCI-Umfrage erfolgt aber auch in den europäischen Nachbarländern inzwischen ein Drittel der Auslandsinvestitionen, weil an den EU-Standorten die Kosten niedriger sind als in Deutschland. 1 Mit dem Inkrafttreten der entsprechende EEG bzw. KWKG-Novelle wird im Januar 2017 gerechnet. 3
4 Motive der Auslandsinvestitionen der dt. Chemie- und Pharmaindustrie 2015 Kostenersparnis Markterschließung NAFTA Europa Asien Lateinamerika (ohne Mexiko) Auslandsinvestitionen, insgesamt Quelle: VCI Rund die Hälfte der Investitionen der deutschen Chemie in Nordamerika werden heute wegen niedrigerer Kosten getätigt. In Asien und Lateinamerika dienen die Investitionen überwiegend der Markterschließung. Die Investitionen der deutschen Chemie in Produktionsanlagen und Gebäude im Ausland haben sich in den vergangenen 25 Jahren auf aktuell 8,6 Milliarden Euro verdoppelt. Im Inland bewegen sich die Sachanlageinvestitionen der Branche dagegen auf einem Niveau von durchschnittlich 6,4 Milliarden Euro pro Jahr, preisbereinigt sinken sie damit. Die geplanten Auslandsinvestitionen der deutschen chemischen Industrie übertreffen 2015 die Investitionen für Anlagen und Gebäude im Inland um gut 1,5 Milliarden Euro. 4
5 Ein großer Teil der Auslandsinvestitionen der deutschen chemischen Industrie fließt nach Nordamerika dort vor allem in die USA. Günstige Rohstoff- und Energiepreise fördern diesen Trend in den letzten Jahren Energiekonzept und Energiewende Im September 2010 hat das Bundeskabinett das Energiekonzept der Bundesregierung sowie ein 10-Punkte-Sofort-Programm verabschiedet. Das Energiekonzept setzt ehrgeizige Zielvorgaben: bis 2020 (in Prozent) bis 2050 (in Prozent) Senkung CO 2 -Emissionen (ggü. 1990) bis 95 Senkung Primärenergieverbrauch (ggü. 2008) Senkung Stromverbrauch (ggü. 2008) Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch Steigerung Energieproduktivität (bezogen auf Endenergieverbrauch) ,1 Prozent pro Jahr Diese Ziele finden sich auch in dem Ende November 2013 beschlossenen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zum Teil wieder. 5
6 Europäische Klimaschutzziele Der Europäische Rat hat im Oktober 2014 neue Energie- und Klimaschutzziele für das Jahr 2030 verabschiedet: bis 2030 (in Prozent) Senkung CO 2 -Emissionen (ggü. 1990) 40 Anteil erneuerbarer Energien Primärenergieverbrauch (ggü. 2008) 27 Steigerung Energieeffizienz (ggü. Szenarien aus 2007) 27 Entwicklung von Produktion und Energieverbrauch seit 1990 Chemieproduktion erfordert einen hohen Energieeinsatz. Das gilt besonders für die Herstellung von chemischen Grundstoffen und Massenprodukten. Obwohl die Branche ihre Produktion in den letzten zwanzig Jahren ständig gesteigert hat, ist ihr Energieverbrauch gesunken: Für das gleiche Produkt braucht sie heute nur noch halb so viel Energie wie Diesem Trend sind jedoch physikalische Grenzen gesetzt. Absolute Ziele für die Reduktion des Energieverbrauchs können daher nur wachstumshemmend wirken. Trotz steigender Produktion konnte die chemische Industrie ihren absoluten Energieverbrauch senken. Ein Trend, der sich jedoch aufgrund der hohen Vorleistungen und physikalischer Grenzen nicht ohne weiteres fortsetzen lässt. 6
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