Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke.
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- Lennart Sternberg
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1 Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) 2) Liebe als SGKM 3) Zusammenfassung
2 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 1 Aus: "Die gestundete Zeit" (...) Drüben versinkt dir die Geliebte im Sand, er steigt um ihr wehendes Haar, er fällt ihr ins Wort, er befiehlt ihr zu schweigen, er findet sie sterblich und willig dem Abschied nach jeder Umarmung. (...) Ingeborg Bachmann
3 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 2 Bereits der Soziologe Talcott Parson hatte für seine Handlungssystemtheorie symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien als intermediäre Strukturen zwischen den Funktionssystemen der Gesellschaft eingeführt.
4 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 3 Luhmann, der nicht wie Parsons vom Bestand sozialer Systeme ausgeht, sondern nach ihrer Unwahrscheinlichkeit fragt, geht hingegen davon aus, dass sich SGKM als Problemlösungsmechanismen für die Unwahrscheinlichkeit des Erfolgs der Kommunikation im System der Gesellschaft ausbilden und dann alle Kommunikationen konditionieren.
5 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 4 Luhmann beschreibt in seinem Buch die Gesellschaft der Gesellschaft (1997) die Funktion der SGKM wie folgt: Sie (...) übernehmen die Funktion, die Annahme einer Kommunikation erwartbar zu machen in Fällen, in denen die Ablehnung wahrscheinlich ist. (...) Sie reagieren auf das Problem, daß mehr Information normalerweise weniger Akzeptanz bedeutet. (S. 316) [Niklas Luhmann, 1997: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M.]
6 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 5 In der Gesellschaft realisieren sich SGKM als semantische Codes (Codierungen, wie etwas zu verstehen ist), die eine unwahrscheinliches Erleben und Handeln so zuspitzen, dass es ein verallgemeinertes Erleben und Handeln symbolisiert.
7 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 6 Beim SGKM Macht wird der unwahrscheinliche Zusammenhang symbolisiert, dass das Handeln des einen (Alter) das Handeln des anderen (Ego) festlegt, beim Geld legt das Handeln von Alter das Erleben von Ego fest und bei der Wahrheit bestimmt das Erleben von Alter das Erleben von Ego. Zur Liebe kommen wir später!
8 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 7 Die Erfolgsmedien erlauben es also als Macht, Geld, Wahrheit, Liebe usw., sozial unwahrscheinliche Erwartungen symbolisch so zuzuspitzen, dass sie allgemein für jeden Einzelfall akzeptiert werden und die Kommunikation damit anschließbar wird.
9 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 8 Diese Erwartungen konkretisieren sich in entsprechenden Kommunikationsformen, bei der Macht ist dies Herrschaft, beim Geld sind es Zahlungen und bei der Wahrheit Beweise.
10 1) Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (SGKM) Folie 9 In den Alltagskommunikationen der modernen Gesellschaft bedeutet das, dass wir für gewöhnlich genau wissen, was es heißt, wenn es um Herrschen, Zahlen, Beweisen usw. geht. Wir wissen, dass wir erwarten können anders zu handeln oder anders zu erleben, wenn es um Macht, Geld oder Wahrheit geht. Das gilt auch für die Liebe.
11 2) Liebe als SGKM Folie 10 Wenn wir Liebe als SGKM verstehen, dann heißt das, dass wir einen Code von Bedeutungen aufrufen, die uns symbolisieren, was es bedeutet zu lieben, wenn wir andere begehren.
12 2) Liebe als SGKM Folie 11 In der modernen Gesellschaft ist die Wahrscheinlichkeit, dass individuelle Liebe und damit die Form der Intimität möglich wird paradoxerweise aufgrund der Individualisierung eher in Frage gestellt.
13 2) Liebe als SGKM Folie 12 Das SGKM Liebe stellt in der modernen Gesellschaft so einen Code zur Verfügung, in dem Liebe und Intimität in einer Form ausgedrückt werden können, die kompatibel zu den komplexen Kommunikationsbedingungen ist, indem sie sich als romantische, individuell zu realisierende Liebe.
14 2) Liebe als SGKM Folie 13 Der Liebescode des SGKM überbrückt dabei die Idiosynkrasien der Individualität, indem er sie gerade zum Wunsch und Begehren des Liebespaares erhebt und so als ideales Ziel der Liebespassion erscheinen lässt
15 2) Liebe als SGKM Folie 14 Das heißt nichts anderes, als dass es als normal ausgegeben wird, dass wir dann, wenn es um Liebe geht, die noch so unbekannte oder absonderliche Individualität anderer zum Zentrum unseres Wollens und Fühlens machen sollen. Wir (Ego) handeln, aufgrund dessen, was der oder die andere (Alter) erlebt.
16 2) Liebe als SGKM Folie 15 Wir können hieran sehr deutlich sehen, wie das SGKM Liebe die Zumutung der Kommunikationsannahme zuspitzt und zugleich für alle und alle Situationen generalisiert. Luhmann schreibt dazu in Liebe als Passion : Das Besondere (und wenn man so will das Tragische) der Liebe liegt in dieser Asymmetrie, in der Notwendigkeit, auf Erleben mit Handeln zu antworten und auf Schongebundensein mit Sichbinden. (1982: 26). [Niklas Luhmann, 1982: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. Frankfurt/M.]
17 2) Liebe als SGKM Folie 16 Mit dem SGKM Liebe ist es also möglich, Personen und ihre höchst individuelle Weltsicht zur gesellschaftlichen Strukturierung heranzuziehen. Das hat dann aber die paradoxe Folge, dass Liebe und ihre Form der Intimität die Kontingenz zur Struktur erhebt. Liebe ist deshalb nur darin zu kontrollieren, dass sie unkontrollierbar ist, nur darin zu verstehen, dass sie unverständlich ist und nur so zu kommunizieren, dass man, wenn man liebt, möglichst wenig über sie spricht und schreibt. Es verwundert daher nicht, dass dieser Ausnahmezustand als Passion als Leiden an der Liebeskrankheit semantisch codiert wird.
18 3) Zusammenfassung Folie 17 Zusammenfassung - SGKM realisieren sich gesellschaftlich als semantische Codes für die Verallgemeinerung symbolisch zugespitzter unwahrscheinlicher Handlungs und Erlebnismöglichkeiten. Damit wecken SGKM spezifische Erwartungen, die sich auf die Kommunikationsformen richten, die diese Medien ausformen. Liebe codiert hierbei als SGKM das eigene Handeln aufgrund des idiosynkratischen Erlebens anderer, die so zum kontingenten Zielpunkt einer auf individuelle Persönlichkeit abgestellten Form der Intimität werden. Liebe codiert sich selbst so als unkontrollierbare Passion an einer romantischen Intimtät.
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