POLITISCHER BERICHT AUS DER RUSSISCHEN FÖDERATION. Dr. Markus Ehm Leiter der Verbindungsstelle Moskau

Transkript

1 POLITISCHER BERICHT AUS DER RUSSISCHEN FÖDERATION Dr. Markus Ehm Leiter der Verbindungsstelle Moskau Nr. 4/ Februar 2013

2 IMPRESSUM Herausgeber Vorsitzender Hauptgeschäftsführer Copyright 2013, Hanns-Seidel-Stiftung e.v., München Lazarettstraße 33, München, Tel.: +49 (0) , Online: Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair Staatsminister a.d., Senator E.h. Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Tel.: +49 (0) oder -204 Fax: +49 (0) mailing@hss.de Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses Berichtes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Das Copyright für diese Publikation liegt bei der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Die Autoren tragen für ihre Texte die volle Verantwortung.

3 Schwierige Verhältnisse für Russland auf dem internationalen Gasmarkt Im Dezember 2012 sorgte die vom russischen Gaskonzern Gasprom zu bauende Pipeline South Stream für Schlagzeilen. 1 Die Leitung soll 2018 fertig gestellt sein und 63 Mrd. m³ Gas pro Jahr nach Mitteleuropa transportieren. Russland reagierte mit dieser durch das Schwarze Meer über den Balkan nach Österreich führenden Pipeline auf die mit der Ukraine seit dem Jahr 2005 bestehenden Probleme bei der Gasdurchleitung. Damals transportierte Moskau zwei Drittel seiner Gasexporte nach Europa über ukrainisches Territorium. Unter den Transitkrisen litt das Vertrauen von Gasprom im Westen: Russland sah dringenden Handlungsbedarf. Im Gegensatz zu South Stream tritt jedoch das EU-Projekt Nabucco auf der Stelle. 2 Die für die Beschickung mit Gas erforderlichen Lieferverträge kamen bis heute weder mit Aserbaidschan, noch mit dem Iran oder Irak zustande. Doch dieser für Gasprom erfreuliche Umstand wird durch andere Faktoren eingetrübt. Gasprom sieht sich mit folgenden Entwicklungen konfrontiert: - Das weltweite Angebot an Gas nimmt zu und setzt die Preise unter Druck. Ursache dafür sind neue Bohrtechniken, mit denen sog. Schiefergas gewonnen werden kann. Dadurch ergaben sich insbesondere in den USA revolutionäre Entwicklungen. So löste Washington bereits 2009 Moskau als weltgrößten Gasproduzenten ab. 3 Für den Flüssiggasexport mit Tankerschiffen gibt es bereits ein Terminal in Texas und weitere sind im Bau. Deutsche Gasimporteure rechnen mit dem Eintritt der USA in den lukrativen europäischen Gasmarkt für 2015/2016. Hier herrscht bereits heute eine verschärfte Wettbewerbssituation, weil Gasexporteure aus dem Nahen Osten (z.b. Katar) ihre ursprünglich für den US-amerikanischen Markt bestimmten Mengen nach Europa liefern. 4 Die Preisbildung erfolgt auf dem sog. Spotmarkt, der sich durch große Schwankungen auszeichnet, weil Angebot und Nachfrage den Preis täglich neu bestimmen. Da in letzter Zeit das Angebot an Gas beständig gestiegen ist, haben sich die Spotmarktpreise deutlich unterhalb der russischen Preise eingependelt. Ursache für den hohen russischen Preis sind Langfristverträge mit den großen Gas-Importeuren (z.b. E.On), bei denen der Gaspreis an den Ölpreis gebunden ist. Diese Gas-Importeure geraten selbst unter Druck, weil kleinere Gas-Versorger (z.b. kommunale Stadtwerke) auf den Endkundenmarkt drängen. die das Gas ausschließlich auf dem Spotmarkt (billiger) beziehen. Durch einen Gasanbieterwechsel erzielen Endkunden Preisvorteile, die Unternehmen wie E.On nicht gewähren können. Deshalb versuchten die Großversorger bei Gasprom 2012 erfolgreich, Preisnachlässe zu erreichen. Die Rede ist von Rückerstattungen in Höhe von bis zu 3,5 Mrd. USD an die großen Gas-Importeure. 5 - Russische Projekte im Nördlichen Eismeer stehen vor einer ungewissen Zukunft: Der sehr teuren Erschließung stehen unsichere Absatzchancen gegenüber. 1 Kommersant Wlastj vom , S Kommersant Wlastj vom , S Frankfurter Allgemeine Zeitung vom , S Das Folgende nach: Kommersant Wlastj vom , S Internetportal Juve vom , 1

4 - Das Preisniveau auf dem internationalen Gasmarkt befindet sich derzeit auf einem zu niedrigen Niveau für eine rentable Nutzbarmachung dieser neuen Förderstätten. Auch spielt die Tatsache, dass die USA zum Selbstversorger wurden, eine große Rolle. - Die Europäische Union treibt mit ihrem sog. Dritten Energiepaket die Liberalisierung des Gasmarktes voran. Kernbestandteil sind Regelungen zur Entflechtung des Netzbetriebs von der Produktion. 6 Dies läuft den Interessen von Gasprom genau entgegen. Der Konzern strebt danach, neben der Gaslieferung auch Versorgungsnetze zu betreiben, um dadurch direkten Zugang zum Endkunden zu erhalten. Ferner stehen die Langzeitverträge zwischen Gasprom und den Gasimporteuren (Laufzeit von bis zu 30 Jahren) auf dem Prüfstand, weil sie nach Auffassung der EU-Kommission Marktpreise verhindern. - Der norwegische Staatskonzern Statoil zeigt sich flexibler als der russische Konkurrent. 7 Statoil verkauft bereits die Hälfte seines Gases zu Spotmarktpreisen, welche an der Gasbörse verhandelt werden. Die kleineren Gewinnmargen kompensiert Norwegen durch höhere Verkaufsmengen: 2012 steigerte Statoil seinen Absatz in Europa um 16%. Gasprom liefert im Rahmen langfristiger Vertragsbindungen zu höheren Preisen; der Anteil sank um 8%. - Aufgrund der in Europa weniger abgesetzten Mengen leidet die Rentabilität der 2011 in Betrieb gegangenen Pipeline North Stream, durch welche Gas direkt von Russland durch die Ostsee nach Deutschland fließt. Wie aus Kreisen der deutschen Gaswirtschaft zu hören ist, liegt die Auslastung der Pipeline nur bei einem Drittel der Kapazität; eine interne Machbarkeitsstudie empfiehlt gegenwärtig, auf den Bau der ursprünglich geplanten beiden weiteren Stränge zu verzichten. Gleichzeitig schätzen Analysten die Wirtschaftlichkeit der mindestens 27 Mrd. Euro teuren Leitung South Stream, deren erster Strang ab Anfang 2016 jährlich 15,5 Mrd. m³ Gas liefern soll, als zweifelhaft ein. Nach Auffassung des Wochenmagazins Kommersant Wlastj verfolgt Gasprom das politische Ziel, langfristig komplett auf den Transit durch die Ukraine verzichten zu können. 8 - In einem Schiedsverfahren unterlag Gasprom 2012 der tschechischen RWE-Tochter RWE-Trans. 9 Das Schiedsgericht kippte eine Vertragsklausel, die Gasprom vor Konkurrenz mit RWE-Trans in Osteuropa schützen sollte. Der russische Gasexporteur hat gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt. Wird das für Gasprom nachteilige Urteil bestätigt, würde dies Auswirkungen auf Verträge mit anderen Gasimporteuren haben. 6 Siehe dazu die Hintergrundinformationen auf der Internetseite der Wirtschaftskanzlei Linklaters vom , 7 Das Folgende nach: Kommersant vom , S Kommersant Wlastj vom , S Das Folgende nach: NZZ vom , ; Internetportal Juve vom , 2

5 - Russland kann seine schwierige Lage auf dem europäischen Gasmarkt kurzfristig nicht durch Verkäufe in Asien kompensieren: Der russische Marktanteil in den asiatischen Pazifikländern betrug 2011 insgesamt nur 5,75%, soll aber bis 2030 auf 25% ansteigen. 10 Russland verfügt zwar über ergiebige Gasquellen in Ostsibirien, allerdings fehlt bisher die notwendige teure Infrastruktur zur Ausbeutung. Moskau benötigt Investitionen und fortschrittliche Technologie ein milliardenschweres Geschäft für russische und ausländische Spezialfirmen. Ins energiehungrige China führt gegenwärtig keine Pipeline; die Verhandlungen über einen Bau scheiterten bisher an der Preisfrage: Peking möchte nur ein Drittel des europäischen Preises bezahlen. Mit Südkorea ist sich Russland über einen Pipelinebau bereits einig, und die Verhandlungen mit Nordkorea über die Transitgebühren laufen. Für den Export von Flüssiggas steht an der russischen Pazifikküste lediglich ein einziges Terminal auf der Insel Sachalin zur Verfügung. Von dort aus beliefert Gasprom Japan zu den hohen europäischen Preisen. Tokio ist dazu bereit, weil seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima (2011) weniger Atomenergie produziert wird. Russland steht als Gaslieferant vor großen Herausforderungen. Für das Land haben die Rohstoffexporte eine immense Bedeutung, weil der Staatshaushalt zu rund 50% von ihnen abhängt. 11 Geringere Erlöse treffen Moskau empfindlich. Wie das von der EU angestrengte Verfahren endet, ist derzeit nicht zu prognostizieren. Am Ende könnte ein Kompromiss stehen: Die Langfristverträge werden gekippt, im Gegenzug darf Gasprom Leitungsnetze in der EU besitzen. In Asien wird Russland dauerhaft nicht den europäischen Preis erzielen können. Zugeständnisse dort werden auch Reduktionen in Europa zu Folge haben. Um gleiche Einnahmen wie bisher in Europa zu erzielen, müsste Moskau deutlich mehr Mengen verkaufen. Ein entsprechender Bedarf ist aber nicht ersichtlich. Dr. Markus Ehm Leiter der Verbindungsstelle Moskau der Hanns-Seidel-Stiftung Moskau, 8. Februar Das Folgende nach: Kommersant Wlastj vom , S. 33f. 11 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom , S