Praxis gestalten Innovation wagen Zur Weiterentwicklung der Teilhabe am Arbeitsleben und des Rechts der Werkstätten für behinderte Menschen
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- Hajo Ferdinand Roth
- vor 8 Jahren
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1 Praxis gestalten Innovation wagen Zur Weiterentwicklung der Teilhabe am Arbeitsleben und des Rechts der Werkstätten für behinderte Menschen Empfehlung der Bundesvereinigung Lebenshilfe 1
2 Herausgegeben von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.v. Raiffeisenstraße 18, Marburg Tel.: ( ) Fax: ( ) bundesvereinigung@lebenshilfe.de Internet: Diese Empfehlung wurde im Fachausschuss Arbeit der Bundesvereinigung Lebenshilfe verfasst und am 31. Mai 2008 in der Gemeinsamen Sitzung von Bundesvorstand und Bundeskammer zur Veröffentlichung freigegeben. Redaktion: Ulrich Hellmann, Jana Kohlmetz Lektorat: Marianne Elsner Gestaltung: Heike Hallenberger Titelfoto: Anja de Bruyn Marburg, im Juni
3 Zur Weiterentwicklung der Teilhabe am Arbeitsleben und des Rechts der Werkstätten für behinderte Menschen Artikel 27 Abs. 1 (Auszug) der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderung zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt und angenommen wird. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit Position der Lebenshilfe 1. Gleiche Teilhabechancen für alle Arbeit und Beschäftigung sind für jeden Menschen Möglichkeiten, sich mit seinen Fähigkeiten in die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens einzubringen. Das Recht zur Teilhabe am Arbeitsleben besteht grundsätzlich für alle Menschen, unabhängig vom Schweregrad ihrer Behinderung. Gleichberechtigte Teilhabe auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens wird in der Regel in der normalen sozialen Umgebung des Menschen verwirklicht das sind im Bereich des Arbeitslebens in erster Linie die Betriebe vor Ort. Behinderte Menschen, für die eine Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Arbeitsbereich der Werkstatt nicht in Betracht kommt, sollen nach 136 Abs. 3 SGB IX in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind. Allerdings tritt die Lebenshilfe dafür ein, einheitliche Rahmenbedingungen der bedarfsgerechten Förderung und sozialen Absicherung für alle Menschen mit Behinderung zu schaffen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigungen nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis tätig sein können. 2. Berufliche Bildung vielfältiger und nachhaltiger gestalten Zur nachhaltigen Verbesserung der Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kommt dem Übergang Schule Beruf und der Beruflichen Bildung eine herausgehobene Bedeutung zu. Die Le- 3
4 benshilfe begrüßt deshalb grundsätzlich die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geplante Einführung eines neuen Fördertatbestands Unterstützte Beschäftigung, um vielfältigere Angebote der Beruflichen Bildung zu ermöglichen. Die Konzeption einer solchen Maßnahme muss jedoch umfassende und nachhaltige Förderangebote enthalten, die über eine zweijährige Qualifizierung in der Zuständigkeit der Arbeitsagentur hinausgehen. Erforderlich ist, dass alle Menschen unabhängig vom Schweregrad ihrer Behinderung an der Beruflichen Bildung teilnehmen können. Entsprechend ihrem Wunsch- und Wahlrecht muss ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Berufliche Bildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in der Werkstatt für behinderte Menschen wahrzunehmen. Dabei müssen Angebote der Beruflichen Bildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und dem Berufsbildungsbereich der Werkstatt vergleichbaren Qualitätsstandards genügen, die stetig weiterentwickelt werden. Außerdem müssen Werkstätten berechtigt werden, Ausbildungsleistungen nach 33 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB IX anzubieten. 3. Dauerhafte Unterstützung am Arbeitsplatz schaffen Die Förderung der Eingliederung geeigneter Personen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist wichtiger Bestandteil des gesetzlichen Auftrags der Werkstätten (vgl. 136 Abs. 1, Satz 3 SGB IX). Die Lebenshilfe begrüßt die politische Zielsetzung, Menschen mit Behinderung mehr als bisher die Möglichkeit einzuräumen, außerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen ihren Lebensunterhalt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erarbeiten zu können. Die nachhaltige Erschließung von Teilhabemöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt muss auch für Menschen offen sein, die die Voraussetzungen des 136 Abs. 1 Satz 2 SGB IX erfüllen. Gelingen kann dies nur, wenn die Rahmenbedingungen für eine dauerhafte individuelle Unterstützung am Arbeitsplatz geschaffen und erhalten werden. 4. Bereitstellung von Arbeitsplätzen, Minderleistungsausgleich und fachlicher Hilfe Eine verstärkte Integration von Menschen mit geistiger Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt setzt die Bereitstellung geeigneter Arbeitsplätze voraus. Die entsprechende Bereitschaft von Betrieben muss durch intensive Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit sowie durch die Gewährung von angemessenem Minderleistungsausgleich gefördert werden. Für die Erschließung von Praktikums- und Arbeitsplätzen, die Vermittlung, Qualifizierung und dauerhafte Unterstützung müssen die erforderlichen personellen Ressourcen bereitgestellt werden. Für diejenigen Menschen mit Behinderung, die nicht oder nicht 4
5 mehr das volle Förderangebot der Werkstatt benötigen, jedoch keinen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden, müssen alternative Angebote z. B. Integrationsprojekte ausgebaut werden; die Betriebe müssen dauerhaft in die Lage versetzt werden, den Beschäftigten, trotz ihrer Leistungsminderung, tarifgerechte Löhne zu zahlen. 5. Mittel der Ausgleichsabgabe unzureichend Pflichtquote erhöhen Auch durch die Absenkung der Pflichtquote auf 5 v. H. ist das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe stark gesunken. Das trifft Werkstätten, Integrationsfachdienste und Integrationsbetriebe gleichermaßen und verhindert, dass die Integrationsämter ihre wichtigen Aufgaben zum Aufbau von Integrationsprojekten, der Förderung erforderlicher neuer Werkstattplätze und die Unterstützung von behinderten Menschen in Integrationsprojekten und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfüllen können. Die Zielsetzung des Gesetzgebers durch die Reduzierung der Pflichtquote nach 71 SGB IX, eine Senkung der Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten um 25 v. H. zu erreichen, ist gescheitert. In der Konsequenz sind Pflichtquote und Ausgleichsabgabe so anzuheben, dass zumindest ausreichende Mittel zur Schaffung alternativer Angebote zur Verfügung stehen. 6. Personengebundene, gleichberechtigte soziale Absicherung Für behinderte Menschen, die die Aufnahmevoraussetzungen für eine Beschäftigung in der Werkstatt erfüllen, aber mit bedarfsgerechter Unterstützung eine Berufsorientierungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahme oder eine langfristige Beschäftigungsmaßnahme in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkt in Anspruch nehmen, muss die sozialversicherungsrechtliche Absicherung gewährleistet werden. Der Umfang der Kranken- und Rentenversicherung ist nicht an die Institu - tion Werkstatt, sondern individuell an die dauerhaft leistungsgeminderte Person zu binden. Insbesondere die geltende Absicherung von Werkstattbeschäftigten in der Rentenversicherung betrachtet die Lebenshilfe nicht als Privilegierung, sondern als angemessenen Nachteilsausgleich, den es für werkstattberechtigte Personen zu erhalten gilt, auch wenn für sie eine Beschäftigungsmöglichkeit außerhalb der Werkstatt erschlossen wird. Die Durchlässigkeit des Systems der Förderangebote zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Rückkehrmöglichkeit in die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist zu gewährleisten. 7. Die Potentiale der Werkstätten nutzen Fachkräfte aus Werkstätten für behinderte Menschen sind auf Grund ihrer Kompetenzen und Erfahrungen Spezialisten für die Erbringung und Vermittlung flexibler Angebote von Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere im 5
6 Hinblick auf die individuelle Förderung und Betreuung der Beschäftigten. Es entspricht den Grundsätzen der gleichberechtigten Teilhabe, Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, aus einer breiten Angebotspalette von Unterstützter Beschäftigung durch Einzel- und Gruppenbetreuung in und außerhalb von Werkstätten das am besten geeignete Angebot auszuwählen. Die dafür erforderlichen strukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind entsprechend zu gestalten. 8. Notwendige Voraussetzungen zur Nutzung des Persönlichen Budgets schaffen Die Lebenshilfe begrüßt das Persönliche Budget als grundsätzlich geeignetes Instrument, mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit behinderter Menschen bei der Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen zu fördern. Um diese im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben bisher kaum relevante Leistungsform zu einer echten Alternative zu machen, müssen notwendige Anpassungen der bestehenden Rahmenbedingungen erfolgen. Dies betrifft insbesondere Fragen der Bedarfserhebung und -deckung, den Rechtsstatus von Budgetnehmerinnen und -nehmern einschließlich deren sozialversicherungsrechtlicher Absicherung, die Budgetassistenz sowie die Klärung der von Werkstätten zu erbringenden (Teil-) Leistungen und deren Aufnahmeverpflichtung zur Erbringung von Leistungen, die mit einem Persönlichen Budget nachgefragt werden. 9. Mehr verfügbares Einkommen Ziel ist es, durch Arbeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Das Einkommen eröffnet unmittelbar Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Unter den bestehenden Rahmenbedingungen für die Entlohnung von Werkstattbeschäftigten müssen leistungsstärkere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst den vorgeschriebenen Grundlohn auch für die Schwächeren miterwirtschaften. Aufgrund nicht kostendeckender Vergütungssätze sind Werkstätten gezwungen, werkstattspezifische Kosten aus dem Arbeitsergebnis mitzufinanzieren. Die Lebenshilfe fordert zur Entwicklung von Lösungen auf, um Werkstattbeschäftigten ein höheres verfügbares Einkommen zu ermöglichen, das sie als gerechten Lohn für engagierte, entsprechend ihren Fähigkeiten erbrachte Arbeitsleistung betrachten können. Soweit das tatsächliche Leistungsvermögen von Beschäftigten nicht ausreicht, um den gesetzlich vorgeschriebenen Grundlohn zu erwirtschaften, sollte dieser in einem ersten Schritt unabhängig von der Ertragssituation der Werkstatt staatlich finanziert werden. 6
7 10. Flexible und bedarfsgerechte Angebote für die gesamte Tagesstruktur Eine selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft setzt voraus, dass für Menschen mit Behinderung entsprechend ihren Wünschen und Fähigkeiten bedarfsgerechte Angebote für alle Lebensbereiche Wohnen, Arbeit und Freizeit zur Verfügung stehen. Teilzeitarbeit auf Wunsch von Werkstattbeschäftigten setzt die Schaffung von Rahmenbedingungen voraus, mit denen eine bedarfsgerechte Förderung und Assistenz bei der Teilhabe am Arbeitsleben gleichermaßen wie beim Wohnen und bei Freizeitaktivitäten gewährleistet ist. Die strukturellen und personellen Voraussetzungen einschließlich der durch flexible Teilzeitangebote entstehenden Mehraufwendungen, insbesondere der Fahrtkosten, sind durch die verantwortlichen Kostenträger zu sichern. 11. Mitwirkung fördern und fortentwickeln Die durch Einführung der Mitwirkungsverordnung geschaffene Rechtsgrundlage für die Bildung von Werkstatträten ist ein wichtiger Eckpfeiler der Verwirklichung einer selbstbestimmten Teilhabe am Arbeitsleben. Die Lebenshilfe setzt sich dafür ein, dass die Einfluss- und Mitwirkungsrechte behinderter Menschen konsequent verwirklicht, gestärkt und weiterentwickelt werden. 7
8 Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.v. Bundesgeschäftsstelle Raiffeisenstraße 18, Marburg Tel.: ( ) , Fax: ( ) Bundesvereinigung@Lebenshilfe.de Internet: 8
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