Predigt K&Q-Gottesdienst Juni 2015: Mutbürger - Trau dir was zu!

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1 Predigt K&Q-Gottesdienst Juni 2015: Mutbürger - Trau dir was zu! Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus! Liebe Gemeinde, Mut ist ein Thema, das in unseren Gottesdiensten kaum vorkommt. Ich habe schon oft über Liebe gepredigt und über Vertrauen, über Sehnsucht und Hoffnung, über Frieden und Versöhnung. Ein Predigt über Mut, daran kann ich mich nicht erinnern. Weder daran, selbst eine geschrieben zu haben, noch daran, eine gehört zu haben. Aber warum? Ist Mut etwa kein christliches Thema? Kommen in der Bibel keine mutigen Menschen vor? Doch! Mir fallen viele ein. Ihnen vermutlich auch! Da ist Abraham, der sein Land verlässt, weil Gott ihm in der Fremde eine große Zukunft verspricht. Da ist Mose, der die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten führt. Da ist der kleine David, der es mit dem Riesen Goliath aufnimmt. Das sind die Fischer am See Genezareth, die ihre Netze und ihre Familien verlassen, um Jesus zu folgen. Da sind die Apostel, die unter Lebensgefahr von Gottes froher Botschaft erzählen. Da ist Jesus, der für uns in den Tod geht. Menschen, die Mut haben die Bibel ist voll davon. Aber warum fehlt das Thema dann weitgehend in unseren Gottesdiensten? Ich habe das Gefühl, dass das mit der Gesellschaft zusammenhängt, in der wir leben. Klar, auch hier handeln Menschen mutig. L. zum Beispiel, aber auch diejenigen, die ihn hier unterstützen. Aber die Öffentlichkeit und die Medien scheinen am Mut nur wenig Interesse zu haben. Erzählen sie von einer Begebenheit, in der Mut eine Rolle gespielt hat, dann oft so, dass sie damit sofort auch die Angst wecken. Ich denke da z.b. an die Studentin Tugce, die sich mutig gegen drei Männer gewandt hat, um zwei Mädchen zu schützen. Sie ist dabei ums Leben gekommen. Ob die Medien wohl von ihr erzählt hätten, wenn ihr nichts passiert wäre, wenn alles gut gegangen wäre? Ich vermute, nicht. Denn nur durch den erschreckenden Ausgang passt ihr Tun zu dem, was uns die uns Nachrichtensendungen sonst noch vermitteln: Tornado wütet in Thüringen, Patient stirbt an Krankenhauskeim. Babyleiche im Vorgarten entdeckt. Kirchenaustrittszahlen gestiegen.

2 Dabei gäbe es gerade in unserem Land noch so viel anderes zu berichten. Wie wäre es z.b. mit: Mehr Kirchensteuereinnahmen als erwartet. Flüsse und Seen sauberer als vor 30 Jahren. 25 Prozent Energien aus Wind, Wasser und Sonne. Kindersterblichkeit stark gesunken. Von all dem hören wir wenig, stattdessen jagt eine Schreckensmeldung die andere. Im Fernsehen und im Internet scheinen Nachrichten, die Mut machen, rar. Deshalb möchte ich gerne mit Ihnen in die Bibel schauen. Denn die ist, wie gesagt, voll von Erzählungen, in denen es um Mut geht. Anhand dieser Erzählungen möchte ich gerne fünf Antworten auf die Frage herausarbeiten: Wie funktioniert das mit dem Mut? 1. Zum Mut gehört immer auch die Angst. Dass viele Bereiche unserer Gesellschaft scheinbar von Angst geprägt sind, ist deshalb kein Grund, den Kopf mutlos hängenzulassen und sich mit dem, was ist, abzufinden. Angst in einem gesunden Maß gehört einfach zum Menschsein dazu. Auch L. hatte immer wieder Angst auf seiner Reise. Den biblischen Helden geht es ähnlich: Glauben Sie, dass Jona, der eben noch vor Gott geflohen ist, ohne Angst nach Ninive geht, um dort von eben diesem Gott zu erzählen? Sicherlich nicht. Die Angst geht mit. Ebenso bei Jakob. Er hat seinen Bruder Esau hinterhältig betrogen. Mutig, aber sicherlich nicht frei von Angst geht er danach zu ihm, um ihn um Vergebung zu bitten. Ja, sogar Jesus war die Angst nicht fremd. Mutig und zugleich voller Angst ist er den Weg zum Kreuz gegangen. Mut und Angst, beide gehören zusammen. 2. Zum Mut gehören Neugier und Offenheit. Das sehen wir bei den ersten Jüngern Jesu. Die Evangelien erzählen uns, dass sie alles verlassen, um Jesus zu folgen. Eine mutige Entscheidung. Möglich ist sie, weil schon vorher etwas passiert ist. Die Jünger haben sich Zeit genommen, um Jesus zuzuhören. Sie haben sich geöffnet für seine Ideen. Das gelingt nur, wenn ein Mensch nicht glaubt, schon alles zu wissen und alles zu kennen, sondern sich auch vorstellen kann neue, unbekannte Wege zu betreten. L. hat das getan. Als er in Eritrea aufgebrochen ist, wusste er zwar: Deutschland ist mein Ziel. Aber wie er dahin kommen sollte und was genau ihn dort erwarten würde, konnte er nur bestenfalls erahnen; und von T., wo er jetzt lebt, hatte er in Eritrea sicherlich noch nichts

3 gehört. L. hat viel Neugier und viel Offenheit mitgebracht, übrigens nicht nur auf seiner Flucht, sondern auch heute Morgen, sonst wäre er sicherlich nicht gekommen, um einer fremden Gemeinde seine Geschichte zu erzählen und das in einer Sprache, die er erst seit einem Jahr lernt. Auch hierzu braucht er Mut. 3. Zum Mut gehört eine Vision: Bevor ich mutig sein kann, muss ich ein Bild davon haben, wie ich die Welt, mein Leben oder zumindest eine bestimmte Situation gerne hätte. Klingt einleuchtend, ist aber gar nicht so einfach. Für viele ist es leichter zu sagen, was sie nicht möchten. Beobachten lässt sich das in vielen Bereichen unserer Gesellschaft: Viele lehnen z.b. Atomkraft ab, aber wenn Windräder aufgestellt werden sollen, protestieren sie ebenso. Andere schimpfen über Migranten, die kein Deutsch sprechen, aber mehr Geld für Sprachkurse soll auch nicht ausgegeben werden. Wieder anderen macht der drohende Fachkräftemangel Sorge und gleichzeitig spüren sie die Angst, die Grenzen für ausländische Fachkräfte zu öffnen. Kurz: In den meisten Bereichen des Lebens wissen wir sehr gut, was wir nicht wollen. Aber das genügt leider nicht. Denn bevor wir mutig ans Werk gehen können, brauchen wir aber ein Antwort auf die Frage: Was wollen wir? Wie soll unsere Gesellschaft aussehen? Was ist unser Vision? L. hatte eine Vision: Ein Leben in Freiheit, ohne sich verstecken zu müssen. Arbeiten können. Geld verdienen. Die Familie unterstützen können. Mit dieser Vision ist er aufgebrochen. Sie hat im Mut gegeben. Auch Jesus hatte eine Vision. Er nennt sie basileia tou theou, Reich Gottes. Jesus hatte ein klares Bild davon, wie dieses Reich Gottes aussieht. Dieses Bild malt er uns vor Augen, indem er mit den Sündern und Zöllnern isst, indem er Kranke heilt, indem er von Gott erzählt. Auch indem er die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel wirft. Glaube, Liebe, Hoffnung, wünscht er sich für unsere Welt. 4. Zum Mut gehört Gemeinschaft. Allein mutig zu sein, das ist schwer. Mose spürt das. Allein traut er sich nicht zum Pharao, um ihn zu bitten, sein Volk gehen zu lassen. Gott hat Verständnis für ihn. Er stellt Mose seinen Bruder Aaron an die Seite. Die beiden machen sich gegenseitig Mut. Auch Jesus schickt seine Jünger immer mindestens paarweise los, sodass sie sich gegenseitig ermutigen können. Denn wie Kraft erwächst auch Mut aus Gemeinschaft. Deshalb ist die Gemeinde so wichtig

4 und deshalb fällt es mir schwer zu verstehen, wenn jemand sagt: Ich brauche keine Kirche. Ich kann auch allein glauben. Das ist möglich, ja; aber alleine ist es viel schwerer als zusammen. Kein Wunder, dass auch L. die Gemeinschaft sucht. Er trifft sich regelmäßig mit Freunden, sie essen zusammen, sie beten, sie singen, sie sprechen sich Mut zu. 5. Zum Mut gehört Vertrauen, Selbstvertrauen und Gottvertrauen. Beide hängen zusammen. Schließlich wirkt Gott ja in uns Menschen. Er lässt gelingen, was wir anpacken - oder eben auch nicht. Wer darauf vertraut, genug Kraft zu haben, um seine Pläne umzusetzen, bzw. wer daran glaubt, dass Gott ihm diese Kraft im rechten Moment geben wird, findet auch den Mut, neue, unbekannte Wege zu gehen. Abraham ging es so: Im Vertrauen auf Gottes Führung hat er sich auf den Weg in die Fremde gemacht. Den Aposteln ging es so: Sie haben in einem Land gelebt, in dem es die Pflicht eines jeden war, den Kaiser als Gott anzubeten. Dem haben sie sich widersetzt eine lebensgefährliche Entscheidung. Sie haben auf Gott vertraut und an ihrem Glauben festgehalten. Mutige Menschen voller Vertrauen! Doch Gottvertrauen bedeutet für mich noch etwas anderes. Es ist mehr als die Hoffnung, dass Gott das, was ich tue, gelingen lässt: Gottvertrauen beinhaltet für ich auch die Gewissheit, dass Gott mich auch dann nicht verlässt, wenn ich mich in etwas verrenne und scheitere. Jesus berichtet uns davon in einem Gleichnis. Luther hat ihm die Überschrift Der verlorene Sohn gegeben. Dieses Gleichnis handelt von einem mutigen jungen Mann. Er bringt alles mit, was wir zum Mutigsein brauchen. Er ist neugierig und offen für Neues. Er hat eine Vision von seinem Leben. Er sucht sich Menschen, die ähnliche Pläne haben wie er. Selbstbewusst und voller Vertrauen ins Leben lässt er sich vom Vater sein Erbe auszahlen und zieht los. Und scheitert. Fix und fertig wird er später zu seinem Vater zurückkehren. Gescheitert. Auch das gehört bisweilen zum Mutigsein dazu und zwar nicht nur in der Bibel. Ich denke da auch an das junge Paar, das sich vor wenigen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes getraut hat. Nun stellen sie fest, dass sie aneinander gescheitert sind. Die Scheidung steht kurz bevor. Ich denke an den Firmengründer, der mutig etwas gewagt hat und nun insolvent ist. Und ich denke an die vielen Flüchtlinge, die alles zurückgelassen

5 haben und nun enttäuscht feststellen, dass das Leben in Europa so ganz anders ist, als sie es sich vorgestellt haben. Mut hatten sie alle. Und das ist gut so, denn Mut bringt Chancen mit sich. Eine Garantie für Erfolg und Glück ist Mut jedoch nicht. Trotzdem verspricht uns Gott seine Nähe und seine Fürsorge. Er ist bei uns, wenn wir Erfolg haben und wenn wir scheitern. Wie der Vater aus dem Gleichnis seinen verzweifelten Sohn in die Arme nimmt und ihn unterstützt, so ist Gott: Er sorgt für uns ganz gleich, was war, ganz gleich, was kommt. Wer drauf vertraut, der kann mutig ans Werk gehen. Umständen Mut erfordern. Deshalb. Nur Mut. Trau dir was zu und sei gewiss: Gott geht mit! Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen. Pfarrerin Simone Kistinger Gelegenheit dazu gibt es viele: Nicht jeder braucht seinen Mut so unter Beweis zu stellen wie L. Gott sei Dank! Oft sind es ja schon die kleinen Schritte, die Mut brauchen: Trauen Sie sich, morgen auf der Arbeit oder beim Einkaufen zu erzählen, dass sie heute im Gottesdienst waren? Traut ihr euch für einen Mitschüler einzutreten, der am Rand steht und fertig gemacht wird? All das braucht Mut. Ja, auch zwei Stück Torte zu essen oder sich die Haare schwarz zu färben, wie wir es vorhin im Anspiel gehört haben, kann unter bestimmten