Erfahrungsbericht Erasmus Aufenthalt an der Eötvös Loránd Universität Budapest (ELTE) Wintersemester 2012/2013

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1 Erfahrungsbericht Erasmus Aufenthalt an der Eötvös Loránd Universität Budapest (ELTE) Wintersemester 2012/2013 Bereits zu Beginn des Studiums lernte ich in meinem Wohnheim viele Studenten höherer Semester kennen, die von Auslandssemestern zurückkehrten und durchweg positive Erfahrungen gesammelt hatten. Somit war mir schon früh klar, dass ich auch ein Auslandssemester absolvieren wollte. Den Zeitpunkt nach dem vierten Semester habe ich gewählt, da ich mich durch die kleine und große Übung im Strafrecht zwei Semester intensiv mit Strafrecht beschäftigt hatte und ich zur Vorbereitung auf den großen Schein im Zivilrecht nochmals die Grundlagen wiederholen wollte. Diesen Bruch zwischen dem vierten und fünften Semester empfand ich als guten Zeitpunkt, um ein Semester an einer anderen Universität zu studieren. Budapest und Ungarn Europa östlich Deutschlands war für mich auf der Landkarte immer grau und ich wusste wenig über die dortigen Länder. Bestärkt dadurch, dass ich bei einer Studienfahrt während der Schulzeit von der Schönheit und Kultur Prags überwältigt war, entschied ich mich, ein osteuropäisches Land für meinen Auslandsaufenthalt zu wählen. Mein klares Ziel war es, neben der Universität eine neue Kultur und Mentalität kennenzulernen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Deutschland zu erkennen und zu verstehen. Für Ungarn entschied ich mich zunächst aus dem pragmatischen Grund, da an der Universität, im Gegensatz zu einigen anderen osteuropäischen Universitäten, auf Englisch gelehrt wird. Zudem hatte ich von vielen Freunden, die bereits zuvor in Ungarn waren, erfahren, dass sie von Budapest begeistert waren. Mich interessierte vor allem Ungarns politische Lage, nachdem bei den Wahlen 2010 der nationalkonservative Präsident Viktor Orbán Ministerpräsident wurde und zum 1. Januar 2012 eine neue, zu dieser Zeit hoch umstrittene, Verfassung verabschiedet wurde. Ich wollte sehen, wie sich diese Verfassung auf das alltägliche Leben der Menschen, auf die Medien und auch auf die Universität auswirkt. 1

2 Eötvös Loránd Universität Die Eötvös Loránd Universität nahm 1635 ihren Lehrbetrieb auf und ist damit eine der ältesten Universitäten Ungarns. Die Universität verteilt sich auf einen technischen Campus auf der Budaseite, westlich der Donau, und einen geisteswissenschaftlichen Campus auf der Pestseite, östlich der Donau. Die juristische Fakultät liegt ca. 500 Meter vom geisteswissenschaftlichen Campus entfernt und ist in einem eindrucksvollen alten Gebäude sowie einem weiteren eher unscheinbaren Gebäude 100 Meter weiter untergebracht. Das Mentorensystem und ESN ESN (Erasmus Student Network) veranstaltet die meisten Aktivitäten rund um das Studium. Mit der Zusage der ELTE Universität wurde zugleich das Mentorenprogramm von ESN vorgestellt. Dabei betreut jeweils ein ungarischer Student der Fakultät zwei bis drei Erasmusstudenten. Das Programm ist super und jedem zu empfehlen. Bereits als ich noch in Heidelberg war, hat mich meine Mentorin angeschrieben und gefragt, ob ich Hilfe bei der Wohnungssuche oder sonstigen Dingen benötige. Auch während der Zeit in Budapest waren die Mentoren jeder Zeit zur Hilfe bereit. Durch die ESN Treffen lernt man andere Mentoren kennen, wodurch schnell Kontakte zu ungarischen Studenten geknüpft werden können. Neben den vielen hilfreichen Tipps hinsichtlich der Universität, sind die Mentoren meist gerne dazu bereit, abends die besten Plätze zum Feiern zu zeigen. Einschreibung und Kurswahl Bereits einen Monat vor meiner Ankunft wurde mir von der Erasmuskoordinatorin der ELTE eine Liste von Vorlesungen zugesandt, in der jeder Kurs kurz vorgestellt wurde. Nach der Ankunft wurde allerdings klar, dass sich alle Kurse geändert hatten und man musste sich neue Veranstaltungen auswählen. Bei der neuen Auswahl wurden leider keine Kurse im ungarischen Recht mehr angeboten, was von allen Erasmusstudenten während des Semesters bemängelt wurde. Erklärt wurde diese radikale Änderung mit Umstellungen an der Universität. In den nächsten Semestern sollen aber wieder Vorlesungen im ungarischen Recht angeboten werden. Die Einschreibung erfolgt sehr unkompliziert, indem man in einem Zeitraum von fünf Tagen sein Learning Agreement sowie weitere von der Universität angeforderte Dokumente im Büro der Koordinatorin Mariann Botlik- Molnár abgibt. Problematischer 2

3 ist der Erhalt eines Studienausweises. Bei mir hat es zwei Monate gedauert, bis ich informiert wurde, dass der Ausweis zur Abholung bereit ist. Von der Regierung wird erwartet, dass man sich für den Zeitraum seines Aufenthalts meldet. Dabei handelt es sich um einen bürokratischen Aufwand, der bei einem Freund von mir innerhalb von zwei Tagen 14 Stunden auf dem Amt in Anspruch nahm. Von den Mentoren selbst wird abgeraten die Meldung vorzunehmen, da sich keiner dafür interessiere. Da es sich um eine Auflage des Staates handelt, sollte allerdings jeder für sich selbst entscheiden, wie er sich in diesem Punkt verhält. Sprache und Sprachkurse Ungarisch gehört zum finno- urgischen Zweig der uralischen Sprachfamilie. Die Sprache hat dadurch keinerlei Ähnlichkeiten zu bekannten romanischen oder germanischen Sprachen. Ungarisch zu erlernen ist in der kurzen Zeit des Aufenthalts schier unmöglich, allerdings kommt man auch ohne große Sprachkenntnisse meist zurecht. Ich selbst war davon überrascht, wie viele Menschen in Budapest Deutsch sprechen können. Das liegt zum einen an der Historie und der geographischen Nähe zu Österreich, zum anderen wird Deutsch als Fremdsprache in Schulen unterrichtet. Viele Leute sprechen deshalb besser Deutsch als Englisch. Es wurde bereits im August ein einmonatiger ungarischer Kurs in der Nähe des Balatons angeboten. Ich selbst konnte dieses Angebot zeitlich nicht wahrnehmen. Von anderen Teilnehmern hörte ich allerdings, dass die Zeit weniger zum Lernen, als zum Feiern und Kennenlernen der anderen Erasmusstudenten genutzt wurde. Das ist nicht schlecht, sollte einem allerdings vorher bewusst sein. Die Universität bietet einen semesterbegleitenden kostenlosen Sprachkurs an, der einmal pro Woche für eine Stunde stattfindet. Bereits durch die zeitliche Beschränkung kann man von dem Kurs nicht all zu viel verlangen. Man lernt dort nur die absoluten Grundlagen. Wenn man sich näher mit Sprache auseinandersetzen will, sollte man sich nach anderen Sprachkursen umschauen. Der Kurs ist leider nicht ideal aufgebaut, sodass man zum Beispiel erst gegen Ende lernt, wie man auf dem Markt einkaufen gehen kann. Das meiste Ungarisch habe ich durch ungarische Freunde gelernt. Die Ungarn freuen sich, wie alle Völker, wenn man sich bemüht, ihre Sprache zu erlernen und zu sprechen. Allerdings sind sie sich selbst sehr wohl über die Komplexität bewusst, sodass niemand erwartet, dass man Ungarisch spricht. 3

4 Wohnen Zusammen mit dem ersten Infopaket der Universität wurde mir auch Hilfe bei der Wohnungssuche und zugleich ein Platz in einem Studentenwohnheim angeboten. Für beides ist das Housing Office zuständig. Ich entschied mich für das Studentenwohnheim, da die dortigen Zimmer möbliert waren und ich mich so um nichts weiter kümmern musste. Zudem erwartete ich, direkt Kontakte zu anderen Studenten im Wohnheim knüpfen zu können. Das Housing Office ließ allerdings auch auf Nachfrage hin nichts von sich hören, sodass über die Koordinatorin der juristischen Fakultät direkter Kontakt zu der Wohnheimleitung hergestellt wurde. Leider waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle Einzelzimmer vergeben, sodass ich nur noch die Möglichkeit hatte, ein Zweibettzimmer zu beziehen. Ich würde deshalb empfehlen, direkt beim Housing Office Druck zu machen, wenn keine Reaktion erfolgt und sich ggf. direkt an die Koordinatorin zu wenden. Ich habe mich dann für ein Doppelzimmer entschieden, da ich es als Herausforderung sah, vier Monate mit jemand zuvor Unbekannten zusammenzuleben. Der Preis für ein Doppelzimmer lag bei 140 pro Monat, für ein Einzelzimmer bei 160. Das Körösi Csoma Sándor Kollégium befindet sich auf der Budaseite. Mit dem Bus und der Bahn dauert es Minuten, um die Innenstadt sowie die Fakultät zu erreichen. Dadurch, dass viele Erasmusstudenten dort untergebracht sind, ist man allerdings fast nie alleine unterwegs, sodass die Zeit schnell vergeht. Das Wohnheim bietet Platz für ca Studenten und wurde bis letztes Jahr grundsaniert, sodass alles sehr sauber und neu ist. Jedes Doppelzimmer teilt sich ein kleines Bad und auf jedem Flur gibt es eine große Gemeinschaftsküche, die von ca. 50 Leuten genutzt wird. Die Küche wird täglich, die Zimmer alle zwei Wochen von Mitarbeitern des Wohnheims gereinigt. Das Wohnheim hat eine eigene Bar mit Billiard und Tischfußball, in der auch regelmäßig größere Partys stattfinden. Insgesamt hat mir das Leben im Wohnheim viel Spaß gemacht und mir den Kontakt zu anderen Erasmusstudenten, gerade auch aus anderen Fachbereichen, sehr erleichtert. Ich würde es jederzeit weiterempfehlen. Wohnungen in der Innenstadt sind im Vergleich zu heidelberger Preisen relativ günstig zu haben. Die höchsten Preise zahlt man an den Straßenbahnstrecken 4 und 6, da diese die ganze Nacht fahren. 4

5 Verkehrssituation und Fortbewegung Als ich in Budapest ankam, wollte ich mir zunächst ein Fahrrad zulegen. Allerdings wurde mir dies von meiner Mentorin abgeraten und ich merkte vor Ort schnell, dass das Radfahren viele Gefahren birgt. Es gibt fast keine Fahrradwege, sodass man immer die Straße nutzen muss. Das Verkehrsaufkommen ist dabei sehr hoch, die Rücksichtnahme der Autofahrer Radfahrern gegenüber sehr niedrig. Zudem sind die öffentlichen Verkehrsmittel innerhalb der Stadt so gut getaktet, dass man selten länger als fünf Minuten auf eine Bahn warten muss. Für die Nutzung des studentischen Monatstickets (erhältlich an jedem Ticketschalter), das für alle öffentlichen Verkehrsmittel gültig ist, ist eigentlich ein Studentenausweis einer ungarischen Universität erforderlich. Wie oben beschrieben dauert es allerdings eine ganze Weile diesen Ausweis zu erhalten. Meiner Erfahrung nach wird bei einer Kontrolle allerdings meist kein Ausweis verlangt und falls doch, geben sich die Kontrolleure auch mit heimischen Studierendenausweisen oder wahlweise Führerscheinen zufrieden. Um ansonsten in der Stadt herumzukommen, gibt es die Möglichkeit Taxis zu nutzen. Diese sind günstiger als in Deutschland. Allerdings sollte man darauf achten, nur mit lizenzierten Taxiunternehmen zu fahren und nicht einfach Taxis auf der Straße zu nehmen. Dafür gibt es spezielle Hotlines, die innerhalb kurzer Zeit ein Taxi zu euch schicken. Ich selbst habe selten Taxis genutzt, da der öffentliche Nahverkehr meist gut funktioniert. Reisen Budapest ist mit 1,7 Mio. Einwohnern mit Abstand die größte Stadt in Ungarn. Ansonsten sind in Ungarn im Sommer der Balaton und ansonsten die Stadt Eger, die für ausgezeichnete Rotweine und eine tolle Lage, und die Stadt Tokaji, die für Weißwein bekannt ist, zu empfehlen. Für Reisen außerhalb Budapests empfehlen sich die Langstreckenbusse von Student Agency und Orange Ways. Diese bieten eine sehr günstige Alternative zu Zügen oder anderen Reisemöglichkeiten und werden auch von allen Ungarn genutzt. Vor allem Student Agency bietet einen erstklassigen Service mit eigenem Entertainmentsystem im Sitz sowie kostenlosen Heißgetränken. Ich habe die Möglichkeit der Herbstferien genutzt, um nach Bratislava, Wien und Prag zu fahren. Die Strecken sind nicht all zu weit und lassen sich gut miteinander verbinden. 5

6 Viele Freunde sind noch weiter gen Osten und weiter in den Süden gereist. Was euch mehr interessiert, müsst ihr für euch selbst entscheiden. Ihr solltet euch die Möglichkeit nur nicht entgehen lassen. Kultur und Ausgehen Kulturell hat Budapest als Hauptstadt sehr viel zu bieten. An dieser Stelle möchte ich nicht zu viel verraten und Platz für eigene Erfahrungen lassen. Ihr solltet aber zumindest einmal die Oper besuchen. Studententickets kosten ca. 3 und bieten für diesen Preis (meist) gute Sitzplätze. Ansonsten ist das House of Terror, welches sich mit dem faschistischen Regime während des Dritten Reichs und der Zeit des Kommunismus in Ungarn beschäftigt, als sehr gutes Museum zu empfehlen. Alle weiteren kulturellen Einrichtungen und vor allem das Nachtleben bieten genug Raum für eigene Entdeckungen. Fazit Abschließend ist zu sagen, dass ich über die Wahl der ELTE Universität Budapest sehr zufrieden bin. Es war eine tolle Erfahrung in einem für mich bis dahin unbekannten Land. Wer eine Abwechslung zu den Standard - Adressen für einen Auslandsaufenthalt sucht, ist in Budapest bestens aufgehoben. Peter Schäfer 6