Vorlesung Gesellschaftsrecht. Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard)
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- Irmela Bruhn
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1 Vorlesung Gesellschaftsrecht Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard)
2 - Grundlagen Geschäftsführung umfasst tatsächliche und rechtliche Handlungen und bezeichnet das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis (zur Gesellschaft) Vertretung erfasst nur Rechtsgeschäfte und bezeichnet das rechtliche Können im Außenverhältnis (gegenüber dem Rechtsverkehr) Abgrenzung: Grundlagengeschäfte stehen allen Gesellschaftern zu; sind nicht von der Geschäftsführungsbefugnis erfasst, z.b. Änderung des Gesellschaftsvertrages (vgl. 53 I GmbHG, 119 I Nr. 5 AktG) Aufnahme neuer Gesellschafter (kann aber durch Gesellschaftsvertrag auf Geschäftsführung übertragen werden)
3 GbR (1) I. Geschäftsführung Bei Personengesellschaften sind Gesellschafter die geborenen Geschäftsführer Geschäftsführungsbefugnis ist Bestandteil ihrer Mitgliedschaft (Gesellschaftsvertrag kann Abweichendes vorsehen) Grundsätzlich einstimmige Geschäftsführungsbefugnis nach 709 I BGB Pflicht zur Zustimmung aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht falls zum Erhalt der Gesellschaft geeignet, erforderlich und angemessen In Praxis aber regelmäßig abbedungen, z.b. Gesamtgeschäftsführungsbefugnis nach Mehrheitsprinzip oder Einzelgeschäftsführung mit Widerspruchsrecht (vgl. 711 BGB)
4 GbR (2) Gegen Treuepflicht verstoßender Widerspruch ist unbeachtlich, z.b. Widerspruch aus sachfremden Erwägungen, zum eigenen Vorteil Entzug erfolgt aus wichtigem Grund nach 712 BGB durch Gesellschafterbeschluss (z.b. BGH NZG 2008, 298) Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers gem. 713, 670 BGB
5 GbR (3) II. Vertretung Folgt Geschäftsführung nach 714 BGB: grds. Gesamtvertretung aller Gesellschafter Widerspruch bei Einzelvertretungsbefugnis nach 711 BGB ist im Außenverhältnis unbeachtlich (h.m., z.b. BGH NZG 2008, 588, str.) Grund: Verkehrsschutz Handelt ein vermeintlich vertretungsberechtigter Gesellschafter für eine GbR, die nicht existiert, so haftet er dem Geschäftspartner nach 179 I BGB es sei denn, Geschäftspartner kannte das Fehlen der Vertretungsmacht ( 179 III BGB); dazu BGHZ 178, 307 Zurückweisung möglich nach 174 S. 1 BGB bei einseitiger Willenserklärung ohne Nachweis der Einzelvertretungsbefugnis (BGH NJW 2002, 1194; dazu K. Schmidt JuS 2002, 710 f.) Entzug nach 715 BGB möglich Zum Ganzen: Schreiber Jura 2001, 346 ff.
6 GbR (4) III.Pflichtverstöße Schadensersatzanspruch der Gesellschaft aus 280 BGB ivm. Gesellschaftsvertrag ( 705 BGB) z.b. wegen Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis Anspruch aus 677, 678 BGB str., heute h.m. keine Fall der GoA, sondern nur Verletzung der Pflichten aus Gesellschaftsvertrag und daher nicht ohne Auftrag Haftungsmaßstab nach 708 BGB: diligentia quam in suis schließt also leichte Fahrlässigkeit aus ( 277 BGB) Sorgfaltsmaßstab ist subjektiv, nicht objektiv 708 BGB gilt nicht bei Schädigungen im Straßenverkehr (h.m., str.) Grundlegend Fleischer/Danninger NZG 2016, 481 ff.; aus der aktuellen Rechtsprechung BGH NJW 2013, 3572 m. Anm. Zarth EWiR 2014, 73 f.
7 OHG (1) I. Geschäftsführung Einzelgeschäftsführungsbefugnis mit Widerspruchsrecht der übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter ( 114 I, 115 I HGB) Abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag nach 109 HGB zulässig z.b. einstimmige Geschäftsführungsbefugnis oder Mehrheitsprinzip ( 115 II HGB) Für außergewöhnliche Geschäfte ist Zustimmung aller auch nicht geschäftsführungsbefugter Gesellschafter erforderlich ( 116 II HGB) Bestellung eines Prokuristen bedarf Zustimmung aller geschäftsführungsbefugten Gesellschafter ( 116 III 1 HGB) Abberufung ist durch jeden geschäftsführungsbefugten Gesellschafter zulässig ( 116 III 2 HGB) Entzug der Geschäftsführungsbefugnis nach 117 HGB durch Beschluss und Entziehungsklage; Mitwirkungspflicht aus Treuepflicht möglich
8 OHG (2) II. Vertretung Einzelvertretungsmacht nach 125 I HGB entkoppelt von Geschäftsführungsbefugnis Ist in rechtsdogmatischer Hinsicht nicht rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung, sondern organschaftliche Vertretung Beschränkungen nach 125 II, III HGB durch Ausschluss der Vertretungsmacht und Anordnung von Gesamtvertretung möglich (nach 106 II Nr. 4 HGB ins Handelsregister einzutragen) Passivvertretung nach 125 II 3 HGB Entzug der Vertretungsbefugnis nach 127 HGB es sei denn, es handelt sich um den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter (Prinzip der Selbstorganschaft; h.m., str.)
9 OHG (3) 1. Umfang der Vertretungsmacht Umfang der Vertretungsmacht nach 126 I HGB Inhaltliche Beschränkungen Dritten gegenüber sind nach 126 II HGB unbeachtlich Abweichungen von Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis schlagen nicht auf das Außenverhältnis durch (Verkehrsschutz) 126 HGB findet keine Anwendung bei Geschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter Gründe des Verkehrsschutzes sind nicht berührt (teleologische Reduktion) 126 HGB gilt nicht bei: Missbrauch der Vertretungsmacht (allgemeines Institut Beschränkung aus 242 BGB bzw. teleologische Reduktion) Kollusion ( 138 BGB)
10 OHG (4) 2. Problem: Unechte Gesamtvertretung OHG besteht aus A und B. A ist von Vertretung ausgeschlossen; B ist nur mit Zustimmung des Prokuristen P zur Vertretung der OHG berechtigt. Regelung ist im Handelsregister eingetragen. B kauft einen Pkw von V; P verweigert die Zustimmung. Ist der Kaufvertrag wirksam? Problem: Wurde die OHG wirksam vertreten? Unechte Gesamtvertretung ist mangels Zustimmung des P nicht erfüllt Regelung ist nach 125 III HGB grundsätzlich zulässig
11 OHG (5) Problem: unechte Gesamtvertretung als ausschließliche Vertretungsregel str. e.a. (+) h.m. (-) Wortlaut wenn nicht mehrere zusammen handeln Prinzip der Selbstorganschaft Prokurist trifft keine unbeschränkte Haftung Ergänzende Vertragsauslegung mit Blick auf unwirksame Regelung: B sollte jedenfalls nicht allein handeln können; also keine Einzelvertretungsbefugnis, sondern Gesamtvertretungsbefugnis Negative Publizität des Handelsregisters nach 15 I HGB, so dass V Gesamtvertretungsbefugnis nicht entgegen gehalten werden kann
12 KG (1) I. Geschäftsführung Einzelgeschäftsführungsbefugnis der Komplementäre mit Widerspruchsrecht der übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter ( 161 II ivm. 114 I, 115 I HGB) Kommanditisten sind von Geschäftsführung nach 164 S. 1 HGB ausgeschlossen (Gesellschaftsvertrag kann Abweichendes regeln) Zustimmungspflicht der Kommanditisten analog 116 II HGB bei außergewöhnlichen Geschäften
13 KG (2) II. Vertretung Kommanditist ist nach 170 HGB von Vertretung ausgeschlossen Nach h.m. ist Vertretung durch Kommanditist unter Ausschluss des einzigen Komplementärs wegen Grundsatz der Selbstorganschaft ausgeschlossen
VI. Außenverhältnis. Die Vorschriften der b HGB zum Außenverhältnis sind grds. zwingend.
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