Großes Interesse, aber auch große Unsicherheit
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- Holger Fischer
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1 14 SCHWERPUNKT MINDESTLOHN IHK-REPORT Großes Interesse, aber auch große Unsicherheit Schon bald ist der gesetzliche Mindestlohn Realität: 8,50 Euro pro Stunde stehen ab 1. Januar 2015 jedem Arbeitnehmer in Deutschland zu mit Ausnahmen und Übergangsregelungen. Für Arbeitgeber also allerhöchste Zeit, sich mit den Neuerungen vertraut zu machen. 850 Cent
2 IHK-REPORT SCHWERPUNKT MINDESTLOHN 15 Tom, was ich am meisten brauche, sind zahlungskräftige Kunden. Diesen Satz eines amerikanischen Unternehmers hatte US-Arbeitsminister Tom Perez im Kopf, als er kürzlich Deutschland besuchte, um sich über das German Jobwunder zu informieren. Vor allem der neue Mindestlohn gefällt dem amerikanischen Gast, dem besonders wichtig ist, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben. Was der flächendeckende Mindestlohn für Deutschland bedeutet, daran scheiden sich die Geister. 8,50 Euro für die Würde und das Ende des Lohndumpings sehen darin die einen, einen Jobkiller und ein hochriskantes Experiment, dessen Ausgang niemand kennt, die anderen. Einen gerechten Lohn für alle hatte die Regierungskoalition im Auge, als sie nach der Bundestagswahl den gesetzlichen Mindestlohn in Angriff nahm. Damit soll auch ein Ende haben, dass Menschen trotz Vollzeitbeschäftigung auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sind. In einigen Branchen gibt es bereits eine Lohnuntergrenze. Sie liegt zwischen 6,53 und 13 Euro. Aber: Welche Bezahlung ist fair für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen? Denn einerseits sollen Menschen von ihrer Arbeit leben können, andererseits kann es auf Dauer nicht funktionieren, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern mehr bezahlen, als ihre Tätigkeit dem Unternehmen einbringt. Preiserhöhungen aufgrund des Mindestlohns könnten vor allem für Branchen kritisch werden, deren Kundschaft Ausweichmöglichkeiten hat wie der Haarschnitt in Schwarzarbeit statt vom Friseur oder das Brötchen vom Discounter statt vom Bäcker. Frankreich hat offenbar mit 9,43 Euro Mindestlohn zu hoch gegriffen und muss jetzt die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen hoher (Jugend-)Arbeitslosigkeit tragen. Die in Großbritannien vor 15 Jahren vereinbarte Lohnuntergrenze, derzeit umgerechnet 7,42 Euro, ist offenbar moderat genug sie hatte keine Massenentlassungen zur Folge und wird als Instrument sozialer Gerechtigkeit gefeiert. Nun hat also auch Deutschland sein eigenes, umfassendes Mindestlohngesetz, mit dem vor allem auf die Betriebe viel Arbeit zukommt. Und die neue Lohnuntergrenze trifft alle gleichermaßen vom Kleinunternehmen bis zum weltweit agierenden Konzern. Alle müssen ihre Abrechnungspraxis und vor allem Verträge überprüfen. Als national tätiges Unternehmen haben wir prinzipiell mit der Höhe des Mindestlohns keinerlei Probleme, sagt dazu Dimitri Droukas vom Darmstädter Restaurant Glasschrank Steak und Meer/Gastro Group. Aber er bedeutet für uns einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand, der durch die verschiedenen Anforderungen wie Dokumentation und Kontrolle entsteht. Dadurch müssen zusätzliche Zeit und Kraft investiert werden, die normalerweise dem Gast zugutekommen sollten. Entsprechend steigt der Beratungsbedarf. In den arbeitsrechtlichen Fachzeitschriften wird das Thema derzeit so intensiv diskutiert wie kaum ein anderes, sagt Rechtsanwalt Dr. Tobias Moog von der Moog Partnerschaftsgesellschaft. Auch bei unseren Mandanten merken wir, dass großes Interesse, aber auch große Unsicherheit herrscht. Daher haben wir bereits zwei Informationsveranstaltungen angeboten, um erste Hilfestellung zu geben. Mit ihm zusammen hat der IHK-Report eine Übersicht über die wichtigsten Punkte beim Mindestlohn erarbeitet (siehe Seite 18). Moog: Wir können allen Unternehmen nur dringend empfehlen, sich rechtzeitig zu informieren und interne Vorbereitungen zu treffen, um die neuen Anforderungen des Mindestlohngesetzes zu erfüllen. Auch bei der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar häufen sich die Anfragen. Vielen Unternehmen ist noch nicht ganz klar, was sie alles beim Mindestlohn beachten müssen, fasst IHK-Rechtsexperte Martin Bonelli zusammen und prognostiziert: Der gesamte Markt kommt in Bewegung, da auch alle Mitbewerber unter Druck kommen und die zusätzlichen Kosten nicht einfach mit Preiserhöhungen abgefangen werden können. rfw Information: Martin Bonelli Geschäftsbereich Recht T: E: bonelli@darmstadt.ihk.de UMSETZUNG IN DER PRAXIS In der Reihe Werkstatt-2gespräche (siehe Seite min Get together 9 28) bietet die IHK Darmstadt am 29. Januar 2015 (Beginn: 9 Uhr) eine Veranstaltung Mindestlohn die Umsetzung in der Praxis an. In 60 Minuten soll das Thema schnell, kompakt und praxisorientiert behandelt werden. Information und Anmeldung: stadt Rhein Main Neckar e 89, Darmstadt 00705, Darmstadt fos erhalten Sie unter staltungs-nr lejm glejm@darmstadt.ihk.de UNG UND INFORMATION: ia Wembacher wembacher@darmstadt.ihk.de stadt.ihk.de INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER DARMSTADT RHEIN MAIN N Werkstattgespräche 201 Rund um das Thema Unternehmensführung 12 1h 6 20 min Fragerunde 3 20 min Einführ
3 16 SCHWERPUNKT MINDESTLOHN IHK-REPORT Die Wettbewerbsfähigkeit sinkt dramatisch Das große Problem beim Mindestlohn sind für Bäckerei-Geschäftsführer Uwe Schellhaas die geringfügigen Beschäftigungen. In den Betrieben werden künftig weniger Leute mehr arbeiten, prognostiziert er ein Minijob-Sterben und sagt zugleich eine Preiserhöhung in seiner Branche von drei bis fünf Prozent voraus. Foto: Jens Steingässer Geringfügig Beschäftige, die Minijobber, gibt es im Handel und der Gastronomie zuhauf. Sie erledigen als meist Ungelernte einfache Aushilfstätigkeiten in Service und Verkauf. Das sind Mütter, die mit dem Lohn von maximal 450 Euro das Familieneinkommen aufstocken, Arbeitnehmer, die sich im Nebenjob etwas dazuverdienen, Rentner, die Kontakt zur Arbeitswelt halten möchten, Studenten, die damit einen Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten. Der Minijob bedeutet für sie brutto für netto, da die Abgabenlast beim Arbeitgeber liegt, der dafür pauschal 30 Prozent abführt und keinen weiteren Aufwand hat. Auf den kommen mit dem Mindestlohn jedoch zusätzliche Belastungen zu, die den Minijob uninteressant werden lassen, sagt Uwe Schellhaas. Er beschäftigt in seinem Bäckerei-Betrieb mit 15 Filialen 70 Festangestellte sowie 54 Aushilfskräfte auf Minijob-Basis. Da ist zunächst die Arbeitszeitaufzeichnung, mit der Arbeitgeber künftig nachweisen müssen, dass sie den Stundenlohn von 8,50 Euro nicht unterschreiten. Schellhaas: Viele kleine Betriebe müssen überhaupt erstmal eine solche Stundenerfassung einrichten. Eine pauschale Beschäftigung für bis zu 450 Euro ist nicht mehr möglich. Erhöht sich der Stundenlohn für Minijobber, können etliche nicht mehr so lange arbeiten, da sie dann mit ihrem Verdienst die Grenze von derzeit 450 Euro überschreiten. Der Ausweg: Wenn ich aus Minijobs Teilzeitstellen mache, kann der Einzelne mehr arbeiten ich muss aber einige bisherige Minijobber entlassen. Er rechnet damit, dass von seinen 54 Aushilfskräften zehn bis 15 gehen müssen. Mit dem Mindestlohn sieht Schellhaas auch das Gehaltsgefüge und den Betriebsfrieden in Gefahr: Wenn ein regulärer, gelernter Mitarbeiter keine Aufstockung erhält, dann habe ich Schwierigkeiten, ihm zu erklären, warum eine ungelernte Aushilfskraft jetzt mehr bekommt, und er nicht. Noch größer ist das Konfliktpotenzial beim Vergleich Minijobber/Festangestellter: Geringfügig Beschäftigte können die 8,50 Euro komplett für sich behalten, während der festangestellte Mitarbeiter davon noch Steuern und Sozialabgaben bestreiten muss und damit netto eventuell unter dem Minijobber liegt. Denn anders als beim Minijob teilen sich bei einer Teil- oder Vollzeitstelle Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Abgabenlast. Jeder von uns bezahlt dann etwa 20 Prozent. Die Idee der Politik, mit dem Mindestlohn mehr Menschen einen gerechten Lohn zu bescheren, mag Schellhaas in Sachen Minijobs nicht ganz nachvollziehen. Warum werden Rentner und Studenten nicht ausgenommen? Viele von ihnen möchten gar keine Festanstellung, sondern sich einfach nur ganz unkompliziert etwas dazuverdienen, sagt er. Langfristig rechnet der Unternehmer für seinen Betrieb mit einem Anstieg der Personalkosten um mehr als drei Prozent durch den Mindestlohn. Wo schon jetzt 50 Prozent des Umsatzes in den Personalaufwand fließen, sieht er als einzige Lösung die Preiserhöhung. Ob sich eine Teuerung von drei bis sechs Prozent positiv auf die Nachfrage an der Ladentheke auswirkt, wird sich zeigen, sagt er und ergänzt mit einem Hauch von Ironie: Dann müssen letztlich genau die Leute, denen der Mindestlohn zugutekommen soll, auch die höheren Preise bezahlen. Und das nicht nur beim Bäcker. Zwar müsse mit der Neuregelung die gesamte Branche zurechtkommen die Preiskonkurrenz durch die Discounter verstärke sich dadurch aber noch mehr. Schellhaas: Die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen sinkt mit dem Mindestlohn dramatisch. Für seine Branche sieht er schwarz: In den vergangenen Jahren haben ohnehin schon im Bundesdurchschnitt täglich bis zu fünf Bäcker dicht gemacht durch den Mindestlohn müssen aber sicher noch mehr Betriebe aufgeben. rfw Uwe Schellhaas (51) ist Geschäftsführer der Bäckerei Schellhaas GmbH & Co. KG, Groß- Bieberau, mit 15 Filialen. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur leitet mit seinem Bruder, Bäckermeister Georg Schellhaas, den Betrieb in der sechsten Generation. Er ist Mitglied der Vollversammlung der IHK Darmstadt in der dritten Wahlperiode und ist im Etatausschuss der IHK ehrenamtlich aktiv.
4 IHK-REPORT SCHWERPUNKT MINDESTLOHN 17 Prüfdichte wird deutlich zunehmen Der Zoll soll kontrollieren, ob von der neuen gesetzlichen Lohnuntergrenze auch wirklich rund fünf Millionen Menschen in Deutschland profitieren. Bei Verstößen drohen den Unternehmen saftige Strafen. Foto: Jens Steingässer Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser das dachte sich der Bund auch in Sachen Mindestlohn. Derzeit hat die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls an 113 bundesweiten Standorten Stellen. Sie sollen um aufgestockt werden. Im Hauptzollamt Darmstadt bedeutet das etwa 60 neue Kollegen für die 115 Mitarbeiter in der FKS und 19 im Sachgebiet Ahndung. Ihr Zuständigkeitsgebiet reicht vom Norden an der südlichen Frankfurter Stadtgrenze bis zum Odenwald im Süden, vom Main- Taunus-Kreis im Westen bis zum Main- Kinzig-Kreis im Osten. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn ab 2015 kommt auf die FKS zwar ein zusätzlicher Prüfauftrag zu die Zahl der zu kontrollierenden Firmen wird indes nicht größer. Schon jetzt müssen alle Unternehmen, die in irgendeiner Form Arbeitgeber oder Auftraggeber sind, mit einem Besuch vom Zoll rechnen. Denn die FKS kontrolliert, ob sie ihren sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Pflichten nachkommen, fahndet nach Missbrauch von Sozialleistungen und nach unerlaubter Beschäftigung von Ausländern, insbesondere organisierten Formen der Schwarzarbeit. Auch die Mindestlohn-Kontrolle selbst ist ihnen nicht neu schließlich gibt es in einigen Branchen, wie etwa am Bau, schon jetzt eine vereinbarte Lohnuntergrenze. Entsprechend ausgebildet sind die bisherigen und neuen Zöllner: Um Tricks betrügerischer Firmen erkennen zu können, müssen sie Branchentarifverträge kennen sowie im Zivil-, Handels-, Straf- und Sozialrecht fit sein. Überdies sind die meisten Waffenträger. Wir gehen so sensibel wie möglich vor und wollen selbstverständlich jeglichen Rufmord vermeiden, sagt der stellvertretende Pressesprecher des Hauptzollamtes Darmstadt, Udo Michael Bäumle, über den Auftritt seiner Kolleginnen und Kollegen. Gelegentlich kommen sie in zivil. Bei branchenbezogenen Schwerpunktprüfungen, die durchaus auch präventiven Charakter haben und regional oder bundesweit zeitgleich erfolgen, erscheinen sie bewusst in Dienstkleidung. Ob verdachtsunabhängig und stichprobenartig oder aufgrund konkreter Hinweise vom Finanzamt, der Arbeitsagentur, Rentenversicherung und Ausländerbehörde oder gar von Konkurrenten zu seinen Prüfungen erscheint der Zoll immer unangemeldet. Zu den Arbeitszeiten, nicht nur den Öffnungszeiten, betont Bäumle. Das kann also auch um fünf Uhr morgens sein, wenn dann eine Putzfrau arbeitet, die uns aufmachen kann. In punkto Mindestlohn möchten die Zöllner dann vom Unternehmen Arbeitsverträge, Arbeitszeitnachweise, Stundenaufzeichnungen, Lohnabrechnungen und Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen sehen. Sollte das wegen Abwesenheit der zuständigen Personen nicht möglich sein und erweckt das Unternehmen nicht den Anschein einer Verdunklungsgefahr, setzt der Zoll auch Fristen zur Nachlieferung der Unterlagen. Wer nicht liefern kann und keinen nachweisbaren Mindestlohn zahlt, riskiert Bußgelder bis zu einer Höhe von Euro und gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat. Gewerkschaften und Politiker der Opposition haben indes Zweifel angemeldet, ob die zusätzlichen Stellen für das erweiterte Aufgabengebiet des Zolls auch ausreichen. Sie fordern mindestens zusätzliche Kräfte. Der Bund hat dem Zoll die Stellen zur Verfügung gestellt, die er für die Erledigung der Aufgaben für richtig hält, sagt dazu Zollmitarbeiter Bäumle. 100-Prozent-Kontrollen kann es nicht geben. Schon jetzt muss jedes Unternehmen jeden Tag mit Besuch von uns rechnen. Und mit den zusätzlichen Mitarbeitern wird die Prüfdichte logischerweise zunehmen. rfw Hauptzollamt Darmstadt Hilpertstraße 20 a, Darmstadt T: E: presse-zoll@hzada.bfinv.de Finanzkontrolle Schwarzarbeit T: E: fks-darmstadt.hza-darmstadt@ zoll.bund.de
5 18 SCHWERPUNKT MINDESTLOHN IHK-REPORT Der gesetzliche Mindestlohn kommt bereiten Sie sich vor Ab 1. Januar 2015 gilt in ganz Deutschland der gesetzliche Mindestlohn. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick. Welche Lohnbestandteile/ Lohnzusatzleistungen sind anrechenbar? Das Gesetz enthält hierfür keine Regelungen. Experten gehen davon aus, dass nur Zusatzleistungen für normale Arbeitsleistung anrechenbar sind sowie Sachbezüge wie Firmenwagen, Essensgutscheine oder Provisionen, die monatlich anteilig gezahlt werden. Nicht eingerechnet werden können Nacht- oder Überstundenzuschläge und Gefahrenzulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Gratifikationen für Betriebstreue. TIPP: Arbeitsverträge auf Anrechenbarkeit von Lohnzusatzleistungen und Überstundenabgeltung überprüfen lassen Wie hoch ist der Mindestlohn? 8,50 Euro pro Stunde. Bei 170 Arbeitsstunden im Monat beträgt das Bruttogehalt 1.445,00 Euro. 450-Euro-Kräfte dürfen maximal 52,94 Stunden im Monat arbeiten. Arbeitszeitkonten sieht das Gesetz nur unter Einschränkungen vor. TIPP: Regelungen zu Arbeitszeitkonten prüfen lassen. Wann ist der Mindestlohn fällig? Spätestens am letzten Bankarbeitstag des folgenden Monats, wenn keine frühere Fälligkeit vereinbart wurde. Für Arbeit im November also spätestens am 31. Dezember. Welche Unternehmen sind betroffen? Alle, die Mitarbeiter beschäftigen. Jedes Gehalt enthält künftig immer 8,50 Euro Mindestlohnanteil. Darüber hinaus auch alle Unternehmen, die Subunternehmen beauftragen (siehe rechts). Wann haftet der Auftraggeber für Mindestlohn-Verstöße seiner Subunternehmer? Gibt ein Unternehmer Werk- oder Dienstleistungen in Auftrag, haftet er für die Zahlung des Mindestlohns auch gegenüber Mitarbeitern aller weiteren Sub- oder Nachunternehmer in der Auftragskette. Der Arbeitnehmer kann seine Forderung an den Auftraggeber oder seinen Arbeitgeber richten. TIPP: Sorgfältige Auswahl und Überwachung von Subunternehmern. Dienst- und Werkverträge sollten unbedingt Klauseln enthalten, die vor Mindestlohn-Haftung schützen.
6 IHK-REPORT SCHWERPUNKT MINDESTLOHN 19 Für wen besteht Mindestlohnpflicht? Den Mindestlohn müssen alle im Inland tätigen Arbeitnehmer bekommen, die für einen in- oder ausländischen Betrieb arbeiten also auch kurzfristig und geringfügig Beschäftigte und grundsätzlich auch Praktikanten (zu Ausnahmen und Übergangsregelungen siehe nächste Spalte). Kann man vertraglich einen geringeren Lohn vereinbaren? Nein. Arbeitnehmer dürfen auch nicht freiwillig auf den Mindestlohn verzichten. Bisherige Ausschlussklauseln sind künftig unwirksam. TIPP: Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen anpassen. Wen treffen die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten? Arbeitgeber von geringfügig oder kurzfristig Beschäftigten. Sie müssen Beginn, Dauer und Ende deren täglicher Arbeitszeit festhalten, können diese Pflicht aber auch auf die Arbeitnehmer übertragen. Die gesetzliche Aufbewahrungspflicht beträgt zwei Jahre Nachweise sollten aber länger aufbewahrt werden, da Betriebsprüfungen alle vier Jahre erfolgen. TIPP: Formulare und Zeiterfassungssystem für Minijobber und kurzfristig Beschäftigte prüfen. Ausnahmen und Übergangsregelungen Keine Regel ohne Ausnahme das gilt auch für den Mindestlohn. Die Politik hat einige Gruppen definiert, die keinen Anspruch auf Mindestlohn haben, und Übergangsregelungen für einige Branchen ins Gesetz geschrieben. Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung können künftig ebenso wenig auf 8,50 Euro Mindestlohn bestehen wie Menschen in Ehrenämtern was sich bei Letzteren im Grunde von selbst versteht. Auch Langzeitarbeitslose können sechs Monate lang unter Mindestlohn bezahlt werden. Von der Regelung ausgenommen sind zudem Praktikanten, die im Rahmen ihrer Ausbildung (auch Schule oder Studium) Berufserfahrung sammeln sollen oder zu einer studienbegleitenden Praxisphase verpflichtet sind (auch in dualen Studiengängen). Wer freiwillig während der Orientierung zur Berufs- und Studienwahl oder im Studium ein Praktikum machen möchte, hat ebenfalls keinen Anspruch auf Mindestlohn, wenn es maximal drei Monate dauert. In manchen Branchen gilt bereits ein Mindestlohn. Sofern er tarifvertraglich für alle Mitarbeiter verbindlich ist, kann er in der Übergangszeit bis zum 1. Januar 2017 auch unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Die Zeitungszusteller stellen eine Sondergruppe im Gesetz dar: Ihre Vergütung wird in den kommenden Jahren prozentual dem Mindestlohn angeglichen müssen sie mindestens 6,38 Euro bekommen, 2016 mindestens 7,23 Euro, bis ihr Stundenlohn ab 1. Januar 2017 den allgemein gültigen 8,50 Euro entspricht. Für Saisonarbeiter gilt die Lohnuntergrenze ab 1. Januar 2015 übrigens auch. Jedoch hat der Gesetzgeber die Zeitspanne der kurzfristigen sozialabgabenfreien Beschäftigung von 50 auf 70 Tage ausgedehnt. rfw Weitere Informationen Die Fragen und Antworten zum Mindestlohn wurden in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Dr. Tobias Moog, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Moog Partnerschaftsgesellschaft (Darmstadt, Freiberg, Dresden), zusammengestellt. Hier beraten sowohl Rechtsanwälte als auch Steuerberater zum Thema Mindestlohn. Martin Bonelli Geschäftsbereich Recht T: E: bonelli@darmstadt.ihk.de Weitere Informationen und weiterführende Links finden Sie unter sowie unter Fotos: Jens Steingässer
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