Taschenatlas der Pathophysiologie
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- Sabine Lichtenberg
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1 Taschenatlas der Pathophysiologie Bearbeitet von Stefan Silbernagl, Florian Lang überarbeitet 005. Buch. 40 S. ISBN Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 0 Nervensystem, Muskel, Sinne 346 Gedächtnisstörungen Man unterscheidet zwei Formen von Gedächtnis: Das deklarative, explizite Gedächtnis (semantisch oder episodisch) speichert Informationen ab, die bewuût abgerufen werden müssen ( A). Es ist z.b. erforderlich, um bestimmte Dinge (¾pfel, Tiere, Gesichter) wiederzuerkennen. Das prozedurale, implizite Gedächtnis ( A3) benötigt keine bewuûte Aktivierungfür Einspeicherungund Wiedergabe. Für die Bildungvon deklarativem Gedächtnis ( A) gelangt die Information zunächst über das jeweilige primäre sensorische Rindenareal (z. B. die primäre Sehrinde) zum entsprechenden Assoziationskortex (z. B. die sekundäre Sehrinde). Von dort gelangt sie über den entorhinalen in den Hippokampus, der für die Langzeitspeicherung von deklarativen Gedächtnisinhalten unbedingt erforderlich ist. Unter Vermittlungvon Strukturen in Dienzephalon, basalem Vorderhirn und präfrontalem wird der Eindruck wieder im Assoziationskortex abgespeichert. Gedächtnisinhalte werden auf diese Weise über das sensorische Gedächtnis zunächst in das Kurzzeitgedächtnis aufgenommen, das die Inhalte nur Sekunden bis Minuten festhalten kann. Unter anderem durch Üben können Gedächtnisinhalte in das Langzeitgedächtnis überspielt werden ( A), wobei Üben keine notwendige Voraussetzung für die Bildung von Langzeitgedächtnis ist. Vor allem das Überspielen in das Langzeitgedächtnis ist bei Läsionen der genannten Strukturen durch neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Morbus Alzheimer, S. 348), traumatische Läsionen, Ischämie, Alkohol, Kohlenmonoxid und Entzündungen beeinträchtigt. Darüber hinaus kann die Gedächtnisbildungdurch Elektroschock vorübergehend ausgeschaltet werden. Wichtigster Transmitter im Hippokampus ist Glutamat (NMDA-Rezeptoren). Die Gedächtnisbildung wird durch Noradrenalin und Acetylcholin (nikotinerge Rezeptoren) begünstigt. Eine Läsion des Hippokampus oder seiner Verbindungen führt zur anterograden Amnesie ( A): Die betroffenen Patienten können ab dem Zeitpunkt der Läsion kein neues deklaratives Gedächtnis mehr bilden. Sie erinnern sich an Ereignisse vor diesem Zeitpunkt, aber nicht mehr an Gedächtnisinhalte, die sie nach der Läsion aufgenommen haben. Eine retrograde Amnesie ( A), also der Verlust bereits abgespeicherter Information, entsteht bei Störungen in den entsprechenden assoziativen Rindenfeldern. Je nach Ausmaû und Lokalisation der Störungkann der Verlust reversibel oder irreversibel sein. Im ersteren Fall verlieren die Patienten zwar Gedächtnisinhalte, können diese jedoch wieder gewinnen. Beim irreversiblen Verlust können sie entsprechende Inhalte nicht mehr abrufen. Eine vorübergehende bilaterale Funktionsstörungdes Hippokampus kann anterograde und retrograde (Tage bis Jahre) Amnesie auslösen (transiente globale Amnesie). Auch beim sog. Korsakow-Syndrom (bei Alkoholikern häufig) treffen anterograde und retrograde Amnesie zusammen. Die Betroffenen versuchen oft, Lücken im Gedächtnis durch eigene Erfindungen (Konfabulationen) zu überdecken. Das prozedurale (implizite) Gedächtnis ( A3) ist bei Läsionen im Hippokampus nicht beeinträchtigt. Es erlaubt Prägung, Erlernen von Fertigkeiten, Sensibilisierung, Gewöhnung und Konditionierung. Je nach Aufgabe werden Kleinhirn, Basalganglien, Amygdala und kortikale Areale einbezogen. Beim Erlernen von Fertigkeiten spielen Kleinhirn und Basalganglien eine wichtige Rolle. Relevante Afferenzen erreichen das Kleinhirn über Olive und pontine Kerne. Die Speicherfähigkeit des Kleinhirns kann z. B. durch toxische Schädigung, degenerative Erkrankungen und Traumen verloren gehen. Auch dopaminerge Projektionen der Substantia nigra sind an der Schaffung von prozeduralem Gedächtnis beteiligt. Bei der Konditionierungvon Angstreaktionen spielt die Amygdala eine wesentliche Rolle. Sie erhält ihre Informationen aus und Thalamus und beeinfluût Motorik und vegetative Funktionen (z. B. Muskeltonus, Herzklopfen, Gänsehaut) über Formatio reticularis und Hypothalamus. Ausschalten der Amygdala (z. B. Traumen, Opiate) hebt konditionierte Angstreaktionen auf. Beidseitige Entfernung der Amygdala mit Anteilen von Hippokampus und Temporallappen haben neben Amnesie enthemmtes Verhalten zur Folge (Klüver- Bucy-Syndrom).
3 A. Gedächtnisstörungen präfrontaler Glutamat (NMDA), Acetylcholin, Nikotin, Noradrenalin Sinneswahrnehmung deklaratives Gedächtnis Kaninchen basales Vorderhirn Erinnern Dienzephalon Hippokampus anterograde Amnesie assoziativer sensorischer Trauma, Tumoren, Entzündungen, Ischämie Degeneration, Alkohol, CO, Elektroschock, Epilepsie retrograde Amnesie Tafel 0.5 Gedächtnisstörungen Wahrnehmung sensorisches Gedächtnis Üben Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Sekunde Minuten Jahre Vergessen Modell des Wissensgedächtnisses Toxine, Degeneration, Traumen Prägung, Fertigkeiten, Sensibilisierung, Gewöhnung, Konditionierung Trauma, Opiate Basalganglien Hypothalamus Amygdala Kleinhirn 3 prozedurales Lernen Formatio reticularis 347
4 0 Nervensystem, Muskel, Sinne 348 Morbus Alzheimer Die Alzheimer-Erkrankung, die häufigste Ursache von Demenz (70%), wird durch genetische Veranlagung begünstigt. Die Erkrankung ist jedoch genetisch nicht einheitlich. Eine besonders schwere Form der Alzheimer-Erkrankung wird autosomal dominant vererbt. Bei Familien mit Morbus Alzheimer konnten Defekte auf den Chromosomen,, 4, 9 oder gefunden werden. Das defekte Gen auf Chromosom 9, z. B., kodiert für das Apolipoprotein E (ApoE 4), das betroffene Gen auf dem Chromosom für ein Protein (b-amyloid precursor), das zu kleinen Amyloidpeptiden abgebaut werden kann. Diese können sich selbständig zu 7±0 nm langen Proteinfibrillen zusammenlagern ( A). Die Amyloidfibrillen wiederum bilden Klumpen von 0 bis mehreren hundert m Durchmesser (senile Plaques), die im Gehirn von Alzheimer-Patienten häufiggefunden werden ( A). Die Plaques enthalten neben extrazellulärem Amyloid verzerrte Dendriten und Axone mit abnormen intrazellulären Neurofibrillen. Die Bildungdieser untypischen Zytoskelettelemente geht offenbar dem Untergang der Neurone voraus (s. u.). Bestimmte Mutationen des b-amyloid precursor-gens begünstigen die Bildung von senilen Plaques. Amyloidablagerungen können ferner unter dem Einfluû weiterer genetischer oder äuûerer Faktoren auftreten. Man vermutet z. B., daû Toxine über olfaktorische Nerven eindringen und die Erkrankung auslösen können. Amyloidablagerungen werden auch bei der Trisomie (Down-Syndrom) beobachtet, die gleichfalls mit Demenz einhergeht. b-amyloidfibrillen können mit Rezeptoren an der Zelloberfläche reagieren, wie dem RAGE (receptor for advanced glycation end products) und einem Scavenger-Rezeptor (RA). Folglich werden Sauerstoffradikale gebildet, die ± möglicherweise über Depolarisation der Zellmembran und Aktivierungvon NMDA-Rezeptoren ± die neuronale intrazelluläre Ca + -Konzentration steigern ( A3). Die Sauerstoffradikale und Ca + fördern den neuronalen Zelltod. Bei Mikrogliazellen ( A4) stimuliertdie Aktivierungvon RAGE und RA die Bildungbzw. Ausschüttung von NO, Prostaglandinen, Exzitotoxinen, Zytokinen, Tumornekrosefaktor TNFa, transformierender Wachstumsfaktor TGF b und Fibroblastenwachstumsfaktor b-fgf. Folge ist eine Entzündung, die gleichfalls Neurone in Mitleidenschaft zieht. Gesteigerte Konzentrationen des Osmolyten Inositol weisen ferner auf eine Störungder Zellvolumenregulation hin. Der Untergang von Neuronen wird durch Mangel an Nervenwachstumsfaktor (NGF) oder an NGF-Rezeptoren beschleunigt und kann durch NGF verzögert werden. Vom Zelluntergang besonders betroffen sind cholinerge Neurone im Nucleus basalis Meynert, im Hippokampus (v. a. CA, Subiculum) und im entorhinalen ( B). Aber auch in anderen Hirnarealen, wie Frontallappen, vorderer Temporallappen, Parietallappen, Riechhirn, Hypothalamus, Locus coeruleus und Nuclei raphe, gehen Neurone zugrunde. Der Nervenzelluntergang geht mit einer herabgesetzten Bildung und Konzentration von Neurotransmittern im Gehirn einher. Besonders massiv ist Acetylcholin betroffen: In der Groûhirnrinde und im Hippokampus fand man um bis zu 90% verminderte Konzentrationen an Cholin-Acetyltransferase, dem Enzym, das für die Bildungvon Acetylcholin erforderlich ist. Aber auch die Konzentrationen anderer Neurotransmitter nehmen ab, wie Noradrenalin, Serotonin, Somatotropin, Neuropeptid Y, Substanz P und Corticoliberin (CRH). Folge der degenerativen Veränderungen ist ein zunehmender Verlust der Gehirnfunktionen ( B). Die Erkrankungbeginnt typischerweise schleichend mit subtilen Gedächtnisausfällen, Nachlässigkeit bei Kleidung und Körperhygiene, Phasen von Verwirrung und Auftreten von Fehlentscheidungen. Einer anterograden Amnesie ( S. 346) folgt mit zunehmender Erkrankungsdauer eine Beeinträchtigung des Altgedächtnisses und auch des prozeduralen Gedächtnisses. Läsionen im limbischen System machen sich in Unruhe einerseits und Lethargie andererseits bemerkbar. Relativ spät kommt es zu motorischen Ausfällen (Sprachstörungen, Tonusanomalien, Ataxie, Hyperkinesien, Myoklonus). Die möglicherweise durch infektiöse Prionen hervorgerufene neurodegenerative Creutzfeldt-Jakob-Krankheit führt neben motorischen (z. B. Ataxie) und psychischen Störungen gleichfalls zur Demenz.
5 A. Ursachen der Alzheimer-Erkrankung normales Protein defekter b-amyloid precursor weitere genetische Faktoren Umweltfaktoren Toxine langer Arm des Chromosom Amyloid abnorme Neurofibrillen NO, Exitotoxine, TNFa, TGFb, bfgf RA O Entzündung RAGE Gliazelle 4 senile Plaques RAGE 3 NGF-Mangel O RA NMDA- Rezeptor Neuron Ca + Tafel 0.6 Morbus Alzheimer Zelltod B. Folgen der Alzheimer-Erkrankung Fotos: Doerr W. u.a. Atlas der pathologischen Anatomie. Stuttgart: Thieme; 975. Neuronenuntergang Acetylcholin Somatostatin Neuropeptide Substanz P CRH Noradrenalin Serotonin Globus pallidus Putamen Nucleus basalis Meynert CA Hippokampus Subiculum entorhinaler mentale Defekte Jahre völliger Verlust der mentalen Kontrolle motorische Anfälle Lethargie globale Amnesie anterograde Amnesie Vergeßlichkeit 349
Kein Hinweis für eine andere Ursache der Demenz
die später nach ihm benannte Krankheit. Inzwischen weiß man, dass die Alzheimer-Krankheit eine sogenannte primär-neurodegenerative Hirnerkrankung ist. Das bedeutet, dass die Erkrankung direkt im Gehirn
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