Theoretische Physik III Elektrodynamik. Helmut Neufeld Fakultät für Physik Universität Wien
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- Marie Auttenberg
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1 Theoretische Physik III Elektrodynamik Helmut Neufeld Fakultät für Physik Universität Wien Wintersemester 2013
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3 Danksagung Ich danke Claudia Krizmanits für das Anfertigen der Abbildungen, die Überarbeitung eines älteren Manuskripts, eine sorgfältige und kritische Durchsicht des Skriptums sowie für zahlreiche Korrekturen und Verbesserungsvorschläge. Bernhard Baumgartner, Minja Čelikić, Fabian Dominik, Peter Eigenschink, Manuel Engel, Elija Feigl, Manuel Fink, Manuel Grumet, Benjamin Jablonski, Oliver Jin, Jakob Kellner, Michael Lanschützer, Christopher Lepenik, Maximilian Liebetreu, Stefan Maier, Leyre Nogués, Lilian Nowak, Marianne Pietschnig, Sabine Puchberger, Benjamin Ramberger, Christoph Regner, Stefan Riemelmoser, Christoph Roupec, Ines Ruffa, Michael Schaubmaier, Daniel Scheinecker, Peter Schiansky, Christoph Schöberl, Patrick Schwarz, Franz Teichmann, Ralf Vamosi, Petra Wenzl, Angelika Widl und Abdul Ziarkash haben mich auf Druckfehler in früheren Versionen des Skriptums aufmerksam gemacht. Mein großer Dank gilt Walter Grimus für die Ausarbeitung des Abschnitts über das Prinzip von Huygens in beliebigen Raumdimensionen. Mein besonderer Dank richtet sich an Gerhard Ecker, der mir die Latexversion des Skriptums seiner zuletzt im Wintersemester 2008/9 gehaltenen T3-Vorlesung zur Verfügung stellte. Der Abschnitt 3.38 über Streuung wurde vollständig übernommen und nur in Notation und Konventionen dem vorliegenden Skriptum angepasst. Ebenso beruht das Kapitel 4 über die Elektrodynamik der Kontinua (abgesehen von einigen kleineren Zusätzen und Modifikationen) auf dem entsprechenden Teil des Eckerschen Skriptums. Auch an anderen Stellen diente es mir als Quelle der Inspiration und ich möchte seine Lektüre wärmstens empfehlen ( Literatur L.D. Landau, E.M. Lifschitz: Lehrbuch der Theoretischen Physik, Band II, Klassische Feldtheorie, Akademie Verlag, Berlin, 1992 L.D. Landau, E.M. Lifschitz: Lehrbuch der Theoretischen Physik, Band VIII, Elektrodynamik der Kontinua, Akademie Verlag, Berlin, 1985 R.P. Feynman, R.B. Leighton, M. Sands: The Feynman Lectures on Physics, vol. I, II, Addison-Wesley, Reading, Massachusetts, 1965 P. Hertel: Elektrodynamik, Theoretische Physik II, Skriptum einer im Wintersemester 1973/74 an der Universität Wien gehaltenen Vorlesung G. Ecker: Elektrodynamik, Theoretische Physik 3, Skriptum einer im Wintersemester 2008/9 an der Universität Wien gehaltenen Vorlesung iii
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5 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung Methodik der Physik Fundamentale Wechselwirkungen Relativistische Mechanik Spezielle Relativitätstheorie Raum-Zeit Lorentz- und Poincarégruppe Eigenzeit Vierervektoren, Tensoren Freies Teilchen Viererimpuls Kinematik von Teilchenprozessen Elektrodynamik Felder in der speziellen Relativitätstheorie Viererpotential Elektromagnetisches Feld Eichtransformation Lorentzkraft Bewegung in einem statischen homogenen elektrischen Feld Bewegung in einem statischen homogenen Magnetfeld v
6 vi INHALTSVERZEICHNIS 3.8 Feldstärketensor Wirkungsprinzip in Feldtheorien Wirkungsintegral des elektromagnetischen Feldes Maxwellsche Gleichungen Zeitunabhängiges Feld Elektrostatik Feld einer gleichförmig bewegten Ladung Elektrischer Dipol Multipolentwicklung Ladungsverteilung in einem äußeren Feld Elektrostatische Energie Magnetostatik Magnetischer Dipol Stromverteilung in einem äußeren Feld Magnetisches Moment Zeitabhängige elektromagnetische Felder Energiedichte und Energiestrom Impulsdichte und Impulsstrom Elektromagnetische Wellen Wellengleichung Ebene Wellen Monochromatische ebene Welle Dopplereffekt Teilweise polarisiertes Licht Feld einer beschleunigten Ladung Retardierte und avancierte Potentiale Prinzip von Huygens Strahlungsfeld in Dipolnäherung
7 INHALTSVERZEICHNIS vii 3.36 Liénard-Wiechert-Potentiale Strahlung einer schnell bewegten Ladung Streuung Interferenz Röntgenbeugung an Kristallen Elekrodynamik der Kontinua Makroskopische Elektrodynamik Polarisierung und Magnetisierung Elektrostatik von Leitern Faradayscher Käfig Minimax-Eigenschaft des Potentials Einfache elektrostatische Beispiele Energie des elektrostatischen Feldes von Leitern Kraft auf einen Leiter Methode der Spiegelladungen Zweidimensionale Probleme Elektrostatik der Nichtleiter Magnetisierung Langsam veränderliches Nahzonenfeld Ohmsches Gesetz Induktionsgesetz Schaltkreise Wellenleiter Kramers-Kronig-Relationen Elektromagnetische Wellen in Medien Reflexion und Brechung
8 viii INHALTSVERZEICHNIS
9 Kapitel 1 Einleitung 1.1 Methodik der Physik Galileo Galilei ( ): gezielte Fragen an die Natur (Experiment); Formulierung von Gesetzmäßigkeiten in mathematischer Sprache Hände schmutzig machen (Experiment) statt reines Denken oder Berufung auf alte Schriften Herstellen von (zunächst nicht offensichtlichen) Zusammenhängen Beispiele: 1. Fall eines Apfels zur Erde: gleicher Grund wie Anziehungskraft zwischen Erde und Mond, Sonne und Planeten, etc. 2. alle Körper fallen(unabhängig von Beschaffenheit oder Gewicht) ohne Luftwiderstand gleich schnell Schwerelosigkeit des Raumfahrers im antriebslosen Raumschiff (lokales Inertialsystem) 3. Kraftgesetz zwischen makroskopischen ( Punkt -)ladungen im Schulversuch gleich wie zwischen Elektron und Proton im Wasserstoffatom 4. Element Helium zuerst durch spektroskopische Untersuchung des Sonnenlichts gefunden und erst danach in der Erdatmosphäre nachgewiesen (gleiche Naturgesetze auf der Sonne wie auf der Erde) 5. Vereinheitlichung elektrischer und magnetischer Phänomene in der elektromagnetischen Theorie Maxwells 6. Vereinheitlichung der elektromagnetischen und schwachen Wechselwirkung zur elektroschwachen Theorie im Rahmen des Standardmodells der Teilchenphysik 1
10 2 KAPITEL 1. EINLEITUNG Erlangung physikalischer Erkenntnis durch Wechselspiel von Theorie und Experiment (Arbeitsteilung) Experiment: direkte Untersuchung physikalischer Phänomene, Überprüfung theoretischer Vorhersagen Theorie: Formulierung fundamentaler physikalischer Gesetze in mathematischer Form, Ableitung physikalischer Phänomene aus den Grundgesetzen, Vorhersagen mathematische Sprache unerlässlich zur klaren Formulierung physikalischer Gesetzmäßigkeiten zunächst unüberschaubare und verwirrende Vielzahl beobachteter Phänomene kann durch mathematische Methoden aus einigen wenigen Grundgleichungen hergeleitet werden (Strukturen und Gemeinsamkeiten werden erkennbar) quantitative statt bloß qualitative Beschreibung Vorhersagekraft einer Theorie bedeutet: im Prinzip durch Experiment widerlegbar Kriterium für Gültigkeit einer Theorie: kein Widerspruch zum Experiment statt Anspruch auf absolute Wahrheit nichtrelativistische Quantenmechanik relativistische Quantenfeldtheorie h nichtrelativistische Mechanik c 1 relativistische Mechanik Abbildung 1.1: Im Limes c (unendlich große Signalgeschwindigkeit) gelangt man zur nichtrelativistischen Näherung und im Limes h 0 zur klassischen Physik Verhältnis von alter Theorie zu neuer (erweiterter) Theorie: alte Theorie nicht falsch, jedoch Einschränkung (Klärung) ihres Gültigkeitsbereichs (Beispiele:
11 1.2. FUNDAMENTALE WECHSELWIRKUNGEN 3 im Maschinenbau wird selbstverständlich auch heute nicht die relativistische Mechanik verwendet, da nichtrelativistische Mechanik weiterhin anwendbar, wenn Geschwindigkeiten v c sind; quantentheoretische Behandlung nicht sinnvoll, wenn alle vorkommenden Drehimpulse L h) sukzessive Approximation statt endgültiger Theorie wichtiger Punkt: mathematische Konsistenz, Einfachheit und Schönheit eines mathematischen Modells keine Garantie für tatsächliche Realisierung in der Natur Experiment ist der oberste Richter in der Physik 1.2 Fundamentale Wechselwirkungen alle bekannten physikalischen Phänomene können im Prinzip auf vier fundamentale Wechselwirkungen (Kräfte) zurückgeführt werden: Gravitation Elektromagnetismus starke Wechselwirkung schwache Wechselwirkung Gravitation und Elektromagnetismus sind makroskopische Wechselwirkungen (mit großer Reichweite) Gravitations- und Coulombkraft zwischen zwei ruhenden Punktteilchen mit Massen m 1,2 und elektrischen Ladungen q 1,2, die sich an den Punkten x 1,2 befinden: F 12 = ( G N m 1 m 2 +q 1 q 2 ) x 1 x 2 x 1 x 2 3 F 12 (= F 21 ) Kraft des 2. Teilchens auf das 1. G N m 3 kg 1 s hc(gev/c 2 ) 2... Newtonsche Gravitationskonstante Massen stets positiv Gravitationskraft immer anziehend Ladungen mit beiden Vorzeichen Coulombkraft anziehend für q 1 q 2 < 0, abstoßend für q 1 q 2 > 0 Vergleich von Gravitations- und Coulombkraft für zwei Protonen:
12 4 KAPITEL 1. EINLEITUNG m p 938MeV/c 2, q p = e (Elementarladung) F Coulomb F Gravitation = e2 G N m 2 p = e2 hc }{{} α hc G N m 2 p α = e 2 / hc 1/ (Sommerfeldsche) Feinstrukturkonstante F Coulomb F Gravitation 1036 ( GeV m p c 2 positive und negative Ladungen kompensieren einander in makroskopischen Körpern offensichtlich äußerst genau im atomaren Bereich ( m) nur elektromagnetische Wechselwirkung relevant (Gravitation völlig vernachlässigbar) Struktur der Atome, Moleküle, Festkörper durch Quantentheorie der elektromagnetischen Wechselwirkung bestimmt Bereich der klassischen Physik: physikalische Größen von der Dimension eines Drehimpulses h = h/2π Js MeVs ([reduzierte] Plancksche Konstante) quantentheoretische Effekte vernachlässigbar, gleichbedeutend mit h 0 Quantentheorie relevant für elektromagnetische Wechselwirkung in Atomen (Distanzen m) starke Wechselwirkung: hält Atomkerne zusammen (gegen Coulombabstoßung der Protonen), Reichweite m schwache Wechselwirkung: noch kürzere Reichweite ( m), verantwortlich z.b. für den β-zerfall (n pe ν e ) für starke und schwache Wechselwirkung Limes h 0 nicht sinnvoll (quantentheoretische Behandlung wesentlich) volle quantentheoretische Behandlung der fundamentalen Wechselwirkungen durch (relativistische) Quantenfeldtheorien (QFT) elektromagnetische Wechselwirkung beschrieben durch Quantenelektrodynamik (QED); elektromagnetische Kräfte zwischen geladenen Elementarteilchen (Elektronen, Positronen, Quarks,...) erklärt durch den Austausch von (virtuellen) Photonen (masselos, Helizität 1) analog: starke Wechselwirkung in der Quantenchromodynamik (QCD) durch Austausch von 8 Gluonen (masselos, Helizität 1) zwischen Quarks (elementare Bausteine der Nukleonen) erklärt ) 2
13 1.2. FUNDAMENTALE WECHSELWIRKUNGEN 5 Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung: W ±,Z 0 -Bosonen (massiv, Spin 1); schwache Wechselwirkung im Standardmodell der Teilchenphysik mit der elektromagnetischen Wechselwirkung zur elektroschwachenwechselwirkung vereinheitlicht Newtonsche Gravitationstheorie von Albert Einstein ( ) zur Allgemeinen Relativitätstheorie weiterentwickelt (erklärt Periheldrehung des Merkur, Lichtablenkung an der Sonne, Beschreibung schwarzer Löcher, Vorhersage von Gravitationsstrahlung,...); derzeit noch keine etablierte Quantentheorie der Gravitation(aktuelles Forschungsgebiet); Gravitationsquant: Graviton(masselos, Helizität 2) wesentlich: Erklärung von Wechselwirkungen (Kräften) durch Teilchenaustausch in relativistischer QFT (Reduktion des Kraftbegriffs auf den Teilchenbegriff) Teilchen können auf zweifache Weise in Erscheinung treten: reelle Teilchen (erfüllen die relativistische Energie-Impuls-Beziehung); in Detektoren (Teilchendetektoren, menschliches Auge für Photonen des sichtbaren Lichts,...) nachweisbar virtuelle Teilchen (verletzen Energie-Impuls-Beziehung) Kraftwirkung (Wechselwirkung) Zusammenhang zwischen Massen M der Austauschteilchen und den typischen Reichweiten R der fundamentalen Wechselwirkungen: R = h Mc = hc Mc2, hc 197MeVfm m γ = m Graviton = 0 elektromagnetische und Gravitationswechselwirkung haben unendlich große Reicheite makroskopische Kräfte M W 80GeV/c 2, M Z 91GeV/c 2 R m Sonderfall der starken Wechselwirkung: Austauschteilchen (Gluonen) sind zwar masselos, jedoch zusammen mit den Quarks in Hadronen (Mesonen, Nukleonen) eingeschlossen (Confinement) Wechselwirkung zwischen Hadronen(z.B. zwischen Protonen und Neutronen im Atomkern) analog zur Van-der-Waals-Wechselwirkung durch Pionaustausch (M π 140MeV/c 2 ) R m
14 6 KAPITEL 1. EINLEITUNG
15 Kapitel 2 Relativistische Mechanik 2.1 Spezielle Relativitätstheorie Auffassung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Inertialsysteme bezüglich mechanischer Vorgänge gleichberechtigt; Zusammenhang zwischen Raum-Zeit-Koordinaten zweier Inertialsysteme durch geeignete Galileitransformation (unbeschleunigte Bewegung durch mechanische Experimente nicht feststellbar) aber: ausgezeichnetes Bezugssystem bezüglich elektromagnetischer Vorgänge Äther; sollte für elektromagnetische Wellen die gleiche Rolle spielen wie elastisches Medium für Schallwellen Erwartung: in relativ zum Äther bewegtem System (z.b. Erde) c = c+ V gemäß Galileitransformation; tatsächlicher experimenteller Befund: Lichtgeschwindigkeit in allen Richtungen gleich (Michelson, Morley, 1887) Einstein (1905) Zur Elektrodynamik bewegter Körper Einsteinsches Relativitätsprinzip (i) Naturgesetze sind in allen Inertialsystemen gleich (d.h. die entsprechenden Gleichungen haben dieselbe Form) (ii) Lichtgeschwindigkeit c ist in allen Bezugssystemen gleich groß 7
16 8 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK heute: Grundlage alltäglicher technischer Anwendungen(GPS, Teilchenbeschleuniger, etc.) Grund für den eingeschränkten Gültigkeitsbereich der Newtonschen (nichtrelativistischen) Mechanik: implizite Annahme einer unendlich schnellen Wirkungsausbreitung (z.b. potentielle Energie als Funktion räumlich getrennter Teilchenkoordinaten zu ein und demselben Zeitpunkt!) tatsächlich: Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wirkung (= Lichtgeschwindigkeit) endlich c = ms 1 wissen nun: Galileitransformation nur für Relativgeschwindigkeit V c (näherungsweise) richtig wie ist der Zusammenhang zwischen den Raum-Zeit- Koordinaten zweier Inertialsysteme unter Berücksichtigung des Einsteinschen Relativitätsprinzips? Annahme einer absoluten Zeit (dt = dt bei Galileitransformation) offensichtlich in völligem Widerspruch zum Einsteinschen Relativitätsprinzip: y y S S B A C V x x Abbildung 2.1: Inertialsystem S bewegt sich mit Geschwindigkeit V relativ zu Inertialsystem S; BAC ruht in S vom Inertialsystem S aus betrachtet kommt das Licht gleichzeitig in B und C an diese zwei Ereignisse sind aber im System S nicht gleichzeitig! (vom System S aus betrachtet kommt das Licht früher bei B an als bei C) Gleichzeitigkeit an verschiedenen Orten hängt vom Bezugssystem ab! (Relativität der Gleichzeitigkeit) wie muss man die Galileitransformation modifizieren, sodass der Tatsache Rechnung getragen wird, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen gleich groß ist?
17 2.1. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE 9 beschränken uns zunächst auf infinitesimale Relativgeschwindigkeit V ( nur Terme linear in V zu berücksichtigen) Ansatz: t = t a V x, x = x Vt lege x-achse in Richtung von V: V = V e x t = t avx, x = x Vt, y = y, z = z wie muss man a wählen, damit ein Lichtsignal im System S auch im System S ein Lichtsignal bleibt? Gleichung eines Lichtsignals in S z.b.: x = ct, y = 0, z = 0 welche Gleichung hat dieses Lichtsignal im System S? t = t avct = (1 avc)t, x = ct Vt x = (c V)t = c V 1 avc t soll infinitesimale Lorentztransformation = ct a = 1 c 2 t = t Vx/c 2, x = x Vt, y = y, z = z benannt nach Hendrik Antoon Lorentz ( ) Matrixschreibweise für infinitesimale Lorentztransformation: ct 1 V/c 0 0 ct x y = V/c x y z z Bemerkungen: ct hat die Dimension einer Länge wir hätten uns natürlich nicht auf ein Lichtsignal längs der x-achse beschränken müssen, sondern wir hätten von der Gleichung des Lichtsignals ausgehen können: x 2 +y 2 +z 2 = c 2 t 2 x 2 +y 2 +z 2 c 2 t 2 = (x Vt) 2 +y 2 +z 2 c 2 (t avx) 2 = 2xVt(ac 2 1)+O(V 2 ) soll = 0 a = 1/c 2
18 10 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK wie schaut nun eine endliche Lorentztransformation aus? wende dazu n Lorentztransformationen mit infinitesimaler Relativgeschwindigkeit ψc/n hintereinander an und mache dann den Limes n, wobei der Parameter ψ konstant gehalten wird infinitesimale Transformation: ( ) ( ct x = ½ ψ )( ) ct n I x endliche Transformation: Potenzreihenentwicklung: wegen I 2 = ½ erhält man: lim n, I := ( ½ ψ n I ) n = e ψi ( ) e ψi = ½ ψi+ 1 2! ψ2 I 2 1 3! ψ3 I e ψi = ½coshψ Isinhψ = ( ) coshψ sinhψ sinhψ coshψ endliche Lorentztransformation ct coshψ sinhψ 0 0 ct x y = sinhψ coshψ 0 0 x y z z Zusammenhang der Rapidität ψ mit der Relativgeschwindigkeit V der beiden Inertialsysteme? betrachten Bewegung des Ursprungs von S (Koordinaten x = y = z = 0) vom System S aus: sinhψct+coshψx = 0 x = tanhψc t tanhψ = V/c }{{} V sinhψ = folgende Bezeichnungen sind üblich: V/c 1 V2 /c 2, coshψ = 1 1 V2 /c 2, γ = 1 β = V/c 1 V2 /c2,
19 2.1. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE 11 für unsere Lorentztransformation erhält man daher ct γ βγ 0 0 ct x y = βγ γ 0 0 x y z z bzw. t = t Vx/c2 1 V2 /c 2, x = x Vt 1 V2 /c 2, y = y, z = z einige Konsequenzen der Lorentztransformation: 1. Zeitdilatation S S V S S V Vτ Uhr in S τ 1 V 2 /c 2 Uhren in S τ Abbildung 2.2: Zeitdilatation t = x = y = z = 0 t = x = y = z = 0 t = τ x = Vτ y = 0 z = 0 t = τ 1 V 2 /c 2 x = 0 y = 0 z = 0
20 12 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK anschauliche Interpretation Gedankenexperiment verwenden folgende Lichtuhr ( Feynman Bd. I) Spiegel L Blitzlicht Photozelle Abbildung 2.3: Lichtuhr Uhr ruht in S, von S aus gesehen schaut der Weg des Lichtstrahls so aus: Vτ 2 L (unverändert) cτ 2 cτ 2 Abbildung 2.4: Bewegte Lichtuhr Beobachter in S misst die Zeit τ = 2L/c Beobachter in S misst die Zeit τ Zusammenhang zwischen τ und τ: ( ) 2 cτ = 2 ( ) 2 ( Vτ Vτ +L 2 = 2 2 ) 2 +( cτ τ 2 = τ 2 (1 V 2 /c 2 ) τ = τ 1 V 2 /c 2 2 ) 2
21 2.1. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE Lorentzkontraktion S S V A B Abbildung 2.5: Stab AB ruht in S Stab der Länge L, der in System S (in x -Richtung liegend) ruht; Enden des Stabes seien bei x A = 0 und x B = L betrachte nun den Stab vom System S aus bewegt sich mit Geschwindigkeit V linker Endpunkt (A): x A = 0 x A = Vt rechter Endpunkt (B): x B = L L = x B Vt 1 V2 /c 2 x B = L 1 V 2 /c 2 +Vt L 0 := x B x A = L 1 V 2 /c 2 bewegter Stab erscheint verkürzt geometrische Methode zur Ermittlung der Lorentzkontraktion: Spiegel L Spiegel Lichtquelle L Abbildung 2.6: Modifizierte, in S ruhende Lichtuhr
22 14 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK vom System S aus gesehen, ergibt sich folgendes Bild: cτ 2 c V 2 τ Vτ 2 d c V 2 τ L 0 c+v 2 τ Abbildung 2.7: Bewegte Lichtuhr vom System S aus gesehen. Die Abbildung zeigt die Lichtuhr in jenem Augenblick, in dem das sich horizontal bewegende Photon gerade am rechten Spiegel reflektiert wird ( ) 2 ( ) 2 cτ Vτ = +L 2 τ = L c 1 V 2 /c 2 L 0 = c V 2 (c V)τ/2 cτ/2 = d Vτ/2 τ +d = c V 2 3. Transformation der Geschwindigkeit S S V d = V c c V 2 τ (1+V/c) = L 1 V 2 /c 2 τ Abbildung 2.8: System S bewegt sich relativ zu S mit der Geschwindigkeit V Teilchen mit Geschwindigkeit v = d x dt Geschwindigkeit v = d x dt im System S Zusammenhang zwischen v und v? im System S
23 2.2. RAUM-ZEIT 15 dt = dt Vdx/c2 1 V2 /c 2, dx = dx Vdt 1 V2 /c 2, dy = dy, dz = dz v x = dx = dx Vdt dt dt Vdx/c = v x V 2 1 Vv x /c 2 v y = dy = dy 1 V2 /c 2 = v y 1 V2 /c 2 dt dt Vdx/c 2 1 Vv x /c 2 v z = dz = v z 1 V2 /c 2 dt 1 Vv x /c 2 Bemerkung: für c erhält man die Transformationsformeln der nichtrelativistischen Mechanik: v x = v x V, v y = v y, v z = v z relativistische Transformationsformel für Betrag der Geschwindigkeit: v 2 = v x 2 +v 2 y +v 2 z = (v x V) 2 +(v 2 y +v 2 z)(1 V 2 /c 2 ) (1 Vv x /c 2 ) 2 = v2 2Vv x +V 2 (v 2 y +v 2 z)(v 2 /c 2 ) (1 Vv x /c 2 ) Raum-Zeit für den Spezialfall, dass sich System S relativ zu System S mit Geschwindigkeit V in Richtung der (positiven) x-achse bewegt, hatten wir Lorentztransformation der Form ct coshψ sinhψ 0 0 ct x y = sinhψ coshψ 0 0 x y z z wodurch kann im allgemeinen Fall eine Lorentztransformation charakterisiert werden? Beobachtung: obige Transformation hat die Eigenschaft (ct ) 2 (x ) 2 (y ) 2 (z ) 2 = (ct) 2 x 2 y 2 z 2
24 16 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK das ist auch die gesuchte Charakterisierung einer allgemeinen Lorentztransformation (Analogie zu räumlichen Drehungen!) ein Ereignis in der Raum-Zeit (ein Raum-Zeit-Punkt) wird durch die Raum- Zeit-Koordinaten x = (x 0,x 1,x 2,x 3 ) = (ct, x) gekennzeichnet Bemerkung: Menge der Ereignisse (Raum-Zeit-Punkte) wird in der speziellen Relativitätstheorie auch als Minkowskiraum bezeichnet, benannt nach dem Mathematiker Hermann Minkowski ( ) die Komponenten von x werden mit x µ (µ = 0,1,2,3) bezeichnet für räumliche Indizes werden lateinische Buchstaben verwendet: x i (i = 1,2,3) die Größe s 2 = (x 0 y 0 ) 2 ( x y) 2 heißt Viererabstand (Raum-Zeit-Abstand) der beiden Ereignisse x = (x 0, x) und y = (y 0, y) der Viererabstand zweier Ereignisse hat in allen Inertialsystemen den gleichen Wert (s 2 ist eine Invariante) andere Schreibweise: s 2 = g µν (x µ y µ )(x ν y ν ) (Summenkonvention!) mit dem metrischen Tensor g = (g µν ) = diag(1, 1, 1, 1) Raum-Zeit-Diagramm: Weltlinie eines Teilchens s 2 >0 Zukunft x 0 s 2 =0 s 2 <0 x i Lichtkegel Vergangenheit Abbildung 2.9: Raum-Zeit-Diagramm s 2 > 0... zeitartiger Abstand: kausale Verknüpfung möglich (es gibt ein Bezugssystem, in dem die beiden Ereignisse am selben Ort stattfinden) s 2 = 0... lichtartiger Abstand (Ereignisse können durch Lichtsignal verknüpft werden) s 2 < 0... raumartiger Abstand: kausale Verknüpfung unmöglich (es gibt ein Bezugssystem, in dem beide Ereignisse gleichzeitig stattfinden)
25 2.3. LORENTZ- UND POINCARÉGRUPPE 17 Poincarétransformation benannt nach Jules Henri Poincaré ( ) Umrechnung der Raum-Zeit-Koordinaten x = (x 0, x) eines Ereignisses bezüglich Inertialsystem S in die Raum-Zeit-Koordinaten x = (x 0, x ) des selben Ereignisses bezüglich S erfolgt durch Poincarétransformation x µ = L µ ν xν +a µ (Summenkonvention!) a µ ist beliebig, beschreibt lediglich eine konstante Verschiebung des Zeitnullpunktes bzw. des Koordinatenursprungs L µ ν ist dadurch eingeschränkt, dass der Viererabstand zweier beliebiger Ereignisse eine Invariante ist: x y beliebig L µ α g µνl ν β = g αβ s 2 = g µν (x µ y µ )(x ν y ν ) = g µν L µ α (xα y α )L ν β (xβ y β ) = g αβ (x α y α )(x β y β ) in Matrixschreibweise L = (L µ ν ): LT gl = g Bemerkungen: Analogie zu orthogonalen Transformationen (R T R = ½) eine Poincarétransformation mit a µ = 0 heißt Lorentztransformation 2.3 Lorentz- und Poincarégruppe Menge aller Lorentztransformationen (also die Menge aller reellen 4 4 Matrizen L mit der Eigenschaft L T gl = g) bildet eine Gruppe Lorentzgruppe L = O(3, 1) bekannte Untergruppe gebildet aus Matrizen der Form L = 0 0 R, R O(3) 0 wir wissen: orthogonale Gruppe O(3) zerfällt in zwei nicht miteinander verbundene Teile (2 Zusammenhangskomponenten): O(3) = SO(3) ΠSO(3) (Π = ½ 3, detπ = 1)
26 18 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK detr = 1... Drehungen, Gruppe SO(3) detr = 1... Drehspiegelungen, keine Gruppe Lorentzgruppe O(3, 1): 4 Zusammenhangskomponenenten L T gl = g detl T detg }{{} 1 detl = detg }{{} 1 (detl) 2 = 1 detl = ±1 3 (L T gl) 00 = g 00 = 1 = g µν L µ 0L ν 0 = (L0 0 )2 (L i 0 )2 (L 0 0 )2 1 i=1 L 0 0 entweder 1 oder 1 Zusammenhangskomponente detl sgnl 0 0 L ½ 4 L -1 1 P L PT L -1-1 T Raumspiegelung: P = , detp = 1, P0 0 = Zeitumkehr: T = , dett = 1, T0 0 =
27 2.3. LORENTZ- UND POINCARÉGRUPPE 19 L +... Untergruppe der eigentlichen orthochronen Lorentztransformationen Beispiel: spezielle Lorentztransformation (reine Geschwindigkeitstransformation) in x-richtung: coshψ sinhψ 0 0 L = sinhψ coshψ detl = cosh 2 ψ sinh 2 ψ = 1, L 0 0 = coshψ 1 allgemeines Element L( α, V) L + kann durch 6 reelle Größen parametrisiert werden (Drehwinkel α und Geschwindigkeit V); die eigentliche orthochrone Lorentzgruppe ist eine sechsparametrige Liegruppe L( 0, V) = ( γ γ V T /c γ V/c ½ 3 + γ2 1+γ V V T /c 2 ), γ = L( α, 0) = 0 0 D( α), D( α) SO(3) V 2 /c 2 jedes Element aus L + lässt sich in der Form L( α, V) = L( α, 0)L( 0, V) schreiben L + = L + L + = L + PTL +... eigentliche Lorentzgruppe L = L + L = L + PL +... orthochrone Lorentzgruppe L 0 = L + L = L + TL +... orthochore Lorentzgruppe L, L +, L sind keine Gruppen (nur L + enthält das Einheitselement) Bemerkung: nur die eigentlichen orthochronen Lorentztransformationen können stetig mit der Einheit verbunden werden Poincarétransformationen (L, a) bestehen aus einer Lorentztransformation L und einer Raum-Zeit-Translationen a µ ; sie bilden die Poincarégruppe P Bemerkung: wieder ist die Zerlegung in P +, P, P +, P möglich alle fundamentalen Wechselwirkungen respektieren P +; schwache Wechselwirkung verletzt P und T; starke und elektromagnetische Wechselwirkungen sind invariant unter der gesamten Poincarégruppe P
28 20 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK Bemerkungen: P + beschreibt alle möglichen Transformationen von einem Inertialsystem in ein anderes P + hat 10 Parameter ( α, V,a µ ) 10 Erhaltungsgrößen (wie bei Galileiinvarianz) 2.4 Eigenzeit betrachten infinitesimal benachbarte Ereignisse, die bezüglich Inertialsystem S durch die Raum-Zeit-Koordinaten x = (x 0, x), (x 0 +dx 0, x+d x) beschrieben werden Viererabstand zwischen diesen beiden Ereignissen: ds 2 = c 2 dt 2 d x 2 = inv. betrachten beliebig bewegte Uhr (d.h. i. Allg. beschleunigt relativ zu S) S S v bewegte Uhr im Inertialsystem S ruhende Uhr Abbildung 2.10: Beliebig bewegte Uhr S sei jenesinertialsystem, indemdieuhrindembetrachteten Augenblick gerade ruht d x = 0 ds 2 = c 2 dt 2 d x 2 = c 2 dt 2 dt = dt 1 d x2 c 2 dt 2
29 2.4. EIGENZEIT 21 Zusammenhang zwischen Zeitintervall dt auf der bewegten Uhr und Zeitintervall dt auf einer Uhr, die im Inertialsystem S ruht: dt = ds c = dt 1 v2 c 2 somit ist t 2 t 1 = t 2 t 1 dt 1 v(t)2 c 2 }{{} 1 jenes Zeitintervall, das die (beschleunigt) bewegte Uhr anzeigt, wenn die im Inertialsystem S ruhende Uhr das Zeitintervall t 2 t 1 vergangen ist t 2 t 1 bezeichnet man als Eigenzeit(intervall) der bewegten Uhr Eigenzeitintervall ist immer kleiner als das entsprechende Zeitintervall im Inertialsystem (m.a.w.: Uhr im Nichtinertialsystem geht langsamer als Uhr im Inertialsystem) Beispiel für experimentellen Nachweis: mittlere Lebensdauer eines Myons: τ µ = s; dominanter Zerfallskanal: µ + e + ν e ν µ (bzw. µ e ν e ν µ ) Myonen werden in höheren Schichten der Atmosphäre erzeugt (Produktion durch Zerfall geladener Pionen: π ± µ ± ( ) ν µ ) naive Erwartung: Myonen sollten nach einer mittleren Flugstrecke von vτ µ < cτ µ ms s = 660mzerfallen sein (genauer: ursprüngliche Anzahl auf den e-ten Teil vermindert); tatsächlich erreichen Myonen die Erdoberfläche, die in mehreren km Höhe erzeugt wurden korrekte Analyse: τ µ ist die mittlere Lebensdauer im Ruhesystem des Myons cτ µ mittlere Wegstrecke im System des Beobachters = 1 v2 /c = cτ µγ cτ µ 2 Messung des anomalen magnetischen Moments des Myons: Myon-Speicherring (Brookhaven National Laboratories): Myonen durch Magnetfeld von 1.45T auf Kreisbahn mit Radius R = 14m gehalten v c γ = 29.3 vτ µ cτ µ = 660m naive Erwartung: Myon sollte im Mittel nach n = 660m 2πR zerfallen sein = 7.5 Runden
30 22 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK 7.5 tatsächlich fliegen Myonen im Mittel N = nγ = = 220 Runden vor 1 v2 /c2 dem Zerfall sehr genaue Bestätigung des γ-faktors Bemerkung: v = 0.999c würde 168 Runden ergeben sehr präziser Test für die spezielle Relativitätstheorie Version des Zwillingsparadoxons: Vergleichsprobe von Myonen in Ruhe sind im Mittel bereits nach der Zeit τ µ zerfallen, während die beschleunigten Myonen im Mittel γτ µ leben (also 29.3 mal so lang) Bemerkung: natürlich keineswegs paradox, da kreisende Myonen kein Inertialsystem definieren! 2.5 Vierervektoren, Tensoren Prototyp (der Komponenten) eines kontravarianten Vierervektors: Koordinatendifferentiale dx 0 = cdt, dx 1 = dx, dx 2 = dy, dx 3 = dz dx µ (µ = 0,1,2,3) Transformationsverhalten bei Übergang auf anderes Inertialsystem (Poincarétransformation): x µ = L µ νx ν +a µ dx µ = L µ νdx ν allgemein bezeichnet man A µ als kontravarianten Vierervektor (genauer: Komponenten eines kontravarianten Vierervektors), falls A µ = L µ ν Aν bei obiger Poincarétransformation ( transformiert wie dx µ ) (A 0 ) 2 (A 1 ) 2 (A 2 ) 2 (A 3 ) 2 = inv. kovarianter Vierervektor: A µ := g µν A ν z.b. A µ = (A 0, A), A µ = (A 0, A) dx µ = (cdt,d x), dx µ = (cdt, d x)
31 2.5. VIERERVEKTOREN, TENSOREN 23 A µ g µν A ν }{{} A µ = A µ A µ =: A A =: A 2 A µ, B µ Vierervektoren 4-Skalarprodukt A µ B µ = A µ B µ =: A B ist eine Invariante (4-Skalar), d.h. A B = A B das Inverse g 1 des metrischen Tensors g ist (in der flachen Raum-Zeit) g 1 = (g µν ) = , gµρ g ρν = δ µ ν wobei δ µ ν das Kroneckersymbol ist: ½ = (δ µ ν) = mit Hilfe von g µν kann man aus einem kovarianten Tensor wieder einen kontravarianten Tensor machen: A µ = g µν A ν Tensoren: das Produkt A µ B ν zweier kontravarianter Vierervektoren hat das Transformationsverhalten A µ B ν = L µ α Aα L ν β Bβ = L µ α Lν β Aα B β allgemein bezeichnet man ein Objekt T µν mit dem Transformationsverhalten T µν = L µ α Lν β Tαβ als Vierertensor (kontravarianter 4-Tensor zweiter Stufe) durch Überschieben mit dem metrischen Tensor kann man auch den gemischten Tensor Tµ ν = g µαt αν sowie den kovarianten Tensor T µν = g µα g νβ T αβ
32 24 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK bilden die Verallgemeinerung des Konzepts auf mehrstufige Tensoren ist offensichtlich durch Überschieben beider Indizes von T ν µ erhält man den 4-Skalar T µ µ ist T µν ein Tensor und A µ ein Vektor, so ist T µν A ν ein (kontravarianter) Vektor, etc. metrischer Tensor ist ein invarianter Tensor zweiter Stufe mit kovarianten Komponenten g µν : g µν L µ α Lν β = g αβ einfachster Tensor: Skalar (Tensor nullter Stufe) ist invariant unter Lorentztransformationen Beispiele für Skalare: Masse m Ladung q Skalarprodukt zweier Vierervektoren vierdimensionales Volumselement d 4 x = dx 0 dx 1 dx 2 dx 3 = cdtdxdydz ( ) d 4 x = x µ det d 4 x = d 4 x (wegen detl = 1) }{{} x ν L µ ν invariantes Linienelement ds 2 = (cdt) 2 (d x) 2 = g µν dx µ dx ν = dx µ dx µ Definition des vierdimensionalen Epsilontensors: 1 falls µνρσ gerade Permutation von 0123 ε µνρσ = 1 falls µνρσ ungerade Permutation von sonst ε-tensor ist ein invarianter Pseudotensor: ε µνρσ L µ α Lν β Lρ γ Lσ δ = detlε αβγδ dreht bei uneigentlichen Lorentztransformationen das Vorzeichen um (wie dreidimensionaler Epsilontensor bei Drehspiegelungen)
33 2.6. FREIES TEILCHEN 25 Quotiententheorem: werden später den folgenden Satz benötigen: sei A µ ein beliebig wählbarer kontravarianter 4-Vektor und A µ B µ ein Skalar (d.h. A µ B µ = Aµ B µ ) B µ ist ein kovarianter 4-Vektor Beweis: laut Voraussetzung ist A µ = L µ νa ν und A µ B µ = A µ B µ ; in Matrixschreibweise lauten diese Relationen: A = LA (wobei L T gl = g) und A T gb = A T gb A T L T gb = A T gb da der Vektor A beliebig wählbar ist folgt: L T g }{{} gl 1 B = gb B = LB, d.h. B µ = L µ ν Bν m.a.w.: B µ ist ein kontravarianter 4-Vektor und somit B µ ein kovarianter 4- Vektor 2.6 Freies Teilchen wollen die Lagrangefunktion (bzw. Wirkung) eines freien Teilchens in einem Inertialsystem finden (kennen L bis jetzt nur in nichtrelativistischer Näherung) wissen bereits, dass die Lagrangefunktion wegen der Homogenität von Zeit und Raum und der Isotropie des Raumes nur eine Funktion des Betrags der Geschwindigkeit des Teilchens sein kann; zusätzlich muss die Wirkung beim Übergang von einem Inertialsystem auf ein anderes invariant bleiben wir kennen aber bereits eine geeignete Invariante, nämlich ds: 2 S = α 1 ds, α > 0 Vorzeichen: 2 1 ds maximal für gerade Weltlinie, denn 2 1 ds/c ist ja gerade die Eigenzeit für die entsprechende Weltlinie zwischen den Raum-Zeitpunkten 1, 2; in einem Inertialsystem (= gerade Weltlinie zwischen 1 und 2) ist aber die Eigenzeit
34 26 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK x 0 =ct ct 2 2 ct 1 1 x i Abbildung 2.11: Variationsproblem zur Ermittlung der Weltlinie eines freien Teilchens in einem Inertialsystem immer größer als in einem Nichtinertialsystem (gekrümmte Weltlinie zwischen 1 und 2) wir wissen: ds = cdt 1 v(t) 2 /c 2 t 2 S = αc dt 1 v(t)2 /c 2 L = αc 1 v 2 /c 2 t 1 α wird durch den nichtrelativistischen Grenzfall ( v /c 1) festgelegt: L = αc ( 1 v 2 /c 2 αc 1 1 ) v 2 2 c α = mc S = mc ds L = mc 2 1 v 2 /c 2 die relativistischen Ausdrücke für Energie und Impuls eines freien Teilchens sind jetzt durch die üblichen Kochrezepte der Lagrangeschen Mechanik festgelegt: p i = L v i p = m v 1 v2 /c 2 v c m v +...
35 2.6. FREIES TEILCHEN 27 E = p v L = m v 2 1 v2 /c 2+mc2 1 v 2 /c 2 = mc 2 1 v2 /c 2 v c mc 2 + m v Bemerkung: E( v = 0) = mc 2 wird als Ruheenergie des Teilchens bezeichnet Zusammenhang zwischen Energie und Impuls: E 2 = m2 c 4 1 v 2 /c 2, p2 = m2 v 2 1 v 2 /c 2 E2 c 2 = m2 c 2 1 v 2 /c 2 = m2 v 2 1 v 2 /c 2 }{{} p 2 + m2 (c 2 v 2 ) 1 v 2 /c 2 }{{} m 2 c 2 relativistische Energie-Impuls-Beziehung: E 2 c 2 = p2 +m 2 c 2 E = c p 2 +m 2 c 2 p mc mc 2 + p2 2m +... p = E v c 2 v = pc2 E m 0 p und E werden für v = c unendlich groß Teilchen mit nicht verschwindender Masse können sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen m = 0 (z.b. Photon): E = c p v = p p c d.h. v = c masselose Teilchen bewegen sich immer mit Lichtgeschwindigkeit Bemerkung: näherungsweise gilt E = c p auch im ultrarelativistischen Fall (d.h. falls E mc 2 )
36 28 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK 2.7 Viererimpuls Transformationsverhalten von E, p bei Wechsel des Bezugssystems? definieren Vierergeschwindigkeit: u µ := dxµ ds = 1 1 dx µ 1 v2 /c 2 c dt Bemerkungen: dx µ ist ein 4-Vektor, ds ist ein Skalar u µ ist ein 4-Vektor u µ ist dimensionslos (nicht Dimension einer Geschwindigkeit) ( ) u µ 1 1 v = 1 v2 /c 2, 1 v2 /c 2 c Viererimpuls: dx µ dx µ = ds 2 u µ u µ = 1 p µ := mcu µ = (E/c, p) in der relativistischen Mechanik bilden Energie/c und Impuls einen Vierervektor p 2 = p p = p µ p µ = m 2 c 2 u µ u µ = m 2 c 2 das ist nichts anderes als die relativistische Energie-Impuls-Beziehung E 2 c 2 p2 = m 2 c Kinematik von Teilchenprozessen einlaufende Teilchen mit Viererimpulsen p a auslaufendene Teilchen mit Viererimpulsen q b Energie-Impuls-Erhaltung: a p a = b q b
37 2.8. KINEMATIK VON TEILCHENPROZESSEN 29 p 1 q 1 q 2 p 2 q3 Wechselwirkung Abbildung 2.12: Schematische Darstellung eines Prozesses in der Teilchenphysik Zerfall von Teilchen nur ein Teilchen im Anfangszustand einfachste Möglichkeit: zwei Teilchen im Endzustand (2-Teilchen-Zerfall); kennen bereits: π ± µ ± ( ) ν µ p 1 P p 2 Abbildung 2.13: Zerfall eines Teilchens mit Viererimpuls P in zwei Teilchen mit Viererimpulsen p 1,p 2 P = p 1 +p 2 (E/c, P) = (E 1 /c, p 1 )+(E 2 /c, p 2 ) wobei E = c P 2 +M 2 c 2, E i = c p i 2 +m 2 i c2 (i = 1,2) im Ruhesystem des zerfallenden Teilchens (= Massenmittelpunktssystem) ist P = 0: (Mc, 0) = ( p 1 2 +m2 1 c2, p 1 )+( p 2 2 +m2 2 c2, p 2 )
38 30 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK bzw. Mc = p 1 2 +m2 1 c2 + p 2 2 +m2 2 c2 (m 1 +m 2 )c 0 = p 1 + p 2 Zerfall nur möglich, falls M m 1 +m 2 p 1 p 2 = p 1 Energie der Zerfallsprodukte: Abbildung 2.14: Impulserhaltung man könnte natürlich p 2 = p 1 in die obige Gleichung für die Energieerhaltung einsetzen, p 1 darausausrechnenunddanne 1 unde 2 erhalten;esgehtaberohne Zerlegung der Vierervektoren in zeitliche und räumliche Komponenten eleganter: P = p 1 +p 2 P p 1 = p 2 (P p 1 ) 2 = p 2 2 M 2 c 2 +m 2 1c 2 2P p 1 = m 2 2c 2 im Ruhesystem des zerfallenden Teilchens ist P p 1 = ME 1 analog: E 1 = (M2 +m 2 1 m 2 2)c 2 2M E 2 = (M2 +m 2 2 m2 1 )c2 2M Beispiel: π 0 γγ, M π 0 135MeV/c 2 m 1 = m 2 = m γ = 0 E 1 = E 2 = M π 0c 2 /2 67.5MeV
39 2.8. KINEMATIK VON TEILCHENPROZESSEN 31 q 1 p 1 q 2 q 3 p 2 Abbildung 2.15: Erzeugung neuer Teilchen in einem Kollisionsexperiment für Beschleunigerexperimente relevant: zwei Teilchen im Anfangszustand Teilchenerzeugung möglich Beispiel: e + e µ + µ p 1 +p 2 = q 1 +q 2 ( p 1 2 +m2 e }{{ c2 } E e +/c, p 1 )+( p 2 2 +m2 e }{{ c2, p 2 ) = ( q 1 2 } +m2 µ c2, q 1 )+( q 2 2 }{{} +m2 µ c2, q 2 ) }{{} E e /c E µ +/c E µ /c im Massenmittelpunktsystem: p 1 + p 2 = 0 q 1 + q 2 = 0 E e ± = c p i 2 +m 2 e c2 = E µ ± = c q i 2 +m 2 µ c2 m µ c 2 Prozess nur möglich, falls E e ± m µ c 2
40 32 KAPITEL 2. RELATIVISTISCHE MECHANIK
41 Kapitel 3 Elektrodynamik 3.1 Felder in der speziellen Relativitätstheorie einfachster Fall: skalares Feldes S(x), das durch die Transformationseigenschaft S (x ) = S(x) bei einer Poincarétransformation x = Lx + a (L T gl = g) definiert ist; wegen x = L 1 (x a) kann man auch schreiben: S (x ) = S ( L 1 (x a) ) ein (kontravariantes) Vierervektor-Feld V µ ist durch das Transformationsverhalten V µ (x ) = L µ ν V ν (x) = L µ ν V ν( L 1 (x a) ) definiert durch Herunterziehen des Index mit Hilfe des metrischen Tensors kann man aus einem kontravarianten Vektorfeld V µ (x) das dazugehörige kovariante Vektorfeld V µ (x) = g µν V ν (x) erhalten der 4-Gradient eines Skalarfeldes, x µs(x) = ( ) 1 S c t, S ist der Prototyp eines kovarianten 4-Vektor-Feldes: ds = S(x+dx) S(x) = S x µdxµ 33
42 34 KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK da ds ein Skalar ist und dx µ ein (beliebig wählbarer) kontravarianter 4-Vektor ist, folgt aus dem Quotiententheorem, dass ein kovarianter 4-Vektor ist Bemerkung: µ := g µν ν x µs(x) =: µs(x) ein Tensorfeld T µν (x) ist durch das Transformationsverhalten definiert T µν (x ) = L µ αl ν βt αβ (x) = L µ αl ν βt αβ( L 1 (x a) ) Bemerkungen: durch Überschieben der Indizes erhält man das Skalarfeld T µ µ (x) mit Hilfe eines Vektorfeldes V µ (x) und des Vierergradienten kann man das Tensorfeld µ V ν (x) erhalten 3.2 Viererpotential ein elektromagnetisches Feld kann durch ein 4-Vektor-Feld, das sog. Viererpotential beschrieben werden: A µ (x) = ( A 0 (t, x), A(t, x) ) = ( φ(t, x), A(t, x) ) φ(t, x)... skalares Potential A(t, x)... Vektorpotential mit Hilfe des Viererpotentials kann man das Wirkungsintegral für die Bewegung eines Punktteilchens mit Masse m und Ladung q in dem durch A µ (x) beschriebenen elektromagnetischen Feld folgendermaßen angeben: S = mc ds q dx µ A µ (x) c
43 3.2. VIERERPOTENTIAL 35 die Forderungen der speziellen Relativitätstheorie sind durch ein Wirkungsintegral dieser Form offensichtlich erfüllt ( Bewegungsgleichung hat in allen Inertialsystemen die gleiche Form) wählen die Zeit t (in einem beliebigen Inertialsystem) zur Parametrisierung der Weltlinie (t x(t)) im Wirkungsintegral: S = mc ds q dx µ A µ (x) c = dt ( mc 2 1 v 2 /c 2 q dx µ c dt A µ(x(t)) ) = dt ( mc 2 1 v 2 /c 2 q A }{{} 0 + q ) v A c φ Lagrangefunktion eines geladenen Punktteilchens in einem (durch φ und A beschriebenen) äußeren elektromagnetischen Feld: L = mc 2 1 v 2 /c 2 qφ(t, x)+ q v A(t, x) c kanonisch konjugierter Impuls (dreidimensionale Notation!) P i = L v i = bzw. in Vektorschreibweise: P = mv i 1 v2 /c 2 + q c A i = p i + q c A i m v 1 v2 /c 2 + q c A = p+ q c A Hamiltonfunktion: H = H(t, x, P) H = i = v i L v i L m v 2 1 v2 /c 2 + q c A v +mc 2 1 v 2 /c 2 q c A v +qφ = mc 2 1 v2 /c 2 +qφ H ist aber nicht durch t, x, v, sondern durch t, x, P auszudrücken dabei hilft die folgende Beobachtung: H qφ = mc 2 1 v2 /c 2, P q c A = m v 1 v2 /c 2
44 36 KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK zwischen H qφ und P qa/c besteht die gleiche Beziehung wie zwischen E und p bei Abwesenheit des Feldes: ( ) 2 H qφ ( = m 2 c 2 + P q A c c ) 2 ( H = c m 2 c 2 + P q A c ) 2 +qφ nichtrelativistischer Limes (v c): L = m v2 2 qφ+ q c A v, H = ( P q ) 2 A c 2m +qφ, p = m v = P q c A 3.3 Elektromagnetisches Feld wollen die Bewegungsgleichung eines geladenen Teilchens in einem äußeren elektromagnetischen Feld finden (Rückwirkung der Ladung auf das Feld wird vernachlässigt) brauchen zur Aufstellung der Bewegungsgleichung: Bewegungsgleichung: L = q i φ(t, x)+ q x i c ( ) i v A(t, x) d mv i = q i φ+ q dt 1 v2 /c 2 c v k i A k q c ( = q i φ 1 ) A i c t }{{} E i da i dt + q c v k( i A k k A i ) }{{} ( v B) i Zusammenhang zwischen den Potentialen φ, A und dem elektrischen Feld E und dem Magnetfeld B: E = φ 1 c A t B = A Bemerkung: (rot A) i ( A) i := ε ijk j A k
45 3.3. ELEKTROMAGNETISCHES FELD 37 tatsächlich ist und man erhält die Bewegungsgleichung aus den Ausdrücken ( v B) i = ε ikl v k B l = ε ikl v k ε lmn m A n = v k (δ im δ kn δ in δ km ) m A n = v k ( i A k k A i ) d p dt = q( E(t, x)+ v c B(t, x) ), p = E = φ 1 c A t, B = A erhält man Gleichungen, die nur mehr E und B enthalten: m v 1 v2 /c 2 da ε ijk = ε jik und i j = j i div B := i B i = i ε ijk j A k = ε ijk i j A k = 0 (rot E) i = ε ijk j E k = ε ijk j ( k φ 1 c = 1 c t ε ijk j A k = 1 c t (rot A) i = 1 B i c t erste Gruppe der Maxwellschen Gleichungen ) A k t rot E = 1 c B t div B = 0
46 38 KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK in Worten: rot E = 1 c B t... zeitliche Änderung des Magnetfelds elektrisches Feld div B = 0... es gibt keine magnetischen Ladungen 3.4 Eichtransformation hätten auch von rote = 1 B c t, div B = 0 starten können, um festzustellen, dass Einsetzen in gibt ( rot E + 1 c div B = 0 A, sodass B = rot A rot E = 1 c B t A ) = 0 φ, sodass E t + 1 A c t = gradφ E und B sind die physikalisch beobachtbaren Felder, dagegen sind φ und A durch E und B nicht eindeutig festgelegt, da E und B ungeändert lassen: φ = φ+ 1 c B = rota = rota rotgradλ = B }{{} 0 E = gradφ 1 c Bemerkung: i t = t i Λ t, A = A Λ A t = gradφ grad 1 Λ c t 1 A c t + 1 c t gradλ = E φ und A sind also nur bis auf eine Eichtransformation durch E und B bestimmt φ = φ+ 1 c Λ t, A = A Λ
47 3.5. LORENTZKRAFT 39 Bemerkungen: 1. Verhalten des Viererpotentials bei Eichtransformation: A µ = A µ + µ Λ 2. Änderung des Wirkungsintegrals für geladenenes Teilchen in äußerem elektrischem Feld, S = S q c 2 1 dx µ µ Λ = S q c 2 1 ds dλ ds = S q c Λ 2 1, beinflusst Bewegungsgleichung nicht, da Weltlinie am Angfangs- und Endpunkt nicht variiert wird und somit δs = δs (wir wissen natürlich bereits, dass in der Bewegungsgleichung nur die eichinvarianten Größen E und B vorkommen) 3. als weitere Möglichkeit kann man sich auch davon überzeugen, dass sich die Lagrangefunktion L = mc 2 1 v 2 /c 2 qφ(t, x)+ q v A(t, x) c bei einer Eichtransformation nur um eine totale Zeitableitung ändert 3.5 Lorentzkraft Probeladung q am Ort x, Geschwindigkeit v v x andere Ladungen 0 Abbildung 3.1: Probeladung in einem äußeren elektromagnetischen Feld Kraft auf die Probeladung: F = q ( E(t, x)+ v c B(t, x) )... Lorentzkraft
48 40 KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK E(t, x), B(t, x) ist das von den anderen Ladungen erzeugte elektromagnetische Feld Bemerkungen: 1. Annahme: q so klein ist, dass Rückwirkung der Probeladung auf andere Ladungen vernachlässigbar klein 2. E(t, x), B(t, x) können nicht beliebig vorgegeben werden, sondern unterliegen den durch die erste Gruppe der Maxwellschen Gleichungen gegebenen Einschränkungen (siehe oben); m.a.w.: zwei willkürlich vorgegebene Vektorfelder entsprechen i. Allg. nicht einem durch eine Ladungs- und Stromverteilung ( andere Ladungen) erzeugten elektromagnetischen Feld Bewegungsgleichung eines Probeteilchens mit Masse m und Ladung q im (äußeren) elektromagnetischen Feld E(t, x), B(t, x): d p dt p = = q ( E(t, x)+ v c B(t, x) ) m v 1 v2 /c 2 aus der Bewegungsgleichung folgt die Formel für die Änderung der kinetischen Energie des Teilchens: d mc 2 = qe dt v 1 v2 /c }{{ 2 } E E... kinetische Energie + Ruheenergie Bemerkung: Magnetfeld leistet keine Arbeit, da v B v 3.6 Bewegung in einem statischen homogenen elektrischen Feld betrachten Bewegung eines Punktteilchens mit Masse m und Ladung q in einem statischen homogenen (rein) elektrischen Feld; wählen Koordinatensystem so, dass x-achse in Richtung von E zeigt: E = E e x, B = 0
49 3.7. BEWEGUNG IN EINEM STATISCHEN HOMOGENEN MAGNETFELD41 Bewegung der Punktladung beschrieben durch: p = q E p(t) = q Et+ p(0) p x (t) = qet+p x (0), p y (t) = p y (0), p z (t) = p z (0) Zusammenhang zwischen p und v: p = m v 1 v2 /c 2 weiters wissen wir: d dt E = d dt c m 2 c 2 + p 2 = d dt q E r, r = x e x +y e y +z e z E tot = E qe r = E qex = const. E tot = c m 2 c 2 + ( qet+p x (0) ) 2 +py (0) 2 +p z (0) 2 qex(t) = const. betrachte nun die spezielle Anfangsbedingung r(0) = 0, p(0) = 0: c m 2 c 2 +(qet) 2 qex(t) = mc 2 x(t) = c m 2 c 2 +(qet) 2 mc 2, y(t) = z(t) = 0 qe für kleine Zeiten (entspricht v c, da v(0) = 0): x(t) mc2( (qet/mc) ) mc 2 qe = qe 2m t (nichtrelativistische Formel für Bewegung in konstantem Kraftfeld) für große Zeiten nähert sich v immer mehr der Lichtgeschwindigkeit (ohne sie je zu erreichen) 3.7 Bewegung in einem statischen homogenen Magnetfeld betrachten nun Bewegung eines geladenen Punktteilchens im statischen homogenen Magnetfeld E = 0, B = B ez
50 42 KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK Bewegungsgleichung: p = q v c B, p = E = const. bei Bewegung in reinem Magnetfeld m v 1 v2 /c = E v 2 c 2 E c 2 v = q v c B v x = qcb E v y v y = qcb E v x v z = 0 v z (t) = v z (0) z(t) = v z (0)t+z(0) Bewegung in z-richtung entkoppelt; verbleibendes zweidimensionales Problem: Integration ergibt: v x = ωv y, v y = ωv x, ω = qcb E v x (t) = v 0t cos(ωt+α) v y (t) = v 0t sin(ωt+α) v 0t = v x (t) 2 +v y (t) 2 = const. nochmalige Integration Projektion der Bewegung des Teilchens auf x-y- Ebene: Kreis mit Radius x(t) = v 0t ω sin(ωt+α)+a y(t) = v 0t ω cos(ωt+α)+b r = v 0t ω = v 0tE qcb = c mv 0t qb 1 v2 /c = cp t 2 qb mit Mittelpunkt (a,b); (p t ist der Betrag der Projektion des Impulses auf die x-y-ebene) Ladung bewegt sich auf Schraubenlinie mit Achse B Bemerkung: für v c ist E mc 2 ω = qb/mc
51 3.8. FELDSTÄRKETENSOR Feldstärketensor wollen manifest kovariante Form der Bewegungsgleichung eines geladenenen Punktteilchens in einem äußeren elektromagnetischen Feld herleiten manifest kovariant: Form der Gleichung in der nur Vierevektoren, bzw. Vierertensoren auftreten Gleichung hat somit in allen Inertialsystem offensichtlich (mit freiem Auge erkennbar) die gleiche Form erfreuliches Nebenprodukt: erhalten Transformationsverhalten des elektromagnetischen Feldes bei Poincarétransformation Feldstärketensor F µν := µ A ν ν A µ antisymmetrischer, eichinvarianter Tensor zweiter Stufe 0 E x E y E z (F µν ) = E x 0 B z B y E y B z 0 B x E z B y B x 0 Hochziehen der Indizes mit Hilfe des metrischen Tensors ergibt: 0 E x E y E z (F µν ) = E x 0 B z B y E y B z 0 B x E z B y B x 0 kovariante Form der Bewegungsgleichung: dp µ ds = q ( ) µ A ν ν A µ u ν = q c c F µνu ν räumliche Komponenten der manifest kovarianten Bewegungsgleichung gleichbedeutend mit d p dt = q( E v + c B ) zeitliche Komponente entspricht dem aus der Bewegungsgleichung folgenden Ausdruck für die zeitliche Änderung der kinetischen Energie: de dt = q v E. Transformationsverhalten des Feldstärkestensors bei Poincarétransformation: F µν (x ) = L µ α Lν β Fαβ (x) = L µ α Fαβ (x)l ν β
52 44 KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK mit F = (F µν ) und L = (L µ ν ) kann man diese Gleichung auch in Matrixform schreiben: F = LFL T Transformationsverhalten des elektrischen und magnetischen Feldes bei unserer Standardlorentztransformation: E x = E x E y = γ(e y VB z /c) E z = γ(e z +VB y /c) Komponente des elektrischen Feldes in Richtung parallel zur Relativgeschwindigkeit V der beiden Bezugssysteme bleibt ungeändert; Feldkomponente normal zu V wird geändert, Beimischung des Magnetfeldes analoger Ausdruck für Magnetfeld: B x = B x B y = γ(b y +VE z /c) B z = γ(b z VE y /c) aus diesen Gleichungen kann man leicht die allgemeine Transformationsformel (bei beliebiger Lage von V) erraten: E = E E = γ( E + V c B) B = B B = γ( B V c E) Umkehrtransformation: gestrichene und ungestrichene Größen vertauschen und V durch V ersetzen: E = E E = γ( E V c B ) B = B B = γ( B + V c E ) angenommen im System S ist ein rein elektrisches Feld, d.h. B = 0 (Feld durch ruhende Ladungen erzeugt) B = V c E B E, V
53 3.9. WIRKUNGSPRINZIP IN FELDTHEORIEN 45 angenommen im System S verschwindet das elektrische Feld: E = V c B E B, V Invarianten des elektromagnetischen Feldes: F µν F µν = 2( B 2 E 2 ) ist ein Skalar ε µναβ F µν F αβ = 8 E B ist ein Pseudoskalar bei Spiegelung: E E (polarer Vektor), B B (Axialvektor) Folgerungen aus der Invarianz von B 2 E 2 und E B: E 2 = B 2 in einem Bezugssystem E 2 = B 2 auch in jedem anderen Bezugssystem E B in einem Bezugssystem E B = 0 E B auch in jedem anderen Bezugssystem 3.9 Wirkungsprinzip in Feldtheorien Felder φ m (x) (m = 1,...,n) erste Ableitungen der Felder µ φ m φ m / x µ φ m, µ Beispiel: Elektrodynamik φ m (x) A µ (x) Wirkungsintegral: S = 1 c d 4 x L(φ m (x),φ m,µ (x),x) }{{} Lagrangedichte Bemerkung: explizite Abhängigkeit von x nur bei Anwesenheit äußerer Quellen bei der folgenden Ableitung der Feldgleichungen werden Indizes m unterdrückt: Wirkungsprinzip: φ(x 0 a, x) und φ(x0 b, x) fix vorgegeben; φ(x) für x0 a < x0 < x 0 b dadurch festgelegt, dass S = 1 d 4 xl(φ m (x),φ m, µ (x),x), G = [x 0 c a,x 0 b] Ê 3 G ein Extremum annimmt
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