5. Interstellare Materie 5.1 Komponenten der interstellaren Materie
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- Benedict Hermann
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1 5. Interstellare Materie 5.1 Komponenten der interstellaren Materie Der Raum zwischen den Sternen ist nicht leer sondern besteht aus verschiedenen Materiekomponenten und Feldern. Es gibt dort neutrales und ionisiertes atomares Gas (H, He, H +, X,X +,X +2, ), molekulares Gas (H 2, CO,.), Staubteilchen (Silikate X-SiO x, C-Teilchen,.), relativistische Teilchen (p, α,.), dunkle Materie, ein Gravitationsfeld und Magnetfelder. Verglichen mit dem uns bekanntem leeren Raum ist das interstellare Medium ein Hochvakuum ( Teilch./cm 3 ). Mit Hilfe von Strahlungsprozessen kann dieses Medium untersucht werden Interstellare Materie, H.M. Schmid 1
2 5.2 Strahlungsprozesse von Gas Das interstellare Gas kann durch Strahlungsprozesse untersucht werden. Dabei werden die folgenden Hauptprozesse unterschieden: Absorptionslinien: Das Licht einer Hintergrundsquelle wird durch einen Linienübergang zwischen einem energetisch niedrigen und einem höheren Zustand in einem Atom oder Molekül für ganz bestimmte Wellenlängen absorbiert. Emissionslinien: Atome oder Moleküle in einem warmen oder heissen Gas werden durch Stösse in höhere Energiezustände angeregt, die durch die Aussendung eines Lichtquants wieder in Zustände mit kleinerer Energie zurückkehren Interstellare Materie, H.M. Schmid 2
3 Übergänge durch Strahlung und Stösse Atome (und Moleküle) können dank den verschiedenen inneren Zuständen Energie durch Stösse und Strahlungsprozesse aufnehmen, speichern und wieder abgeben. E kin des Gases E rad der Strahlung 1s 2s Innere Energie des Teilchens E kin des Gases E rad der Strahlung Teilchenzustände werden definiert durch Elektronenbahnen, und bei Molekülen zusätzlich auch durch Rotations- und Vibrationszustände. 2p 3p Verteilung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons für verschiedene Zustände des H-Atoms Interstellare Materie, H.M. Schmid 3
4 Ionisation und Rekombination Ionisation: Hochenergetische Teilchenstösse und Strahlung verursachen, nicht nur eine Anregung eines Elektrons in einem Atom, sondern ein komplettes wegreissen eines Elektrons. Das Atom wir photo- oder stossionisiert. Stossionisation: X +i + E a kin(e - ) X +i+1 + E b kin(2e - ) Photoionisation: X +i + hν X +i+1 + E kin (e - ) Stossionisation dominiert für ein sehr heisses Gas (T > 1 MK), das sich zum Beispiel in einer Blase nach einer Sternexplosion bildet. Strahlungsionisation wird durch heisse (T>30000 K) Sterne mit hochenergetischer Strahlung verursacht. Rekombination: Ein ionisiertes Atom X +i+1 kann unter Ausstrahlung eines Photons wieder mit einem Elektron rekombinieren. Strahlungsrekombination: X +i+1 + e - X +i + hν Interstellare Materie, H.M. Schmid 4
5 Wasserstoff HI hat ein sehr einfaches Energiediagramm weil Zustände mit verschiedenem Drehimpuls dieselbe Energie haben. Wichtige Übergänge sind die Lyman-Linien im fernen UV (bei 100 nm), und die optischen Übergänge der Balmer Serie bei 656nm, 481nm, 430n,. Ein angeregter Zustand von Wasserstoff geht innerhalb von etwa 10-8 s unter Emission eines Lichtquants in einen tieferen Zustand über. Energieniveaus von Atomen 21-cm Strahlung: Bei Wasserstoff ist der Grundzustand in zwei Niveaus aufgespalten (Hyperfeinstruktur), je nachdem ob Elektron und Proton dieselbe oder eine entgegensetzte Spinrichtung besitzen. Der Zustand ist energetisch leicht höher und 3 mal so häufig als. Es befinden sich deshalb ¾ des Wasserstoffs im Universum in einem angeregten Zustand der durch die Emission von niederenegetischer Strahlung bei 21 cm im Radiobereich zerfällt. Der Zerfall ist mit einer Halbwertszeit von etwa 10 7 J. sehr selten. Weil es aber so viel HI gibt, ist die 21cm Strahlung eine der wichtigsten Linien in der Astronomie Interstellare Materie, H.M. Schmid 5
6 Komplizierte Atome Atome mit mehreren Elektronen habe eine komplexe Struktur und eine kompliziertes Energienieveau-Diagramm. Die Atomzustände werden nach elektronischem Zustand (n=1,2,3,..), nach dem Drehimpuls (s,p,d,f ), dem Elektronenspin und der Parität unterschieden. Übergänge sind nur zwischen gewissen Niveaus schnell (10-8 s), sogenannte Dipolübergänge (mit ausgezeichneten Linien dargestellt). Daneben gibt es langsame (~1s) verbotene Übergänge (mit gestrichelten Linien dargestellt). Verbotene Übergänge treten nur bei den kleinen Dichten im interstellaren Raum auf, weil das Atom zwischen Anregung und Zerfall nicht durch einen Stoss gestört werden darf. Niveauschema von OIII = O Interstellare Materie, H.M. Schmid 6
7 Emissions- und Absorptionslinienspektren Zwei Beispiele für Linienspektren: Oben: das Spektrum des Orionnebels wird dominiert durch die verbotenen OIII Linien (Anregung durch Stösse) und die Wasserstoff-Rekombinationlinien (Anregung durch Photoionisation und Rekombination). Unten: Model für die Absorption der Sternstrahlung durch Wasserstoffgas zwischen einem Stern und dem Beobachter. Das oberste Spektrum zeigt den Effekt von HI, und die unteren Spektren, den kombinierten Effekt von HI und H 2, wobei im zweiten Fall eine heisse H 2 Komponente mitberücksichtigt wurde Interstellare Materie, H.M. Schmid 7
8 5.3 HII Regionen HII (=H + ) Regionen sind Gaswolken, die durch heisse Sterne photoionisiert werden. Die beobachtete Linienstrahlung ist die Kühlstrahlung des Nebels. Es herrscht ein Gleichgewicht zwischen Heizung durch Photoionisation von Atomen, wobei die Überschussenergie des ionisierenden Photons in kinetische Energie E kin (e - ) umgewandelt wird, und Kühlung durch Stossanregung von Atomen, wobei die kinetische Energie der stossenden Teilchen erst in innere Energie und dann in Strahlung umwandelt wird. Es herrscht oft auch ein Gleichgewicht zwischen Photoionisation (Anzahl der ionisierenden Photonen) Rekombination (Anzahl der Rekombinationen im Nebel) Orion Nebel (HII Gebiet) Interstellare Materie, H.M. Schmid 8
9 5.4 Stossionisiertes Gas Stossionisiertes, heisses Gas leuchtet im Röntgenbereich durch die Bremsstrahlung von schnellen Elektronen die mit schweren Protonen oder anderen Kernen kollidieren. Die typische Geschwindigkeit der Elektronen ist: = 5000 km/s für eine Temperatur von 10 6 K. Heisses Gas entsteht, wenn Gase mit grossen Geschwindigkeiten v Gas > 1000 km/s kollidieren. Die dynamische Energie des Gases wird dabei durch die Kollision in kinetische Energie verwandelt. Solche Ereignisse entstehen durch Sternexplosionen, schnelle Sternwinde oder die Kollision des Gases in zwei kollidierenden Galaxien. Das heisse Gas expandiert schnell und es entstehen grosse, heisse Blasen mit sehr kleiner Teilchendichte (<1 Teilch./cm 3 ) Röntgenbild einer jungen, kompakten und einer älteren grössere Blase nach SNe- Explosionen Interstellare Materie, H.M. Schmid 9
10 Interstellarer Staub sind kleine Festkörper (<1μm), die sich durch folgende Effekte bemerkbar machen: 5.5 Interstellarer Staub Auffällige Dunkelwolken (oberstes Bild), allgemeine Extinktion und Rötung (nächste Seite) des Licht weil der Staub das Licht absorbiert. Das blaue Licht wird dabei stärker absorbiert: κ(λ) ~ 1/λ Starke Infrarotemission, weil die absorbierte Energie als Wärmestrahlung wieder abgestrahlt wird (mittleres Bild). Polarisation des visuellen Lichts von Sternen, weil das galaktische Magnetfeld die länglichen Staubteilchen ausrichtet, so dass eine Wellenrichtung stärker absorbiert wird als die Komponente senkrecht dazu. The multiwavelenght Milky Way, NASA optical mid-ir Mathewson & Ford Interstellare Materie, H.M. Schmid 10
11 Beispiel für die λ-abhängige Schwächung des Lichts durch den Staub in einer Dunkelwolke Interstellare Materie, W. Schmutz 11
12 5.6 Gaskomponenten in der Milchstrasse Es gibt 3 vorherrschende Temperaturkomponenten Kaltes neutrales Gas T < 100 K Warmes photoionisiertes Gas T ~ K Heisses stossionisiertes Gas T > 10 6 K Gasart T [K] N(H) [cm -3 ] Teilchen Diffuses Gas: Atomares Gas ~10 H 0, Staub, C +, N 0, O 0,.. Photoionisiertes Gas ~10000 ~0.1 H +, e -, Staub, X +i, Stossionisertes Gas >10 6 ~10-3 H +, e -, X +i, Dichte Gebiete: Molekülwolken H 2, Staub, CO, H II Gebiete ~ H +, e -, Staub, X +i, Für die diffusen Komponenten gilt: p ~ N(H) T ~ 1000 K cm -3 quasi-hydrostatisches Gleichgewicht Interstellare Materie, H.M. Schmid 12
13 5.7 Sternentstehung Sterne entstehen in dichten, kalten (<30 K) Molekülwolken in der Milchstrassenscheibe. Molekülwolken sind oft massereich (>100 Ms) und gravitativ gebunden. Es ist nicht klar unter welchen Bedingungen sie zu Sternen kollabieren. Betrachten wir für eine sphärische, protostellare Wolke ein Gleichgewicht zwischen Gravitationsdruck und Gasdruck (M(r): Masse innerhalb von r): M r ρ r P G r = G r = P gas r = n r kt(r) Wird der Gasdruck kleiner als der Gravitationsdruck dann kollabiert die Wolke. Die Wirklichkeit ist viel komplizierter, weil folgende Prozesse eine wichtigen Einfluss haben: Kühlung durch Abstrahlung (P gas ) Heizung des Gases durch Strahlung von Sternen oder Turbulenz durch stellaren Massenverlust (P gas ) Magnetfelder P = P gas + P magn ( ~B 2 /8π) Drehimpuls ( P grav Zentrifugalkräfte) Druckwellen (Aussendruck, Kompression) Interstellare Materie, H.M. Schmid 13
14 Kollaps einer protostellaren Wolke Fragmentation: Der Drehimpuls einer Wolke verhindert effektiv den Kollaps. Die Bildung von Fragmenten mit kleinem internen Drehimpuls hilft, weil der globale Drehimpuls erhalten bleibt. Wegen dieser Drehimpuls-Fragmentation entstehen Sterne sehr oft in Sternhaufen. Drehimpuls(ab)transport durch globale B-Felder Entmagnetisierung durch Diffusion der Ionen Drehimpulsspeicherung in Mehrkörpersystemen Interstellare Materie, H.M. Schmid 14
15 Virialtheorem: Stabilität einer Gaswolke 2 E kin + E pot = 0 Das Virialtheorem gilt für den zeitlich gemittelten (relaxierten) Zustand eines Systems in einem Gravitationsgleichgewicht, z.b. für eine selbstgravitierende Gaswolke, eine Stern, Planetensysteme, und Sterne oder Galaxien in Haufen. Jeans-Masse: Für gegebene T und ρ des Gases definiert das Virialtheorem eine stabile Wolkenmasse (homogene Gaskugel), die sogenannte Jeans-Masse: E kin = 3/2 nkt und E pot = -3/5 GM 2 /R M J = const. T 3/2 /ρ 1/2 Interessanterweise ist die Jeans-Masse für typische Parameter von Molekülwolken gerade etwa einer Sonnenmasse M J M S (für T=10 K, n H2 = cm -3 entspricht ρ= g/cm 3 ) Dies bedeutet, dass Molekülwolken gerade die richtigen Parameter zur Bildung von sonnenähnlichen Sternen besitzen Interstellare Materie, H.M. Schmid 15
16 Kontraktion einer Gaswolke Falls für eine Gaswolke die Energieerhaltung gilt E kin + E pot = const, besteht ein Widerspruch zum Virialtheorem Energieerhaltung bedeutet: 2 E kin +E pot = 0. Zunahme E pot Abnahme E kin (Ausdehnung Abkühlung) Abnahme E pot Zunahme E kin (Kontraktion Aufheizung) Im Wiederspruch zum Virialtheorem: z.b. ΔE kin = - ΔE pot E pot + 2 E kin = E pot -ΔE pot + 2(E kin +ΔE pot ) 0 Neuer Zustand ist nicht Gleichgewichtszustand Abnahme der pot. Energie nur möglich, falls die totale Energie des Systems verkleinert wird es braucht eine Energieabstrahlung von L=ΔE pot / Interstellare Materie, H.M. Schmid 16
17 Kontraktionsphase Bei der Entwicklung einer Wolke zu einem Protostern gibt es zwei Kontraktionsphasen: 1. Kollaps = quasi freier Fall zum Zentrum Die Wolke muss optisch du nn sein damit das ganze Gasvolumen Energie abstrahlen kann 2. langsame (quasi-hydrostatische) Kontraktion Die Wolke ist optisch dick und die U berschussenergie kann nur von der Oberfläche abgestrahlt werden Protostern Die Dauer der quasi-statischen Kontraktionsphase entspricht in erster Näherung der Kelvin-Helmholz-Zeit: t KH = E pot L GM2 RL Für eine Sonnenmasse ist t KH 30 Mio. Jahre Interstellare Materie, H.M. Schmid 17
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