Lernziel Verständigung: Selbsthilfegruppen in Fortbildungen für Medizinische Fachangestellte
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- Robert Wagner
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1 Lernziel Verständigung: Selbsthilfegruppen in Fortbildungen für Medizinische Fachangestellte Miguel Tamayo, Marita Meye, Stephanie Theiß, Doris Schlömann, Petra Belke [abstract] Die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe haben ein Fortbildungskonzept für medizinische Fachangestellte entwickelt und in Kooperation mit den Einrichtungen zur Selbsthilfeunterstützung in Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Kern der Fortbildung ist die persönliche Vermittlung von Erfahrungswissen durch Referenten aus örtlichen Selbsthilfegruppen. Von 2009 bis 2011 nahmen 666 Praxismitarbeiterinnen an der Maßnahme teil. 1 Patientenorientierung in den Praxen fördern Arzt- und Psychotherapeutenpraxen sind der zentrale Ort der Kommunikation zwischen Patienten und dem professionellen Gesundheitssystem. Sowohl Ärzte und Psychologen als auch Patienten können davon profitieren, wenn die organisierte Selbsthilfe mit ihren Angeboten in der Praxis präsent ist. Zwar sind sich viele Praxen dessen bewusst und fördern den Dialog mit der Selbsthilfe. Jedoch sind in der Regel nur wenige Ressourcen für diesen Zweck vorhanden und die Reichweite von Einzelmaßnahmen bleibt relativ gering. Schriftliche Informationen allein können den individuellen Bedürfnissen von Patienten nicht immer gerecht werden. Der Wunsch nach einer erweiterten Kooperation wird von mehreren Seiten geäußert. Ärztinnen und Ärzte wünschen sich Basisinformationen über Selbsthilfe. 1 Selbsthilfevertreter/innen aus den Patientenbeiräten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) plädieren dafür, medizinisches Fachpersonal stärker in die Kooperationsförderung einzubeziehen. Außerdem erkundigen sich Medizinische Fachangestellte (MFA) seit Jahren nach Selbsthilfegruppen für ihre Patientinnen und Patienten. Dies veranlasste die KVen Nordrhein und Westfalen-Lippe, ein standardisiertes Fortbildungskonzept zum Thema Selbsthilfe zu entwickeln. Nach der erfolgreichen Erprobung sollte die Fortbildung landesweit umgesetzt werden. Als ideale Kooperationspartnerin bot sich die Landesstelle für Selbsthilfeunterstützung in Nordrhein-Westfalen (KOSKON) mit ihrem Netzwerk aus örtlichen Selbsthilfe-Kontaktstellen an. Die Herausforderung für die drei überregional agierenden Organisationen lag nun darin, den Einbezug der Selbsthilfe in die Kommunikationsstruktur von Arzt- und Psychotherapeutenpraxen zu fördern und zwar nachhaltig und in der Fläche. 1 Slesina, W., Fink, A. (2009): Warum manche Ärzte mit Selbsthilfegruppen kooperieren und andere nicht. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (Hg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch Gießen, S ; Fischer, J. et al. (2004): Kooperationshandbuch ein Leitfaden für Ärzte, Psychotherapeuten und Selbsthilfe. Köln. 1
2 Veränderung beginnt in den Köpfen Das innovative Konzept beruht auf drei Grundannahmen: Erstens: Wenn man die patientenfreundliche Kommunikation in der Arztpraxis insgesamt verbessern möchte, müssen Medizinische Fachangestellte einbezogen werden. Ihnen begegnen Patientinnen und Patienten bei jedem Praxisbesuch zuerst. Insbesondere für chronisch Kranke sind sie Ansprechpartnerinnen, wenn es Nachfragen, Sorgen oder Ängste gibt. Zweitens geht es um die Veränderung von Einstellungen. Dafür sind Maßnahmen im rein kognitiven Bereich nicht geeignet, sondern es müssen zusätzlich Fragen der Motivation und emotionale Aspekte einbezogen werden. Diese Ebene kann niemand besser vermitteln als die Patienten selbst. Drittens wird angenommen, dass Impulse aus der Meso-Ebene Prozesse in der Fläche in Gang setzen bzw. verstärken können. Projekte mit separater Finanzierung und befristetem Personaleinsatz bleiben allzu oft Einzelphänomene. Ihre Wirkungschancen beschränken sich in der Regel auf die Projektlaufzeit. Wünschenswert ist dagegen der Aufbau eines nachhaltigen Kontaktnetzes, auf dessen Basis vielfältige zukünftige Aktionen geplant werden können. Medizinische Fachangestellte überlegen Möglichkeiten, ihre Patienten auf Selbsthilfegruppen aufmerksam zu machen: Wachtberg, 9. November 2011 Die Idee: Ein Fortbildungskonzept für Medizinische Fachangestellte Gemeinsam arbeiteten die Kooperationsberatungen für Selbsthilfegruppen und Ärzte (KOSA) beider KVen mehrere Monate an dem Fortbildungskonzept. Ergebnis war ein detaillierter Leitfaden für eine dreistündige Fortbildung mit verschiedenen Lernformen (Referat, Kleingruppen, Plenum) und der Präsentation einer örtlichen Selbsthilfegruppe im Zentrum. Dieses Modell wurde dem Landesarbeitskreis der Selbsthilfe-Kontaktstellen in NRW vorgestellt. Das Angebot, die Fortbildung in Kooperation zu realisieren, stieß auf sehr positive Resonanz. 2
3 Die Lernziele sind vielfältig und anspruchsvoll. Die Teilnehmerinnen sollen mehr über Selbsthilfe erfahren, einen authentischen Eindruck von einer Selbsthilfegruppe bekommen, das Entlastungspotential durch Beratung zu Selbsthilfe erkennen, Zugänge zu Beratungsangeboten in der Region kennen lernen, für den psychosozialen Unterstützungsbedarf bei ihren Patienten sensibilisiert werden, Mögliche Hemmnisse in der Kommunikation mit Patienten erkennen und abbauen können, Quellen zu qualitätsgesicherten und allgemeinverständlichen Patienten-Informationen kennen lernen und grundsätzlich zur Nutzung von Service-Angeboten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Ärztekammer (ÄK) motiviert werden. Der Ablauf besteht aus sechs Einheiten: 1. Begrüßung 2. Hilfe zur Selbsthilfe: Einführung Arbeitsgruppen zum Thema Eigene Erfahrungen mit Selbsthilfe. 3. Eine örtliche Selbsthilfegruppe stellt sich vor Vortrag und Diskussion. 4. Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet Patientenorientierung Feedback zu Punkt 3 und Input zu Service-Angeboten für Patienten. 5. Chronisch Kranke brauchen mehr Anregungen zu Kommunikationsstrategien gegenüber den Patienten und im Rahmen des Praxisteams; Arbeitsgruppen, Input und Diskussion. 6. Zusammenfassung und Feedback Neben den Inhalten legt das Konzept auch großen Wert auf die Beteiligung von Selbsthilfegruppen und Kontaktstellen sowie eine gleichberechtigte Rollenverteilung in der Vorbereitung und während der Durchführung. In der Regel moderierte KOSA die Teile 2 und 5, die Selbsthilfe-Kontaktstellen begleiteten in Teil 3 die von ihnen autonom ausgewählten auftrittserprobten Referentinnen und Referenten der Selbsthilfegruppe. Die Begrüßung, der Input zu den Service-Angeboten (Teil 4) sowie das Einholen der Feedbacks wurden gemeinsam gestaltet. Das Handbuch zur Fortbildung enthält eine detaillierte Beschreibung der Maßnahme sowie reichliches Dokumentationsmaterial, darunter zwei Vorträge von Selbsthilfevertretern. Es ist per Download verfügbar. 2 2 Durchführung Von Mitte 2009 bis Ende 2011 nahmen insgesamt 666 MFA an der Fortbildung teil. Die KV Nordrhein realisierte insgesamt 18 Veranstaltungen in zwölf Orten mit elf Selbsthilfe- Kontaktstellen. In der KV Westfalen-Lippe waren es 14 Fortbildungen in acht Orten mit sieben 2 Meye, M., Schlömann, D., Theiß, S. (2010): Selbsthilfe: Unterstützung für Patient und Praxis. 3
4 Kontaktstellen, dort wurden für 2012 noch vier weitere Termine vereinbart. Die Gruppengröße variierte von acht bis 43 Teilnehmerinnen. Mitarbeiterinnen der KOSA und der Selbsthilfekontaktstelle diskutieren mit den TeilnehmerInnen; Eschweiler, 20. Juli 2011 Die Organisatoren vereinbarten eine ein arbeitsteiliges Vorgehen: Die örtlichen Kontaktstellen gewannen Mitwirkende aus der Selbsthilfe und sorgten für passende Räumlichkeiten und Verpflegung. Die KVen verschickten die Einladungen zur Fortbildung an die ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen in der Region, übernahmen die Anmeldeorganisation und händigten Teilnahme-Zertifikate aus. Da die Kooperationspartner ihre Ausgaben aus den eigenen Budgets finanzierten und die Referentinnen und Referenten aus der Selbsthilfe ehrenamtlich teilnahmen, konnten die Veranstaltungen für die MFA gebührenfrei angeboten werden. Schließlich war eine umfassende Evaluation durch die KOSA Bestandteil des Konzeptes. 3 Dabei kamen mehrere Methoden zum Einsatz: mündliche Schlussrunde der Teilnehmerinnen schriftlicher Fragebogen für die Teilnehmerinnen Befragung der Selbsthilfe-Kontaktstellen per Mail Befragung der Referentinnen und Referenten der Selbsthilfegruppen per Mail Die ersten beiden Instrumente evaluierten die Durchführung des Seminars direkt im Anschluss an die Veranstaltung. Die Befragungen der Selbsthilfe-Vertreter fanden in einem etwas 3 Für eine ausführlichere Darstellung des Feedbacks vgl. Meye, M. u. a. (2012): Medizinische Fachangestellte und Selbsthilfe: Ein erfolgreiches Kooperationsmodell, in: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. (Hrsg.): selbsthilfegruppenjahrbuch 2012, Gießen,
5 größeren zeitlichen Abstand statt (ab September 2011) und zielten zusätzlich auf die mögliche Wirkung der Fortbildung, z. B. in Form von Anfragen aus Praxen. Gaby Kramer stellt die Selbsthilfearbeit im Rahmen der Deutschen Gesellschaft Muskelkranker vor; Köln, 20. Mai 2009 Positive Erfahrungen mit der Durchführung Die Reaktionen der Seminarteilnehmerinnen zeigten immer wieder: Das Herzstück der Fortbildung ist ein authentischer und überzeugender Auftritt der Selbsthilfevertreterinnen und - vertreter. Die ganzheitliche Berührung mit dem Prinzip der Selbsthilfe war sicher ein erheblicher Erfolgsfaktor. Die persönliche Atmosphäre, der Stuhlkreis, die Vorstellungs- und Abschlussrunden und die Beschreibung der persönlichen Teilnahme-Motivation halfen, den Charakter von Selbsthilfetreffen selbst nachzuempfinden. Medizinische Fachangestellte konnten unmittelbar erleben, wie sich Selbsthilfegruppenarbeit möglicherweise anfühlt und welchen emotionalen Wert sie für die Teilnehmenden bedeuten kann. Dadurch erhielten sie einen umfassenden Eindruck von dem, was sie den Patientinnen und Patienten in ihrer Praxis empfehlen, wenn sie auf Selbsthilfe verweisen. Sind sie selbst von der Wirkung des Selbsthilfeansatzes überzeugt, wird jede entsprechende Beschreibung glaubwürdiger und verbindlicher ausfallen, als eine reine Vermittlung von Fakten. Ein weiterer Erfolgsfaktor liegt in dem Zusammenwirken mehrerer Kooperationspartner. Für alle gilt: Der kooperative Ansatz ermöglicht Einblicke in das jeweilige Selbstverständnis und die Arbeitsweise aller Beteiligten. Der offene Austausch erhöht das Verständnis füreinander, verhindert Missverständnisse und beugt Komplikationen im Projektablauf vor. Die KV kann in der Fläche für das Konzept der selbsthilfefreundlichen Arztpraxis werben und seine Verbreitung fördern. Sie lernt das Beratungswissen der Selbsthilfekontaktstellen noch 5
6 besser kennen und knüpft weitere Kontakte zu Selbsthilfegruppen. In den Seminaren erfährt sie Aktuelles über die Rahmenbedingungen und Alltagsprobleme der Medizinischen Fachangestellten und kann deren Unterstützungsbedarf besser einschätzen. Für die Selbsthilfekontaktstellen gilt dies entsprechend. Sie erweitern ihr Netzwerk durch neue Kontakte zu Arztpraxen, sie intensivieren die Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung und erhalten die Möglichkeit, über ihr Serviceangebot zu informieren. Die Selbsthilfegruppen erfahren Interesse für ihre Arbeit und können zugunsten der Betroffenen konkrete Wünsche an das Praxispersonal richten. Auch sie lernen die Rahmenbedingungen der MFA kennen, und ihr Verständnis für Praxisabläufe erhöht sich. Mit ihrem persönlichen Auftritt werben sie für die Idee der Selbsthilfe allgemein und für ihre eigene Selbsthilfegruppe im Besonderen. Die Medizinischen Fachangestellten erleben die Fortbildung als Hilfe für die tägliche Praxis und als persönlichen Gewinn. Da sie Selbsthilfevertreterinnen und -vertreter live erleben, können sie später aus eigener Überzeugung entsprechende Empfehlungen an die Patienten richten. Darüber hinaus erhalten sie Hinweise auf qualitätsgesicherte Informationen im Netz und auf Ansprechpartner für eine umfassende Patientenbetreuung, die auch psychosoziale Aspekte berücksichtigt. Durch die Nutzung dieser Quellen verbessert sich insgesamt ihr Service und gibt ihnen die Gewissheit, die Patienten sicherer begleiten zu können. Die Landesstelle für Selbsthilfeunterstützung (KOSKON NRW) hat in dem Projekt eine vermittelnde und reflektierende Rolle eingenommen. Sie begleitet die Umsetzung und Auswertung und bringt dabei ihre fachliche Außenperspektive ein. Medizinische Fachangestellte im Gespräch mit Jürgen Müller von der Selbsthilfegruppe der Arm- und Beinamputierten; Aachen, 20. Juli 2011 Mögliche Barrieren und Kritik Jede neue Fortbildung steht in Konkurrenz zu anderen, bereits etablierten Themen. Die Schwelle für eine Teilnahme musste deshalb so niedrig wie möglich sein. Eine lange Anreise 6
7 oder hohe Teilnahmegebühren wären eine Barriere für die MFA. Die Entscheidung für dezentrale Veranstaltungen in den Regionen und der Verzicht auf Teilnahmegebühren trägt diesen Überlegungen Rechnung. Die KV hat zurzeit noch bei vielen Selbsthilfegruppenvertretern und -Unterstützern ein Image als Organisation mit Distanz zu Patienten. Deshalb legten die Mitarbeiterinnen der KOSA Wert darauf, die konkrete Planung der Veranstaltung im Rahmen einer persönlichen Begegnung mit den Kontaktstellen-Teams vor Ort zu beginnen. Das kostete Zeit und Mühe, brachte aber im Ergebnis ein Kooperationsnetz, in dem Vertrauen als solide Arbeitsbasis sicher auch für zukünftige Projekte wachsen konnte. Selbsthilfevertreter merkten im Evaluationsbogen kritisch an, dass der Effekt von MFA- Fortbildungen begrenzt sei und dass eine entsprechende Ärztefortbildung fehle. Gewünscht wurden Nachfolgeveranstaltungen, um die Nachhaltigkeit der Maßnahme zu sichern. Die Referenten waren sich mit den Teilnehmerinnen einig, dass themenspezifische Seminare sinnvoll seien, um gezielt Selbsthilfegruppen aus ausgewählten Fachbereichen einbinden zu können. Jürgen Müller, Referent aus der Selbsthilfegruppe der Arm- und Beinamputierten; Aachen, 20. Juli Ergebnisse und Nutzen für Patienten Die Fortbildung Selbsthilfe Unterstützung für Patient und Praxis vermittelte den Medizinischen Fachangestellten einen Überblick über das Spektrum und die Wirkungen von Selbsthilfegruppen, über die Serviceangebote der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Selbsthilfekontaktstellen und über weitere regionale Beratungsangebote. Auf dieser Basis können sie den Patienten gezielt Hilfen an die Hand geben und ihnen dadurch ohne großen Aufwand eine zusätzliche Betreuung zukommen lassen. 7
8 Im Rahmen der Evaluation wurden die Beteiligten nach der Wirkung der Maßnahme gefragt. Im August 2011 schickte KOSA Nordrhein Fragebögen an die Referentinnen und Referenten aus der Selbsthilfe, die die Fortbildungen mitgestaltet hatten. 13 Personen aus 23 angeschriebenen Gruppen schickten den Bogen ausgefüllt zurück. Alle 13 Selbsthilfe- Vertreter/innen haben die Veranstaltung als positiv erlebt, mehrheitlich wurde geäußert, dass sich der Einsatz insgesamt gelohnt habe (Durchschnittswert von 2,3 auf sechsstufiger Skala). Sieben von 13 Referent/innen gaben an, nach der Fortbildung Anfragen aus Praxen bekommen zu haben. Bis Ende 2011 mailte KOSKON in Nordrhein-Westfalen 16 Selbsthilfe-Kontaktstellen (SHK) an, die die Fortbildungen mitgestaltet hatten, die Rücklaufquote betrug 100 Prozent. Die SHK-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben am Fortbildungsprojekt teilgenommen, um Kontakte zu Arztpraxen zu intensivieren, dort die Selbsthilfearbeit stärker publik zu machen und sich selber als Vermittlungsstelle zu präsentieren. 13 Kontaktstellen beschrieben die Fortbildung ausdrücklich als positiv: Man konnte förmlich hören, wie sich Vorbehalte auflösten.... Neun Selbsthilfe-Kontaktstellen hatten im Anschluss an die Fortbildung den Eindruck, dass die Zahl der eingehenden Kontakte aus Arztpraxen gestiegen sei, sechs verneinten dies. Drei Kontaktstellen konnten diese Entwicklung anhand ihrer Dokumentation auch belegen. Zehn SHK bejahten die Frage, ob die Zahl der eingehenden Kontakte von Patienten gestiegen sei, die sich auf Empfehlung einer Praxis gemeldet hätten, bei zweien war dies dokumentiert. Es gab außerdem mehr Anfragen zu anderen Krankheitsbildern, nach Info-Material und nach Selbsthilfegruppen für Patienten. Für elf SHK hat sich die Aktion gelohnt bzw. sehr gelohnt, für drei hat es sich immerhin etwas gelohnt. Sie führten dafür verschiedene Gründe an, z.b.: Netzwerk konnte ausgebaut werden, Kontaktstelle bekannter bei Arztpraxen, Beitrag zum selbsthilfefreundlichen Klima, gegenseitiger Einblick in Arbeitsfelder. Aus Sicht der KV hat das Projekt die Kommunikation mit Einrichtungen der Selbsthilfe- Unterstützung strukturell verbessert. Die etablierten Kontakte in den Regionen erleichtern zukünftige Absprachen. Die Präsenz der KOSA vor Ort ist geeignet, die Wahrnehmung der KV als Partner der Patienten zu verbessern. Die Fortbildungsaktivitäten werden fortgeführt. Mit der neuen Reihe Selbsthilfe Unterstützung für Patient und Praxis. Schwerpunkt: psychische Störungen wird in Nordrhein seit August 2012 der in der Evaluation häufig geäußerte Wunsch nach einer themenspezifischen Veranstaltung erfüllt. 4 Die Themenwahl fiel auf psychische Störungen, weil sowohl die KOSA als auch KOSKON immer mehr Anfragen von Patienten und Praxen zu diesem Bereich registrieren. Darüber hinaus steht die thematische Ausrichtung im Einklang mit der Entschließung der Landesgesundheitskonferenz 2010, die darin zu einer Verbesserung der Versorgungssituation psychisch Kranker insbesondere von Kindern und Jugendlichen verpflichtet hat
9 Die KOSA der KV Nordrhein und die Kontaktstellen der Selbsthilfe führen die bewährte Zusammenarbeit in den Regionen fort. Als neuer Kooperationspartner konnte der Berufsverband deutscher Nervenärzte gewonnen werden, deren Mitglieder in den Fortbildungen einen fachlichen Input leisten. 4 Empfehlungen an andere Akteure Organisationen aus dem Gesundheitswesen können Qualität und Nachhaltigkeit ihrer Fortbildungsmaßnahmen verbessern, wenn sie sowohl in der Planung als auch in der Durchführung Patientenorganisationen und allen Kooperationspartnern auf Augenhöhe begegnen. Einige Erfahrungen aus dem nordrhein-westfälischen Kooperationsmodell lassen sich auf andere Initiativen und Projekte zur Förderung aktiver Patientenbeteiligung übertragen: Veränderungen in den Köpfen benötigen ebenso Zeit wie der Aufbau von Vertrauen als Basis für funktionierende Netze. Maßnahmen wie die hier beschriebene haben einen Investitionscharakter. Der Nutzen des Beziehungskapitals zahlt sich auch nach Jahren noch aus. Deshalb ist es sinnvoll, von Anfang an eine mittel- bis langfristige Perspektive einzunehmen. In Nordrhein mussten die Akteure nicht lange warten, bis sich die Investition auszahlt: Mit der neuen Fortbildungsreihe konnten sie direkt an das Vorgängerkonzept anknüpfen. Die unmittelbare Erfahrung der Arbeitsweise und der Wirkung von Selbsthilfegruppen durch authentischen persönlichen Kontakt ist wirksamer als Maßnahmen auf rein kognitiver Ebene, z. B. die Verbreitung schriftlichen Informationsmaterials. Zwar ist der Weg über Fortbildungsmaßnahmen mit persönlichen Kontakten zu Patientenvertretern aufwändiger. Jedoch wird die Kommunikation in der Arztpraxis insgesamt auf einem höheren Qualitätsniveau beeinflusst. In vorhandene Strukturen (KV, Kontaktstellen) integrierte Maßnahmen sind besser als Einzelprojekte, wenn man in der Fläche wirksam werden will. Die Kooperation zwischen Kassenärztlicher Vereinigung (oder anderen Organisationen auf der Meso-Ebene) und Selbsthilfe nutzt auf effiziente und intelligente Weise Ressourcen: Jeder tut das, was er am besten kann. Die gemeinsame Nutzung von Kontakten und Erfahrungen beschleunigt die angestrebte Vernetzung der Akteure. Das Thema aktive Patientenbeteiligung konkurriert mit vielen anderen Fortbildungsangeboten für MFA. Um sich im Wettbewerb zu behaupten, sollte die Maßnahme möglichst viele der folgenden Bedingungen erfüllen: Sie sollte bei der Zielgruppe MFA möglichst wenige Ressourcen verbrauchen. Sowohl Zeit für Anreise und Kurs als auch Teilnahmegebühren spielen eine Rolle. Sie sollte hohen Qualitätsansprüchen genügen. Empfehlenswert als Qualitätssicherungsmaßnahme ist die Erstellung eines Handbuches mit inhaltlichen und didaktischen Hinweisen. Die Planung sollte so lokal angepasst wie möglich und so standardisiert wie nötig sein. Die Vorteile des regionalen Bezugs wurden bereits oben erläutert. Eine gewisse Standardisierung von Aufbau und Inhalt der Fortbildung verringert den Aufwand und erleichtert die wiederholte Durchführung der Maßnahme. 9
10 Eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit ist Voraussetzung für hohe Teilnehmerzahlen. Vorteilhaft sind ein müheloser Zugang zur Zielgruppe und eine verständliche und plausible Darstellung des Nutzens für die Adressaten. Im hier beschriebenen Fall waren beide Bedingungen erfüllt: Die Kassenärztlichen Vereinigungen verfügen über ein Adressverzeichnis sämtlicher Arztpraxen und der Einladungstext stellte heraus, dass eine serviceorientierte Grundhaltung das Ansehen der Praxis und die Arbeitszufriedenheit der MFA fördert. Schließlich ist zu empfehlen, die Maßnahme systematisch zu evaluieren. Ziel des Vernetzungsansatzes ist, einen Nutzen für alle Beteiligten zu schaffen. Ob dies tatsächlich gelingt ist, lässt sich erst im Nachhinein feststellen, wenn man die Einschätzungen der Kooperationspartner aus Arzt- und Psychotherapeutenpraxen, Kontaktstellen, Selbsthilfe vor Ort und KV erfragt. 10
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