Das Interview als Textsorte
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- Kerstin Solberg
- vor 6 Jahren
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1 Das Interview als Textsorte Ein Interview führen: das ist einfach. Ein gutes Interview führen: das ist Kunst (oder zumindest: gutes Handwerk) WAS IST EIN INTERVIEW? Welche Grundformen gibt es? Antwort 1: Ein Interview ist ein Text. Dieser Text besteht im Hauptteil aus Fragen und den Antworten, die eine Person auf diese Fragen gibt. Die Fragen sind nach Themenbereichen geordnet. Das Interview ist eine wichtige Medientextsorte. Es gibt Personeninterviews: die interviewte Person gibt Antworten zu ihrem Leben Sachinterviews: die interviewte Person ist ExpertIn für ein bestimmtes Thema und gibt Auskunft zu diesem Thema. Meinungsinterview: eine Person wird über ihre Meinung zu einem Diskussionsthema befragt. Antwort 2: Ein Interview ist eine Recherche-Methode. In einem Interview befragt eine Person eine andere Person (meistens mündlich) zu einem bestimmten Thema. Ein Interview entsteht in vier Phasen: Die Person, die fragt, muss das Interview sehr sorgfältig planen. (Phase 1) muss beim Interview die Fragen stellen (darf aber nicht diskutieren oder widersprechen oder die eigene Meinung einbringen) (Phase 2) muss das Interview in Textform bringen (in Standardsprache übersetzen, ev. neu ordnen, Unwichtiges streichen, ) (Phase 3) muss das Interview normalerweise autorisieren lassen: Die interviewte Person muss bestätigen, dass sie die Inhalte so gesagt hat. Zumindest muss sie das fertige Interview zum Lesen bekommen, bevor es veröffentlicht wird. (Phase 4) Antwort 3: Ein Interview ist ein stark strukturiertes Gespräch zwischen einer Person 1, die Fragen stellt, und einer Person, die auf die Fragen antwortet. Antwort 4: Man sollte zwischen mündlichen Interviews (für Radio oder Fernsehen) und gedruckten Interviews (Zeitung, Zeitschrift, ) unterscheiden. Antwort 5: Man sollte zwischen journalistischen Interviews (Zeitung, ) und wissenschaftlichen Interviews (Forschung) unterscheiden. 1 Anmerkung: Es können auch mehrere Personen sein Seite 1 von 6
2 VORBEREITUNG: Wie bereite ich ein Medien-Interview vor (InterviewerIn) Inhaltliche Vorbereitung: Das Thema, zu dem ich das Interview führe Um welches Thema geht es in meinem Interview? Welche Gesichtspunkte sind bei diesem Thema wichtig? Welche Fragen gehören zu den einzelnen Gesichtspunkten? Wichtig: Als InterviewerIn muss ich mich gut im Thema auskennen. Sonst kann ich die relevanten Fragen nicht stellen. Und ich kann nicht nachfragen. Die interviewte Person Wer ist die Person, mit der ich das Interview führe? Was kann sie zum Thema vermutlich sagen? Wie auskunftsfreudig wird die Person vermutlich sein? Die AdressatInnen (LeserInnen) Wer soll mein Interview lesen? Was wird meine LeserInnen vermutlich an diesem Thema interessieren? Zur Durchführung des Interviews Wann und wo findet das Interview statt? Wieviel Zeit steht zur Verfügung? Wie halte ich das Gesagte fest (Aufnahme Notizen?); Tipp: Sammlung von Interviewfragen (Ordnen nach Gesichtspunkt und Wichtigkeit) Im Gespräch: Häkchen machen und eventuell ein paar Notizen; sonst: Aufnehmen) Ergebnis: Schriftlicher Interview-Leitfaden DURCHFÜHRUNG: Wie verhalte ich mich beim Gespräch? Umgangsformen beachten: Pünktlichkeit, gute Vorbereitung, An Anfang wichtig: kurze Begrüßung, für die Bereitschaft zum Interview danken, Zielsetzungen und Regeln kurz wiederholen. Gute Einstiegsfrage Raum öffnen // Eis brechen // ev. Überraschungseffekt provozieren, Dann mit eigentlicher Befragung beginnen; Themenapekte abarbeiten ; solange nachfragen, bis die Themenaspekte ausreichend beantwortet sind. Unterschiedliche Frageformen und ihre Wirkung (Öffnen, Lenken, Vertiefen, Provozieren, Schließen, ) beachten. Interview abrunden und für Gespräch danken. Tipp: keine Kettenfragen stellen!!! (= nicht drei Aspekte abfragen). Wenn ich auf wichtige Frage keine ausreichende Antwort bekomme: Nachfragen. Dieselbe Frage in anderen Worten nochmals stellen. Ergebnis: Rohinterview als mp3 Seite 2 von 6
3 INTERVIEW- UND FRAGE-TECHNIKEN im Überblick Thema x (Fußball) Fragen für Interview-Leitfaden: Themenaspekt Themenaspekt 1: Beziehung zum Fußball Themenaspekt 2: Fußball und Sportlerkarriere Themenaspekt 3: Fußball und Gesellschaft Zentrale Frage zu dazu Warum spielst du in deiner Freizeit leidenschaftlich Fußball? Detailfragen (W-Fragen): 1.1. Wie bist du zum Fußball gekommen? 1.2. Was würde dir fehlen, wenn du nicht mehr Fußballspielen dürftest? 1.3. Worauf verzichtest du, damit du mehrmals pro Woche Fußball spielen kannst Was ist die wichtiger: ein gutes Spiel oder ein gutes Ergebnis? Würdest du gerne Profifußballer werden? Warum (nicht)? 2.2. Würdest du mit Fußball aufhören, wenn du eine ernste Verletzung erleidest? Warum (nicht) 3.1. Warum soll der Staat Fußballvereine finanziell unterstützen? 3.2. Warum sollen Eltern ihre Kinder bei einem Fußball-Verein anmelden? 3.3. Fußball gilt immer noch als Männer-Sport. Würdest du auch deiner Schwester oder später deiner Tochter empfehlen, Fußball zu spielen? Wichtige Fragetechniken / ein paar Tricks: Oft muss InterviewerIn nachfragen und vertiefen: Trick: Wiederholen der Gesagten in eigenen Worten (paraphrasieren) und dann Nachfrage stellen: Du sagst,... + Nachfrage: Warum ist dir das wichtig? Was genau stört dich an diesem Vorgehen? Was versprichst du dir davon? Am Anfang: provokative Frage (bei Medieninterviews // bei Interviewpartnern, die das vertragen ) oder vertauensbildende und öffnende Frage (wenn es darum geht, Hürden abzubauen) Unkritische Fragen eher am Anfang // sensible Fragen eher am Schluss (sonst kippt Interview ev. und es gibt kein Ergebnis; vgl. Wolf-Interview mit Lugner) Im Journalismus beliebt: Colombo-Effekt (Inspektor Colombo fragt zuerst Nebensächliches und baut so Vertrauen auf; wenn verhörte Person sich in Sicherheit fühlt, kommt völlig überraschend, die entscheidende kritische Frage) Den Faden in der Hand behalten, wenn GesprächspartnerIn sich nicht den Erwartungen entsprechend verhält (Kannst du das genauer erklären? Können Sie sich bitte kürzer fassen? Heißt das: XYZ? Können wir zum Thema zurückkommen? Können Sie das nochmals einfacher formulieren? Können Sie das genauer erklären? ) Seite 3 von 6
4 UNTERSCHIEDLICHE FRAGEN und ihre Wirkung Mit Fragen lenken und ordnen Strukturierende Fragen. Entscheidungsfragen. Ergänzungsfragen. Zusammenfassung. Nachfragen: Ist das richtig so? Zum Thema zurückführen. Unser Thema ist aber Aspekte herausgreifen und Mit Fragen in die Tiefe vordringen und Inhalte herauskitzeln Offene Fragen. Vor allem Fragen, die Begründungen und Erklärungen verlangen Nachfragen und Insistieren, bis die gewünschte Antwort fällt; keine neue Frage stellen, bevor die alte Frage beantwortet ist Provokative Frage // überraschende Frage stellen (Colombo-Technik) Vom Interview-Partner her denken und seine Strategie durchkreuzen. AUSWERTUNG des Interviews: Möglichkeit 1: Nicht-wörtliche Wiedergabe eines Interviews / Überarbeitete Schriftfassung Verschriftlichen und in eine normale Standardsprache übersetzen. Ordnen. Doppeltes streichen oder zusammenfassen. Überflüssiges /nicht zum Thema Gehörendes wegstreichen üblich / vorgesehen: Autorisierung durch Interview-PartnerIn (mit Unterschrift belegt oder zumindest Schriftform zur möglichen Stellungnahme vorlegen) beim Zeitungsinterview: immer diese Variante Möglichkeit 2: Wörtliche Wiedergabe = Transkiption des Interviews Interview wird Wort für Wort in der gesprochenen Sprache (eventuell sogar mit Mit- Übertragung von nonverbalen und paraverbalen Signalen) verschriftlicht. Macht nur Sinn bei Tiefeninterviews und wenn es um das WIE // eine sprachanalytische Thematik geht. Wissenschaftliche Interviews, in denen es um Forschungsergebnisse geht, werden manchmal einfach transkribiert. Teilweise wörtlich (inklusive Dialekt oder Kommentaren zur Körpersprache), teilweise als Übersetzung ins Hochdeutsche, aber mit der mündlichen Grammatik Ein Interview zu transkribieren ist ein extremer zeitlicher Aufwand Seite 4 von 6
5 Verschriftlichung des Interviews: AUFBAU MEDIENINTERVIEW Schlagzeile Teaser: Thema und Inhalt des Interviews in ganz knapper Form. (XY findet, Fußball ist das schönste Hobby der Welt. Sie findet es schade, dass immer noch so wenig Mädchen Fußball spielen.) Interview von A.B. Interviewer AB/Medium:???????????????????? XY: NNNNNNMNNNNNNNNNNNNNNNNNNNNN NNNNNNNN NNNNNNNNNNNNNNNN Interviewer AB / Medium:??????????????????????????????????????????????????????????? XY: : NNNNNNNNNNNNN NNNNNNN N NNN NNNN NNNNNNNNNNNNNNNN NN Bild und Bildunterschrift Ergebnis: das Interview ist druckreif und wir sind am Ziel!!!! Seite 5 von 6
6 A1: (Auto)biographisches Schreiben; So könnte dein fertiges Interview in etwas aussehen St2 2 Quelle: Die Presse am Sonntag, Seite 6 von 6
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