Videographieren ein sinnvolles Handwerkszeug der systematischen Beobachtung von Kindern, die schriftliche Beobachtung und Dokumentation erweiternd.
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- Nora Adenauer
- vor 6 Jahren
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1 Videographieren ein sinnvolles Handwerkszeug der systematischen Beobachtung von Kindern, die schriftliche Beobachtung und Dokumentation erweiternd. Eine Annäherung an ein strittiges Thema Der Auftrag zur Beobachtung Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (SGB VIII) sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe aufgefordert die Qualität der Förderung in den Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicher(zu)stellen und weiter(zu)entwickeln. Dazu gehören die Entwicklung und der Einsatz pädagogischer Konzepte als Grundlage für die Erfüllung des Förderauftrags sowie der Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen. 1 Kornelia Schneider, Deutsches Jugendinstitut München, leitet aus dem Teilsatz von 22 a SGB VIII : Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen. 2 konsequent die Anforderung zu beobachten und dokumentieren ab und verweist auf die entsprechenden Ausführungen in den Bildungs- und Erziehungsplänen des Länder. 3 Die Rahmenvereinbarung der Kultusminister beinhaltet ebenso Systematische Beobachtung und Dokumentation der kindlichen Entwicklungsprozesse sind erforderlich 4 Die Anforderungen, zu beobachten und zu dokumentieren kommt somit in allen Bildungsund Erziehungsplänen, Empfehlungen, Leitlinien, Programmen und Vereinbarungen der Länder vor. Systematische Beobachtung und fundierte Dokumentation - zwei wichtige Säulen für die tragfähige Entwicklungsbegleitung und differenzierte Lernunterstützung Beobachtungen machen die individuelle Ausgangslage des Kindes zum Ausgangspunkt pädagogischen Handelns. 5 Unabhängig von dem jeweiligen pädagogischen Konzept der verschiedenen Tageseinrichtungen können beide Aspekte Engagiertheit und Wohlbefinden 6 bei jedem Kind beobachtet und zum Ausgangspunkt des pädagogischen Handelns genommen werden. Die Beobachtung setzt an den Stärken der Kinder an und ist damit ein ressourcenorientiertes Instrument. 1 Vgl. SGB VIII 22 a 2 Vgl. SGB VIII 22 a 3 Kornelia Schneider in Guck mal Bertelsmannstiftung, 2006, S Rahmenvereinbarung der Jugendministerkonferenz und Kultusministerkonferenz Orientierungsplan S inhaltlicher Bezug zur Leuvener Engagiertheitsskala 1
2 Regelmäßige und gezielte Beobachtungen sind notwendig, damit Erzieher/innen Kinder in ihren Bildungsprozessen gezielt unterstützen können. Kinder sind durch ihre individuelle Lebenswelt mit unterschiedlichen Themen, Inhalten und damit verbundenen Aneignungsprozessen beschäftigt. Sie haben individuelle Entwicklungsgeschwindigkeiten. In der Aneignung der Welt brauchen sie die Unterstützung der Erzieher/innen, die das jeweilige Schema und Thema des Kindes erkennen und sie mit geeignetem Material in diesem Prozess unterstützten. Jedes Kind hat ein Recht, beobachtet zu werden. 7 Der Träger Stadt Reutlingen hat sich 2006 entschieden für den im Orientierungsplan ausgewiesenen Auftrag zur Beobachtung und Dokumentation das in Neuseeland entwickelte und vom Deutschen Jugendinstitut auf Deutschland übertragene Verfahren der Bildungsund Lerngeschichten in allen Tageseinrichtungen einzusetzen. Bei dem Verfahren der Bildungs- und Lerngeschichten stehen die individuellen Interessen und Aktivitäten eines jeden Kindes im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie gilt es wahrzunehmen, gezielt zu beobachten und nach Lerndispositionen zu analysieren. Indem die Stärken und Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes erkannt und gefördert werden, nimmt es sich selbst als kompetent lernendes Individuum wahr und wird motiviert, seine Interessen weiter auszubauen und Neues zu lernen. Das Verfahren legt 7 wesentliche Arbeitsschritte im Beobachtungsverfahren zu Grunde Beobachten Analyse der Beobachtung Fokussierung der Beobachtung Kollegialer Austausch Die nächsten Schritte Die Lerngeschichte schreiben Gespräch mit dem Kind In der Beobachtung selber werden 5 Lerndispositionen angewendet: Interessiert sein Engagiert sein Standhalten bei Herausforderungen und Schwierigkeiten Sich ausdrücken und mitteilen An einer Lerngemeinschaft mitwirken und Verantwortung übernehmen 7 Kühnel in Hebenstreit-Müller,Kühnel Kinderbeobachtung in Kitas, Berlin 2004 S. 67 ff 2
3 Margret Carr, Neuseeland geht davon aus, das die Lerndispositionen in Wechselwirkung zu entscheidenden Parametern stehen, die die Lernbereitschaft eines Kindes begründen und zu positiven (Bildungs)Entwicklungen beitragen. Interessiert sein Zugehörigkeit Engagiert sein Wohlbefinden Standhalten bei Herausforderungen und Schwierigkeiten Exploration Sich ausdrücken und mitteilen Kommunikation An einer Lerngemeinschaft mitwirken und Verantwortung übernehmen Partizipation Leu u.a. führen aus: Damit die pädagogischen Fachkräfte das Kind bei diesem Prozess (dem der Selbstbildung) professionell begleiten und unterstützen, ist eine positive persönliche Grundeinstellung zu Bildung und Lernen wichtig. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Bildungsbiographie und die Aufarbeitung individueller Lernhemmnisse können daher einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Förderung und Unterstützung des Kindes leisten. (...) Um die individuellen Interpretationen und Einschätzungen im Hinblick auf die kindlichen Lernprozesse professionell zu untermauern und daraus die fachlich fundierte Unterstützung jedes einzelnen Kindes ableiten zu können, bedarf es eines theoretischen Grundwissensund -verständnisses über das Lernen in der frühen Kindheit, neben ein umfassenden Schulung in dem Beobachtungsverfahren selbst. Beobachten gerät ohne entsprechende Vorbereitung durch gründliche Qualifizierung schnell zur Bewertung. Die Stadt Reutlingen sieht für ihre Tageseinrichtungen je Team einen Qualifizierungsprozess von 1,5 Jahren mit einem Wechsel aus Fortbildungsmodulen und Trainings vor Ort in den Tageseinrichtungen vor. Beobachtungen fundiert zu dokumentieren ist ein weiterer wesentlicher Schritt. Könnerbücher, Portfolios, Wanddokumentationen, Interviews, Kinderkonferenzen und Fotos - zeigen die Vielfalt fundierter Dokumentation. Weitere Dokumentationen, wie z.b. Werke des Kindes, Gesprächsaufzeichnungen, Fotos von Schlüsselszenen oder Videosequenzen bilden zusammen mit den Entwicklungsbeobachtungen oder Portfolios greifbare Lernspuren einer persönlichen Bildungsbiografie. 8 Die Videoaufnahmen bieten erweiterte Möglichkeiten des Beobachtens direkt verbunden mit Dokumentation. Schäfer und Strätz führen aus: Videoaufnahmen sind unzweifelhaft die beste Möglichkeit, ein Geschehen möglichst genau wiederzugeben. Nicht im Sinne einer objektiven Form, da auch Videoaufnahmen subjektiv von der Erzieherin, die filmt, geprägt sind: Was gerät vor die Linse? In welcher Perspektive wird aufgenommen? Welcher Bildausschnitt wird gewählt? Der Einsatz von Videoaufnahmen bietet sich besonders in Bereichen an, in der die anderen Methoden an ihre Grenzen stoßen. So ist das Festhalten von (Körper)Bewegungen mit dem 8 vgl. Orientierungsplan S. 51 3
4 Video leichter als mit einzelnen Fotos. Auch lässt sich das Video gut zu Beobachtungsanalysen einsetzten, da es immer wieder neu abgespielt werden kann. 9 Anders formuliert: Videographieren verfeinert gewissermaßen die Beobachtung, indem es über die Konservierung, in besonderem Maße ein Veranschauungspotential des Bildungsprozesse bietet und vor allem bewegte Bildungsprozesse dokumentieren hilft. Die Entwicklungsdokumentation ist der sichtbare Ausdruck des Bildungsverlaufs und der Bildungserfolge eines Kindes. 10 Guck mal! - wer kennt diesen spontanen Ausdruck des Kindes gegenüber dem Erwachsenen aber auch mitspielenden Kindes nicht. Guck mal ich was kann! Der Stolz eine eben erworbene Kompetenz, vorzuführen begleitet immer wieder die Interaktion zwischen Kind und Erwachsenem. Mit einem Feedback zum konkreten Handeln des Kindes lenken Fachkräfte die Aufmerksamkeit der Kinder auf ihre eigenen Lernprozesse und strategien und bestärken so die Lernaktivität des Kindes. (dialogorientierte Wertschätzung) 11 Das Vorlesen der Lerngeschichte, als ein Teilprodukt der analysierten Beobachtung nach dem Konzept der Bildungs- und Lerngeschichten, ist eine Form des dialogischen Austausches. Die gemeinsame Betrachtung einer Videosequenz kann ein weiterer wichtiger Beitrag im Feedback darstellen. Partnerschaftliche Beziehung und ein dialogischer Austausch fördern kindliche Lernprozesse. 12 Der Austausch über die Beobachtungen (und Lerngeschichten) trägt dazu bei, dass die Kinder sich über die eigenen Lernstrategien und fortschritte bewusst werden und dabei lernen sich selbst und ihre Fähigkeiten einzuschätzen und ein positives Selbstbild zu entwickeln. 13 Werden die Lernaktivitäten von einzelnen Kindern in Verbindung mit einer Beobachtung fotographisch festgehalten, kann dies einen intensiven Austausch mit dem Kind über seine Anliegen, seine Ideen und Gedanken in dieser Situation ermöglichen. Für den Austausch mit den jüngeren Kindern und auch bei Kindern mit Sprachbarrieren sind Fotografien oder auch Foto-Lerngeschichten besonders geeignet. (...) Die Nutzung von Fotound auch Videokameras (...) eröffnet den pädagogischen Fachkräften nicht nur vielfältige 9 Schäfer, Strätz Beobachtung und Dokumentation in der Praxis, wolters Kluwer Deutschland München/Kronach 2005 S. 41ff 10 vgl. Orientierungsplan Bildung und Erziehung 11 vgl. Bildungs- und Lerngeschichten S vgl. Leu u.a. «Bildungs- und Lerngeschichten, Verlag Das Netz 2007, S, 112 ff 13 vgl. Leu ebenda S
5 Möglichkeiten zur Gestaltung von Bildungsdokumentationen für die Kinder und Eltern, sondern auch mit den Kindern. Der aktive Umgang der Kinder mit den technischen Geräten bietet zahlreiche Gesprächs- und Lernanlässe. Dialogischer Austausch als wesentliches Prinzip mit der Beobachtung weitere Schritte gehen zu können. Durch die Reflexion und den Austausch von Beobachtungen mit Kolleginnen, mit Eltern, eventuell Fachleuten und gegebenenfalls den Kindern selbst entsteht ein mehrperspektivisches Bild. 14 Aha Effekte, blinde Flecken oder vorschnelle Bewertungen können durch den gemeinsamen Dialog begegnet werden; die Beobachtende lernt sich über die Rückmeldungen im Dialog und ihre eigenen Werte und Normen besser kennen und erfährt damit eine Erweiterung ihrer professionellen Selbstwahrnehmung. Videosequenzen ermöglichen in der Reflexion mit Dritten die neutrale Darstellung des Beobachteten und intensivieren den o.a. Prozess. Damit trägt Videografieren zu einer Erweiterung der Professionalität bei. Systematische Beobachtung und fundierte Dokumentation - Grundlage für den Austausch in der Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erzieher/innen Mitteilungen an Eltern über die Interessen und Stärken ihrer Kinder bieten Gesprächsanlässe, die einen Austausch anregen. Das heißt, dass im Dialog nicht nur Vorstellungen über die Entwicklung und Erziehung des Kindes ausgetaucht werden, um festzustellen, welche davon geteilt werden, sondern dass auch neue Ideen gemeinsam entwickelt werden können. Das gilt vor allem dann, wenn sich Unterschiede und Widersprüche zwischen den Vorstellungen der pädagogischen Fachkräfte und der Eltern abzeichnen. (...) Darüber hinaus können Kinder an einem Modell der Erziehungspartnerschaft lernen, dass Auseinandersetzungen die Grundzüge kooperativen, partizipativen und demokratischen Handelns beinhalten können. 15 Gemeinsam staunen, was das Kind an Kompetenzen entwickelt hat das ermöglicht auch eine Videosequenz im Entwicklungsgespräch; auf diese aufbauend können Vereinbarungen zur Förderung, an den Themen des Kindes zwischen Tageseinrichtung und Elternhaus getroffen werden. Nichts ergreift Eltern stärker und dauerhafter als Erkenntnisse über das Verhalten ihrer Kinder. Ihre Beteiligung kann grundlegende Effekte haben. 16 Kariane Höhn Dipl. Soz. Päd, Abteilungsleiterin 14 vgl. Orientierungsplan S vgl. Leu ebenda S vgl Athey 1990 in Hebenstreit-Müller u.a. Kinderbeobachtung in KiTas Berlin
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