2. BBH-ÖPNV-News Juli 2003
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- Elly Böhm
- vor 6 Jahren
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1 Mit dem vorliegenden 2. BBH-ÖPNV-Newsletter knüpfen wir unmittelbar an die BBH-ÖPNV-News vom April diesen Jahres an. Anlass ist die Verkündung des Urteils durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Sachen Altmark Trans (Rs. C-280/00) am (sog. Magdeburg -Urteil). Gut drei Jahre, nachdem das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) dem EuGH am mehrere konkrete Fragen zur gegenwärtigen Finanzierungspraxis des ÖPNV in Deutschland zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, liegt diese mit Spannung erwartete Entscheidung nun endlich vor. Dabei gibt das Urteil Antworten auf lang im Vorfeld diskutierte Fragen nach der Ausschreibungspflicht und der Beihilfeeigenschaft von Verlustausgleichen durch Kommunen an ihre Verkehrsunternehmen. Es wirft jedoch zugleich auch eine Menge Fragen hinsichtlich der zukünftigen Ausgestaltung der deutschen Finanzierung des ÖPNV auf. Wir wollen Sie an dieser Stelle aktuell über das Urteil und die zu diesem Zeitpunkt bereits absehbaren Folgen informieren. Dazu stellen wir zunächst den aktuellen Rechtsrahmen dar, der Gegenstand der Überprüfung durch den EuGH war (I.). Daran schließt sich ein Überblick über den wesentlichen Inhalt des Urteils an (II.). Drei Punkte sind dabei von besonderer Bedeutung: zum einen die Ausschreibungspflicht von Verkehrsdienstleistungen, zum zweiten die Beihilfeeigenschaft von Verlustausgleichen und nicht zuletzt auch die Finanzierung des ÖPNV im kommunalen Querverbund. Diese Themen unterziehen wir einer näheren Betrachtung und stellen mögliche Folgen und den daraus folgenden Handlungsbedarf für Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen dar (III.). Zuletzt wollen wir Sie noch auf eine Veranstaltung genau zu diesem Thema hinweisen, die zum besseren Verständnis des Altmark -Urteils und den sich daraus ergebenden Folgen beitragen soll (V.). Inhaltsübersicht I. Hintergrund II. Das Altmark -Urteil des EuGH III. Konsequenzen IV. Fazit V. Weiterführende Veranstaltungen und Literaturhinweise I. Hintergrund 1. Sachverhalt und Gang des Altmark -Verfahrens Das Ausgangsverfahren betraf die Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen mit Omnibussen im Landkreis Stendal. Im Jahre 1994 erteilte das Regierungspräsidium Magdeburg wie bereits zuvor der Altmark Trans GmbH Personenbeförderungsgenehmigungen für regionale Überlandlinien. Die Genehmigungsanträge der Konkurrentin, der Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH (NVG Altmark), bezüglich derselben Linien wurden abgelehnt. Dagegen erhob die NVG Altmark Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg u.a. mit der Begründung, dass die begünstigte Altmark Trans GmbH nicht leistungsfähig sei, da diese ohne die öffentlichen Zuschüsse des Landkreises Stendal wirtschaftlich nicht überleben könne. Das VG Magdeburg wies die Klage ab. Dagegen hob das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Sachsen-Anhalt die erteilten Genehmigungen auf, da die Leistungsfähigkeit der Altmark Trans nicht gewährleistet sei und die Zuschüsse gegen Gemeinschaftsrecht verstießen. Nach Ansicht des OVG konnte der Verkehr, da er von öffentlichen Zuschüssen abhängig war, nicht mehr eigenwirtschaftlich, sondern nurmehr gemeinwirtschaftlich betrieben werden. 1
2 Das mit der Revision befasste BVerwG folgte der Argumentation des OVG nicht. Nach seiner Ansicht soll der Umstand, dass ein Unternehmen für einen öffentlichen Personenverkehr Zuschüsse brauche, nicht geeignet sein, es von der Eigenwirtschaftlichkeit im Sinne von 8 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) auszuschließen. Es hatte allerdings Zweifel, ob diese Auslegung mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit den Vorgaben der VO 1191/69 vereinbar ist. 2. Rechtsrahmen im ÖPNV Im Kern ging es in dem Verfahren daher um die Auslegung des Begriffs der Eigenwirtschaftlichkeit, wie er sich in 8 Abs. 4 PBefG findet. Mit der Reform des PBefG hat der deutsche Gesetzgeber eine auf den ersten Blick einleuchtende Differenzierung zwischen sog. eigenwirtschaftlichen Verkehren und sog. gemeinwirtschaftlichen Verkehren vorgenommen, die auch der VO 1191/69 zugrunde liegt. Gemäß 8 Abs. 4 S. 1 PBefG sind Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr (grundsätzlich) eigenwirtschaftlich zu erbringen. Als eigenwirtschaftlich gelten gemäß 8 Abs. 4 S. 2 PBefG Verkehrsleistungen, deren Aufwand gedeckt wird durch Beförderungserlöse, Erträge aus gesetzlichen Ausgleichs- und Erstattungsregelungen im Tarif- und Fahrplanbereich sowie sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne. Der Streit zwischen den Instanzen entbrannte gerade an der letztgenannten Formulierung. Handelt es sich bei Verlustausgleichen in Form von Zuschüssen um sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne? Nach der vom Gesetzgeber zu Grunde gelegten, bisher praktizierten und auch vom BVerwG bestätigten Auslegung gelten Zuschüsse des Aufgabenträgers sowie Verlustausgleiche im Rahmen eines Querverbundes als solche Erträge. Damit bedurften solche Personenbeförderungsleistungen bisher keiner öffentlichen Ausschreibung, sondern wurden im Wege eines Genehmigungsverfahrens gem. 13 PBefG auf Antrag erteilt. Im vorliegenden Verfahren stellte sich nunmehr die Frage, ob diese Auslegung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist und wie nach gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung eine Abgrenzung zu den in der VO 1191/69 und in 13a PBefG geregelten gemeinwirtschaftlich betriebenen Verkehren vorzunehmen ist. Die VO 1191/69 zielt dabei ausweislich ihrer Erwägungsgründe auf eine Harmonisierung der Vorschriften für Verkehrsunternehmen ab. Dadurch soll eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen in den Mitgliedstaaten verhindert werden. Dieses Ziel wird v.a. durch die Statuierung gemeinsamer Methoden zur Berechnung der Ausgleichszahlungen verfolgt. Die nach diesen Methoden der VO 1191/69 berechneten Ausgleichszahlungen müssen nicht als Beihilfe angemeldet werden, Art. 17 Abs. 2 VO 1191/69. Diese Zuschüsse sind gleichsam beihilfenresistent. Allerdings erlaubt Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 der VO 1191/69 die Herausnahme von städtischen Nahverkehrsleistungen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung. Während früher der Nahverkehr ausdrücklich in Gänze ausgenommen wurde, handelt es sich bei der im Jahre 1996 mit der Reform des PBefG vorgenommenen Differenzierung zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren nurmehr um eine Teilausnahme. Während Zuschüsse für nach dem PBefG als gemeinwirtschaftlich verstandenen Verkehre über 13a PBefG dem Anwendungsbereich der VO 1191/69 unterfielen, stellte sich die Frage, wie Zahlungen im Bereich eigenwirtschaftlich betriebener Verkehrsleistungen im Sinne der 8 Abs. 4, 13 PBefG zu bewerten sind. 3. Die Vorlagefragen des BVerwG Vor diesem Hintergrund sind auch die Vorlagefragen des BVerwG zu sehen. So stellte das BVerwG die Frage, ob es 2
3 die VO 1191/69 dem nationalen Gesetzgeber überhaupt ermöglicht, Verkehrslinien, die auf öffentliche Zuschüsse zwingend angewiesen sind, ohne Beachtung der Vorgaben der VO 1991/69/EWEG zu vergeben und zu finanzieren, wie dies bei eigenwirtschaftlichen Verkehren gem. 8 Abs. 4, 13 PBefG der Fall ist. Eine zweite wichtige Vorlagefrage betraf die in Form von Zuschüssen gewährten Defizitausgleiche der Aufgabenträger an ihre Verkehrsunternehmen. So fragte das BVerwG, ob diese Zuschüsse im ÖPNV überhaupt dem Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag unterfallen oder ob ihnen wegen ihrer nur regionalen Auswirkungen von vornherein die Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels fehlt. 4. Die Schlussanträge des Generalanwalts sowie der Unterstellung letzterer unter das Regime der VO 1191/69 in 13a PBefG sei der deutsche Gesetzgeber den Zielen der Verordnung näher gekommen. Der EuGH bemängelte allerdings unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit die mangelnde Klarheit der Abgrenzung von eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Verkehren. Dadurch würde möglicherweise nicht klar, in welchem Umfang von der Ausnahme nach Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 VO 1191/69 Gebrauch gemacht worden ist. Die Beantwortung dieser Frage überlässt er hingegen dem BVerwG. Allerdings stellte er auch klar, dass bei einem festgestellten Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, auch eigenwirtschaftliche Verkehre dem Regime der VO 1191/69 unterfielen. 2. Beihilfenrechtliche Problematik In seinen beiden Schlussanträgen hat der Generalanwalt (GA) Léger zwar die Möglichkeit einer Teilausnahme von der VO 1191/69 für eigenwirtschaftliche Verkehre bejaht. Jedoch sollten Zuschüsse an Verkehrsunternehmen, die eigenwirtschaftliche Verkehre erbringen, dem generellen Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG- Vertrag unterfallen. Alle Zuschüsse wären danach bei der Kommission in Brüssel anzumelden gewesen. Mit dieser Ansicht stellte er sich gegen eine Entscheidung des EuGH in Sachen Ferring (Rs. C- 53/00 v ) II. Das Altmark -Urteil des EuGH 1. Teilweise Ausnahme von der Anwendbarkeit der VO 1191/69 Was die Möglichkeit von Zuschüssen außerhalb der VO 1191/69, d.h. im eigenwirtschaftlichen Bereich, betrifft, so folgte der EuGH der Auffassung des GA Léger, wonach Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 auch Teilausnahmen von der Verordnung ermöglicht. Mit der 1996 in das PBefG eingeführten Differenzierung zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren Anschließend unterzog der EuGH die im Rahmen eigenwirtschaftlicher Verkehrserbringung geleisteten Zuschüsse einer beihilfenrechtlichen Prüfung. Dabei konzentrierte er sich auf zwei Merkmale des in Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag definierten Beihilfenbegriffs. Zunächst prüfte der EuGH, ob die gewährten Zuschüsse überhaupt geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das BVerwG hatte in seiner Vorlagefrage aufgrund des nur örtlichen und regionalen Charakters der erbrachten Verkehrsdienste Zweifel am Vorliegen dieser Voraussetzung geäußert. Der EuGH teilte diese Bedenken nicht und bejahte das Vorliegen dieser Voraussetzung. Durch die Zuschussgewährung verbessere sich die Position des begünstigten Unternehmens, womit sich gleichzeitig die Chancen solcher in anderen Mitgliedstaaten ansässiger Verkehrsunternehmen verringerten, die in Deutschland Verkehrsleistungen erbringen wollen. Damit bleibt der EuGH bei seiner in ständiger Rechtsprechung vertreten Linie, diese Voraussetzung sehr weit auszulegen. 3
4 Der zweite und zentrale Punkt seiner beihilfenrechtlichen Prüfung betraf die Frage, inwieweit Defizitausgleiche, die als Gegenleistung für die Erbringung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen gewährt werden, überhaupt einen wirtschaftlichen Vorteil für die begünstigten Unternehmen darstellen. Insoweit begreift der EuGH nämlich nur solche staatlichen Maßnahmen als Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag, die als wirtschaftlicher Vorteil für diese Unternehmen anzusehen sind. Die dann folgenden Ausführungen bedeuten eine Weichenstellung in der Rechtsprechung des EuGH, deren Wirkungen weit über den hier behandelten Bereich des ÖPNV hinausgehen, und zwar in den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge! So entschied der EuGH entgegen dem Antrag des GA Léger, dass es sich bei Zuschüssen in Form von Defizitausgleichen nicht zwingend um Beihilfen handeln muss. Ein Zuschuss sei dann nicht als Beihilfe anzusehen, soweit er als Ausgleich für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gezahlt wird, sodass dieses Unternehmen keinen finanziellen Vorteil erhält. Damit folgt der EuGH seiner in der Ferring -Entscheidung (C-53/00 v ) eingeschlagenen Linie und schließt sich der sog. Tatbestandslösung an, wonach bei festgestellt fehlendem wirtschaftlichen Vorteil bereits keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag vorliegt. Wichtigste Folge dieser Lösung ist: Solche Zuschüsse an eigenwirtschaftlich tätige, gleichwohl defizitäre Verkehrsunternehmen, müssen nicht grundsätzlich bei der Kommission gem. Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag angemeldet werden. Der EuGH stellt jedoch hohe Anforderungen an das Nichtvorliegen einer Beihilfe: 1. Das begünstigte Unternehmen muss tatsächlich mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden sein. 2. Die Parameter zur Berechnung des finanziellen Ausgleichs für die Erfüllung dieser Verpflichtung sind zuvor objektiv und transparent aufzustellen. 3. Der Ausgleich unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns für das betraute Unternehmen darf keine Überkompensation darstellen. 4. Wenn die Auswahl des Unternehmens nicht in Form des öffentlichen Ausschreibungsverfahrens erfolgt, so ist die Höhe des Aus gleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die bei einem durchschnittlichen, g u t geführten Unternehmen, das auch die Eignung zur Erfüllung der Aufgabe hat, entstehen würden. Der EuGH stellte insoweit aber auch klar, dass ein Zuschuss, der nicht allen diesen Anforderungen genügt, eine staatliche Beihilfe darstellt! 3. Zur Begrifflichkeit Der EuGH lässt also Zuschüsse an nach deutschem Recht eigenwirtschaftlich tätige Verkehrsunternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen unter bestimmten Umständen zu. Der EuGH verwendet demnach einen eigenen Begriff der Gemeinwirtschaftlichkeit, der nicht im Sinne des 13a PBefG zu verstehen ist, sondern die Gesamtheit der Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge betrifft, wie er ähnlich auch in Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag ( Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse ) verwendet wird. Das bedeutet: Ein Zuschuss an einen nach deutschem Recht eigenwirtschaftlichen Verkehr zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen macht diesen nicht zu einem gemeinwirtschaftlichen Verkehr im Sinne des 13a PBefG. 4
5 III. Konsequenzen 1. Beihilferechtliche Fragen Nur vordergründig scheinen aufgrund der Verneinung der Beihilfeneigenschaft die gegenwärtigen Zuschüsse an ÖPNV- Unternehmen in der heutigen Form gerettet. Zwar müssen diese nicht per se als Beihilfe gem. Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag angemeldet werden. Ein nachträglicher pauschaler Defizitausgleich für nicht wirtschaftlich durchführbare Verkehre ist zukünftig aber auch nicht mehr möglich. Dies stellte der EuGH explizit fest, und auch die Kommission legte in einer ersten Bewertung des Urteils viel Wert auf diese Feststellung. Vielmehr sind vor Erteilung einer Linienkonzession die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, etwa bestimmte Standards der Erbringung von ÖPNV-Leistungen, zu definieren, transparent zu machen und die Höhe des Ausgleichs daran auszurichten. Hierin liegt auch die eigentliche Kernaussage des Urteils. Nicht die Tatsache, dass der Nahverkehr oft nur defizitär erbracht werden kann, stellt ein Problem dar. Auch in Zukunft werden für die Erbringung eines qualitativ hochwertigen Nahverkehrs öffentliche Mittel gebraucht. Allerdings ist bei der Berechnung der Höhe dieses Ausgleichs ein Verfahren einzuhalten, das die Zuschüsse auf das erforderliche Maß beschränkt. Überkompensationen werden in Zukunft nicht mehr geduldet. Die Berechnung muss daher transparent anhand objektiver Maßstäbe und v.a. vor Zuschussgewährung erfolgen. Pauschale Verlustausgleiche im Nachhinein sind daher nicht mehr möglich. Diese Vorgaben stellen die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen vor große Herausforderungen. So bedarf es einer genauen Definition dessen, was Teil der gemeinwirtschaftlichen Leistungserbringung ist. Diese notwendige Definition von Leistung und Gegenleistung wird zweckmäßigerweise in einem Verkehrsvertrag vorzunehmen sein. Sieht man sich die Anforderungen an eine beihilfenfreie Zuschussgewährung im Rahmen eigenwirtschaftlicher Verkehrserbringung an, so ergibt sich bei Lichte betrachtet eine Annäherung des Zuschussregimes von eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren. Diese Anforderungen stellt nämlich in ähnlicher Weise auch die VO 1191/69 auf, die gem. 13a PBefG nur für gemeinwirtschaftlich betriebene Verkehre gilt. Der Unterschied liegt jedoch v.a. darin, dass es bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren auf den geringsten Zuschussbedarf ankommt, während der Zuschuss an eigenwirtschaftliche Verkehre auf der Basis des Bedarfs eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens errechnet wird. Gegenwärtig erfüllen viele Verkehrsunternehmen neben eigentlichen unternehmerischen Aufgaben, die zugleich gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen sind, auch solche, die strenggenommen dem Aufgabenträger als Besteller von Verkehrsleistungen obliegen (z.b. im Bereich der Verkehrsplanung etc.). Um die Anforderungen des EuGH nach exakter Definition der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und zur Vermeidung von Überkompensationen zu erfüllen, kann zum einen die konsequente Trennung von Besteller- und Erstellerfunktionen vorgenommen werden. Zum anderen ist es auch denkbar, diejenigen Aufgaben, die das Verkehrunternehmen zusätzlich erbringt, auch in einem solchen Verkehrsvertrag zu definieren und entsprechend zu vergüten. 2. Vergaberechtliche Fragen Der EuGH statuiert keine generelle Pflicht zur Ausschreibung von eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehrsdienstleistungen. Eine Ausschreibungspflicht besteht nach geltendem Recht also weiterhin nur im Bereich der gemeinwirtschaftlichen Verkehre gem. 13a PBefG. Indem der EuGH eine Kostenkontrolle nur für den Fall vorsieht, dass keine öffentliche Ausschreibung durchgeführt wurde, gibt er zu erkennen, dass er ein Vergabeverfahren grundsätzlich für die am besten geeignete Methode zur Ermittlung des Wertes 5
6 der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen hält und damit zum Ausschluss von Überkompensationen betrachtet. Damit entspricht er einer von der Kommission präferierten Sichtweise. In einer ersten Stellungnahme hat auch die Kommission eine europaweite Ausschreibung empfohlen. Soweit der EuGH alternativ eine Analyse der Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens ausreichen lässt, so verweist er, ohne es auszusprechen, auf eine Kostenkontrolle, wie sie in der sektorspezifischen Regulierung anderer traditionell staatlich beeinflusster Wirtschaftsbereiche anzutreffen ist, wie z. B. im Telekommunikations und Energiebereich. Dabei handelt es sich um einen vergleichsweise milden Maßstab. Denn wenn nunmehr als Wert der gemeinwirtschaftlichen Leistungen die Kosten eines Durchschnittsunternehmens gelten sollen, so weicht dies insoweit von den in einem Vergabeverfahren erreichten Preis ab, als dort der Zuschlag dem wirtschaftlichsten Angebot bzw. dem geringsten Zuschussbedarf gebührt. 3. Mehr Rechtssicherheit? Da der EuGH lediglich über beihilfenrechtliche Fragen zu befinden hatte, hat sein Urteil auch keinerlei Auswirkungen auf vorhandene eigenwirtschaftliche Linienkonzessionen. Von diesen kann bis zum Ende der Laufzeit Gebrauch gemacht werden. Insoweit besteht Rechtssicherheit. Inwieweit sich die Entscheidung des EuGH bei der Neuerteilung von Linienkonzessionen auswirkt, wird zunächst der Entscheidung des vorlegenden BVerwG im Altmark Trans -Verfahren zu entnehmen sein. Das zwischenzeitlich ausgesetzte Verfahren wird nun wieder aufgenommen. Da die Entscheidung des BVerwG zwar einen konkreten Rechtsfall betrifft, dabei jedoch über grundsätzliche Fragen bei der Auslegung des PBefG zu befinden sein wird, wird dieses Urteil ebenfalls von großer Bedeutung sein. Wir rechnen mit einer Entscheidung des BVerwG erst im Jahre 2004, da die Frage der Bestimmtheit der Ausnahme vom Anwendungsbereich noch einmal zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden wird. Allerdings bestehen Zweifel, ob tatsächlich Rechtssicherheit geschaffen wird, wenn die Verkehrsunternehmen in Deutschland nunmehr vor die Frage gestellt sind, ob sie dem Kostenmaßstab durchschnittlicher Vergleichsunternehmen genügen oder nicht. Freilich können sie dies zunächst einmal bis zum Beweis des Gegenteils für sich in Anspruch nehmen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass es sich bei Zuschüssen, die Überkompensationen enthalten, um Beihilfen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag handelt. Unabhängig davon aber muss ein Mechanismus zum finanziellen Ausgleich geschaffen werden, der den vor allem auch verfahrensmäßigen Anforderungen des EuGH entspricht, um diese Zuschüsse beihilfenresistent zu machen. Wirkliche Rechtssicherheit auch mit entsprechenden Übergangsfristen, die für die einem tiefgreifenden Umstrukturierungsprozess unterworfenen Verkehrsunternehmen in jedem Fall nötig sind kann daher nur eine rechtsetzende Maßnahme in Gestalt einer neuen Marktzugangsverordnung schaffen. Es ist zu hoffen, dass der seit in geänderter Fassung vorliegende Entwurf der Kommission (KOM(2002) 107 endg.) nun zügig im Rat aufgegriffen und einer Verabschiedung zugeführt wird. Eine unmittelbar wirkende Verordnung der Europäischen Gemeinschaft ist einer allein dem allgemeinen Beihilfenrecht folgenden Liberalisierung des Nahverkehrs durch die Hintertür, wenn auch jetzt nur für den Fall konkreter Beschwerden bei der Kommission, eindeutig vorzuziehen. 4. Steuerrechtliche Fragen Die Bezuschussung des ÖPNV erfolgt in vielen kommunalen Verkehrsunternehmen im Rahmen des (steuerlichen) Querverbunds. Ob nunmehr die von EuGH aufgestellten Kriterien der Bezuschussung (konkrete Definition der ausgeglichenen 6
7 2. BBH-ÖPNV News gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, Transparenz) zu einer anderen steuerlichen Betrachtung führen werden, bleibt abzuwarten. Falls ja, müssten etwaige zusätzliche steuerliche Belastungen der Kommunen im Rahmen der anstehenden Gemeindefinanzreform kompensiert werden. IV. Fazit 1. Das BVerwG wird zu entscheiden haben, ob die durch das PBefG vorgenommene teilweise Ausnahme von der Anwendung der VO 1191/69 für eigenwirtschaftliche Verkehre den Bestimmtheitsanforderungen des EuGH genügt. Nur dann fallen diese nicht unter das Regime der Verordnung mit ihrem Geringste-Kosten-Ansatz. 2. Unabhängig von der VO 1191/69 verlangt der EuGH keine generelle Ausschreibung von Verkehrsleistungen, die auf Zuschüsse angewiesen sind. 3. Jedoch stellt er strenge Kriterien auf, unter denen eine Zuschuss für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen zulässig ist. Insoweit nähern sich die Voraussetzungen für Zuschüsse an eigenwirtschaftlich arbeitende Verkehrsunternehmen denjenigen im Falle der Gemeinwirtschaftlichkeit im Sinne des 13a PBefG, der direkt auf die VO 1191/69 verweist. 4. Echte Rechtssicherheit ist durch dieses Urteil nicht geschaffen worden, da Verkehrsunternehmen nicht sicher sein können, ob ihre Zuschüsse tatsächlich nicht überkompensierenden Charakter haben. eines schrittweisen Übergangs in den Wettbewerb sehr sinnvoll. V. Weiterführende Veranstaltungen und Literaturhinweise Wir möchten Sie auf die Veranstaltung am mit dem Thema: CiTOP Spezial: EuGH akut! in Köln aufmerksam machen. Die Veranstaltung wird von IIR ausgerichtet und widmet sich explizit dem EuGH-Urteil in Sachen Altmark Trans. Auf dieser Veranstaltung stellt seitens Becker Büttner Held Herr Rechtsanwalt Dr. Sascha Michaels Eckpunkte einer Zukunftsweisenden Organisation und Finanzierung kommunaler Infrastruktur im ÖPNV vor. Dem regulierten Wettbewerb in der Querverbundsparte Energie widmet sich der Studienkreis Regulierung der Netzwirtschaften, Energie - Post - Telekommunikation - Verkehr am im Bundespresseamt Berlin unter dem Thema Regulierung der Energiewirtschaft. Programm und Anmeldeformular erhalten Sie unter christian.theobald@bbhberlin.de. Abschließend noch einige aktuelle Literaturhinweise: - Hummel/Theobald, Fusionskontrolle im ÖPNV-Markt, in: DER NAHVERKEHR 2003 Michaels/Theobald, Aktuelle Entwicklungen im Recht des ÖPNV, in: Versorgungswirtschaft 2003, S. 125 ff. 5. Die Verabschiedung einer neuen Verordnung über den Marktzugang im ÖPNV ist auch unter dem Gesichtspunkt Auf Anfrage übersenden wir Ihnen diese Beiträge gerne. Herausgeber: Becker Büttner Held, Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Köpenicker Straße 9, Berlin, Dr. Christian Theobald, Mag. rer. publ., Dr. Sascha Michaels Axel Kafka christian.theobald@bbh-berlin.de sascha.michaels@bbh-berlin.de axel.kafka@bbh-berlin.de 7
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