Regierungsrat des Kantons Schwyz
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- Justus Bayer
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1 Regierungsrat des Kantons Schwyz Beschluss Nr. 201/2011 Schwyz, 22. Februar 2011 / ju Initiativbegehren Familien stärken Ja zu Ergänzungsleistungen für Familien Bericht und Antrag an den Kantonsrat 1. Wortlaut der Initiative Am 14. Dezember 2009 hat eine Abordnung der Sozialdemokratischen Partei des Kantons Schwyz der Staatskanzlei die Unterschriftenbogen des Initiativbegehrens Familien stärken Ja zu Ergänzungsleistungen für Familien überbracht. Das Initiativbegehren stützt sich auf 31 Abs. 2 der Kantonsverfassung und verlangt in der Form der allgemeinen Anregung Folgendes: In Kanton Schwyz sind zur Unterstützung von wirtschaftlich schwachen Familien die gesetzlichen Grundlagen für Ergänzungsleistungen für Familien zu schaffen. Diese gesetzlichen Grundlagen sind bis spätestens zum 1. Januar 2012 umzusetzen. 2. Formelle und materielle Anforderungen 2.1 Zustandekommen Die Initiative ist mit 2916 Unterschriften von im Kanton Schwyz wohnhaften Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern unterzeichnet. Davon sind 2899 Unterschriften beglaubigt. Nach 31 Abs. 2 der Kantonsverfassung können 2000 Stimmberechtigte u.a. die Erlassung eines neuen Gesetzes verlangen. Mit den beglaubigten 2899 Unterschriften steht fest, dass das Initiativbegehren zu Stande gekommen ist. 2.2 Einheit der Materie Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben in Abstimmungen Anspruch auf eine unverfälschte Willenskundgabe (Bundesgerichtsentscheid/BGE 125 I 230 f.). Volksinitiativen haben deshalb den Grundsatz der Einheit der Materie zu wahren (vgl. Art. 34 Abs. 2 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft). Dieser Grundsatz ist dann verletzt, wenn mehrere wichtige Teilfragen zum Entscheid anstehen, die begründeterweise teils bejahend und teils verneinend beantwortet werden könnten.
2 Die Initiative wahrt die Einheit der Materie. Sie beschränkt sich auf die finanzielle Unterstützung von wirtschaftlich schwachen Familien. 2.3 Einheit der Form Das Initiativbegehren ist in der Form der allgemeinen Anregung eingereicht worden. Das Begehren fordert die Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien (FamEL), wobei nur Leistungen an wirtschaftlich schwache Familien auszurichten sind. Die Einheit der Form ist gewahrt. 2.4 Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Nach dem Willen der Initianten sollen die Familienergänzungsleistungen nach den gleichen R e- geln wie die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV ausgestaltet werden. Es handelt sich demnach um Bedarfsleistungen, wobei ein Anspruch dann besteht, wenn die vom Gesetz anerkannten Ausgaben höher sind als die anrechenbaren Einnahmen. Gemäss Art. 41 der Bundesverfassung setzen sich Bund und Kantone in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative u. a. dafür ein, dass jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung und Verwitwung gesichert ist. Die auf Bundesebene dazu geschaffenen Sozialversicherungsgesetze dienen unter anderem der Verhinderung von Armut. Die Unterstützung von Bedürftigen, welche nicht genügend für sich selber oder für ihre Familie sorgen können, ist - ausserhalb der Sozialversicherungen - Sache des Wohnkantons. Im Kanton Schwyz erfolgt diese Unterstützung über die durch die Gemeinden finanzierte Sozialhilfe. Es ist den Kantonen unbenommen, höhere Leistungen als in den Sozialversicherungsgesetzen vorzusehen oder zusätzliche Leistungen zur Unterstützung aller oder bestimmter Personen oder Familien auszurichten. Die Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien im Kanton Schwyz ist demnach vereinbar mit höherrangigem Recht. Dies zeigen auch die Beispiele der Kantone Tessin und Solothurn, die beide entsprechende Sozialleistungen kennen. 2.5 Gültigkeit Die Ungültigkeit der Initiative könnte gegeben sein, wenn sie übergeordnetem Recht widerspräche oder undurchführbar wäre. Beides ist hier nicht der Fall. Die Initiative ist deshalb als gültig zu erklären und dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. 3. Motion M 9/2005: Einführung von EL für einkommensschwache Familien 3.1 Erheblich erklärte Motion M 9/2005 Bereits mit der Motion M 9/2005 verlangte die SP-Fraktion des Kantonsrates die Ausarbeitung einer Gesetzesvorlage, die eine Einführung von Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien zum Ziel hat. Der Regierungsrat hat dem Kantonsrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln und erheblich zu erklären. An der Sitzung vom 19. Oktober 2005 hat der Kantonsrat die Motion Ergänzungsleistungen für Familien erheblich erklärt. Der Regierungsrat wurde damit verpflichtet, eine entsprechende gesetzliche Regelung auszuarbeiten. 3.2 FamEL analog EL zur AHV/IV Im Auftrag des Regierungsrates hat das Departement des Innern eine Vorlage ausgearbeitet. Das vorgeschlagene Modell einer EL für Familien lehnt sich stark an die Ergänzungsleistungen zur - 2 -
3 AHV/IV an. Allerdings beschränken sich die Leistungen auf Familien mit kleinen Kindern. Der Vorschlag setzt stark auf die eigene wirtschaftliche Verantwortung der Eltern, indem einerseits ein effektiv erzieltes Erwerbseinkommen privilegiert (das heisst nur teilweise) und andererseits ein hypothetisches Einkommen angerechnet wird, wenn keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. 3.3 Kontroverse Vernehmlassungsantworten Am 10. Februar 2009 wurde mit Beschluss des Regierungsrates (Nr. 163/2009) das Vernehmlassungsverfahren eröffnet. Der Vorschlag der Regierung wurde im Ansatz knapp gutgeheissen. Das Modell der Bedarfsleistung wurde mehrheitlich begrüsst, wobei verschiedene Anregungen in Bezug auf die maximalen Leistungen, das Alter der berechtigten Kinder und den Einbezug der Kinderbetreuungskosten gemacht wurden. Mehrere Vernehmlasser äusserten sich jedoch kritisch zur Höhe der Ausgaben und zum Kostenteiler. 3.4 Streichung aus dem Gesetzgebungsprogramm Der Kantonsrat hat an der Sitzung vom 20. Mai 2009 das von ihm selbst verlangte Gesetz über die EL für Familien wieder aus dem Gesetzgebungsprogramm gestrichen mit der Begründung, dass der Kanton bereits diverse Einrichtungen zur Bekämpfung von Armut auch in Familien kenne (Prämienverbilligung, Kinderzulagen, Ausgleich der kalten Progression im Steuergesetz sowie die Sozialhilfe). Das Geschäft wurde aus diesem Grund nicht weiter verfolgt, materiell könnte jedoch jederzeit auf diese Vorarbeiten zurückgegriffen werden. 4. Stellungnahme zum Initiativbegehren 4.1 Zustimmung oder Ablehnung der Initiative Mit 2899 beglaubigten Unterschriften kam das Initiativbegehren klar zustande. Das Resultat kann so interpretiert werden, dass eine bessere Unterstützung der Familien verlangt wird, wofür die Ergänzungsleistungen für Familien ein Instrument sein können. Der Regierungsrat hatte seinerzeit beantragt, die eingereichte Motion M 5/09 (Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien) in ein Postulat umzuwandeln und erheblich zu erklären. Diesem Antrag folgte der Kantonsrat nicht. Er erklärte die Motion für erheblich. In der Folge erarbe i- tete der Regierungsrat eine Vorlage zur Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien und führte ein Vernehmlassungsverfahren durch. Ohne Kenntnis der Vernehmlassungsresultate hat das Kantonsparlament im Frühsommer 2009 das Geschäft Ergänzungsleistungen für Familien aus dem Gesetzgebungsprogramm gestrichen. Dieser Zwiespalt zeigt sich auch in der Bundespolitik und in der Entwicklung in den Kantonen: Auf Stufe Bund wird die Idee von FamEL aktiv vorangetrieben, ohne jedoch bis heute konkrete Entscheidungen des Bundesparlamentes herbeigeführt zu haben. Im Bericht des Bundesrates vom 31. März 2010 über eine Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung setzt der Bundesrat sechs Schwerpunkte. Drei davon befassen sich direkt oder indirekt mit dem Thema FamEL. Es sind dies die Themenbereiche: Kinder in armutsbetroffenen Familien, Familienarmut und Bedarfsleistungen ohne Schwelleneffekte und verbesserte Koordination. Auch in den Kantonen ist keine klare Linie zu erkennen: Zum einen wurde eine Initiative für FamEL im Kanton Zürich im Jahr 2007 an der Urne deutlich verworfen. Zum anderen wurde auf den 1. Januar 2010 im Kanton Solothurn die EL für Familien als Bestandteil des Sozialhilfegesetzes eingeführt, und der Kanton Tessin kennt ein derartiges Gesetz seit einigen Jahren. Anlässlich der Jahrestagung 2009 der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirekto
4 ren (SODK) konnte zur Kenntnis genommen werden, dass in verschiedenen Kantonen die Abklärungen für die Einführung von Bedarfsleistungen für Familien oder die explizite Unterstützung von Kindern von wirtschaftlich schwachen Familien laufen Für eine Zustimmung zur Initiative sprechen: Unbestrittenermassen können FamEL ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Familienarmut sein. Mit FamEL werden die Sozialhilfeabhängigkeit vermindert und der soziale Status der Familie gefördert. Es ist eine teilweise Entlastung der Gemeinden bei der Sozialhilfe zu erwarten. Die FamEL können ein Baustein einer modularen Familienpolitik sein, dies in Ergänzung zu anderen Leistungen wie Familienzulagen und Prämienverbilligung. Der Bundesrat empfiehlt den Kantonen am 31. März 2010 in seiner Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung die Einführung von Zusatzleistungen für einkommensschwache Familien. EL für Familien sind Bedarfsleistungen, die zum Zug kommen, wenn alle anderen Möglic h- keiten (vorbehalten Sozialhilfe) ausgeschöpft sind. Das Subsidiaritätsprinzip wird gewahrt Gegen eine Zustimmung zur Initiative sprechen: Der Bezug von FamEL ist nur bis zu einem bestimmten Alter der Kinder möglich. Es fehlt ein gesamtschweizerischer Lösungsansatz. Modellrechnungen im Rahmen der Erarbeitung eines Familienzulagengesetzes ergaben einen finanziellen, wiederkehrenden Aufwand von rund 22 Millionen Franken für die Unterstützung von cirka Familien. Dies ist für die öffentliche Hand eine erhebliche Ausgabe, auch wenn dadurch Sozialhilfeleistungen teilweise reduziert werden können. Mit der Einführung der Pflegefinanzierung per 1. Januar 2011 werden die Gemeinden und der Kanton zusätzlich belastet. Mit den bestehenden Instrumenten der Prämienverbilligung und der Familien- bzw. Kinderzulagen können mit weniger finanziellen Mitteln wirtschaftlich schwache Familien gezielter entlastet werden. Die Finanzhaushaltsverordnung fordert mittelfristig ausgeglichene Voranschläge. Die Haushaltsstrategie des Regierungsrates schliesst somit die Einführung von FamEL wegen der grossen finanziellen Folgen derzeit aus. 4.2 Fazit Die grundsätzlich staatspolitische Zielsetzung, nämlich die Verhinderung von Armut und insbesondere von Familienarmut, ist zentral. In der Gesamtbetrachtung überwiegen jedoch die Argumente gegen die Wiederaufnahme der Gesetzesarbeiten für FamEL. Die Initiative ist deshalb zur Ablehnung zu empfehlen. Beschluss des Regierungsrates 1. Dem Kantonsrat wird beantragt: a) die Volksinitiative Familien stärken Ja zu Ergänzungsleistungen für Familien als zu Stande gekommen und zulässig zu erklären; b) die Volksinitiative den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Ablehnung zu empfehlen
5 2. Zustellung: Mitglieder des Kantons- und Regierungsrates; Initiativkomitee; Departement des Innern (3); Ausgleichskasse Schwyz. Im Namen des Regierungsrates: Armin Hüppin, Landammann Dr. Mathias E. Brun, Staatsschreiber - 5 -
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