Sichert die Novelle des SGB VIII das Kindeswohl durch die öffentliche und freie Jugendhilfe?
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- Albert Weiß
- vor 8 Jahren
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1 Kinder- und Jugendpsychiatrie Universitätsklinikum Tübingen 9. Tübinger Kinderschutzkolloquium am Sichert die Novelle des SGB VIII das Kindeswohl durch die öffentliche und freie Jugendhilfe? Sehr geehrte Damen und Herren, Vielen Dank für die Einladung zu Ihrem diesjährigen Kinderschutzkolloquium. Wenn ich in meinem Titel frage, ob die Novelle des SGB VIII das Kindeswohl sichert, so stellt sich natürlich die Frage, ob das Kindeswohl vor der Novelle des SGB VIII nicht gesichert war. Aus diesem Grund muss ich mich nicht nur mit der Novelle des SGB VIII beschäftigen, sondern auch einige Überlegungen zu der Situation der Kinder- und Jugendhilfe vor der Novelle anstellen. Insofern ergibt sich für mein kurzes Referat folgender Aufbau: Bevor ich auf die Novellierung des SGB VIII eingehe, möchte ich in einem ersten Teil 1) die Risiken des Aufwachsens von Kindern durch die herrschende Familienideologie in unserer Gesellschaft aufzuzeigen, um dann 2) die gesetzliche Stellung und Aufgabe der Jugendhilfe darzustellen und in bezug auf die Abwendung von Gefährdungssituationen zu bewerten und 3) im dritten Schritt die organisatorische Umsetzung dieses gesetzlichen Anspruchs auf ihre Praktikabilität und Eignung hin prüfen Im zweiten Teil meines Referates beschäftige ich mich dann mit der Novellierung des SGB VIII. Allerdings beschränke ich mich auf zwei Gesichtspunkte: 4) Zum einen möchte ich kurze Anmerkungen zur Steuerungsverantwortung des Jugendamtes machen, 5) Zum anderen widme ich den Vorschriften des Schutzauftrages und den sich daraus ergebenden neuen Anforderungen zu widmen. zu 1) In Deutschland ist die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die Ihnen zuvörderst obliegenden Pflicht (Art. 6 Abs. 2. GG). Dieses Grundrecht sichert der Familie erst einmal das Recht auf Privatheit. Für Kinder bedeutet dies: Sie müssen mit den Eltern, die sie haben, und mit den Verhältnissen, in die sie hineingeboren wurden leben. Eine banale Aussage, denken Sie? Sie haben recht, aber genau hinter dieser Aussage steckt
2 meines Erachtens das größte Gefährdungsrisiko des Kindeswohl. Bedeutet dies doch, das Eltern, wenn sie nicht wollen, keine Vorsorgeuntersuchungen vornehmen lassen, keine ausreichende materielle Versorgung sicherstellen, keine emotionale Bindung zu ihren Kindern aufbauen, ihre Kinder nicht in Kindertagesbetreuung bringen, usw. Wenn es Eltern darauf anlegen, können Sie Ihre Kinder bis zum Schuleintritt weitgehend vom öffentlichen Leben abschotten und auch kindeswohlgefährdende Erziehungsmethoden anwenden. Um aber genau dieses Risiko abzuwenden, hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die staatliche Gemeinschaft über die Wahrnehmung der elterlichen Pflichten und Rechte wacht (ART. 6 Abs. 2 Satz 2 GG). Es handelt sich jedoch um ein gegenüber dem Elternrecht nachrangiges Recht. Deshalb muss nicht jede Geburt dem Jugendamt das dieses Wächteramt innehat angezeigt werden. Das Wächteramt kann nur passiv ausgeübt werden; nur wenn dem Jugendamt bestimmte prekäre familiäre Situationen bekannt werden, kann es reagieren. Als maßgebliche Schwelle für die Wahl der Mittel hat der Gesetzgeber den objektiven Gefahrenzustand ( gewichtige Anhaltspunkte ) für das Kindeswohl und die Kindesentwicklung gesetzt. Unterhalb dieser Schwelle gilt das Primat der Dienstleistung: Eltern werden beratende und unterstützende Angebote offeriert, die ohne Konsequenzen angenommen werden können oder auch nicht. Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass die Eltern in den meisten Fällen sehr wohl wissen, wann sie Unterstützung benötigen und diese dann auch holen. Nur wenn das Kindeswohl gefährdet ist, wird die Schwelle der Dienstleistung überschritten und das Jugendamt hat das Recht mit einer Entscheidung des Familiengerichts massiv in das elterliche Erziehungs- und Sorgerecht einzugreifen. Wie problematisch dieses Strukturproblem der dienstleistungsorientierten Wächterfunktion ist, zeigen öffentliche Diskussionen. In den Medien wird das Jugendamt bei entsprechenden Anlässen genauso oft als böse Kinderwegholbehörde verteufelt wie auf der anderen Seite als untätige und ihre Pflichten vernachlässigende Behörde beschimpft. Mein erstes Fazit lautet somit: Bevor gesetzliche und organisatorischen Rahmenbedingungen und Regelungen der Jugendhilfe überhaupt greifen können, ist das Risiko einer nicht bemerkten Kindeswohlgefährdung sehr groß. Wie beschreibt nun der Gesetzgeber die Wächterfunktion, um den Schutz von Kindern zu gewährleisten? Die für die Wächterfunktion einschlägige Rechtsnorm ist das SGB VIII. Dort wird in 1 die Erziehungspflicht und das Erziehungsrecht dahingehend konkretisiert, dass jedes Kind das Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat. (Gestatten Sie mir eine provokative Klammerbemerkung: Kennen diese Erziehungsrechte alle Eltern werden? Wer sagt Eltern das
3 dies ein Kinderrecht ist?) Das SGB VIII stellt auch klar, welche Aufgaben das Jugendamt zu übernehmen hat und welche Leistungen zur Verfügung gestellt werden müssen, um die Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungspflichten zu unterstützen, bzw. um das Wächteramt wahrzunehmen. Ich nehme an, Sie kennen alle den Aufbau des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und wissen, dass die Bandbreite der Leistungen, von allgemeinen Leistungen (z.b. KITA) bis zu speziellen Einzelfallhilfen reicht. Sie stimmen mir sicher auch zu, dass ich in meinem zweiten Fazit zu dem Urteil komme die im Gesetz beschriebenen Aufgaben und Leistungen bei objektiver Betrachtung bestens geeignet sind, um jede notwendige Hilfe in jedem Einzelfall zur Verfügung zu stellen. Welche Organisationsform hat der Gesetzgeber gewählt um diese Aufgaben und Leistungen im Sinne des Kindeswohls zu bewältigen bzw. bereitzustellen? Sie alle kennen das Organisationssystem der Jugendhilfe, deswegen möchte ich an dieser Stelle nur kurze und fragmentarische Aussagen dazu machen, die zu einer Bewertung des Systems notwendig sind. Erstens hat der Gesetzgeber das staatliche Wächteramt federführend dem örtlichen Jugendamt auf Landkreis- bzw. Stadtebene in die Hand gelegt. Dabei hat er bedacht, dass Jugendhilfeleistungen hauptsächlich in kleinräumigen, nah an den Lebensverhältnissen von Kindern angesiedelten Organisationen erfolgen muss. Zweitens hat der Gesetzgeber durch die Zweigliedrigkeit des Jugendamtes die Voraussetzungen geschaffen, politisch auf gesellschaftliche Entwicklungen einzuwirken, bzw. politisch die Bedingungen der Kinder- und Jugendhilfe zu gestalten. Dies geschieht durch den Jugendhilfeausschuss. Außerdem hat er die Verwaltung des Jugendamtes auf Fachlichkeit verpflichtet, indem in den sozialen Diensten Fachkräfte einzusetzen sind, die notwendige sozialpädagogische Fachkompetenz für Kinderschutzfragen besitzen. Als drittes Element im System der Jugendhilfe hat der Gesetzgeber die freien Träger der Jugendhilfe durch das Subsidiaritätsprinzip gestärkt. Diese freien Träger zeichnen sich durch eine hohe Fachlichkeit, Flexibilität in der Organisation von Hilfen und große Innovationsbereitschaft aus. Letzteres ist für eine Entwicklung einer modernen Jugendhilfe besonders bedeutsam und gelingt oft nur durch Gewinnung und Bereitstellung zusätzlicher Mittel durch die freien Träger. Vom Verfahren her, vernetzt die Vorschrift des 36 SGB VIII (Hilfeplanung) die verschiedenen Beteiligten in einem Prozess der Hilfeplanung und im Ringen um die bestmögliche Hilfe. Ich komme in einer Gesamtbeurteilung des Systems zu folgendem Ergebnis: Wenn man einmal davon absieht, dass sich Familien im Grunde bis zur Einschulung des Kindes gesellschaftlichen Kontrollmöglichkeiten entziehen
4 können, sind die gesetzlichen, organisatorischen und fachlichen Voraussetzungen hervorragend geeignet, um eine bekannt gewordene oder drohende Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Wieso hat sich der Gesetzgeber dann zu einer Novellierung des SGB VIII entschlossen, wenn alles so wunderbar geregelt ist. Wie Sie vielleicht wissen, wurde die Diskussion um die Novelle des SGB VIII auch stark unter finanziellen Gesichtpunkten geführt. Es wurden einige Anträge zu Leistungseinschränkungen bzw. Leistungsbegrenzungen in das Novellierungsverfahren eingebracht. Um nur einige Beispiele zu nennen, - sollte in die Jugendhilfe eine Finanzkraftklausel eingeführt werden, d.h. Jugendhilfeleistungen hätten nur noch in Abhängigkeit der aktuellen Finanzkraft eines Landkreises erbracht werden können - sollte durch die Streichung des 35a SGB VIII (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen) und durch die weitgehende Abschaffung des 41 SGB VIII (Hilfen für junge Volljährige) konkrete Leistungsbereiche eingeschränkt werden - sollte durch eine Kostenbeteiligung für ambulante Hilfen die Einnahmeseite verbessert - und ein ganz rigider Kinderschutz, der sich nur auf Delinquenz und Missbrauchssituationen bezieht, eingeführt werden. Unter Berücksichtigung dieser Diskussionen im Vorfeld, sind die in der Novellierung vorgenommenen gesetzlichen Änderungen erstaunlich eng an der Philosophie des KJHG geblieben. Finanzielle Leistungseinschränkungen sind so gut wie nicht aufgenommen worden, sieht man von der Neuregelung des Kostenbeitrags ab. In welchen Bereichen ist das SGB VIII mit welcher Intention novelliert worden? Es lassen sich vier große Bereich unterscheiden: - der Kinderschutz und alle damit zusammenhängenden Fragen - die Steuerungsverantwortung des Jugendamtes - die Kostenbeteiligung - die Konkretisierung in einzelnen Leistungsbreichen An dieser Stelle möchte ich nur zwei pointierte Anmerkungen zur Steuerungsverantwortung des Jugendamtes machen und mich ansonsten ganz auf die Regelungen im Bereich des Kinderschutzes begrenzen. Alles andere würde den Rahmen des Tagungsprogramms sprengen. Zum einen hat die Jugendhilfe genau zu prüfen, ob nicht andere Leistungsträger vorrangig zuständig sind. Dies ist nicht neu, aber als besondere Aufgabe konkretisiert worden. Hintergrund für diese Konkretisierung ist der zunehmende Rückzug anderer zuständiger Leistungsträger aus ihrer Leistungsverantwortung. Da wir hier in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind,
5 müssen in diesem Zusammenhang vor allem die Krankenkassen genannt werden, die ihre Leistungen mehr und mehr einschränken. (z.b. was die Aufenthaltdauer in der Psychiatrie bezieht) Zum zweiten hat die Jugendhilfe Leistungen nur dann finanziell zu tragen, wenn sie auf dem Hintergrund der gesetzlichen Bestimmungen im Jugendamt entschieden worden sind. Dies gilt sogar gegenüber Entscheidungen von Familien- und Jugendgerichten. Die Steuerungsverantwortung ist in erster Linie aufgrund der Konflikte bei der Bestimmung einer seelischen Behinderung in das SGB VIII aufgenommen worden. Selbst die Zweiteilung der Aufgabenbeschreibung in 35a SGB VIII hat bei der Bestimmung einer seelischen Behinderung den Konflikt zwischen Medizin und Jugendhilfe nicht gelöst. Nun ist es klar und eindeutig. Das Jugendamt entscheidet über die Teilhabefähigkeit und ggf. die Art und Form der Hilfe. Gestritten werden kann nur noch darüber, ob das Jugendamt alle gesetzlichen Bestimmungen hinreichend berücksichtigt hat. (Wunsch- und Wahlrecht, Hilfeplanung, Beteiligung notwendiger Akteure usw.) Nach dieser kleinen Exkursion aber wieder zurück zum Thema: Warum hat der Gesetzgeber dem Kinderschutz bei der Novellierung so breiten Raum eingeräumt? Offensichtlich war der Gesetzgeber mit der Praxis in bezug auf den Kinderschutz der letzten 15 Jahre (seit Einführung des SGB VIII) aus vielfältigen Gründen nicht zufrieden. Was hat er nun verändert? Einerseits, so konstatiere ich als Sozialpädagoge, nicht viel. All die Regelungen und Verfahren, die nun eingefordert werden sind eigentlich schon immer fachliche Selbstverständlichkeiten gewesen. Andererseits hat sich sehr viel verändert: Durch klare Benennung der Verantwortlichkeiten, durch die Vorgabe von Verfahren, von Kooperationsvorschriften und Klärung der Datenschutzregelung ist der Kinderschutz verbindlicher geworden. Neben den Bestimmungen in 8a SGB VIII sind auch Regelungen für die Inobhutnahme ( 42 SGB VIII) für die Eignung der Fachkräfte ( 72 a SGB VIII) für die Aufsicht ( 43 SGB VIII) und andere geändert worden. Auch hier beschränke ich meine Ausführungen auf die Regelungen des 8a SGB VIII wohl wissend, dass um Detailfragen zu klären auch die anderen des SGB VIII betrachtet werden müssten. Zu 8 a SGB VIII im Einzelnen: - Der Gesetzgeber betont, dass Jugendämter und Einrichtungen und Dienste, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung auszuführen haben.
6 - Die Federführung für diesen Prozess hat das Jugendamt. Es hat durch geeignete Vereinbarungen sicherzustellen, dass die Einrichtungen und Dienste dem Schutzauftrag nachkommen. Dabei sind folgende zu den Aufgaben und Verfahren einzuhalten: - Wie oben in der Abgrenzung des Wächteramtes gegenüber dem Elternrecht erwähnt, ist die maßgebliche Schwelle zum Verlassen des reinen Dienstleistungsbereiches des Jugendamtes ein Gefahrenzustand für das Kindeswohl. Der Schutzauftrag des 8a SGB VIII bezieht sich explizit auf diese Schwellenüberschreitung. Um die Vorschriften nach 8 a SGB VIII anzuwenden, müssen gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. - Ist dies der Fall, hat das Jugendamt im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte das Gefährdungsrisiko unter Einbezug der Personensorgeberechtigten und des Kindes/Jugendlichen abzuschätzen. Personensorgeberechtigte können nur außen vor gelassen werden, wenn ihr Einbezug den Schutz des Kindes in Frage stellt. - Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von bestimmten Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese Hilfen anzubieten. Diese Anforderungen, die in 8a Abs. 1 an das Jugendamt gestellt sind, müssen durch Vereinbarungen mit Trägern und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, auch von diesen erfüllt werden. Eine Besonderheit ist, dass die Träger und Dienste bei der Risikoabschätzung eine erfahrene Fachkraft hinzuziehen müssen. In die Vereinbarung ist auch aufzunehmen, dass die Träger und Dienste auf Inanspruchnahme von Hilfen bei den Sorgeberechtigten hinwirken, ggf. das Jugendamt zu informieren, wenn die bei Ihnen gewährte Hilfen nicht ausreichen, um die Gefährdung abzuwenden. Neben diesen deutlichen Verfahrensregelungen ist in 8a Abs. 3 auch die Regelung zur Anrufung des Familiengerichtes aufgenommen worden, und in Abs. 4 die Art und Weise der Hinzuziehung anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei geregelt. Sie sehen, wirklich fachlich Neues habe ich Ihnen bis jetzt noch nicht erzählt. Warum also das ganze Theater um diesen 8a SGB VIII. Wenn Sie sich meine letzten Sätze durch den Kopf gehen lassen werden Sie feststellen, dass ich viel von unbestimmten Rechtbegriffen gesprochen habe, die definiert und in Verfahren gegossen werden müssen. Und dies macht die Schwierigkeit aus: - Es fängt damit an, dass sowohl jugendamtsintern als auch mit den Trägern und Diensten definiert werden muss, wann die Vorschriften
7 des 8a greifen. Also muss die Frage beantwortet werden: Wann fängt eine Kindeswohlgefährdung an, bzw. wann droht sie? Was sind gewichtige Anhaltspunkte? Was ist eine Risikoabschätzung, welche Konsequenzen müssen daraus gezogen werden? - Von den Verfahren her stellen sich folgende Fragen: Was sind mehrere Fachkräfte, die Zusammenwirken müssen? Wann gefährdet die Einbeziehung der Sorgeberechtigten, den wirksamen Kinderschutz? Wer definiert, wann eine Gefährdung abgewendet ist oder nicht? Wer ist die erfahrene Fachkraft die Träger und Dienste einbeziehen müssen? Was bedeutet die Verpflichtung, dass Träger und Dienste auf die Inanspruchnahme von (welchen) Hilfen hinwirken sollen? Was geschieht, wenn Träger und Dienste das Jugendamt darauf hinweisen, dass die bei ihnen gewährte Hilfe nicht ausreicht? Was geschieht, wenn sich Jugendamt und Träger/Dienste in dieser Frage nicht einig sind? Wann ist ein Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Gesundheitshilfe, der Polizei notwendig und wer definiert dies? Jetzt stellen Sie sich vor, diese Fragen und es sind längst noch nicht alle müssen Sie in einem Fall beantworten, der nicht worst case -Bedingungen erfüllt. Wo die Kindeswohlgefährdung nicht eindeutig auf der Hand liegt, sondern wo von einer latenten Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden muss, die eben nur knapp über der Grenze des Erträglichen liegt. All dies macht eines deutlich: Der Schutzauftrag kann nur im gegenseitigen Vertrauen kooperativ und durch sozialpädagogische fachliche Diskussionen wahrgenommen werden. Sowohl das Jugendamt, als auch Träger und Dienste sind darauf angewiesen, dass es ein gemeinsames Verständnis gibt. Sie sind aber auch darauf angewiesen, dass ein Vertrauen in das jeweilige Rollen- und Aufgabenverständnis besteht. Diese erforderliche Kooperation ist aber nicht in die Beliebigkeit der lokalen Akteure gestellt. Wenn nach der neuen Gesetzeslage z.b. eine eindeutige Kindeswohlgefährdung nicht verfolgt werden würde und es zu einem gerichtlichen Verfahren kämme, stünden alle Akteure die Kenntnis von dieser Gefährdungssituation hatten, am Pranger und müssten mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen rechnen. In meiner letzten Bewertung komme ich zu dem Ergebnis: Die Sicherung des Kindeswohls, die vor der Novellierung des SGB VIII zum Teil vom Verhalten der Akteure abhängig war, ist mir der Einführung des 8 a in das Gesetz wesentlich verbessert worden. Die Gefahr für die Akteure, bei einem Abweichen von einem festgelegten Verfahren notfalls juristisch haftbar gemacht zu werden, ist wesentlich erhöht worden. Damit wird der Kinderschutz bei allem noch zu definierenden Fragen eine verbindliche Aufgabe mit großer Verantwortung. Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.
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