NordÖR Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland



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Transkript:

NordÖR Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Herausgegeben von Prof. Dr. Wilfried Erbguth, Universität Rostock Hans-Jürgen Ermisch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hamburg Dr. Rolf Gestefeld, Präsident des OVG Hamburg Prof. Dr. Hans-Joachim Koch, Universität Hamburg Hannelore Kohl, Präsidentin des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern und des OVG Greifswald Dr. Hubert Meyer, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Niedersächsischen Landkreistages Ilsemarie Meyer, Präsidentin des OVG Bremen Dr. Herwig von Nieuwland, Präsident des OVG Lüneburg Prof. Dr. Alexander Proelss, Universität Trier Prof. Dr. Alfred Rinken, Präsident des Staatsgerichtshofs Bremen Prof. Dr. Ulrich Ramsauer, Vorsitzender Richter am OVG Hamburg, Universität Hamburg Prof. Dr. Utz Schliesky, Direktor beim Landtag von Schleswig-Holstein Hans-Joachim Schmalz, Präsident des OVG Schleswig Jan Peter Schröder, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Landkreistages Mecklenburg-Vorpommern Prof. Dr. Kay Waechter, Universität Hannover Zentrale Schriftleitung: VRiOVG Prof. Dr. Ulrich Ramsauer, Hamburg Universität Hamburg, Fakultät für Rechtswissenschaft, Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg Landesschriftleitungen in Bremen, Greifswald, Hamburg, Lüneburg, Schleswig Heft 9/2011 www.nordoer.de Abhandlungen Neuregelungen für die Genehmigung von Offshore-Windkraftanlagen und Leitungssystemen Von Dr. Julia Pfeil und Dr. Frank-Rainer Töpfer*, Frankfurt am Main/Berlin Am 30. Juni 2011 hat der Bundestag ein umfangreiches Gesetzespaket verabschiedet, das wesentliche Änderungen für die Förderung Erneuerbarer Energien, die Planung und Genehmigung von Stromleitungen und die Errichtung von Anlagen für die Erzeugung Erneuerbarer Energie mit sich bringt 1. Dieses Gesetzespaket beruht auf dem Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010 2, sowie auf dem 10-Punkte-Sofortprogramm zur Umsetzung des Energiekonzepts 3 des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesumweltministeriums. Das nun vom Bundestag beschlossene Gesetzespaket soll die in dem Sofortprogramm angekündigten Maßnahmen umsetzen 4. Ein wesentliches Ziel des Energiekonzepts ist die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch auf 18 % bis 2020 und eine weitere Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch auf 60 % bis 2050 5. Als einen wesentlichen Baustein, um dieses Ziel zu erreichen, sieht die Bundesregierung den Ausbau der Offshore-Windenergie. Der Ausbau der Offshore-Windenergie soll deutlich beschleunigt werden, und die Offshore-Windleistung soll bis 2030 auf 25 GW ausgebaut werden. Dafür müssen nach Einschätzung der Bundesregierung etwa 75 Mrd. investiert werden 6. Um den Ausbau der Offshore-Windenergie zu forcieren, sieht die Bundesregierung in dem Energiekonzept sowie in dem 10- Punkte-Sofortprogramm unter anderem Maßnahmen zur Vereinfachung und Straffung von Genehmigungsverfahren vor, und zwar zum einen für Offshore-Windkraftanlagen selbst, zum anderen aber auch für Energieleitungen, mit denen diese Anlagen an das Stromnetz an Land angeschlossen werden. Der folgende Beitrag stellt diese Maßnahmen vor und untersucht sie auf ihre Zulässigkeit und Wirksamkeit. * Die Autoren sind Rechtsanwälte der internationalen Kanzlei Baker & McKenzie in Frankfurt am Main und Berlin. 1 S. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Der Weg zur Energie der Zukunft sicher, bezahlbar und umweltfreundlich, Eckpunkte für ein energiepolitisches Konzept, 6.6.2011, «http://www.bmwi.de/bmwi/ Navigation/energie,did=405004.html» (zuletzt gesehen am 19.06.2011). 2 Bundesregierung, Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige Energiekonzept/ energiekonzept-final,property=publicationfile.pdf/ energiekonzept-final» (zuletzt gesehen am 19.06.2011. 3 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 10-Punkte-Sofortprogramm zum Energiekonzept, «http://www.bundesregierung.de/nsc_true/content/de/statischeseiten/ Breg/Energiekonzept/energiekonzept-final,pro perty=publicationfile.pdf/energiekonzept-final» bzw. «http://www.bm wi.de /BMWi/Redaktion/PDF/E/energiekonzept-10-punkte-sofortprog ramm,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de, rwb=true.pdf» (zuletzt gesehen am 19.06.2011). 4 S. nur den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung schiffahrtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 17/6077 vom 06.06.2011, S. 1. 5 Bundesregierung, Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige Energiekonzept/ energiekonzept-final,property=publicationfile.pdf/energiekonzept-final» (zuletzt gesehen am 19.06.2011), S. 4f. 6 Bundesregierung, Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige Energiekonzept/ energiekonzept-final,property=publicationfile.pdf/energiekonzept-final» (zuletzt gesehen am 19.06.2011), S. 9. 373

Abhandlungen Julia Pfeil und Frank-Rainer Töpfer 1. Änderungen des Genehmigungsverfahrens für Offshore-Windkraftanlagen Das Genehmigungsverfahren für alle Offshore-Anlagen, zu denen auch die Offshore-Windkraftanlagengehören, ist in der Seeanlagenverordnung (SeeAnlV) 7 festgelegt. Mit Offshore-Anlagen sind dabei solche Anlagen gemeint, die außerhalb des deutschen Küstenmeeres (der sog. 12-Meilen-Zone) errichtet werden, d.h. in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Gemäß anwendbarem Völkerrecht, d.h. dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) 8, steht den Küstenstaaten über die AWZ nicht die volle Souveränität zu, sondern lediglich einzeln aufgezählte souveräne Rechte (darunter z.b. das Recht, die AWZ für die Erzeugung von Energie aus Wind zu nutzen) 9. Daraus folgt nach wohl h.m., daß deutsche Gesetze in der AWZ nicht per se anwendbar sind, sondern nur dann, wenn sie eine sogenannte Erstreckungsklausel enthalten, die die Anwendbarkeit des betreffenden Gesetzes für die AWZ ausdrücklich anordnet 10. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) 11, das für die Genehmigung von Windkraftanlagen mit einer Höhe von wenigstens 50 Metern an Land gilt 12, enthält eine solche Erstreckungsklausel nicht und ist daher für Anlagen in der AWZ nicht anwendbar. Bei der SeeAnlV handelt es sich um eine nicht zustimmungspflichtige Verordnung; der Entwurf der Änderungen der See- AnlV ist daher nicht veröffentlicht worden. Die in der SeeAnlV geplanten Änderungen sind jedoch in dem Gesetzentwurf zur Änderung des Seeaufgabengesetzes (SeeAufgG) 13 dargestellt. Das SeeAufgG ist die rechtliche Grundlage für die SeeAnlV und muß zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen ebenfalls geändert werden. Daran zeigt sich ein grundlegendes Problem des Regelungssystems für die Genehmigung von Offshore-Anlagen. Ein Genehmigungsverfahren, das in seinen Anforderungen für den Betreiber einer Anlage mit dem Genehmigungsverfahren nach dem BIm- SchG vergleichbar ist, hat der Bundesgesetzgeber in einer Verordnung geregelt. Das wirft zumindest ernsthafte Bedenken auf, ob die SeeAnlV dem verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsgebot genügt, nach dem der Gesetzgeber die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festlegen muß und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlassen darf 14. Immerhin ist nun vorgesehen, in das SeeAufgG genauere Vorgaben für die Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens in der SeeAnlV aufzunehmen; dies dürfte die Bedenken im Hinblick auf das Wesentlichkeitsgebot etwas abmildern. Allerdings bringt die Änderung des SeeAufgG für einen anderen Punkt keine Abhilfe, an dem ernsthafte Bedenken bestehen, daß die Ermächtigungsgrundlage für die SeeAnlV im SeeAufgG den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Wesentlichkeitsgebots genügt: Nach der derzeitigen Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlage für die SeeAnlV ist es möglich, daß der Verordnungsgeber anstelle des Gesetzgebers selbst an wesentlichen Stellen über den Anwendungsbereich der SeeAnlV bestimmen kann 15. Das SeeAufgG sieht in 9 Abs. 4a ivm 1 Abs. 10a vor, daß das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Prüfung, Zulassung und Überwachung von Anlagen, einschließlich Bauwerken und künstlicher Inseln, in einer Verordnung regeln kann. Der Begriff der Anlage ist danach denkbar weit. Erst die SeeAnlV enthält eine Definition und nähere Eingrenzung des Begriffs der Anlage in 1 Abs. 2. Diese Beschränkung des Anwendungsbereichs der SeeAnlV, und damit der Anwendungsbereich der SeeAnlV, ist aber ohne Änderung der Ermächtigungsgrundlage im SeeAufgG veränderbar. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, daß bis zur Änderung der SeeAnlV im Juli 2009 lediglich solche Anlagen unter die SeeAnlV fielen, die der Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder anderen wirtschaftlichen Zwecken dienen ( 1 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SeeAnlV). Seit Juli 2009 gelten Anlagen, die meereskundlichen Untersuchungen dienen ( 1 Abs. 2 Nr. 3 SeeAnlV) ebenfalls als Anlage im Sinne der See- AnlV. Diese Weite der Ermächtigungsgrundlage im SeeAufgG wird besonders deutlich, wenn man 9 Abs. 4a, 1 Abs. 10a See- AufgG mit 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vergleicht, der sehr viel genauere Vorgaben dafür macht, für welche Art von Anlagen in einer entsprechenden Verordnung eine Genehmigungspflicht festgelegt werden kann. Angesichts der umfangeichen Änderungen im SeeAufgG, die genaue Vorgaben für das Verfahren vorsehen, das in der SeeAnlV festgelegt werden soll, erscheint es angebracht, auch die Regelungen der SeeAnlV als Gesetz zu verabschieden, um den oben dargelegten Bedenken zu begegnen. Ohnehin sprechen keine ersichtlichen Gründe dafür, die SeeAnlV als Verordnung zu erhalten. So gibt es beispielsweise keinerlei Anzeichen dafür, daß es nötig wäre, die SeeAnlV häufig und rasch neuen Gegebenheiten anzupassen, denn bisher ist die SeeAnlV seit ihrem Erlaß im Jahr 1997 erst zwei Mal geändert worden. Das Verfahren für die Genehmigung von Offshore-Anlagen, insbesondere von Offshore-Windkraftanlagen, wurde im wesentlichen in zwei Aspekten geändert: Zum einen sollen die Genehmigungen für Offshore-Anlagen gebündelt werden, zum anderen soll die Vorratshaltung von Genehmigungen für Offshore-Projekte vermieden werden 16. Die entscheidenden (gesetzlichen) Änderungen in der Ermächtigungsgrundlage für die SeeAnlV im SeeAufgG beschränken sich dabei auf 9 SeeAufgG, in den ein neuer Abs. 1a eingefügt wurde. 7 Verordnung über Anlagen seewärts der Begrenzung des deutschen Küstenmeeres, Seeanlagenverordnung vom 23. Januar 1997 (BGBl. I S. 57), die zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) geändert worden ist. 8 Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (SRÜ), UN DOC A/39/647; abgedruckt in 21 ILM 1261 (1982), in Kraft getreten am 16. November 1994. 9 Art. 56 SRÜ. 10 S. zu diesem Streit ausführlich Pfeil, Beseitigungspflichten für stillgelegte Anlagen, im Erscheinen. 11 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 1. März 2011 (BGBl. I S. 282) geändert worden ist. 12 S. Nr. 1.6 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen 4. BImSchV, Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I S. 504), die zuletzt durch Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung vom 26. November 2010 (BGBl. I S. 1643) geändert worden ist. 13 Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt, Seeaufgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2876), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Juli 2011 (BGBl. I S. 1512) geändert worden ist. 14 S. BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 126f. 15 S. dazu ausführlich Pfeil, Beseitigungspflichten für stillgelegte Anlagen, im Erscheinen. 16 S. Bundesregierung, Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige Energiekonzept/ energiekonzept-final,property=publicationfile.pdf/ene rgiekonzept-final» (zuletzt gesehen am 19.06.2011), S. 9; Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 10-Punkte-Sofortprogramm zum Energiekonzept, http://www.bundesregierung.de/nsc_true/content/de/ StatischeSeiten/ Breg/Energiekonzept/energiekonzept-final,property=p ublicationfile.pdf/energiekonzept-final bzw. http://www.bmwi.de / BMWi/Redaktion/PDF/E/energiekonzept-10-punkte-sofortprogramm,p roperty=pdf,bereich=bmwi,sprache=de, rwb=true.pdf (zuletzt gesehen am 19.06.2011), S. 1. 374

Julia Pfeil und Frank-Rainer Töpfer Abhandlungen a) Einführung eines Planfeststellungsverfahrens für Offshore-Windkraftanlagen Das Ziel der Bundesregierung, eine Bündelung für Genehmigungen nach der SeeAnlV herbeizuführen, geht auf den Umstand zurück, daß die SeeAnlV anders als etwa 13 BImSchG bisher keine Konzentrationswirkung vorsieht. So ist bisher außer einer Genehmigung durch das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) etwa eine separate Genehmigung durch das Bundesamt für Naturschutz und der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung erforderlich. Die Bundesregierung hat sich dafür entschieden, die erwünschte Bündelung nicht schlicht dadurch zu erreichen, daß für Genehmigungen nach der SeeAnlV die Konzentrationswirkung angeordnet wird oder daß der Anwendungsbereich des BImSchG auch auf Offshore-Anlagen ausgedehnt wird. Stattdessen soll für die Errichtung von Windfarmen in der AWZ künftig ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Eine Planfeststellung stellt die Zulässigkeit eines Vorhabens umfassend fest; andere behördliche Entscheidungen sind daneben nicht erforderlich 17. Das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG hält die Bundesregierung dagegen für ungeeignet, weil in der AWZ regelmäßig große Windfarmen mit 80 Anlagen und mehr zu genehmigen seien. Das für Großvorhaben zur Verfügung stehende Planfeststellungsrecht, das eine Abwägung der Belange ermöglicht, sei für solche Vorhaben besser geeignet. Zutreffend ist dabei der Hinweis in der Gesetzesbegründung, daß diese Abwägung verschiedener Belange auch schon heute Bestandteil des Genehmigungsverfahrens nach der SeeAnlV ist 18. So sei die Planfeststellung die konsequente Fortsetzung der Genehmigung der SeeAnlV in der aktuellen Fassung. 19 Das bisherige Verfahren hatte einen wesentlichen Vorteil. Die Entscheidung nach 3 SeeAnlV räumt der Behörde keinerlei Ermessen ein (gebundene Entscheidung). Falls keiner der beiden Versagungsgründe vorlag (Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder Gefährdung der Meeresumwelt) war die Genehmigung zu erteilen. Der neue Abs. 1a Satz 1 des 9 SeeAufgG gibt weitere Einzelheiten für das Genehmigungsverfahren nach der SeeAnlV vor. Insbesondere legt Abs. 1a Satz 1 fest, daß von den Regelungen über das Planfeststellungsverfahren in 72ff VwVfG abgewichen werden kann. Dadurch soll nach der Gesetzesbegründung unter anderem ermöglicht werden, daß eine Plangenehmigung nicht erteilt werden kann 20. Darüber hinaus weist die Gesetzesbegründung darauf hin, daß sich aufgrund der Tatsache, daß die AWZ kein Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland sei, Besonderheiten bei der Beteiligung von Behörden und anerkannten Umweltvereinigungen ergeben können. Um diesen Besonderheiten Rechnung tragen zu können, müßten ebenfalls Abweichungen von den Regelungen über das Planfeststellungsverfahren nach dem VwVfG zugelassen werden 21. Daneben kann in der SeeAnlV festgelegt werden, daß andere zuständige Behörden nicht nur als Träger öffentlicher Belange anzuhören sind, sondern daß das Einvernehmen bestimmter Behörden für die Planfeststellung erforderlich ist. Die Gesetzesbegründung führt dazu aus, daß die originär zuständige Behörde in der Pflicht bleiben soll. Vorrangig gehe es um die Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs, die die erfahrenen Nautiker der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung am besten beurteilen können 22. Schließlich sieht der neue 9 Abs. 1a Satz 1 SeeAufgG vor, daß in der SeeAnlV die Planfeststellungsbehörde und die Anhörungsbehörde festgelegt werden können. Dies dient nach der Gesetzesbegründung dem Ziel, die Funktion von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde, die nach dem VwVfG durch verschiedene Behörden wahrgenommen werden, im Bereich der AWZ nur einer Behörde zu übertragen 23. Die Neuregelung im SeeAufgG sieht auch Vorschriften für die Behandlung konkurrierender Anträge vor. In die SeeAnlV soll danach eine Regelung über die Reihenfolge der Bearbeitung von Anträgen aufgenommen werden. Nach der Gesetzesbegründung geht es dabei um verschiedene Aspekte: Zum einen sollen Anträge für küstennahe Vorhaben oder Vorhaben in der Nähe einer Netzanbindung vorrangig bearbeitet werden, weil bei ihnen schneller damit zu rechnen ist, daß sie Strom in das Netz einspeisen werden. Zum anderen soll eine Regelung gefunden werden, wie mit konkurrierenden Anträgen für dieselbe Fläche umzugehen ist 24. Derzeit sieht 5 Abs. 1 Satz 4 SeeAnlV vor, daß bei mehreren Anträgen für dieselbe Fläche derjenige Antrag zuerst zu bescheiden ist, der zuerst genehmigungsreif ist. Dies kann dazu führen, daß mehrere Antragsteller parallel Genehmigungsverfahren für dieselbe Fläche betreiben, und zwar bis kurz vor die Genehmigungsreife. Die Gefahr, daß ein solcher unnötiger Aufwand betrieben wird, soll zukünftig verhindert werden. Insgesamt diese Neuregelungen wohl nur wenige Vereinfachungen und Straffungen des Genehmigungsverfahrens für Offshore-Windkraftanlagen mit sich. Dies liegt aber ganz wesentlich darin begründet, daß sich wesentliche und langwierige Verfahrensschritte, wie beispielsweise die im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführenden Untersuchungen, nicht durch Straffungen des Genehmigungsverfahrens kürzen lassen. Bisher dauern die Verfahren zur Genehmigung von Offshore-Windkraftanlagen durch das BSH im Durchschnitt etwa 4 bis 5 Jahre; in einzelnen Fällen werden Genehmigungen auch deutlich schneller erteilt 25. Durch entsprechende Vorgaben für die Umweltverträglichkeitsprüfung ließe sich die Dauer auf 2,5 Jahre reduzieren. Die eigentlichen Verzögerungen ergeben sich typischerweise aber erst nach Abschluß des Genehmigungsverfahrens, wenn bereits genehmigte Anlagen nicht errichtet werden (s. dazu sogleich). b) Maßnahmen zur Verhinderung der Vorratshaltung von Genehmigungen Mit dem Ziel, eine Vorratshaltung von Genehmigungen für Offshore-Windkraftanlagen zu verhindern, reagiert die Bundes- 17 75 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG); Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2827) geändert worden ist. 18 S. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Drucks. 17/6077 vom 06.06.2011, S. 5. 19 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Drucks. 17/6077 vom 06.06.2011, S. 5. 20 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines 21 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines 22 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines 23 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines 24 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines 25 S. dazu die bisher durch das BSH erteilten Genehmigungen für Offshore- Windparks, abzurufen unter «http://www.bsh.de/de/meeresnutzung/ Wirtschaft/Windparks/index.jsp» (zuletzt gesehen am 19.06.2011). 375

Abhandlungen Julia Pfeil und Frank-Rainer Töpfer regierung auf das Phänomen, das seit dem Jahr 2001 zwar über 25 Genehmigungen für die Errichtung von Offshore-Windparks erteilt worden sind, daß aber bislang lediglich drei Projekte verwirklicht werden 26. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, daß künftig eine Genehmigung verfällt, wenn der Vorhabenträger einzelne Verfahrensschritte nicht innerhalb festgelegter Fristen und Zeiträume vornimmt. In diesem Fall soll jemand anderem die Möglichkeit [gegeben werden], seinerseits die Planung aufzunehmen 27. Im 10-Punkte-Sofortprogramm hatte die Bundesregierung noch angekündigt, daß die Flächen, auf denen ein Investor nicht konkrete Realisierungsschritte vorweist, an andere Marktteilnehmer mit konkreten Auflagen für die Umsetzung vergeben werden sollen 28. Ein solcher Entzug der Genehmigung mit anschließender Vergabe an einen Dritten ist nun nicht mehr vorgesehen, denn die Gesetzesbegründung geht davon aus, daß der Entzug einer bestehen bleibenden Genehmigung, um sie an einen Dritten zu vergeben, einen Verstoß gegen Art. 14 GG darstellt. Außerdem hätten für eine Vergabe, worauf die Gesetzesbegründung zu Recht hinweist, transparente und nachprüfbare Auswahlkriterien formuliert werden müssen. (Diese Ausführung in der Gesetzesbegründung läßt darauf schließen, daß sich die Bundesregierung nicht in der Lage sah, solche Kriterien zu formulieren.) Gewichtiger ist allerdings der ebenfalls zutreffende Hinweis, daß ein solches Vergabeverfahren mit erheblichen Risiken behaftet ist und insbesondere auch die Möglichkeit einer Konkurrentenklage eröffnet 29. Dies könnte zu erheblichen Verzögerungen führen und würde den durch den Entzug und die Vergabe erhofften Beschleunigungseffekt konterkarieren. Eine andere Frage ist, ob nicht ohnehin Vergaberecht anzuwenden ist. Für die Vergabe der Standorte in der AWZ nach den Vergabeprinzipien Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit spricht Einiges. Auch ein erhöhter Anteil an staatlichen Subventionen könnte eine Anwendung des Vergaberechts nahelegen. Ob allerdings die nunmehr beschlossene Neuregelung zu einer beschleunigten Verwirklichung bereits genehmigter Offshore-Windkraftanlagen führt, muß bezweifelt werden. Schon jetzt sieht die SeeAnlV vor, daß eine Genehmigung erlischt, wenn innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde gesetzten angemessenen Frist nicht mit der Errichtung oder dem Betrieb der Anlage begonnen wird 30. Diese Frist kann verlängert werden; das hat das BSH in vielen Fällen getan 31. Auch zukünftig soll es aber die Möglichkeit geben, die Frist, nach deren Ablauf eine Genehmigung verfällt, zu verlängern. Es ist also durchaus wahrscheinlich, daß Verwirklichungsfristen auch künftig aus berechtigten Gründen nicht eingehalten werden und deshalb verlängert werden. Daher könnte die Pflicht für die Behörde und den Antragsteller, zukünftig Fristen für einzelne Realisierungsschritte in der Genehmigung festzulegen, unter Umständen sogar eine entgegengesetzte Wirkung entfalten, wenn diese Pflicht lediglich dazu führt, daß das Genehmigungsverfahren mit zusätzlichen Anforderungen belastet wird. 2. Neuregelungen für die Errichtung von Energieleitungen zum Anschluß von Offshore-Windkraftanlagen an das Stromnetz an Land Das Gesetzespaket enthält nur wenige Regelungen, die die Errichtung von Energieleitungen für den Anschluß von Offshore-Windkraftanlagen an das Stromnetz an Land beeinflussen werden. Diese können aber zu entscheidenden Veränderungen führen. Diese Änderungen finden sich dabei nicht nur im Ersten Gesetz zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften für die Änderung des SeeAufgG, sondern auch im Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) 32. Von grundsätzlicher Bedeutung für die Verlegung von Leitungen zum Anschluß von Offshore-Windkraftanlagen ist 17 Abs. 2a EnWG, der bestimmt, daß es die Aufgabe des Übertragungsnetzbetreibers und nicht des Betreibers der Offshore- Windkraftanlage ist, die Leitungen vom Umspannwerk der Offshore-Anlagen bis zu dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächsten Übertragungs- oder Verteilernetzes zu errichten und zu betreiben. Diese Regelung galt jedoch gemäß 118 Abs. 3 EnWG bisher nur für Offshore-Anlagen, mit deren Errichtung bis zum 31. Dezember 2015 begonnen worden ist. In der Zeit vor dieser Regelung sollte der Anschluss bis zur Verteilerstation an Land vom Windparkbetreiber finanziert werden. Das schloss viele Unternehmen von der Errichtung eines Offshore-Windparks aus. Die finanzielle Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber hat sich bewährt und unterstützt ein systematisches Vorgehen beim Aufbau eines Offshore-Netzes 33. Während sich die Bundesregierung bei der Änderung der SeeAnlV und der entsprechenden Ermächtigungsgrundlage im SeeAufgG von dem Grundsatz leiten läßt, die Verwirklichung genehmigter Windkraftanlagen möglichst zu beschleunigen, steht hier ein eher langfristiges Ziel im Vordergrund, nämlich die Verstetigung des sich erst langsam entwickelnden Offshore-Marktes in Deutschland 34. Allerdings führt die endgültige Zuordnung der Offshore-Anbindung zu den Übertragungsnetzbetreibern zu einem ungewollten, aber bedeutsamen Nebeneffekt. Durch die strikte Trennung von Energieversorger und Netzbetreiber ist es privaten Finanzinvestoren künftig nicht gestattet, sich an einem Offshore-Windpark und gleichzeitig an der Netzanbindung des Parks finanziell zu beteiligen. Gerade die Mittel großer privater Finanzinvestoren werden aber benötigt werden, um z.b. die eine Milliarde Euro pro Gigawatt für eine Offshore-Anbindung aufzubringen. Die Trennung von traditionellem Energieversorger und Netzbetreiber ist sicher gewollt und korrekt, die Gleichstellung von Energieversorger und Finanzinvestor wird aber lediglich zu geringerem Investitionsengagement führen 35. 26 So der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung schiffahrtsrechtlicher Vorschriften, BT- 27 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines 28 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 10-Punkte-Sofortprogramm zum Energiekonzept, «http://www.bundesregierung.de/nsc_true/content/de/statischeseiten/ Breg/Energiekonzept/energiekonzept-final,p roperty=publicationfile.pdf/energiekonzept-final» bzw. «http://www. bmwi.de /BMWi/Redaktion/PDF/E/energiekonzept-10-punkte-sofortp rogramm,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de, rwb=true.pdf» (zuletzt gesehen am 19.06.2011), S. 1. 29 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Drucks. 17/6077 vom 06.06.2011, S. 5f. 30 4 Abs. 2 Nr. 1 a) SeeAnlV. S. dazu ausführlich Pfeil, Beseitigungspflichten für stillgelegte Anlagen, im Erscheinen. 31 S. nur die Übersicht über die Genehmigungsbescheide unter «http:// www.bsh.de/de/meeresnutzung/wirtschaft/windparks/index.jsp» (zuletzt gesehen am 19.06.2011). 32 Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz vom 28. Juli 2011 (BGBl. I S. 1690). 33 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes BT-Drucks. 17/6073 vom 06.06.2011, S. 63. 34 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes BT-Drucks. 17/6073 vom 06.06.2011, S. 63. 35 so auch Büdenbender/Rosin, Ein vorhersehbares Debakel, Energie im Wandel, FAZ-Beilage Juni 2011, S. 86) 376

Julia Pfeil und Frank-Rainer Töpfer Abhandlungen Darüber hinaus wurde in 17 Abs. 2a EnWG eine Regelung eingeführt, daß Netzanbindungen für Offshore-Anlagen in der Regel als Sammelanbindung auszuführen sind, die entsprechend der am Markt verfügbaren Kapazität die Anbindung von möglichst vielen Offshore-Anlagen ermöglicht, die über eine Genehmigung oder eine Zusicherung der zuständigen Genehmigungsbehörde verfügen und in einem räumlichen Zusammenhang stehen, der die gemeinsame Anbindung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht erlaubt 36. Um dies zu ermöglichen, soll das BSH im Einvernehmen mit der Bundesnetzagentur und unter Einbindung des Bundesamts für Naturschutz jährlich einen Offshore-Netzplan aufstellen. Der Offshore-Netzplan enthält alle Informationen, die für die Verlegung von Energieleitungen in der AWZ von Bedeutung sein können. So sollen in dem Plan u.a. die Offshore-Anlagen bestimmt werden, die für die Sammelanbindung in Betracht kommen, mögliche Nutzungskonkurrenzen sollen besser koordiniert werden und der Trassenknappheit bei der Anbindung an Land soll durch eine vorausschauende Planung und effiziente Nutzung der verfügbaren Trassen Rechnung getragen werden 37. Die Gesetzesbegründung weist auch darauf hin, daß Offshore-Anbindungsleitungen per gesetzlicher Definition Teil des Übertragungsnetzes sind; daher soll künftig auch dargestellt werden, ob bzw. wie die Offshore-Windparks untereinander verbunden werden sollen 38. Das EnWG bestimmt ausdrücklich in einem neuen 17 Abs. 2b EnWG, daß der Offshore-Netzplan keine Außenwirkungen entfaltet und nicht selbständig durch Dritte anfechtbar ist. Das NABEG lässt offen, ob die vorgeschlagenen Verfahren einer Bundesfachplanung und eines Planfeststellungsverfahrens für Höchstspannungsenergieleitungen auch für Leitungen gelten soll, die dem Anschluß von Offshore-Anlagen an das Netz dienen. Die im NABEG neu vorgesehenen Verfahren sollen die bisherigen Planfeststellungsverfahren für Energieleitungen nach dem EnWG beschleunigen; sie sollen für Leitungen gelten, die in einem Bundesbedarfsplangesetz nach einem neuen 12e Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) 39 als Leitungen mit europäischer oder überregionaler Bedeutung gekennzeichnet sind. In dem Bundesbedarfsplan sind aber auch die Anbindungsleitungen von den Offshore-Windpark-Umspannwerken zu den Netzverknüpfungspunkten an Land zu kennzeichnen 40. Unklar ist daher, ob auch Leitungen zur Anbindung von Offshore-Anlagen oder zur Verbindung von Offshore-Anlagen untereinander als Leitungen mit europäischer oder überregionaler Bedeutung gekennzeichnet werden können. Allerdings werden Energieleitungen zur Anbindung von Offshore-Windkraftanlagen schon bisher nicht nach den Verfahren des EnWG genehmigt (dazu sogleich), so daß in dieser Hinsicht kein Anlaß besteht, die neuen Verfahren des NABEG anzuwenden, um den Erlaß entsprechender Genehmigungen zu beschleunigen. Aus völkerrechtlicher Sicht, nach den entsprechenden Regelungen des SRÜ, richtet sich das Recht zur Verlegung von Leitungen bzw., in der Diktion des SRÜ, von Kabeln nicht nach dem für die AWZ geltenden Recht, sondern nach dem Rechtsregime für den sogenannten Festlandsockel. Ebenso wie in der AWZ steht dem Küstenstaat auch auf dem Festlandsockel nicht die volle Souveränität zu, sondern lediglich einzelne souveräne Rechte (darunter das Recht zur Verlegung von Kabeln) 41. Wie oben bereits angedeutet, gilt deutsches Recht außerhalb des Küstenmeers nur, wenn die Geltung einer gesetzlichen Regelung mit einer Erstreckungsklausel ausdrücklich angeordnet wird. Das EnWG enthält eine solche Erstreckungsklausel nicht, auch in der Neuregelung ist eine Erstreckungsklausel nicht vorgesehen. Statt den Regelungen des EnWG finden sich die Regelungen, die für die Verlegung von Kabeln zur Anbindung von Offshore-Windkraftanlagen maßgeblich sind, im Bundesberggesetz (BBergG) 42 und in der SeeAnlV. Gemäß 2 Abs. 3 Satz 1 BBergG gilt das BBergG im Bereich des Festlandsockels der Bundesrepublik Deutschland für Unterwasserkabel, Transit-Rohrleitungen und für Forschungshandlungen in Bezug auf den Festlandsockel. 1 Abs. 2 Satz 2 SeeAnlV bestimmt, daß Anlagen des Bergwesens aus dem Anwendungsbereich der SeeAnlV ausgenommen sind. Diese Regelung soll nun nochmals dadurch unterstrichen werden, daß im SeeAufgG als Ermächtigungsgrundlage für die SeeAnlV klargestellt wird, daß das Bergrecht dem Seeanlagenrecht vorgeht. Wenn Anlagen vom Wortlaut her sowohl nach Bergrecht als auch nach Seeanlagenrecht genehmigungsbedürftig sind, soll nur das Bergrecht maßgeblich sein. 43 Nach diesen Regelungen gilt für die Errichtung von Unterwasserkabeln auf dem Festlandsockel an sich das Genehmigungsverfahren gemäß 133 BBergG. Danach sind für die Errichtung von Unterwasserkabeln zwei Genehmigungen erforderlich, zum einen eine Genehmigung des jeweils zuständigen Landesbergamts bzw. Bergamts, zum anderen eine Genehmigung des Bundesamts für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) 44. Das BSH schränkt jedoch den Anwendungsbereich des BBergG ein und erteilt (selbst) Genehmigungen für die Verlegung von Unterwasserkabeln für die Anbindung von Windkraftanlagen auf der Grundlage der SeeAnlV 45. Das Genehmigungsverfahren nach 133 BBergG soll nach Ansicht des BSH entgegen dem klaren Wortlaut von 2 Abs. 3 BBergG nur für sog. Transit-Unterwasserkabel gelten, also Kabel, die durch den deutschen Festlandsockel hindurchführen, aber nicht für Kabel, die Anlagen auf dem Festlandsockel bzw. in der AWZ mit dem deutschen Festland verbinden 46. Abgesehen von der Frage, ob für die Errichtung eines Stromkabels zusätzlich zu der Genehmigung durch das BSH eine Genehmigung in bergbaulicher Hinsicht durch die zuständige Landesbehörde erforderlich ist, fallen die Unterschiede zwischen den Anforderungen für die Erteilung einer Genehmigung nach 36 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes BT-Drucks. 17/6073 vom 06.06.2011, S. 25. 37 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes BT-Drucks. 17/6073 vom 06.06.2011, S. 25 und 60. 38 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes BT-Drucks. 17/6073 vom 06.06.2011, S. 60. 39 Gesetz über die Elektrizitäts- undgasversorgung, Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, 3621), das zuletzt durchartikel 4 des Gesetzes vom 7. März 2011 (BGBl. I S. 338) geändert worden ist. 40 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 17/6072 vom 06.06.2011, S. 56. 41 Art. 79 SRÜ. Art. 79 SRÜ legt auch die weiteren Einzelheiten zu den Bedingungen fest, unter denen Staaten Kabel auf dem Festlandsockel anderer Staaten verlegen dürfen bzw. dies gestatten müssen. 42 Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), das zuletzt durch Artikel 15a des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) geändert worden ist. 43 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Drucks. 17/6077 vom 06.06.2011, S. 3 und 7. 44 133 Abs. 1 BBergG. 45 In diesem, vom BSH gewählten Verfahren ist eine Genehmigung durch die Bergämter nicht erforderlich. 46 S. die entsprechenden Genehmigungsbescheide für eine Netzanbindung, abzurufen unter»http://www.bsh.de/de/meeresnutzung/wirtschaft/windparks/index.jsp«(zuletzt gesehen am 19.06.2011); so auch Nr. 3.3.2 (Begründung) des Raumordnungsplans für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone in der Nordsee, Anlage zur AWZ Nordsee- ROV. Ausführlich dazu Pfeil, Beseitigungspflichten für stillgelegte Anlagen, im Erscheinen. 377

Abhandlungen Christoph Külpmann und Janina Brandes BBergG und nach SeeAnlV nur wenig ins Gewicht 47. Daher sollte der Gesetzgeber die sich jetzt anbietende Gelegenheit anläßlich der Umsetzung der ersten Maßnahmen aus dem 10-Punkte-Sofortprogramm nutzen und gesetzlich nicht nur klarstellen, daß das Bergrecht dem Seeanlagenrecht vorgeht, sondern auch, ob für Stromkabel, mit denen Offshore-Windkraftanlagen mit dem Stromnetz an Land verbunden werden, das Verfahren nach dem BBergG oder nach der SeeAnlV gelten soll. 3. Fazit Insgesamt ist festzustellen, daß die Änderungen im Recht der Genehmigung von Offshore-Windkraftanlagen wohl nicht zu einer erheblichen Beschleunigung des Verfahrens und der Verwirklichung genehmigter Anlagen führen werden. Dies liegt daran, daß die Genehmigungsverfahren für Offshore-Windkraftanlagen zwar gestrafft werden sollen, aber durch die Planfeststellung ein weiterer Verfahrensschritt hinzukommt und verbindliche Zeitvorgaben für die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht geplant sind. Bei den Regelungen, nach denen eine Genehmigung verfallen soll, wenn bestimmte Realisierungsschritte nicht innerhalb festgelegter Fristen vorgenommen werden, besteht ein hohes Risiko, daß diese Regelungen wirkungslos verpuffen werden. Bereits jetzt sieht die SeeAnlV vor, daß eine Genehmigung verfällt, wenn die genehmigten Anlagen nicht innerhalb festgelegter Fristen in Betrieb genommen werden. Diese Fristen werden allerdings regelmäßig verlängert. Da eine Möglichkeit zur Fristverlängerung auch zukünftig bestehen soll, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß es auch zukünftig zu entsprechenden, berechtigten Fristverlängerungen kommen wird. Daher besteht die nicht unerhebliche Gefahr, daß die neue Regelung über den Verfall von Genehmigungen nur dazu führt, daß das Genehmigungsverfahren zusätzlich belastet wird, weil die Genehmigungsbehörde und der Antragsteller nun zusätzlich Meilensteine für die Realisierung des Vorhabens in der Genehmigung festlegen müssen. Größere Bedeutung wird allerdings den Änderungen zukommen, die in 17 Abs. 2a EnWG enthalten sind. Zum einen werden die Übertragungsnetzbetreiber zukünftig unbefristet dafür verantwortlich sein, Energieleitungen für die Anbindung von Offshore-Anlagen an das Stromnetz an Land zu errichten und zu betreiben. Dies schafft für Investoren die notwendige Planungssicherheit. Zum anderen ermöglichen es die Neuregelungen zum ersten Mal, die Verlegung von Leitungen in der AWZ und die Integration dieser Leitungen in das Stromnetz an Land sinnvoll und übergreifend zu planen. Dies wird weitere Anreize für die Errichtung von Offshore-Windkraftanlagen schaffen und für notwendige Synergien bei der Planung und Verlegung der dafür notwendigen Energieleitungen schaffen. Die Gelegenheit anläßlich der umfassenden Neuregelungen für die Genehmigung von Offshore-Windkraftanlagen nutzen, um die SeeAnlV als gesetzliche Regelung zu erlassen, um den Bedenken zu begegnen, daß die SeeAnlV und die in ihr festgelegten umfangreichen Verfahren nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes und des Wesentlichkeitsgrundsatzes genügt, hat der Gesetzgeber verstreichen lassen. Außerdem fehlt die Klarstellung, ob Energieleitungen, mit denen Offshore-Windkraftanlagen mit dem Stromnetz an Land verbunden werden nach Bergrecht oder wie bisher in der Praxis nach Seeanlagenrecht zu genehmigen sind. 47 Die in den 2-4 der SeeAnlV vorgesehenen Anforderungen entsprechen in der Praxis im wesentlichen den Anforderungen in 133 BBergG. Zum Widerspruchsverfahren in Bremen Von Senatsrat Dr. Christoph Külpmann und stud. jur. Janina Brandes* Das verwaltungsgerichtliche Widerspruchsverfahren steht bundesweit unter Reformdruck. Um die Leistungsfähigkeit des Widerspruchsverfahrens in einem Stadtstaat zu ermitteln, hat der bremische Senator für Justiz und Verfassung die Praxis des Widerspruchsverfahren im Land Bremen von 2007 bis 2009 umfassend erhoben. 1 Hierauf aufbauend hat der bremische Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung und weiterer Gesetze vom 1. Februar 2011 das Widerspruchsverfahren für einzelne Sachbereiche und bestimmte Verwaltungsentscheidungen abgeschafft (Brem. GBl. S. 62). Nahezu zeitgleich hat der Senat eine Verwaltungsvorschrift für die Durchführung von Widerspruchsverfahren erlassen, welche die Praxis der Widerspruchsverfahren verbessern soll (Brem. ABl. 2011, S. 39, ber. S. 170). Der Beitrag informiert über diese Entwicklungen. Das Widerspruchsverfahren steht bundesweit unter Reformdruck. Nach 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO sind vor Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. 2 Das Widerspruchsverfahren soll der Verwaltung eine Selbstkontrolle ermöglichen, Rechtsschutz für den Bürger gewährleisten und die Verwaltungsgerichte entlasten. 3 Das Verfahren ist rechtspolitischen Angriffen ausgesetzt: Erreicht die Praxis diese Ziele in einem Umfang, der den Zeitverlust für den Rechtssuchenden und den Aufwand der Behörden rechtfertigen kann? Die Frage wird dringender, seit der Bundesgesetzgeber zum 1. Januar 1997 in 68 Abs. 1 Satz 2 1. Alt VwGO den Landesgesetzgebern die Abschaffung des Vorverfahrens gestattet, ohne dass die Regelungen auf besondere Fälle beschränkt sein müssten. 4 In den vergangenen Jahren haben etliche Bundesländer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht * Der Erstautor ist Senatsrat bei dem Senator für Justiz und Verfassung. Die Zweitautorin studiert Jura an der Universität Münster. Der Aufsatz gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Autoren wieder. 1 Vgl. Senator Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen, Praxis des Vorverfahrens in der Freien Hansestadt Bremen Bestandsaufnahme und Reformperspektiven, 2010 (Anlage zu BremBürgerschaft-Drucks. 17/1574, Bearbeiter: Külpmann/Kedenburg). 2 Zu richterrechtlichen Ausnahmen von diesem Grundsatz vgl. BVerwG, NJW 1982, 1546 (1547); NJW 1989, 1438; NVwZ 1995, 76 (77); NVwZ 2010, 501 (503 Rn. 23 ff.); krit. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., 2011, 68 Rn. 28 ff. 3 BVerwGE 51, 310 (314). 4 BGBl. I 1996, S. 1626; anders etwa 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG. 378