b 35 w w w. b i o s c i e n t i a. d e Labor bericht Einfluss neuer oraler Antikoagulanzien auf Gerinnungsanalysen Stand: O k t o b e r 2 013
Seit 2008 stehen Dabigatran (Pradaxa ), Rivaroxaban (Xarelto ), sowie seit November 2012 Apixaban (Eliquis ) als oral zu verabreichende Gerinnungsinhibitoren zur Thrombose-Prophylaxe bei Hüft- und Kniegelenksoperationen zur Verfügung. Dabigatran ist seit September 2011 und Rivaroxaban seit Dezember 2011 auch zur Prävention von Schlaganfällen bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern mit mindestens einem Risikofaktor zugelassen, die Zulassung hierfür steht für Apixaban unmittelbar bevor. Rivaroxaban ist darüber hinaus zur Therapie der tiefen Beinvenenthrombose (DVT) und Prophylaxe bei rezidivierender DVT bzw. Lungenembolie zugelassen. Auch Dabigatran wird in Kürze für diese und weitere Indikationen die Zulassung erhalten (Therapie der tiefen Beinvenenthrombose (DVT), Prophylaxe bei rezidivierender DVT bzw. Lungenembolie). Außer der oralen Verabreichung haben beide Medikamente den Vorteil der von Antithrombin unabhängigen Wirkung (Wirkmechanismen s. Abb. 1) und einer guten Steuerbarkeit durch die relativ kurze Halbwertszeit. Zudem ist anders als bei Cumarinen in der Regel kein Therapiemonitoring erforderlich. Somit ist künftig mit einem vermehrten Einsatz zu rechnen. Sie beeinflussen jedoch die Gerinnungsdiagnostik und erschweren deren Interpretation. Dabigatran hemmt direkt Thrombin (Faktor IIa) und beeinflusst deshalb die Thrombin-basierten funktionellen Gerinnungsanalysen ( Clotting-Teste, Tab. 1). Es führt z. B. zu einer erheblichen Verlängerung der aptt und der Thrombinzeit. Aber auch der Quick- Wert kann in geringerem Maße zu niedrig, der INR zu hoch gemessen werden. Rivaroxaban, ebenso wie Apixaban, ist ein direkter Faktor Xa-Inhibitor und führt zu falsch erniedrigten Quick- und erhöhten INR-Ergebnissen. In geringerem Ausmaß kann aber auch die aptt verlängert werden. Antithrombin-Ergebnisse werden bei Verwendung von Faktor Xa-basierten Testen falsch zu hoch ermittelt (Tab. 1). Chromogene-anti Xa-Assays (mit entsprechendem Kalibrator) eignen sich um die Rivaroxaban-Konzentration zu berechnen. Je nach Messprinzip werden von beiden Medikamenten auch viele andere Gerinnungsanalysen gestört. Tab. 1 gibt eine Übersicht über die in unserem Labor zu erwartenden Effekte. Die Anmerkungen gelten natürlich auch für andere schon seit längerem eingesetzte Medikamente wie z. B. Argatroban (Argatra ), deren Anwendung sich aber auf wenige Indikationen (wie HIT II) im klinischen Bereich beschränkt. Dabigatran und Rivaroxaban beeinflussen insbesondere bei therapeutischer aber auch bei prophylaktischer Dosis viele Gerinnungsanalysen (am stärksten 1 4 Stunden nach Gabe/Spitzenspiegel). Ihre Auswirkung steht aber nicht in linearem Verhältnis zu ihrer Plasmakonzentration, die deshalb nur mit spezifischen Testverfahren ermittelt werden kann. Diese Verfahren bieten wir Ihnen an. Die Thrombinzeit ist, im Gegensatz zur aptt, über den gesamten Konzentrationsbereich zwar sensitiv für Dabigatran, sie ist aber zu empfindlich um z. B. eine eventuelle Überdosierung zu erfassen. Zur genauen Bestimmung der Dabigatran-Konzentration ist eine modifizierte kalibrierte Thrombinzeit (Hemoclot -Assay) geeignet. 1
Möglicher Einfluss auf die im Labor durchgeführten gängigen Gerinnungsanalysen Gerinnungstest Dabigatran Rivaroxaban Einheit aptt sec Quick % INR Ratio Thrombinzeit sec Fibrinogen nach Clauss / mg/dl Faktor VIII chromogen * % Faktor VIII Clotting-Test ** % Faktoren IX, XI, XII % Faktoren II, V, VII, X % Faktor XIII (chromogen) % von-willebrand-faktor-antigen % Ristocetin-Co-Faktor % Antithrombin (chromogen über Thrombin) ** % APC-Resistenz Ratio Lupus-Antikoagulans (falsch pos.) (falsch pos.) Ratio Protein C (chromogen) % Protein S (Clotting-Test) % D-Dimer mg/l FEU Tab. 1: Möglicher Einfluss auf die im Labor durchgeführten gängigen Gerinnungsanalysen (abhängig von Dosis, Zeitpunkt der Blutentnahme, Untersuhungsmethode und Reagenz), Aktuelle Empfehlung aus Vortrag von Frau Prof. Lindhoff-Last und Hersteller-Empfehlung eingefügt * wird nur bei Anforderung (F 8 chromogen) durchgeführt ** aktuell bei Bioscientia verwendete Methode 2
Angriffspunkte verschiedener Antithrombotika Gewebsverletzung X Exogene Gerinnungsaktivierung (via TF, VIIa, VIIIa, IXa) parenteral oral Cofaktor AT Fondaparinux NMH UFH Xa + Va Prothrombinase- Komplex Rivaroxaban Apixaban III (Prothrombin) Hirudin Argatroban IIa Thrombin Dabigatran Fibrinogen Fibrin Abb. 1: Angriffspunkte verschiedener Antithrombotika TF = Tissue Factor AT = Antithrombin NMH = Niedermolekulare Heparine UFH = Unfranktionierte Heparine 3
Fazit Literatur Viele Analysenergebnisse werden durch die neuen oralen Antikoagulantien in Abhängigkeit von Untersuchungsmethode und Testreagenz in unterschiedlichem Ausmaß verfälscht. Die auftretenden Störeffekte sind daher nicht generell von Labor zu Labor vergleichbar! Grundsätzlich unbeeinflusst bleiben Analysenergebnisse, die mittels Immunoassays ermittelt werden: dies betrifft z. B. die D-Dimere und das von- Willebrand-Faktor-Antigen. 1. Aus Vortrag Frau Prof. Dr. E. Lindhoff-Last, Leiterin Schwerpunkt Angiologie/Hämostaseologie, Johann- Wolfgang-Goethe Universitätsklinikum Frankfurt a. M., 2. Frankfurter Gerinnungssymposium 2011, Frankfurt am Main 2. Die Einflüsse von Antikoagulanzien auf Routine- und Spezialdiagnostik im Gerinnungslabor, in Zusammenarbeit mit Fr. Prof. Dr. E. Lindhoff-Last und Herrn Prof. Dr. D. Peetz. 2010 Roche Diagnostics Zur Konzentrationsbestimmung geeignete Testsysteme stehen mit der modifizierten Thrombinzeit und chromogenen anti-xa Assays zur Verfügung. Jedoch fehlen entsprechende Studien um einen therapeutischen Bereich angeben zu können. Zur Vermeidung von Fehlinterpretationen bei der Anforderung von Gerinnungsanalysen sind auf dem Überweisungsschein folgende Angaben wichtig: Wirkstoff Dosis Zeitpunkt der letzten Einnahme 4
Bioscientia Institut für Medizinische Diagnostik GmbH Regionallabors: Labor Berlin Lützowstraße 89/90 10785 Berlin Tel. 030 48526100 Fax 030 48526275 labor-berlin@bioscientia.de Labor Freiburg Mülhauser Straße 9 79110 Freiburg Tel. 0761 4000650 Fax 0761 40006510 labor-freiburg@bioscientia.de Labor Ingelheim Konrad-Adenauer-Straße 17 55218 Ingelheim Tel. 06132 7810 Fax 06132 781214 labor-ingelheim@bioscientia.de Labor Jena Orlaweg 2 07743 Jena Tel. 03641 40130 Fax 03641 401338 labor-jena@bioscientia.de Labor Karlsfeld Liebigstraße 14 85757 Karlsfeld Tel. 08131 5940 Fax 08131 594109 labor-karlsfeld@bioscientia.de Labor Mainz Wallstraße 3 5 55122 Mainz Tel. 06131 576080 Fax 06131 5760844 labor-mainz@bioscientia.de Labor Moers Zum Schürmannsgraben 30 47441 Moers Tel. 02841 1060 Fax 02841 10618/35 labor-moers@bioscientia.de Bioscientia MVZ Saarbrücken GmbH Winterberg 1 66119 Saarbrücken Tel. 0681 88379133 Fax 0681 88379142 labor-saarbruecken@bioscientia.de Herausgeber Bioscientia Institut für Medizinische Diagnostik GmbH Konrad-Adenauer-Straße 17 55218 Ingelheim Verantwortlich PD Dr. med. Markus Nauck Autoren Prof. Dr. med. Wolfgang Kaminski Dr. med. Ulrich Grunwald Fachärzte für Laboratoriumsmedizin Dr. med. Antje-Beate Molz Ärztin für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie Labor 28, Berlin Redaktion Nadja Franzen www.bioscientia.de Bildnachweis: Titelbild Blood Clot Cell Artery Rob Gentile, istockphoto.com