DIHK-Report Fachkräfte in der Gesundheitswirtschaft



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Transkript:

DIHK-Report Fachkräfte in der Gesundheitswirtschaft 2012/2013

Copyright Alle Rechte liegen beim Herausgeber. Ein Nachdruck auch auszugsweise ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers gestattet. Herausgeber Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. Berlin Brüssel DIHK Berlin: Postanschrift: 11052 Berlin Hausanschrift: Breite Straße 29 Berlin-Mitte Telefon (030) 20 308-0 Telefax (030) 20 308 1000 DIHK Brüssel: Hausanschrift: 19 A-D, Avenue des Arts B-1000 Bruxelles Telefon ++32-2-286 1611 Telefax ++32-2-286 1605 Internet: www.dihk.de Redaktion Dr. Sandra Hartig, Dr. Anne Zimmermann Stand März 2013

Fachkräftemangel in der Gesundheitswirtschaft was steckt dahinter? Der DIHK fragt die Betriebe der Gesundheitswirtschaft in Deutschland regelmäßig nach ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und Entwicklung. Im Herbst 2012 haben gut 800 Unternehmen geantwortet und dabei auch einen vertieften Blick auf ihre Fachkräftesituation zugelassen. Mit Blick auf die Tatsache, dass zu Jahresbeginn 2013 42 Prozent der Betriebe in der Gesundheitswirtschaft den Fachkräftemangel als großes Risiko für ihre künftige wirtschaftliche Entwicklung sehen gegenüber 32 Prozent in der Gesamtwirtschaft lohnt sich ein genaueres Hinsehen, um auf dieser Basis gezielte Lösungsmöglichkeiten zu formulieren. Viele Stellen bleiben unbesetzt Die Gesundheitswirtschaft sieht sich großen und weiter wachsenden Herausforderungen bei der Fachkräftesuche gegenüber. So berichten 38 Prozent der Betriebe der Gesundheitswirtschaft, dass sie offene Stellen zwei Monate und länger nicht besetzen können. In der Gesamtwirtschaft liegt dieser Anteil bei 29 Prozent. 22 Prozent der Betriebe der Gesundheitswirtschaft geben dabei konkret an, dass sie ein bis drei offene Stellen zwei Monate und länger nicht besetzen können (Gesamtwirtschaft: 19 Prozent). Besonders betroffen sind die Gesundheits- und sozialen Dienste: 55 Prozent haben hier grundsätzlich Probleme bei der Stellenbesetzung. Für mehr als jedes vierte Unternehmen (28 Prozent) gilt dies für ein bis drei Stellen. Insbesondere die klein- und mittelständischen Betriebe mit 20 bis 200 Mitarbeitern sind von diesen Schwierigkeiten betroffen. Die nicht zuletzt demografisch bedingt wachsende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen aufgrund einer wachsenden Zahl älterer Bürger und einer schrumpfenden Fachkräftebasis wird diese Entwicklung künftig tendenziell noch weiter verschärfen. Aber auch in der Medizintechnik gibt ein knappes Drittel der Unternehmen an, Probleme bei der Stellenbesetzung zu haben (31 Prozent), 19 Prozent können ein bis drei Positionen nicht besetzen. Die Pharmaindustrie ist nicht ganz so stark betroffen: 16 Prozent haben prinzipielle Schwierigkeiten bei der Fachkräftesuche, bei elf Prozent bleiben ein bis drei offene Stellen zwei Monate und mehr vakant. Alle Qualifikationsstufen gefragt Die Berufsfelder, in denen die Gesundheitswirtschaft derzeit offene Stellen nicht mit Fachkräften besetzen kann, sind ebenfalls branchenabhängig. 1 So sucht die Pharmaindustrie insbesondere Fachkräfte in technischen Berufen (57 Prozent der Betriebe), bei den besonders forschungsintensiven Pharmaunternehmen 2 liegt der Anteil bei 63 Prozent und in der Medizintechnik gar bei 82 Prozent. Insgesamt liegt die Gesundheitswirtschaft mit 20 Prozent allerdings ein gutes Stück hinter der Gesamtwirtschaft (47 Prozent), was auf den Einfluss der Gesundheits- und sozialen Dienste zurückzuführen ist, die kaum Nachfrage nach technischen Berufen äußern. Die Spitzentechnologieunternehmen im Pharmabereich suchen zudem zu 37 Prozent Fachkräfte aus den IT-Berufen. 1 Hier gehen jene Betriebe als Grundgesamtheit ein, die offene Stellen nicht besetzen können. 2 Spitzentechnologie, d.h. diejenigen FuE-intensiven Waren, bei deren Herstellung jahresdurchschnittlich mehr als sieben Prozent des Umsatzes für FuE aufgewendet werden. 1

Aber auch kaufmännische Berufe sind gefragt 26 Prozent der Pharmaunternehmen und 36 Prozent der Medizintechnikbetriebe suchen hier Fachkräfte. In der Gesundheitswirtschaft insgesamt beläuft sich der Anteil auf 17 Prozent. In den Gesundheits- und sozialen Diensten fallen die meisten Antworten unter die Berufsfeldkategorie Sonstige (79 Prozent, Gesundheitswirtschaft: 53 Prozent). Hier finden sich die Pflegeberufe und Ärzte, die von der Kategorie der Serviceberufe (31 Prozent bei den Gesundheits- und sozialen Diensten) nicht erfasst sind. Die Fachkräfte, die die Unternehmen derzeit vergeblich suchen, decken die gesamte Spannbreite der Qualifikationen ab. In der Gesundheitswirtschaft äußern 32 Prozent der betroffenen Betriebe Bedarf an Fachkräften mit einer dualen Berufsausbildung, 40 Prozent suchen einen Fachwirt, einen Meister oder einen anderen Weiterbildungsabschluss, und 59 Prozent haben Bedarf an Absolventen von (Fach)Hochschulen. Die Möglichkeiten, ohne abgeschlossene Ausbildung eine Stelle zu ergattern, sind auch in der Gesundheitswirtschaft begrenzt: Nur vier Prozent der Betriebe suchen hier Beschäftigte, in der Gesamtwirtschaft sind es 15 Prozent. Bei den Gesundheits- und sozialen Diensten ist die Verteilung der gesuchten Qualifikationen besonders gleichmäßig: 46 Prozent der Betriebe suchen Beschäftigte mit einem (Fach)Hochschulabschluss, 42 Prozent einen Fachwirt, Meister oder anderen Weiterbildungsabschluss, und ein gutes Drittel sucht Absolventen einer dualen Berufsausbildung (34 Prozent). In der Pharmabranche ist die Spezialisierung stärker ausgeprägt: Hier dominiert die Suche nach Fachkräften mit (Fach)Hochschulabschluss (82 Prozent). In der Spitzentechnologie im Bereich Pharma werden sie sogar zu 90 Prozent gesucht. In der Medizintechnik sind neben dem (Fach)Hochschulabschluss (65 Prozent) auch die anderen Qualifikationsstufen gefragt 43 Prozent suchen Fachwirte oder Meister und 30 Prozent wiederum würden gerne Stellen mit Absolventen einer dualen Ausbildung besetzen. Warum Fachkräfte gesucht werden: Fluktuation überwiegt In der Gesundheitswirtschaft überwiegt bei der Fachkräftesuche deutlich das Motiv des Ersatzes aufgrund der Fluktuation von Arbeitskräften: 57 Prozent geben es als Hauptmotiv an (Gesamtwirtschaft: 45 Prozent). Innerhalb der Gesundheitswirtschaft spielt das Fluktuationsmotiv wiederum insbesondere in den Gesundheits- und sozialen Diensten eine große Rolle, für 69 Prozent der Betriebe ist es das Hauptmotiv ihrer Fachkräftesuche. Das deutet darauf hin, dass die Mitarbeiterbindung vielleicht gerade auch mit Blick auf psychisch oder physisch besonders belastende Tätigkeiten in diesem Sektor für die Betriebe vergleichsweise schwierig ist. An zweiter Stelle folgt in der Gesundheitswirtschaft der Ersatz aufgrund altersbedingten Ausscheidens (45 Prozent), in der Gesamtwirtschaft ist es mit sogar 51 Prozent das Hauptmotiv. In den Gesundheits- und sozialen Dienste suchen 41 Prozent der Betriebe aus diesem Grund Fachkräfte ein vergleichsweise geringer Anteil. Dies kann ebenfalls ein Hinweis darauf sein, dass sich die Fachkräfte in diesen Branchen relativ frühzeitig beruflich umorientieren und gar nicht bis ins höhere Alter dort beschäftigt sind. Die Pharmaindustrie sieht ebenfalls mit 57 Prozent im altersbedingten Ausscheiden das Hauptmotiv für ihre Fachkräftesuche. In der Medizintechnik wiederum äußern 58 Prozent die Notwendigkeit, aufgrund expansiver Geschäftstätigkeit neues Personal zu suchen. In der gesamten Gesundheitswirtschaft nennen 39 Prozent 2

dies als wichtiges Motiv, und damit noch fünf Prozentpunkte mehr als in der Gesamtwirtschaft. Ein Indiz dafür, dass die Zeichen in der Gesundheitswirtschaft insgesamt weiterhin auf Expansion stehen. Folgen des Fachkräftemangels: Belastungstreiber und Wachstumsbremse Die Unternehmen rechnen durchaus mit gravierenden Folgen des Fachkräftemangels. 84 Prozent der Betriebe der Gesundheitswirtschaft befürchten eine Mehrbelastung der übrigen Belegschaft. Dies ist insbesondere in den Gesundheits- und sozialen Diensten der Fall - ein Sektor, in dem fehlende Arbeitskräfte oftmals nicht durch den Einsatz von Maschinen und Technik ersetzt werden können. Hier rechnen 90 Prozent der Betriebe mit einer Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft. Im Handel mit gesundheitsbezogenen Gütern sind es 84 Prozent. In der Gesamtwirtschaft ist die Sorge mit 74 Prozent der Betriebe, die dies angeben, etwas schwächer ausgeprägt, stellt jedoch auch hier mit weitem Abstand die häufigste Reaktion auf den Fachkräftemangel dar. 44 Prozent der Betriebe in der Gesundheitswirtschaft fürchten, dass ihr Produktions- und Servicewachstum eingeschränkt würde (Gesamtwirtschaft: 43 Prozent). Wiederum 40 Prozent haben Sorge vor dem Verlust von Innovationsfähigkeit und Wissen gegenüber einem Anteil von gut einem Drittel in der Gesamtwirtschaft (34 Prozent). Hier schlagen vor allem die Einschätzungen von Medizintechnik (41 Prozent) und Pharmaindustrie (55 Prozent) zu Buche, insbesondere die der Spitzentechnologie im Pharmabereich (72 Prozent). Selbst die Verlagerung der Produktion ins Ausland ist für diese Branchen eine reale Option: 16 Prozent der Unternehmen der Pharmaindustrie, 22 Prozent in der Spitzentechnologie Pharma und 15 Prozent in der Medizintechnik geben dies an. In der Gesamtwirtschaft nennen dies nur sechs Prozent der Betriebe, in der Industrie insgesamt sind es mit zwölf Prozent allerdings doppelt so viele. Der Pharmabereich sieht auch überproportional häufig eine geringere Investitionstätigkeit in Deutschland als Option: Gegenüber elf Prozent der Betriebe in der Gesamtwirtschaft sehen dies 23 Prozent der stark forschungsintensiven und 14 Prozent der gesamten Pharmazeutischen Industrie. Fazit: Was ist zu tun und zu lassen? Die Ergebnisse machen die Struktur und das enorme Ausmaß des Fachkräftebedarfs in der Gesundheitswirtschaft transparent. Wenn dieses Problem nicht angegangen und zumindest teilweise gelöst wird, stehen der Gesundheitswirtschaft ernsthafte Folgen wie eine höhere Belastung der verbleibenden Belegschaften, die Abwanderung von Unternehmen und der Verlust dessen ins Haus, was derzeit in weiten Teilen die Stärken der deutschen Gesundheitswirtschaft ausmacht Innovationskraft, Flexibilität und nicht zuletzt die Eigenschaft als Beschäftigungsmotor. Eine wachsende Arbeitsbelastung kann in einzelnen Branchen wie etwa den Pflegeberufen wiederum etwaige Imageprobleme und damit das Fachkräfteproblem weiter verschärfen. Die Problematik ist vielschichtig, daher kann auch die Lösung nicht eindimensional sein. Ältere, Frauen, Arbeitslose, ausländische Fachkräfte, Personen mit Behinderung in vielen Bereichen liegen trotz aller bisherigen Anstrengungen der Unternehmen nach wie vor Fachkräftepotenziale brach. Die Politik hat es in der Hand, die Rahmenbedingungen sinnvoll zu gestalten. Die Rente mit 67 ist ein wichtiger Schritt dahin, auch Ältere stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die erfreulichen Entwicklungen in diesem Bereich weisen den richtigen Weg. 3

Um insbesondere Frauen und Müttern den Weg in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern, muss das Angebot an Kinderbetreuung vorhanden sein. Hier ist noch viel zu tun, der Betreuungsausbau muss entschlossen voran getrieben werden insbesondere mit Blick auf den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, der ab dem 1. August 2013 gilt. Auch die Betriebe müssen sich noch stärker engagieren. Das geht von betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in physisch und psychisch belastenden Branchen, über Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwa familienfreundliche Arbeitszeiten, intelligente Lösungen, um Führungsaufgaben auch in reduzierter Vollzeit zu ermöglichen, oder Angebote für Wiedereinsteigerinnen nach längeren Erwerbspausen bis hin zu Weiterbildungsangeboten, die aber natürlich auch seitens der Beschäftigten genutzt werden müssen. Eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität ist ein wichtiger Schritt, um Fachkräfte zu gewinnen und auch zu halten. Neben diesen Wegen ist es wichtig, den Nachwuchs für die Berufe der Gesundheitswirtschaft zu interessieren. Das fängt bei den technisch orientierten Berufen an. So ist es wichtig, künftig auch mehr Frauen und junge Mädchen für diese Themenbereiche zu interessieren, damit sie sich häufiger für eine technische Ausbildung oder einen entsprechenden Studiengang entscheiden. Hier sollte bereits im Bereich der frühkindlichen Bildung angesetzt werden, die stärker als heute das Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Fragestellungen weckt. Auch neue Berufsbilder werden im Zuge des demografischen Wandels und der sich ändernden Anforderungen entstehen. Gerade für neue Geschäftsfelder wie das altersgerechte Wohnen, die in hohem Maße technisch geprägt sein werden, sind neue Aufgabenfelder denkbar, die die erforderlichen technischen Assistenzsysteme bedienen, warten und weiterentwickeln (Systemadministrator für Gesundheitsnetzwerke). Auch könnte eine stärkere Arbeitsteilung Freiräume schaffen. Zu denken ist an Tätigkeiten, die Ärzten und Pflegern die Dokumentation abnehmen können, und ihnen so eine stärkere Konzentration auf ihre ärztliche und pflegerische Aufgaben ermöglichen. Aber auch eine stärkere Delegation von Seiten des Arztes an anderes medizinisches Fachpersonal ist sinnvoll, beispielsweise könnte hier eine stärkere eigenverantwortliche Steuerung der Pflege durch sog. Primary Nurses als Vorbild dienen. Und weiterhin sind Tätigkeitsfelder, die die Koordination zwischen den verschiedenen Sektoren und deren Verknüpfung bei der Behandlung von Patienten im Blick haben, denkbar (Case Manager). Ein positives Bild, Aufstiegschancen und Weiterbildungsmöglichkeiten spielen vor allem in den Pflegeberufen eine wichtige Rolle, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Kontraproduktiv sind daher Pläne, wie sie auf EU-Ebene diskutiert werden, für eine Ausbildung zur Krankenschwester zwölf statt zehn Schuljahre zur Voraussetzung einer Ausbildung zu machen. Die IHK-Organisation kann dagegen einen unterstützenden Part einnehmen, indem sie einen ergänzenden IHK-Pflegeberuf einführt. Auf diese Weise könnten die Vorteile der IHK-Ausbildungen u. a. die vorhandene Infrastruktur, Transparenz und Vergleichbarkeit der Abschlüsse, Erfahrung und Betriebsnähe auch im Bereich der Pflege genutzt werden. 4

Definition der Gesundheitswirtschaft, die der DIHK-Auswertung zu Grunde liegt Zu der Gesundheitswirtschaft zählen in dieser Analyse: - Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen - Herstellung von Bestrahlungs- und Elektrotherapiegeräten und elektromedizinischen Geräten - Reparatur und Wartung von Medizintechnik - Herstellung von medizinischen und zahnmedizinischen Apparaten und Materialien - Handelsvermittlung von pharmazeutischen Erzeugnissen, medizinischen und orthopädischen Artikeln und Laborbedarf, Ärztebedarf, Dentalbedarf, zahnärztlichen Instrumenten, Krankenhaus- und Altenpflegebedarf - Großhandel mit pharmazeutischen, medizinischen und orthopädischen Erzeugnissen - Apotheken - Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln - Versandhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen - Krankenversicherungen - Forschung und Entwicklung im Bereich Biotechnologie - Forschung und Entwicklung in den Bereichen Medizin und Pharmazie - Beratung im Gesundheitswesen - Vermietung von medizinischen Geräten - Desinfektion u. Reinigung v. Praxen u. Krankenhäusern - Gesundheitswesen (Krankenhäuser (darunter auch Vorsorge- und Rehabilitationskliniken), Arzt- und Zahnarztpraxen, Massagepraxen, Heilpraktikerpraxen etc.) - Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime) (Pflegeheime, Altenheime) - Sozialwesen (ohne Heime) (u. a. Soziale Betreuung älterer Menschen, aber auch Tagesbetreuung von Kindern) Hinweis: Die Angaben zu der hier ausgewerteten Umfrage werden von IHK-Mitgliedern gemacht, beispielsweise also nicht von öffentlichen Einrichtungen oder ausschließlich freiberuflich Tätigen. Der Bereich der Gesetzlichen Krankenkassen ist hier ebenfalls nicht aufgenommen. Er zählt aber zu einer umfassenden Definition der Gesundheitswirtschaft selbstverständlich hinzu. 5