Definitionsmacht Workshop «Glaube, Hoffnung, Wissen» an der Fachtagung Ambulante Psychiatrische Pflege 13.Juni 2014

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Transkript:

Definitionsmacht Workshop «Glaube, Hoffnung, Wissen» an der Fachtagung Ambulante Psychiatrische Pflege 13.Juni 2014 Prof. Dr. Ian Needham Pflegewissenschafter MSc Rechtspsychologe MSc Kantonale Psychiatrische Dienste - Sektor Nord Center of Education & Research (COEUR ) Zürcherstrasse 30, Postfach 573 9501 Wil Switzerland

Lernziele Die Workshop Teilnehmenden sind auf machtträchtige pflegerische Aspekte ihres täglichen Handlungsfeldes sensibilisiert sind auf mögliche beeinflussende Faktoren der Definitionsmacht sensibilisiert begreifen die Komplexität des Zustandekommens und der Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen in der Pflege lernen Methoden kennen, die für das Verständnis von Definitionsmacht nützlich sein könnten 2

Grundlegende Definitionen Definition = genaue Bestimmung eines Begriffes durch Auseinanderlegung, Erklärung seines Inhalts (Duden) Macht = Gesamtheit der Mittel und Kräfte, die jemandem oder einer Sache andern gegenüber zur Verfügung stehen; Einfluss (Duden) Definitionsmacht = die Hoheit, einen Sachverhalt genau zu bestimmen 3

Einige Aphorismen zu Macht Macht ist nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert; die Macht ist etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und beweglicher Beziehungen vollzieht. Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit 1983, S. 115 Die Menschen unterwerfen sich aus Gewohnheit allem, was Macht haben will. Friedrich Nietzsche, Werke I - Menschliches, Allzumenschliches Sie haben keinen inneren Raum, wenn Ihr Geist vollgestopft ist mit Vorlieben und Bindungen, mit Ängsten und Wünschen, mit dem Verlangen nach Vergnügen, Macht und Status. Dann herrscht in Ihrem Geist drangvolle Enge. Krishnamurti, Das Licht in dir Wer Macht demonstriert, offenbart seine Ohnmacht. Andreas Tenzer 4

Machtträchtige Aspekte im Pflegehandeln Pflegediagnosen (psychiatrische Diagnosen) Indikatoren für gute Qualität Räumliche Trennung (Foucault) Die Erbringung von Leistungen bei PatientInnen Leistungserfassung Pflege (LEP): Normwerte Tarifvergütung Gute ambulante psychiatrische Pflege Gutes Arbeitsbündnis mit PatientInnen 5

Auftrag 1 (5 Minuten) Ermitteln Sie in Kleinstgruppen (2 bis 3 Personen), welche machtträchtigen Aspekte in Ihrem beruflichen Handlungsfeld vorhanden sind. 6

Analytische Verfahren hinsichtlich Definitionsmacht Machtanalytik nach Foucault Gouvernementalität Kommunikatives Handeln nach Habermas 7

Auftrag 2 Machen Sie sich während der Erklärung der «analytischen Instrumente» Gedanken zu einem machtträchtigen Aspekt in Ihrem beruflichen Handlungsfeld. 8

Foucaults analytischer Ansatz Michel Foucault (1926-1984), Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte der Denksysteme am Collège de France in Paris, französischer Philosoph, Psychologe, Historiker, Soziologe und Begründer der Diskursanalyse, Gouvernementalität, Machtanalytik. 9

Machtanalytik nach Foucault Souveränitätsmacht beschreibt das asymmetrische Verhältnis eines unregelmäßig physisch präsenten Souveräns (z.b. König) und dem einzelnen Individuum, dem Gehorsam abverlangt wird, wie etwa im Gesundheitssystem oder der Psychiatrie. Pastoralmacht ist eine Technik zum Aufspüren einer inneren Wahrheit, oft verbunden mit Versprachlichung (z.b. Beichte) und Unterwerfung, wie etwa die unausgesprochene Erwartung bedingungsloser Unterwerfung von PatientInnen Disziplinarmacht Macht durch Normierung und Normalisierung unterhalb der juristischen Gesetzesform, wie etwa der Entzug von Vergünstigungen. 10

Machtverhältnisse in der Pflege Souveränmacht Souveränmacht Pastoralmacht Pflegende Pastoralmacht PatientInnen Disziplinarmacht Disziplinarmacht Nach: Holmes D (2005) Governing the captives: forensic psychiatric nursing in corrections. Perspectives in Psychiatric Care 41(1):3-13 11

Disziplinarmechanismen nach Foucault Die Kunst der Verteilungen (181 ff.) Räumliche Trennung Zugängliche und unzugängliche Zonen Die Kontrolle der Tätigkeit (192 ff.) Zeitplanung Foucault M (1977), Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main 12

Gouvernementalität (M. Foucault) Wortherleitung: Regieren (gouverner) und Sich-selbst-Regieren der Subjekte (mentalité) Dynamik der Gesellschaft Das Zusammenwirken zwischen politischen Machtbeziehungen UND politischer Gesellschaftsstrukturen (Organisationsprinzipen und Institutionen) ergibt und verfestigt die gesellschaftlichen Machtbeziehungen/ Herrschaftsverhältnisse Regiertwerden hinsichtlich äußerer Zwänge und hinsichtlich Techniken der Selbstbeherrschung der regierten Individuen (Selbstverantwortung usw.) ODER Wechselwirkung zwischen Herrschaftstechniken und Selbsttechniken http://www.uni-muenster.de/grasp/forschung/gouvernementalitaet.html http://www.wer-weiss-was.de/philosophie_ethik/was-ist-gouvernementalitaet-foucault 13

Gouvernementalität Beispiel «Ich-AG» Kompetenz, Geschicklichkeit und Wissen eines Individuums werden optimal ausgebaut und ausgenutzt im Sinne betriebswirtschaftlicher Effizienz Die eigenverantwortliche unternehmerische Führung der eigenen Existenz als neues Ein-Personen-Unternehmen Gegensatz/Widerspruch zu Kooperation, Zusammenarbeit 14

Handlungstypen nach Habermas http://www.ztg.tu-berlin.de/download/legewie/dokumente/vorlesung_5.pdf 15

Kommunikatives Handeln nach Habermas Eine (optimale) rationale herrschaftsfreie Kommunikationsform, die auf folgenden Geltungsansprüchen beruht: 1. Verständlichkeit 2. objektive Wahrheit 3. normative Richtigkeit 4. subjektive Wahrhaftigkeit Dabei sollen Kommunikationsverzerrungen vermieden werden durch: 1. gleiche Chancen auf Dialoginitiation und -beteiligung, 2. gleiche Chancen der Deutungs- und Argumentationsqualität, 3. Herrschaftsfreiheit, sowie 4. keine Täuschung der Sprechintentionen http://de.wikipedia.org/wiki/theorie_des_kommunikativen_handelns 16

Erörterung von Praxisbeispielen Besprechen von bis zu drei Themen im Plenum http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3a%2f%2fwww.monte4me.de%2fwebroot%2fstore3%2fshops%2f63783864%2f513d%2fda63%2f98b9%2f2c9f%2fead2%2fc0a8%2f2 9C3%2FA7E0%2Fpraxisbeispiele_m.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.monte4me.de%2FPraxisbeispiele&h=200&w=200&tbnid=GOMqKMGeCgv4XM%3A&zoom=1&docid=bCnk3zX9 SZf1nM&hl=de&ei=1aWFU5S5Eqeb1AX3_4HICQ&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=13288&page=1&start=0&ndsp=55&ved=0CGUQrQMwBA 17

Fazit Welches Fazit ziehen Sie aus diesem kurzen Workshop? http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3a%2f%2fsafp.de%2fsag%2flf- Fazit.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fsafp.de%2Fphysiotherapie%2Fakademie%2Fpt_akademie_schulunt.html&h=224&w=236&tbnid=tAusEN3Wb_urNM%3A&zoom=1&doc id=jbxiwmavnlyynm&hl=de&ei=vkafu6gwkasn0axfoib4&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=1303&page=1&start=0&ndsp=48&ved=0chsqrqmwcg 18

Lernziele Die Workshop Teilnehmenden sind auf machtträchtige pflegerische Aspekte ihres täglichen Handlungsfeldes sensibilisiert sind auf mögliche beeinflussende Faktoren der Definitionsmacht sensibilisiert begreifen die Komplexität des Zustandekommens und der Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen in der Pflege lernen Methoden kennen, die für das Verständnis von Definitionsmacht nützlich sein könnten 19