Verordnung über die Weiterbildung: Anhörung Stellungnahme des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung SVEB Zürich, 7. September 2015 Sehr geehrter Herr Bundesrat Schneider-Ammann Wir danken Ihnen für die Einladung, zum Verordnungsentwurf Stellung zu nehmen. Gerne nutzen wir die Gelegenheit, uns als nationaler Dachverband der Weiterbildung zu dieser Vorlage zu äussern. Der SVEB vertritt den gesamten non-formalen Weiterbildungsbereich inkl. berufsorientierter, allgemeiner und betrieblicher Weiterbildung. Der Verband hat rund 670 Mitglieder, darunter viele Organisationen, die selbst wiederum Dachverbände für spezialisierte Bereiche sind. Der SVEB ist ein Interessen- und Fachverband und hat zahlreiche innovative Entwicklungen in der Weiterbildung initiiert. Zu unseren wichtigsten Funktionen gehören die Vernetzung aller Akteure, die Bereitstellung eines umfassenden Informationsangebots und die Entwicklung innovativer Ansätze in der Professionalisierung, Qualitätssicherung und Sensibilisierung für die Weiterbildung. Seit über 10 Jahren ist der SVEB auch im Bereich Grundkompetenzen aktiv. Wir haben mit Unterstützung mehrerer Bundesämter und Kantone sowie zusammen mit zahlreichen Partnern fachliche Grundlagen für die Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen geschaffen 1. Auf dieser Basis entwickeln wir weiterhin innovative Ansätze und Konzepte für die Förderung von Geringqualifizierten, wobei die niederschwellige Förderung am Arbeitsplatz im Fokus steht. Im Folgenden erläutern wir unsere grundsätzliche Einschätzung der WeBiV. Wo die im Entwurf enthaltenen Bestimmungen aus unserer Sicht nicht ausreichen, schlagen wir Änderungen oder die Ergänzung weiterer Artikel vor. 1 Vgl. die Publikation Grämiger, Bernhard / Märki, Cäcilia (Hg.) (2015): Grundkompetenzen von Erwachsenen fördern. Modelle, Perspektiven, Best Practice. SVEB: Zürich (erscheint Ende September)
1. Allgemeine Einschätzung der Verordnung Wir begrüssen den Verordnungsentwurf und sind mit den vorgeschlagenen Bestimmungen insgesamt einverstanden. Die Möglichkeit, vierjährige Leistungsvereinbarungen im Rahmen der BFI-Perioden abzuschliessen (WeBiV Art. 3 Abs. 3), sehen wir als wichtige Neuerung. Sehr positiv ist aus unserer Sicht auch die Einführung von Programmvereinbarungen mit den Kantonen (WeBiV Art. 10). Beide Neuerungen schaffen Planungssicherheit und ermöglichen damit nachhaltigere Wirkungen als jährliche Vereinbarungen. Als langjähriger Akteur im non-formalen Weiterbildungsbereich sind wir gern bereit, Bund und Kantone über den Art. 12 bei der Umsetzung der WeBiG-Grundsätze zu unterstützen. Der SVEB verfügt über ein sehr gutes Netzwerk und kann als Dachverband Know-how zu allen Bereichen der Weiterbildung bereitstellen. Lücken der WeBiV Der Verordnungsentwurf weist allerdings auch Lücken auf, die die Umsetzung des WeBiG erschweren werden, insbesondere in folgenden Bereichen: - Qualität (WeBiG Art. 6) - Anrechnung von Bildungsleistungen (WeBiG Art. 7) - Grundkompetenzen (WeBiG Art. 13-16) - Projektförderung - Weiterbildungskonferenz Aus unserer Sicht muss der Bund die Umsetzung des WeBiG auch in diesen Bereichen durch eine Verordnung oder zumindest durch verbindliche Richtlinien regeln (vgl. unsere Anträge weiter unten). Anmerkung zu den Finanzen Mit den bisherigen finanziellen Ressourcen, die Bund und Kantone für die Förderung der Weiterbildung aufgewendet haben, ist es nicht möglich, das WeBiG umzusetzen. Gemäss unserer Einschätzung besteht für die Umsetzung folgender minimaler Finanzbedarf: Finanzierung über WeBiG Art. 12 Für die künftig unter WeBiG Art. 12 vorgesehenen Leistungen der Organisationen der Weiterbildung braucht es mehr finanzielle Ressourcen als bisher in der Botschaft zum Gesetz vorgesehen. Besonders bei der Qualitätssicherung (WeBiG Art. 6) und bei der Förderung der Grundkompetenzen (WeBiG Art. 13 15) werden die Dachverbände neue Leistungen zu erbringen haben, die zusätzliche Geldmittel erfordern. Wir erwarten, dass in der BFI-Botschaft für Leistungen, die über WeBiG Art. 12 unterstützt werden, ein Betrag von jährlich 4.5 Mio CHF eingesetzt wird. Diese Summe deckt die bisherigen Leistungen und den über das WeBiG entstehenden Zusatzaufwand ab. Sollte sich der Umfang der zu fördernden Leistungen oder Organisationen wesentlich erhöhen, ist dieser Betrag entsprechend anzupassen. 2
Finanzierung über WeBiG Art. 16 Die Umsetzung der WeBiG-Grundsätze ist anspruchsvoll und stellt hohe Anforderungen an die involvierten Akteure. Um Programmvereinbarungen mit 26 Kantonen umzusetzen, werden die bisher vorgesehenen 2 Millionen CHF pro Jahr bei weitem nicht ausreichen. Gemäss unserer Einschätzung erfordert die Umsetzung des WeBiG mindestens 6 Millionen CHF pro Jahr, das heisst 24 Mio für eine vierjährige BFI-Periode. Wir schlagen eine progressive, stufenweise Erhöhung innerhalb der BFI-Periode vor, weil die Aufbauarbeit der ersten Jahre weniger kostenintensiv ist als die darauf folgende Umsetzung. 2. Änderungsanträge zur Verordnung WeBiV 2.1 Anträge zu den im Entwurf enthaltenen Artikeln WeBiV Art. 2 Unterstützte Leistungen In der Botschaft vom 8. Juni 2007 zum Kulturförderungsgesetz hält der Bundesrat fest, dass Dienstleistungen der Dachverbände zur Illettrismusbekämpfung, die bisher über das Kulturförderungsgesetz (KFG) unterstützt wurden, künftig über das Weiterbildungsgesetz zu fördern sind. Dieser vom Bundesrat angekündigte Transfer der Förderung wird jetzt aber weder im WeBiG noch in der zugehörigen Verordnung explizit erwähnt. Das heisst: Die Finanzierung der Illettrismusbekämpfung ist im WeBiG nicht als bestehende, aus dem KFG ins WeBiG transferierte Förderung erkennbar. Sie würde in der künftigen Förderung über das WeBiG plötzlich als neuer Fördertatbestand erscheinen. Bei der Illettrismusbekämpfung handelt es sich aber um die Transferierung eines unbestrittenen Teil- Artikels des Kulturförderungsgesetzes ins Weiterbildungsgesetz. Dies muss in der WeBiV klar ersichtlich sein. Wir schlagen eine entsprechende Ergänzung vor: Änderungsantrag Art. 2 Abs. 1 (Unterstützte Leistungen) d. (neu) Massnahmen zur Förderung des Erwerbs und des Erhalts von Grundkompetenzen Erwachsener. In den Erläuterungen zur WeBiV muss der Transfer des Fördertatbestandes Illettrismusbekämpfung von KFG Art. 28 zu WeBiG Art. 12 ebenfalls erwähnt sein (vgl. dazu auch die Verordnung des EDI über das Förderungskonzept 2012 2015 zur Bekämpfung des Illettrismus). Wir halten zudem fest, dass der Aufbau und die Pflege des Mitgliedernetzwerks eine Koordinationsleistung im Sinne von WeBiV Art. 2 Abs. 1b ist und die Grundlage bildet für die Erbringung von Leistungen im öffentlichen Interesse. 3
Art. 3 Bemessung und Dauer der Finanzhilfen Bei der Finanzierung muss von den Vollkosten ausgegangen werden. Das heisst, es müssen neben den Leistungen auch die Overhead-Kosten berücksichtigt werden. Anders ist der Aufwand für den SVEB aufgrund unserer Finanzierungstrukturen nicht tragbar. Im aktuellen Entwurf fehlt bei WeBiV Art. 3 Abs. 1 die im Vorentwurf enthaltene Präzisierung angemessen bei der Kostenbeteiligung. Mit dieser Streichung sind wir nicht einverstanden. Änderungsantrag Art. 3 (Bemessung und Dauer der Finanzhilfen) 1 Die Finanzhilfen decken einen angemessenen Teil der Kosten für die Leistungen nach Art. 2 sowie einen Teil der für die Leistungen anfallenden Overhead-Kosten. Art. 13 Höhe der Beiträge Der in WeBiV Art. 13 vorgeschlagene 50/50-Finanzierungsschlüssel schafft für Kantone, die die Grundkompetenzen bisher kaum oder gar nicht fördern, keinen Anreiz für neue Investitionen. Um Anreize zu setzen, muss der Bundesanteil in diesen Fällen höher sein als der Kantonsanteil. Während der ersten BFI-Periode müssen die meisten Kantone Aufbauinvestitionen leisten. In dieser Phase muss der Bund je nach kantonaler Situation bis zu 80 Prozent des Gesamtaufwandes übernehmen können. Änderungsantrag Art. 13 (Höhe der Beiträge) Die Höhe des Bundesbeitrags entspricht in der Regel höchstens 50% des Gesamtaufwandes für ein kantonales Programm. In begründeten Fällen kann der Bundesbeitrag höchstens 80% des Gesamtaufwandes betragen. 4
2.2 Anträge für zusätzliche WeBiV-Artikel Zu WeBiG Art. 4 (Ziele) - Projektförderung Die meisten innovativen Entwicklungen des Weiterbildungssystems werden über Projekte initiiert. Bereiche wie die Sensibilisierung für lebenslanges Lernen werden bis heute fast ausschliesslich in Form von Projekten weiterentwickelt (Bsp. Lernfestival), da kaum andere Strukturen dafür existieren. Bisher wurden solche Projekte vor allem über das Berufsbildungsgesetz (BBG) gefördert, obwohl nicht alle Projekte zur Berufsbildung im engeren Sinn gehören. In den letzten Jahren ging man davon aus, dass Weiterbildungsprojekte nach Einführung des WeBiG über dieses Gesetz gefördert würden. Das SBFI hat dem SVEB und dem Forum Weiterbildung auf Anfrage mehrfach versichert, dass die Projektförderung künftig über die WeBiG-Verordnung geregelt würde. Nachdem die Projektförderung im Verlauf des WeBiG-Prozesses aus der Gesetzesvorlage entfernt wurde, fehlt sie jetzt allerdings auch im Verordnungsentwurf. Das bedeutet, dass es nach Ansicht des SBFI künftig keinerlei gesetzliche Basis für die Unterstützung von nicht berufsorientierten Weiterbildungsprojekten mehr geben soll. Damit ist der Bund frei, jegliche Förderung von innovativen Entwicklungen im Weiterbildungsbereich mit dem Verweis auf fehlende Rechtsgrundlagen einzustellen. Dies hat die paradoxe Folge, dass es künftig dank WeBiG weniger Entwicklungen in der Weiterbildung gäbe als bisher, das Gesetz also zu einer Verschlechterung der Situation der Weiterbildung führen würde. Aus unserer Sicht gehört die Projektförderung in die WeBiV. Wenn sie nicht auf das WeBiG abgestützt wird, muss sie weiterhin auf BBG Art. 55 abgestützt werden können. Änderungsantrag: Zusätzlicher WeBiV-Artikel (zu WeBiG Art. 4) Projektförderung 1 Der Bund fördert auf der Grundlage von Art. 55 Abs. 3 BBG Projekte, die zur Erreichung der in Art. 4 WeBiG formulierten Ziele beitragen. 2 Das SBFI legt die Kriterien für die Projektförderung fest. Zu WeBiG Art. 6 (Qualität) und 7 (Anrechnung) Wie schon in der Vor-Anhörung festgehalten, ist es für uns inakzeptabel, dass WeBiG Art. 6 (Qualitätssicherung und -entwicklung) und Art. 7 (Anrechnung von Bildungsleistungen) nicht über die Verordnung geregelt werden. In beiden Fällen ist eine Konkretisierung nötig, damit diese WeBiG- Grundsätze umgesetzt werden können. Änderungsantrag: Zusätzlicher WeBiV-Artikel (zu WeBiG Art. 6) Qualitätssicherung Ziel der Umsetzung von WebiG Art. 6 ist die Koordination und Abstimmung der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung über die Kantone und Spezialgesetze hinweg. 5
Änderungsantrag: Zusätzlicher WeBiV-Artikel (zu WeBiG Art. 7) Anrechnung von Bildungsleistungen 1 Der Bund erlässt Richtlinien zur Anrechnung non-formaler Bildungsleistungen an formale Abschlüsse. 2 Der Bund erlässt Richtlinien dafür, wie non-formale Weiterbildungsabschlüsse in den Nationalen Qualifikationsrahmen eingeordnet werden können. Zu WeBiG Art. 13-16 (Grundkompetenzen) Wir sind mit der Verordnung zu Art. 13 16 WeBiG grundsätzlich einverstanden. Es fehlen aber wichtige Anliegen. So fehlen die Konkretisierung von Zielen und Förderbereichen sowie der Hinweis auf die Umsetzung nationaler Programme. Ausserdem müssen der Finanzierungsmechanismus und der Finanzrahmen angepasst werden, um eine wirksame Förderung zu ermöglichen. Nationale Programme Die Förderung der Grundkompetenzen ist gemäss WeBiG Art. 14 eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen. Die Verordnung ist bisher ausschliesslich auf die Umsetzung von kantonalen Programmen ausgerichtet. Wir fordern, dass der Bund subsidiär ebenfalls Verantwortung für die Umsetzung des Gesetzes übernimmt und in Ergänzung zu den kantonalen Massnahmen nationale Programme und Projekte umsetzt. Antrag: Zusätzliche WeBiV-Artikel (zu WeBiG Art. 14) Ziele und Massnahmen in der Förderung der Grundkompetenzen 1 Ziel der Massnahmen des Bundes und der Kantone im Bereich des Erwerbs und Erhalts von Grundkompetenzen Erwachsener ist die volle und eigenständige Teilnahme in der Gesellschaft, am kulturellen Leben und auf dem Arbeitsmarkt sowie der Zugang zum Lebenslangen Lernen aller Erwachsenen in der Schweiz. 2 Die Massnahmen des Bundes sowie der Kantone sind insbesondere darauf ausgerichtet, a. die Teilnahme an Bildungsangeboten im Bereich Grundkompetenzen zu erhöhen b. das Bildungsangebot im Bereich Grundkompetenzen (öffentliches Angebot und betriebliche Angebote) weiterzuentwickeln c. die Qualität der Bildungsmassnahmen sicherzustellen d. die Koordination, die Vernetzung der Akteure sowie den Know-How-Transfer sicherzustellen Nationale Programme Der Bund setzt in Ergänzung zu den kantonalen Programmen nationale Programme zur Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener um. 6
Zu WeBiG Art. 19 Abs. 2 u.a. (Weiterbildungskonferenz) Seit 15 Jahren bietet das Forum Weiterbildung Schweiz eine Plattform, wo sich Bund, Kantone und Organisationen der Weiterbildung ein- bis zweimal jährlich zu einem Austausch über wichtige Themen der Weiterbildungspolitik treffen. Diese Plattform dient dazu, aktuelle Ziele und Massnahmen bei den wichtigsten Akteuren zur Diskussion zu stellen, was eine koordinierte Umsetzung der Massnahmen erleichtert. Mit der Einführung des WeBiG wird das Forum voraussichtlich aufgelöst. Damit schafft der Bund aber die einzige Plattform ab, die die Koordination der Weiterbildungsthemen zwischen Bund, Kantonen und Verbänden ermöglicht. Die Umsetzung des WeBiG braucht aber den Dialog zwischen diesen Akteuren umso mehr, als das WeBiG diverse Bestimmungen enthält, die in der Verordnung nicht geregelt sind und also im Dialog gelöst werden müssen. Einen Dialog zwischen den Akteuren erfordern folgende WeBiG-Artikel: Art. 6.1, Art. 7.2, Art. 14 Abs. 2, Art. 15. Abs. 2 sowie Art. 19 Abs. 2. Aus unserer Sicht kann eine auf Art. 19 gestützte Weiterbildungskonferenz den Koordinationsbedarf erfüllen, der bei den erwähnten WeBiG-Artikeln anfällt. Antrag: Zusätzlicher WeBiV-Artikel (zu WeBiG Art. 19 Abs. 2 u.a.) Weiterbildungskonferenz 1 Es wird eine nationale Weiterbildungskonferenz, bestehend aus Organisationen der Weiterbildung und Organisationen der Arbeitswelt, gebildet. 2 Die Weiterbildungskonferenz berät Bund und Kantone bei Systementwicklungen im Weiterbildungsbereich, insbesondere bei der Umsetzung der im Weiterbildungsgesetz festgelegten Grundsätze sowie bei der Anpassung der Spezialgesetze. Weiteres Vorgehen Wir erwarten vom Bund, dass er die WeBiG-Grundsätze umsetzt. Wenn wichtige Teile dieses Gesetzes in der Verordnung fehlen, müssen andere Wege gefunden werden, um die Umsetzung zu gewährleisten, beispielsweise verbindliche Richtlinien. Wir sind bereit, an einer entsprechenden Lösung mitzuarbeiten. Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung unserer Anträge und stehen Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung. Freundliche Grüsse Schweizerischer Verband für Weiterbildung SVEB Matthias Aebischer Präsident SVEB André Schläfli Direktor SVEB 7