I N F O R M A T I O N zur mit Landesrat Rudi Anschober und Vorstandsdirektor Dipl. Ing. Dr. Wolfgang Lakata, voestalpine Stahl GmbH 9. Februar 2009 zum Thema "Feinstaubbelastung ist nur zum Teil hausgemacht - Ergebnisse der großen, langjährigen AQUELLA-Studie Linz - Oberösterreich" Weitere Gesprächsteilnehmer/innen: Ao Prof. Dr. Hans Puxbaum, Technische Universität Wien, Institut für Chemische Technologien und Analytik Ing. Hannes Sigmund, Umweltbeauftragter, voestalpine HR in Dr. in Elisabeth Danninger, Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Umweltschutz
LR Rudi Anschober Seite 2 Feinstaubbelastung ist nur zum Teil hausgemacht - Ergebnisse aus dem AQUELLA-Projekt Linz - Oberösterreich Feinstaubkonzentration im langjährigen Trend rückläufig. Importanteil liegt bei 55 Prozent. Gemeinsame Initiative von Bund, Ländern und der EU notwendig. Emissionsreduktionsprogramm mit voestalpine zeigt Wirkung. Umweltlandesrat Anschober: "Feinstaub ist besonders gesundheitsschädlich, da er bis tief in die Lunge gelangen kann. Umso erfreulicher, dass die Feinstaubkonzentration im langjährigen Trend in OÖ rückläufig ist. Das 2005 von mir initiierte 30-Punkte-Programm gegen Feinstaub, das Maßnahmen in allen Verursacherbereichen von der Industrie, über die Landwirtschaft bis zum Hausbrand vorsieht beginnt offensichtlich zu wirken." Die bundesweit größte Reduktionsmaßnahme wurde in den vergangenen Jahren von der voestalpine im Rahmen der UVP Linz 2010 mit einer Absenkung von 1.700 t verwirklicht. Dennoch besteht weiter Handlungsbedarf, denn die erlaubte Anzahl an Tagesmittelwertüberschreitungen wird gerade im Linzer Zentralraum immer noch überschritten, vor allem im Jänner ist dies geschehen. Um weitere Maßnahmen punktgenau entwickeln zu können, ist entscheidend, welcher Anteil am Feinstaub überhaupt "hausgemacht" ist und daher durch Maßnahmen beeinflussbar. Dazu beauftragte das Land Oberösterreich das Institut für Chemische Technologien und Analytik der Technischen Universität Wien mit einer entsprechenden Studie, der sog. Aerosolquellenanalyse (Ergebnisse im Detail siehe Folgeseiten). "Die Ergebnisse der 3jährigen AQUELLA-Studie, der bisher umfassendsten Luftuntersuchung in OÖ, zeigen nun, dass an Überschreitungstagen z.b. an der Station Römerberg der sog. Importanteil bei 55 Prozent liegt", so Landesrat Anschober. "Das beweist deutlich, dass wie von mir gefordert gemeinsame Initiativen von Bund und auf EU-Ebene gegen Belastungen auf Grund von Fernverfrachtung
LR Rudi Anschober Seite 3 zusätzlich zu regionalen Maßnahmen dringend notwendig sind. Ich werde mit entsprechenden Vorschlägen an den Umweltminister herantreten." Die Auswertungen zeigen weiters, dass der Anteil der industriellen Emissionen bei Stäuben aus der Eisen- und Stahlindustrie an Überschreitungstagen im Mittel nur 5-10 Prozent beträgt. "Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass das mit der voestalpine vereinbarte Emissionsreduktionsprogramm der richtige Weg war. Im Rahmen des UVP-Verfahrens für die erste Ausbaustufe der voestalpine Stahl GmbH ("Linz 2010") wurde trotz einer Produktionssteigerung um etwa ein Drittel, eine Senkung der Staub- und Feinstaubemissionen um rund zwei Drittel fixiert", so Landesrat Anschober. Nicht berücksichtigt sind hier weitergehende staubreduzierende Maßnahmen der voestalpine, die seit Frühjahr 2006, dem Ende des Untersuchungszeitraums für die AQUELLA-Studie, gesetzt wurden. Die Fortsetzung der Maßnahmen in OÖ und deren Verstärkung sind natürlich trotz der positiven Entwicklung ebenso notwendig. In Zukunft wird das Hauptaugenmerk nicht nur auf PM10, sondern auch auf wesentlich kleinere Teilchen PM2,5 und PM1 gelegt werden. Auch hier sind in OÖ bei PM2,5 bereits Messungen im Gange und Vorarbeiten bei der PM1-Messung im Laufen. Im Mittelpunkt der Landesmaßnahmen wird vor allem der Verkehrsbereich sein müssen. Die Hauptursachen für die Feinstaubkonzentration sind daher: - Verkehr - Ferntransporte - veraltete Heizungen mit fossilen Energieträgern bzw. Holz
LR Rudi Anschober Seite 4 Eine Kurzfassung der AQUELLA-Studie steht auch über die Website des Landes unter http://www.land-oberoesterreich.gv.at/ > Themen > Umwelt > Luft/Klima der Öffentlichkeit zur Verfügung.
LR Rudi Anschober Seite 5 Aufgabenstellung des Projektes "AQUELLA (Aerosolquellenanalyse) für Linz - Oberösterreich Im Raum Linz/Oberösterreich wurde der Tagesmittelwert (TMW) Grenzwert von PM10 öfter als zulässig überschritten. Im Rahmen des Projektes sollten die Hauptverursacher der PM10 Überschreitungen in der Stadt Linz ermittelt werden. Damit sollen dem Land grundlegende Daten für wirksame Maßnahmenkataloge zur Einhaltung der PM10 Immissionswerte zur Verfügung gestellt werden. Zur Ermittlung der Hauptverursacher der PM10 Überschreitungen wurde ein Aerosolquellenmodell für PM10 zur Anwendung der Quellenanalyse in Linz erstellt. Hierfür war es erforderlich, einen geeigneten Tracersatz zu erstellen, der als Grundlage der Quellenanalyse mit dem chemischen Massenbilanzmodell dient. Der Tracersatz ist dann in den Quellenproben zu analysieren, daraus resultierten die Quellenprofile. In selektierten Immissionsproben wurden dann ebenso die Konzentrationswerte der Tracerkomponenten im Verhältnis zur PM10-Konzentration bestimmt. Mit Hilfe des Makrotracer-Modells und des CMB-Modells wurden letztlich die Anteile der wichtigsten Aerosolquellen ermittelt. Die Anwendung des Aerosolquellenmodells für Linz sollte insbesondere der Analyse von Situationen dienen, die zur Überschreitung der IG-Luft Grenzwerte von PM10 führen. Das Quellenmodell, das für die Arbeit herangezogen wurde, basiert auf den aktuellsten Arbeiten der führenden Gruppen auf diesem Gebiet (Glen Cass und James Schauer), wurde aber für die Anwendung auf ein mitteleuropäisches Stadtaerosol hinsichtlich der Quellenprofile entsprechend modifiziert und hinsichtlich der Anwendung von organischen Tracern, Ionen, Metallen und der Kohlenstoffparameter adaptiert. Mit diesem "Mixed Model" wurden Überschreitungssituationen und auch Tage geringer Belastung untersucht und die jeweiligen Hauptquellen als Beiträge zu PM10 dargestellt. Durch Einbeziehen einer Vorbelastungsmessstelle war es auch möglich, den eigentlichen Stadteinfluss als "Urban Impact" für die Überschreitungsepisoden herauszufiltern.
LR Rudi Anschober Seite 6 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Beprobung an den im Projekt AQUELLA-Oberösterreich inkludierten Messstellen Römerberg, Neue Welt, Steyregg und Enzenkirchen erfolgte von April 2005 bis März 2006. In den Proben wurden Ruß (EC), organischer Kohlenstoff (OC), Ionen, Spurenmetalle, ausgewählte polare und apolare Verbindungen, sowie die organischen Makrokomponenten Levoglucosan, Cellulose und "Humic like substances" (HULIS) analysiert. Die Quellenproben, v.a. Straßenstaubproben und Kehrproben aus dem Areal der Eisen/Stahlproduktion und -verarbeitung wurden mit einem PM10 Elutriator präpariert und für die Gewinnung von Quellenprofilen analysiert. Aus anderen Projekten wurden die Quellenprofile für Holzrauch und Pflanzendebris gewonnen. Für Sekundäraerosole (anorganisch und organisch) sind keine weiteren Profilerstellungen erforderlich. Die Analysenwerte der Beprobungsstandorte wurden der Makrotracer-Modellierung unterzogen, wobei hier vom nicht geogenen Anteil des Fe 2 O 3 der Einfluss der Eisen/Stahlproduktion und -verarbeitung abgeschätzt werden kann. In einer Studie von Gladke (2008) wurde ein Faktor von ~2 für die Umrechnung von Eisenoxid auf den Immissionsbeitrag stahlproduzierender Industrie ermittelt. Damit sind die Ergebnisse für CMB Modell und Makrotracer vergleichbar. Generell stimmen die beiden Modelle im Rahmen der Modellunsicherheiten (etwa Faktor 1.5) überein. Beispiel Römerberg Die bedeutendsten wirksamen Quellen an den Messstellen Römerberg und Neue Welt sind demnach insgesamt: 1. Ammonsulfat (Fallweise erhöht überwiegend durch Ferntransporte)- und Ammonnitrataerosol (bildet sich im Winter verstärkt aus NOx und NH3 Ammoniak, überwiegend im ländlichen Raum) 2. Holzrauch und Folgekomponenten (HULIS) 3. Mineralstaub
LR Rudi Anschober Seite 7 4. KFZ-Emissionen inklusive Reifen- und Bremsabrieb Nach Abzug des Einflusses der Hintergrundmessstelle Enzenkirchen ergibt sich der sog. Stadteinfluss. Dieser lässt sich für die beiden Messstellen Römerberg und Neue Welt zusammenfassen als: 1. KFZ-Emissionen inklusive Reifen- und Bremsabrieb 2. Mineralstaub 3. Eisen/Stahlproduktion und Verarbeitung 4. Anorganisch Sekundäre Komponenten Tabelle 1: Aufteilung des Import- und Stadtanteils an den Überschreitungstagen im Beobachtungszeitraum, Messstationen Römerberg und Neue Welt, Maktrotracermodell Makrotracermodell Mittelwert Überschreitungen Importanteil % Stationsanteil % Gesamt % Oberösterreich Römerberg 55 45 100 Kfz+Off Road-Abgas 3 8 11 Kfz+Off Road-Abrieb 1 2 3 Holzrauch 8 1 9 HULIS (Organisch Sekundär) 4 0 4 Anorganisch Sekundär 28 12 40 Auftausalz 0 2 2 Mineralstaub 4 9 13 Eisen/Stahlproduktion u. Verarbeitung 1 5* 6 Sonstige org. Anteile 1 9 10 Oberösterreich Neue Welt 62 38 100 Kfz+Off Road-Abgas 4 4 8 Kfz+Off Road-Abrieb 1 1 2 Holzrauch 8 0 8 HULIS (Organisch Sekundär) 4 0 4 Anorganisch Sekundär 31 11 42 Auftausalz 0 1 1 Mineralstaub 6 5 11 Eisen/Stahlproduktion u. Verarbeitung 1 5* 6 Sonstige org. Anteile 0 13 13 Sonstige org. Anteile: Organische Anteile (z.b. Küchendämpfe, Debris) Anorganisch Sekundär: NH4, NO3, SO4, Feuchte / Hohe Ferntransportanteile Mineralstaub: Karbonatischer und silikatischer Staub, überwiegend 2-10 m * 5-10% bei Berücksichtigung sekundärer Anteile Die vergleichenden Untersuchungen an den Messstationen Römerberg und Neue Welt (verkehrsbetont), Steyregg (Stadtrand) und Enzenkirchen (Hintergrundmessstelle) ergaben:
LR Rudi Anschober Seite 8 Die Überschreitungen im Raum Linz fanden im Beobachtungszeitraum überwiegend im Winterhalbjahr (Oktober bis März) statt. Der Vergleich zwischen den Monaten Juli und Jänner zeigt, dass der Anstieg der PM10-Belastung überwiegend im Hintergrund stattfindet und vor allem durch winterspezifische Quellen wie Holzrauch und Folgeprodukte (HULIS) sowie Ammoniumnitrat verursacht wird. An fast 70% der Überschreitungstage ist der Hintergrund bereits hoch belastet (über 30 g PM10/m³). Zwischen 55 und 66% der PM10 Belastung an Überschreitungstagen an den verkehrsnahen Aquella Messstationen (Römerberg und Neue Welt) stammen aus der Hintergrundbelastung. Folglich ist einer Reduktion der Hintergrundbelastung große Aufmerksamkeit zu schenken. Die Hintergrundbelastung wird an den Messstationen überwiegend durch sekundäre anorganische Komponenten verursacht (etwa 50% des Importanteils), an zweiter Stelle liegen Holzrauch und verwandte Komponenten (HULIS), gefolgt von Mineralstaub. Die Zusatzbelastung, der sog. "Urban Impact" an den verkehrsnahen Messstellen Römerberg und Neue Welt wird überwiegend von KFZ Emissionen (exhaust und non exhaust-anteile), sowie Mineralstaub dominiert und Anorganischen Sekundären Komponenten bzw. Emissionen der Eisen/Stahlproduktion und -verarbeitung verursacht. Die Eisen sowie Stahlproduktion und -verarbeitung trägt an Überschreitungstagen im Mittel rund 7,5% (5-10%) Anteil an den verkehrsnahen Stationen Römerberg und Neue Welt bei.
LR Rudi Anschober Seite 9 Grundlagen der Feinstaubproblematik 1 Bis 2004 galt in Österreich als gesetzlich zu erfassende Staubfraktion Gesamtschwebestaub oder auch abgekürzt TSP (für "total suspended particles"). Da feinere Teilchen tiefer in den Atemtrakt gelangen und in epidemiologischen Untersuchungen auch eine höhere Wirkung auf Atemtrakt- und Herz-Kreislauferkrankungen aufzeigen, wurden in den USA bereits vor längerer Zeit Grenzwerte für die feineren Staubfraktionen unter 10 m ("PM10") und unter 2,5 m ("PM2.5") eingeführt. Seitens der EU wurde am 22. April 1999 die Richtlinie 1999/30/EG erlassen, in welcher die Grenzwerte für Partikel in der Luft neu behandelt wurden. Die Bezeichnung "Partikel" für Schwebestaub wurde in Anlehnung an US-Bezeichnungen für Staubkollektive bestimmter Obergrenzen der bei der Sammlung zu erfassenden Größenfraktionen eingeführt. Als "PM10" in der erwähnten EU-Richtlinie wird "Particulate Matter mit einem mittleren aerodynamischen Abscheiddurchmesser von 10 m" bezeichnet, somit der amerikanische Begriff der Schwebestaubsammlung mit einer definierten Teilchenobergrenze übernommen. Die Referenzmethode hiezu ist in der CENNorm EN 12341 beschrieben. Als Grenzwert zum Schutz des Menschen ist im IG-L ein JMW von 40 g/m³ und ein TMW von 50 g/m³, dieser jedoch verknüpft mit Überschreitungskriterien, angegeben. Ein Grenzwert von 25 g/m³ im Jahresmittel für PM2.5 wurde erst kürzlich von der EU (24. Mai 2008) erlassen (Richtlinie 2008/50/EG). Dieser muss bis 1. Januar 2015 erreicht werden. Der PM10 Standard mit einem Grenzwert von 50 g/m³ als TMW, der pro Jahr 35 Mal überschritten werden darf, wurde mit dem IG-Luft 2001 in Bezug auf die Überschreitungshäufigkeit verschärft in österreichisches Recht übernommen. Dieser Grenzwert ist in vielen Ballungsräumen Europas mit großer Wahrscheinlichkeit überschritten. In Linz wurden 1 Quelle: "AQUELLA Linz - Oberösterreich" Aerosolquellenanalyse für Linz - Oberösterreich, Technische Universität Wien, Institut für Chemische Technologien und Analytik; Wien, 2008
LR Rudi Anschober Seite 10 mehrfach Überschreitungen des PM10-Grenzwertkriteriums beobachtet. In Österreich führt eine Überschreitung eines IG-Luft Grenzwerts zur Statuserhebung mit einer Analyse der Verursacher und zur Einleitung von geeigneten Maßnahmen, um die Überschreitungen in Zukunft vermeiden zu können. Während nun bei gasförmigen Luftschadstoffen auf Basis der Emissionskataster auf Anteile von Verursacherquellen geschlossen werden kann, ist dies bei Partikeln PM10 nicht in gleichartiger Weise möglich. Zum einen, da Partikel aus vielfältigen chemischen Verbindungen bestehen, zum anderen, da diese chemischen Verbindungen jeweils aus verschiedenen Quellen stammen. Außerdem wird ein erheblicher Anteil der Partikel in der Luft sekundär gebildet und scheint in den Emissionskatastern nicht auf. Weiters erfassen die Emissionskataster nicht oder sehr unvollständig fugitive Emissionen, die z.b. durch Straßenabrieb, Bautätigkeit, Erosion von offenen Flächen etc. verursacht werden. Dadurch wird die Erkennung von Quellenbeiträgen zum PM10 Aerosol ein mehrdimensionales Problem, das nicht mehr durch Betrachten der Messwerte selbst gelöst werden kann. Als Lösungsmöglichkeit wird die Anwendung eines Chemischen Massenbilanzmodells (CMB) vorgeschlagen, welches mit Hilfe eines statistischen Verfahrens und der Anwendung von gemessenen Quellenprofilen eine Rekonstruktion der Beiträge der wichtigsten, in einer Vorauswahl ermittelten Aerosolquellen ermöglicht. Basierend auf den Erfahrungen mit dem CMB-Modell wurde im Rahmen von AQUELLA ein eigenes Aerosolquellen-Modell, das Makrotracer- Modell entwickelt und erfolgreich angewendet.