Die ärztliche Schweigepflicht zwischen Fürsorge und Rechtspflege

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Die ärztliche Schweigepflicht zwischen Fürsorge und Rechtspflege Institut für Ethik und Recht in der Medizin Plattform Patientensicherheit Dr. Maria Kletecka-Pulker ZVR Verkehrsrechtstag 2017

Fallkonstellationen PatientIn bekommt erstmals Psychopharmaka verabreicht 87-jähriger Patient erzählt, dass er wieder gegen eine Parkbank gefahren ist Angesehener Journalist im Substitutionsprogramm Frau äußert Sorge, dass ihr Mann immer wieder betrunken fährt Schulbusfahrer trinkt in seiner Freizeit gerne...

Was ist zu tun?

Gesetzliche Grundlagen der Schweigepflicht Verfassungsrecht: Art 8 MRK, 1 DSG Verwaltungsrecht Berufsrechte: ÄG, ZÄG, GukG, HebG, PG etc KAKuG Sonstige: 71 GTG, 13 BSG, 15 UbG, 15 SMG etc Zivilrecht: 16 ABGB, 1328a ABGB Strafrecht: 121 StGB Arbeits- und Dienstrecht Anstaltsordnung, Patientencharta etc

Behandlungsverhältnis Inhalt des Behandlungsvertrages: Heilbehandlung: jede therapeutische, diagnostische, prophylaktische und schmerzlindernde Maßnahme Gegenseitige Rechten und Pflichten Pflichten des Arztes Behandlung auf sachgerechte medizinische Behandlung Aufklärungspflicht Dokumentation Schweigepflicht Pflichten des Patienten Informationspflicht Mitwirkungspflicht

Aufklärungspflicht Umfang und Inhalt der Aufklärung Individuell Umstände des Einzelfalls Für den Umfang besteht keine generell verbindliche Norm Wie kann ich sichergehen, dass PatientIn alles verstanden hat? Einzelfallprüfung Typizität des Risikos Form der Aufklärung

Gesetzliche Grundlagen der Schweigepflicht Da die Schweigepflicht ein ganz zentraler Aspekt des Arzt- PatientInnenverhältnis ist, ist diese in zahlreichen Bestimmungen verankert: Verfassungsrecht: Art 8 MRK, 1 DSG Verwaltungsrecht - Berufsrechte: ÄG, ZÄG, GukG, HebG, PG etc - KAKuG - Sonstige: 71 GTG, 13 BSG, 15 UbG, 15 SMG etc Zivilrecht: 16 ABGB, 1328a ABGB Strafrecht: 121 StGB Arbeits- und Dienstrecht Anstaltsordnung, Patientencharta etc

121 Strafgesetzbuch (StGB) Wer ein Geheimnis offenbart oder verwertet, das den Gesundheitszustand einer Person betrifft und das ihm bei berufsmäßiger Ausübung eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes oder bei berufsmäßiger Beschäftigung mit Aufgaben der Verwaltung einer Krankenanstalt oder eines anderen Gesundheitsdiensteanbieters oder mit Aufgaben der Kranken-, der Unfall-, der Lebens- oder der Sozialversicherung ausschließlich kraft seines Berufes anvertraut worden oder zugänglich geworden ist und dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein berechtigtes Interesse der Person zu verletzen, die seine Tätigkeit in Anspruch genommen hat oder für die sie in Anspruch genommen worden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer widerrechtlich von einer Person die Offenbarung (Einsichtnahme oder Verwertung) von Geheimnissen ihres Gesundheitszustandes in der Absicht verlangt, den Erwerb oder das berufliche Fortkommen dieser oder einer anderen Person für den Fall der Weigerung zu schädigen oder zu gefährden.

121 Strafgesetzbuch (StGB) Wann darf oder muss die Schweigepflicht nach dem Strafgesetzbuch durchbrochen werden: Rechtfertigung des Geheimnisbruch: Einwilligung des/der PatientIn (Entbindung) Notwehr Notstand Gesetzliche Anzeige- und Meldepflichten Rechtfertigung durch öffentliche oder berechtigte private Interessen

54 ÄrzteG Der Arzt und seine Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Durchbrechungen: Gesetzliche Meldepflichten Erforderliche Mitteilungen oder Befunde des Arztes an die Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten oder sonstige Kostenträger Entbindung zum Schutz höherwertiger Interessen - der öffentlichen Gesundheitspflege oder - der Rechtspflege - von einwilligungsunfähigen Patientinnen/Patienten im Zusammenhang mit der Bereitstellung der für die Behandlungskontinuität unerlässlichen Eckdaten gegenüber den mit der Pflege betrauten Personen Anzeigepflicht bei Tod, schwerer Körperverletzung, sexuellem Missbrauch

Recht auf Wahrung der Privatsphäre 1328 a ABGB: Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre - Ersatz des ideellen Schadens!

Welche Schweigepflicht gilt nun? Berufsrechte (ÄrzteG) 9 KAKuG: subsidiär (zb Famulanten) 121 StGB Behandlungsvertrag Spezielle Bestimmungen: BSG, UbG,.. Was passiert, wenn man die Situation falsch eingeschätzt hat?

Grundsätzliches Geheimnis ( 121 StGB, 54 ÄrzteG,... ) Begrenzter Kreis Geheimhaltungsinteresse Anvertraut oder bekannt geworden In Ausübung des Berufes Geheimnisträger Hilfspersonen Geheimnisherr Einsichts- und Urteilsfähigkeit Drittgeheimnisse Dauer des Geheimnisschutzes

Entbindung Absolute Schweigepflicht? Voraussetzungen für eine gültige Entbindung der Schweigepflicht Wer kann entbinden? Einsichts- und Urteilsfähigkeit Form - Konkludente - Formular - Beachte 11 a VersVG Zeitpunkt Vertrauensperson

11 a Versicherungsvertragsgesetz Der Versicherer darf im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustand des Versicherten oder eines Geschädigten erheblich ist, personenbezogene Gesundheitsdaten verwenden, soweit diese zur Beurteilung, ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird, oder zur Verwaltung bestehender Versicherungsverträge oder zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag unerlässlich ist. Das Verbot der Verwendung von Daten aus genetischen Analysen gemäß 67 Gentechnikgesetz bleibt unberührt. Versicherer dürfen personenbezogene Gesundheitsdaten für die in Abs. 1 genannten Zwecke nur auf folgende Art ermitteln durch Befragung der Person, die versichert werden soll oder bereits versichert ist, beziehungsweise durch Befragung des Geschädigten oder anhand der vom Versicherungsnehmer oder vom Geschädigten beigebrachten Unterlagen oder durch Auskünfte von Dritten bei Vorliegen einer für den Einzelfall erteilten ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen oder

11 a Versicherungsvertragsgesetz Versicherer dürfen personenbezogene Gesundheitsdaten für die in Abs. 1 genannten Zwecke nur auf folgende Art ermitteln zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem konkreten Versicherungsfall durch Auskünfte von untersuchenden oder behandelnden Ärzten, Krankenanstalten oder sonstigen Einrichtungen der Krankenversorgung oder Gesundheitsvorsorge (Gesundheitsdienstleister) über Diagnose sowie Art und Dauer der Behandlung, sofern der Betroffene der Ermittlung ausdrücklich und in einer gesonderten Erklärung, die er jederzeit widerrufen kann, in geschriebener Form zugestimmt hat, nachdem ihn der Versicherer auf die Möglichkeit einer Einzelzustimmung (Z 3) aufmerksam machte und ihn klar und verständlich über die Folgen der Zustimmung sowie die Verweigerung der Zustimmung und über sein Widerrufsrecht im Falle der Zustimmung belehrte; solche Auskünfte dürfen erst eingeholt werden, nachdem der Betroffene von der beabsichtigten Auskunftserhebung unter Bekanntgabe der konkret nachgefragten Daten sowie des Zweckes der Datenermittlung verständigt und dabei über sein Widerspruchsrecht sowie die Folgen des Widerspruchs klar und verständlich belehrt wurde, und der Datenermittlung nicht binnen 14 Tagen (Einlangen des Widerspruchs) widersprochen hat; oder durch Heranziehung sonstiger, dem Versicherer rechtmäßigerweise bekanntgewordener Daten; diese sind dem Betroffenen mitzuteilen; es steht ihm das Widerspruchsrecht gemäß 28 Datenschutzgesetz 2000 zu.

Betrunkener Rettungswagenfahrer Ein nebenberuflich tätiger Rettungswagenfahrer brach bewusstlos in einem Lokal zusammen und wurde in ein Spital gebracht. Die Untersuchung ergab einen Restalkoholwert von 1,3, die Ursache der anfallsartigen Bewusstlosigkeit konnte nicht festgestellt werden. Aufgrund der Weigerung des Patienten, die Ursachen der Bewusstlosigkeit abklären zu lassen, übermittelten die behandelnden Ärzte nach ausführlicher Interessenabwägung den Befund dem zuständigen Amtsarzt. Der Rettungswagenfahrer klagte, nachdem ihm die Lenkerberechtigung entzogen wurde, den Träger der Krankenanstalt auf Schadenersatz. Der OGH (Oberster Gerichtshof) entschied, dass die Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht zwecks Überprüfung der Kfz-Tauglichkeit nicht gesetzwidrig war. Die möglichen Folgen für Dritte, die durch die Fahruntüchtigkeit drohen, sind höher einzuschätzen als bei privaten Autolenkern (OGH 12. 12. 2002, 6 Ob 267/02 m).

Pflegegeldüberprüfung und Fahruntauglichkeit Die Frage, ob die pflegebedürftige Person noch mit dem eigenen Pkw fahren kann, ist zur Prüfung der Notwendigkeit der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn allenfalls auch für das Besorgen von Lebensmitteln und Medikamenten oder des Einkaufs von Heizmaterial von Bedeutung. Aufgrund seiner amtswegigen Ermittlungspflicht hat das Gericht nachzuforschen, ob eine gültige Fahrerlaubnis der pflegebedürftigen Person vorliegt und ob allenfalls Beschränkungen bestehen. Fehlt die Erlaubnis, darf vom Pflegebedürftigen die Inbetriebnahme seines Kfz nicht verlangt werden. Andererseits besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Gerichts zur Information der Führerscheinbehörde, dass Bedenken an der Fahrtauglichkeit des Pflegebedürftigen bestehen. Es kann aber die Führerscheinbehörde im Rechtshilfewege kontaktiert werden, um eine abschließende Prüfung der im Pflegegeldverfahren aufgeworfenen Vorfrage, ob eine Fahrtauglichkeit besteht, durchführen zu lassen. Hierbei wird auch die Einleitung eines Prüfungsverfahrens nach 24 ff FSG anzuregen sein. Liebhart Gunther, Gerichtliches Pflegegeldverfahren und Führerschein(-entzug), ÖZPR 2016/64

Parkison-Patientin bei Autounfall Falsche Reaktion von Parkison-Patientin auf unverschuldete leichte Kollision Lenkerin bestätigte statt Bremse das Gaspedal und das Fahrzeug beschleunigte, ohne dieses Fehlverhalten hätte es keine Verletzungen gegeben Bei unverschuldeter Unkenntnis über die mangelnde Fahrtüchtigkeit liegt keine vorwerfbare Verletzung nach 58 StVO vor. OGH 20.6.2017, 2 Ob 117/16v 19

Zusammenfassung Schweigepflicht zentraler Aspekt des Arzt-Patientenverhältnis Durchbrechung der Schweigepflicht zulässig Einzelfallentscheidung Interessenabwägung Dokumentation entscheidend In bestimmten Fällen verpflichtend Anzeige- oder Meldepflicht

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit