Referat von Joachim Poß bei der Senioren-Veranstaltung der IG Metall Gelsenkirchen 6. Dezember 2004 Zukünftige Besteuerung der Renten Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sind die zentralen Leitbilder, an denen sich eine zukunftsorientierte Politik messen lassen muss. Denn fast alle politischen Entscheidungen betreffen nicht nur die heutige Generation sondern haben auch Auswirkungen auf die kommenden Generationen. Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden demografischen Wandels bedeutet die Orientierung an diesen Leitbildern: Keine Generation darf auf Kosten nachrückender Generationen leben! Anderenfalls ist die langfristige Stabilität unserer Gesellschaft gefährdet. Die Herausforderungen des demographischen Wandels betreffen insbesondere auch den Bereich der Altersvorsorge. Altersvorsorge und demographischer Wandel hängen unmittelbar zusammen! Zukunftsfähige Besteuerung der Alterseinkünfte Mit der Einführung der kapitalgedeckten Altersvorsorge - der so genannten Riester-Rente" haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigen Alterssicherung vollzogen. Jetzt geht es darum, eine zukunftsfähige und transparente Lösung für die Besteuerung von Alterseinkünften zu finden. Neben der eigentlichen Besteuerung der Einkünfte im Alter gehört dazu eine auf die Besteuerung abgestimmte einheitliche steuerliche Regelung zur Behandlung der Altersvorsorgebeiträge. Hierzu dient das Alterseinkünftegesetz, das am 1. Januar 2005 wirksam wird. Die Altersvorsorge wird künftig in zunehmendem Maße steuerfrei gestellt, so dass die Steuerlast für Erwerbstätige sinkt. Im Gegenzug wird sehr langfristig auf die volle Besteuerung der Rente übergegangen. Durch die sehr weichen Übergangsregelun- 1
gen wird die Masse der Sozialversicherungsrenten auch weiterhin steuerlich unbelastet bleiben. Konkret heißt das: Zurzeit gibt es rund 2 Mio. Rentner, die Steuern zahlen müssen. Wenn das neue Recht wirksam wird, werden es rund 3,3 Mio. Rentner sein. In fast allen Fällen sind nur solche Rentner betroffen, die neben ihrer Sozialversicherungsrente noch weitere Einkünfte, etwas aus Kapitalerträgen oder Vermietung haben. Eine steuerliche Belastung nur einer Sozialversicherungsrente ist frühestens für Neufälle, deren erstmaliger Rentenbezug im Jahr 2012 ist, zu erwarten. Steuerfrei bleiben für alleinstehende Bestandsrentner und solche Rentner, die erstmals 2005 eine Sozialversicherungsrente beziehen, Altersbezüge in Höhe bis zu 18.893 im Jahr, das sind 1.575 monatlich. Für Verheiratete gelten die doppelten Werte. Das heißt, wenn keine weiteren Einkünfte hinzukommen, bleibt eine monatliche gesetzliche Rente für einen verheirateten Rentner bis zu rund. 3.000 monatlich steuerfrei Das waren einmal 6.000,- DM. Umsetzung Urteil Bundesverfassungsgericht Mit dem Alterseinkünftegesetz wird ein Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur gleichmäßigen Besteuerung von Sozialversicherungsrenten, Beamtenpensionen und Erwerbseinkommen umgesetzt. Wir haben gehandelt, nachdem die Regierung Kohl es in den gesamten 16 Jahren ihrer Regierungszeit nicht geschafft hat, eine gerechte und verfassungsfeste Neuregelung auf den Weg zu bringen! Das erste Urteil des Bundesverfassungsgerichts war im Jahr 1980. Das ist ein weiteres Beispiel für den Reformstau während der Regierungszeit von CDU/CSU und FDP! 2
Schwerpunkt des Gesetzes Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist der schrittweise Übergang zur sog. nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften mit einer weit reichenden Schonung der bestehenden Renten und der rentennahen Jahrgänge, wie die eben aufgeführten Beispielsfälle es eindeutig belegen. Des Weiteren enthält das Gesetz: Regelungen zur Besteuerung von Beamten- und Werkspensionen, Regelungen, durch die im Bereich der kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung ebenfalls zur nachgelagerten Besteuerung übergegangen wird, und Regelungen, die das Verfahren bei der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge - Riester-Rente - vereinfachen und den Verbraucherschutz verbessern. Hintergrund des Gesetzes Auf Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 hatte die Bundesregierung eine Sachverständigenkommission eingesetzt, deren Vorschläge weitgehend in dem Alterseinkünftegesetz aufgegangen sind. Im Ergebnis haben wir eine systematisch schlüssige und folgerichtige Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen erreicht. Die Neuregelung ist zudem gesamtwirtschaftlich vorteilhaft und sozial tragfähig. Unser Vorschlag trägt außerdem dazu bei, das Besteuerungssystem transparenter und einfacher zu machen. Das Steuersenkungsprogramm Kernelement beim schrittweisen Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften ist die Freistellung von Altersvorsorgebeiträgen bei den Erwerbstätigen. 3
Bereits im ersten Jahr werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um knapp 2 Mrd. entlastet, in jedem Folgejahr steigt die Entlastung um 1 Mrd. an. Bereits nach 20 Jahren ist die volle Entlastung der Erwerbstätigen mit jährlich 20 Mrd. erreicht. Die schrittweise ansteigende steuerliche Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen erhöht das Nettoeinkommen und erweitert so den Spielraum für die eigene Zukunftsvorsorge. Da typischerweise die Steuersätze in der aktiven Lebensphase höher als im Alter sind, führt der Übergang auf die nachgelagerte Besteuerung der Renten - auch mit Blick auf die spätere Steuerlast auf die Rente - unter dem Strich zu einer Entlastung für die Steuerzahler. Auch bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung ist die nachgelagerte Besteuerung de facto ein Steuersenkungsprogramm, d.h. die eben genannten Entlastungen werden durch die erhöhte Besteuerung der Altersbezüge nur teilweise kompensiert [2005 netto: 1 Mrd. ; 2010: netto fast 6 Mrd. ]. Keine Doppelbesteuerung Beide Übergangsphasen (zur Vollbesteuerung der Renten und zur vollen Abziehbarkeit von Beiträgen) sind dabei so aufeinander abgestimmt, dass eine Zweifachbesteuerung vermieden wird. Sollte es in einigen wenigen Spezialfällen - die ja in den Medien gerne zu Massenphänomenen aufgebauscht werden - zu einer Doppelbesteuerung kommen, kann der Betroffene durch einen entsprechenden Nachweis gegenüber dem Finanzamt bewirken, dass auch eine Zweifachbesteuerung verhindert wird. Große Mehrheit der Rentner bleibt steuerlich unbelastet Ich hatte eben bereits darauf hingewiesen und Zahlen genannt. Für die Rentner besteht kein Grund zu Befürchtungen: Die große Mehrheit der Rentner muss auch in Zukunft keine Steuern auf ihre Rente zahlen. 4
Für drei von vier steuerpflichtigen Rentenbeziehern wird das neue Recht ohne steuerliche Auswirkungen sein. Ich wiederhole noch einmal: Nur diejenigen Rentenempfänger, die über erhebliche Nebeneinkünfte verfügen, werden nach neuem Recht steuerbelastet. Ich wiederhole auch noch mal die Zahlen: Nach dem Gesetz sind bei alleinstehenden so genannten "Bestandsrentnern" und bei den Neufällen des Jahres 2005 Rentenbezüge bis zu einer Höhe von rund 18.900 im Jahr oder 1.575 im Monat steuerunbelastet, wenn neben der Rente keine anderen Einkünfte vorliegen. Bei Verheirateten gelten die doppelten Werte. Auch künftig bleiben also nicht nur Durchschnittsrenten steuerunbelastet. Dies gilt selbst dann, wenn noch eine normale Betriebsrente hinzukommt. Zum Vergleich: bei alleinstehenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern setzt die Besteuerung bereits bei einem Einkommen von knapp 10.800 im Jahr ein. Mehrbelastungen nur bei höheren Einkünften aus anderen Einkunftsarten Eine steuerliche Mehrbelastung wird weit überwiegend nur in den Fällen entstehen, in denen neben der Rente noch andere Einkünfte aus Werkspensionen, Vermietung und Verpachtung oder von noch erwerbstätigen Ehepartnern hinzukommen. In diesen Fällen ist die Rente häufig das Nebeneinkommen. Dies trägt auch dazu bei, dass der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wieder mehr Gewicht bekommt. Und dieser Grundsatz gilt auch für Rentner. Alter hat mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit grundsätzlich nichts zu tun. Gestaltungsmöglichkeiten zu Gunsten der Rentner damit ausgereizt Durch das Alterseinkünftegesetz sind aus verfassungsrechtlicher Sicht die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten zu Gunsten der Rentenempfänger weitestgehend ausgeschöpft. 5
Eine noch weiter gehende oder noch länger fortgesetzte Privilegierung von Rentenempfängern gegenüber den aktiv Erwerbstätigen war verfassungsrechtlich nicht vertretbar. Fazit Der demografische Wandel erfordert eine Politik, die bereits heute die sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten abzeichnenden Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur mit berücksichtigt. Was wir brauchen sind tragfähige und verlässliche Rahmenbedingungen für Jung und Alt. Das gilt insbesondere auch für den Bereich der Altersvorsorge. Wir brauchen ein Miteinander und Füreinander der Generationen: Wir brauchen Solidarität zwischen Alt und Jung! Und diese Solidarität ist keine Einbahnstraße. Sie gilt wechselseitig. Mit dem Alterseinkünftegesetz hat die Koalition eine bahnbrechende Reform, man kann sogar sagen Jahrhundertreform beschlossen, die diese Anforderungen an eine zukunftsgerichtete Politik erfüllt. Noch ein letzter Hinweis: Auch wenn das Gesetz am 1. Januar 2005 wirksam wird, die ersten Steuererklärungen werden erst im Jahr 2006 abgefordert werden, es sei denn ein bisher nicht beim Finanzamt bekannter Rentner, der ab 2005 erstmals steuerpflichtig werden sollte, meldet sich von selbst beim Finanzamt. Es besteht also noch genug Zeit, sich mit den Fragen zu befassen, auch wenn ich davon ausgehe, dass hier im Saal kaum einer von Ihnen betroffen sein wird. 6