Pflegepraktischer Umgang mit Dekubitus

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Dies Buch ist eine praktische Anleitung für den Umgang mit Dekubitus in der stationären und ambulanten Altenpflege und zu Hause.

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Transkript:

Stefanie Hellmann Rosa Rößlein Pflegepraktischer Umgang mit Dekubitus Tipps zum Umgang mit dem Expertenstandard Formulierungshilfen für die Pflegeplanung Mit den Transparentkriterien des MDK 2., aktualisierte Auflage pflege kolleg

Stefanie Hellmann Rosa Rößlein Pflegepraktischer Umgang mit Dekubitus 2., aktualisierte Auflage Tipps zum Umgang mit dem Expertenstandard Formulierungshilfen für die Pflegeplanung Mit den Transparenzkriterien des MDK pflege kolleg

Stefanie Hellmann ist Altenpflegerin, Diplom-Pflegewirtin (FH), Auditorin, Dozentin und Heimleiterin. Rosa Rößlein ist Altenpflegerin, Krankenschwester, M. Sc. Gerontologie, Diplom-Pflegewirtin (FH), TQM-Auditorin und Mitarbeiterin beim MDK.

»Wer den Menschen kennenlernen will, muss ihn als Ganzes betrachten.«paracelsus

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-89993-303-1 (Print) ISBN 978-3-8426-8421-8 (PDF) 2013 S chlütersche Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG, Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden. Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde. Reihengestaltung: Groothuis, Lohfert, Consorten glcons.de Satz: PER Medien+Marketing GmbH, Braunschweig Druck: Druck Thiebes GmbH, Hagen

5 Inhalt Danksagung..................................................... 8 Einführung...................................................... 9 1 Theoretische Grundlagen................................... 10 1.1 Anatomie und Physiologie der Haut......................... 10 1.2 1.3 1.4 1.5 2 1.1.1 Aufbau der Haut................................... 10 1.1.2 Funktion der Haut................................. 11 Physiologie der Altershaut................................. 13 Dekubitus.............................................. 14 Die Schweregradeinteilung von chronischen Wunden.......... 15 1.4.1 Schweregradeinteilung nach Westerhoff et al.......... 15 1.4.2 Dekubitus-Klassifikationssystem der NPUAP und EPUAP 15 1.4.3 Knighton-Klassifikation zur Einteilung von chronischen Wunden 19 1.4.4 Schweregradeinteilung von Dekubitalgeschwüren nach Seiler........................................ 19 Dekubitusentstehung..................................... 20 Dekubitus-Risikofaktoren.................................. 24 2.1 Ursachen für erhöhte und/oder verlängerte Einwirkung von Druck und/oder Scherkräfte..................................... 24 2.1.1 Einschränkung der Aktivität........................ 24 2.1.3 Einschränkung der Mobilität........................ 25 2.1.4 Extrinsisch bzw. iatrogen bedingte Exposition gegenüber Druck und/oder Scherkräften....................... 25 3 Basiswissen zur Wundheilung.............................. 26 3.1 Phasen der Wundheilung................................. 26 3.1.1 Reinigungsphase (exsudative/inflammatorische Phase). 26 3.1.2 Granulationsphase (proliferative Phase).............. 26 3.1.3 Epithelisierungsphase (Differenzierungsphase/ Regenerationsphase)............................... 27 3.2 Primäre Wundheilung.................................... 27 3.3 Sekundäre Wundheilung.................................. 28

6 Inhalt 4 Einschätzung der Dekubitusgefährdung..................... 29 5 Rechtliche Aspekte........................................ 31 5.1 Haftungsrecht........................................... 31 5.1.1 Haftungsrecht und Pflegedokumentation............. 32 5.2 Pflegeversicherung....................................... 33 5.3 Heimgesetz............................................. 35 5.4 Gesetze für die Pflegeberufe............................... 35 6 Dekubitusprophylaxe im Sinne des nationalen Expertenstandards........................................ 37 6.1 Vorgehensweise bei der Risikobeurteilung.................... 44 6.1.1 Erstkontakt mit dem Patienten/Bewohner in der Einrichtung................................. 47 6.1.2 Inspektion der Haut................................ 48 6.1.3 Systematische Einschätzung des Dekubitusrisikos nach dem nationalen Expertenstandard.............. 50 6.2 Patienten/Bewohner mit Risikopotenzial..................... 52 6.2.1 Bewegungsförderung............................... 53 6.2.2 Gewebeschonende Bewegungs-, Lagerungsund Transfertechniken............................. 55 6.3 Hilfsmitteleinsatz........................................ 63 6.4 Beratung, Schulung und Anleitung von Patienten und Angehörigen 67 6.5 Sicherstellung der Kontinuität der Intervention und der Informationsweitergabe............................ 68 6.6 Evaluation.............................................. 69 6.7 Präventive Maßnahmen zur Förderung der Gewebetoleranz und der Ernährung...................................... 71 6.8 Beispiele für Standards zur Dekubitusprophylaxe in der Pflege.. 81 7 Wunddokumentation...................................... 87 7.1 Fotodokumentation...................................... 88 7.2 Beispiele für Standards zur Fotodokumentation............... 90 7.3 Wundarten............................................. 91 7.4 Formulierungshilfen für die Wundbeschreibung.............. 92 7.5 Formulierungen bei festgestelltem Dekubitus................. 103 7.5.1 Beispiele für Wundbeschreibungen.................. 103

Inhalt 8 Wundversorgung.......................................... 108 8.1 Wundheilungsphasen und geeignete Wundauflagen........... 108 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 9 8.1.1 Reinigungsphase................................... 108 8.1.2 Granulationsphase................................. 108 8.1.3 Epithelisierungsphase.............................. 109 Wundspülung........................................... 109 Wundantiseptik......................................... 111 Wundreinigung (Débridement)............................ 113 8.4.1 Chirurgisches Débridement......................... 113 8.4.2 Autolytisches Débridement......................... 113 8.4.3 Enzymatisches Débridement........................ 114 8.4.4 Biochirurgisches Débridement...................... 115 8.4.5 Ultraschall-Débridement........................... 115 Phasengerechte Wundverbände im Überblick................. 116 Hygienische Aspekte bei der Durchführung des Verbandwechsels 119 Beispiel Standard Verbandwechsel.......................... 121 Die Wunddokumentation und die MDK-Richtlinien zur Prüfung der Qualität.................................... 123 Literaturverzeichnis.............................................. 136 Register......................................................... 141 7

8 Danksagung Wir bedanken uns herzlich bei den Wundmanagerinnen Ines Erler und Sabine Bauer für die freundliche Unterstützung. Weiterhin gilt unser Dank jenen Firmen, die uns Bildmaterial und Dokumenta tionsbögen zur Verfügung gestellt haben: Coloplast, Godo-Systems, Hartmann AG, IGAP, Johnson & Johnson, Smith & Nephew. Forchheim und Nürnberg, im Januar 2013 Stefanie Hellmann Rosa Rößlein

9 Einführung Ein Dekubitus zählt zu den bedeutsamen Gesundheitsproblemen von Pflegebedürftigen, denn Dekubitalulcera gehen mit schwerwiegenden Einschränkungen der Gesundheit und der Lebensqualität einher. Dementsprechend ist die Vermeidung von Dekubitalulcera eine Herausforderung für Pflegefachkräfte.1 Aktuelle Leitlinien und Expertenstandards zeigen, dass durch die systematische Einschätzung des Dekubitusrisikos und die Anwendung von evidenzbasierten prophylaktischen Maßnahmen die Entstehung eines Dekubitus verhindert werden kann.2 Was bedeutet die Entstehung von chro nischen Wunden für den Betroffenen? Er leidet unter Schmerzen und ist in seiner Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Was wünscht sich der betroffene Mensch demnach? Erstens, dass kein Dekubitus entsteht, und zweitens, dass ein vorhandener Dekubitus rasch abheilt. Grundsätzlich hat der Betroffene einen Anspruch auf eine fach- und sachgerechte Behandlung, die dem aktuellen medizinisch-pflegerischen Erkenntnisstand entspricht. Dieser umfasst nicht nur die Dekubitusbehandlung, sondern bereits die systematische frühzeitige Risikoerkennung und die rechtzeitige Einleitung von prophylaktischen Maßnahmen. Unverkennbar kris tallisiert sich hier die Aktualität des Themas Dekubitus für das Personal im Altenpflegebereich heraus, da die Entstehung eines Dekubitus oftmals als Pflegefehler bezeichnet und die Qualität der Pflege daran (an der Vermeidung bzw. konsequenten Behandlung) gemessen wird. Dieses Buch vermittelt Pflegefachkräften und Pflegekräften sowohl Grund lagenwissen als auch praktische Handlungsanweisungen, um sie bei De kubitus prävention und -management zu unterstützen. Das oberste Ziel ist es dabei, im Sinne des nationalen Expertenstandards zur Dekubitusprophylaxe in der Pflege, die Entstehung eines Dekubitus zu verhindern. 1 2 Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (2010): Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. 1. Aktualisierung 2010, einschließlich Kommentierung und Literaturstudie. Osnabrück: Hochschule Osnabrück, S. 19 ff Vgl. European Pressure Ulcer Advisory Panel and National Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP & NPUAP) (2009): Prevention and Treatment of pressure ulcers: quick reference guide. Washington DC: National Pressure Ulcer Advisory Panel, http://www.epuap.org/guidelines/qrg_prevention_ in_german.pdf, S. 6 ff; DNQP 2010, S. 19 ff

10 1 Theoretische Grundlagen Die Haut als größtes Sinnesorgan des Menschen ermöglicht die Wahrnehmung und Lokalisation von Reizen wie Druck, Berührung, Vibration, Temperatur und Schmerz. Gleichzeitig grenzt sie den Menschen von der Außenwelt ab und stellt die Verbindung zwischen der Außenwelt und den inneren Organen dar. 1.1 Anatomie und Physiologie der Haut Definition: Anatomie Die Anatomie ist die Lehre, Wissenschaft, vom Körperaufbau der Lebewesen und schließt somit den Aufbau des menschlichen Körpers mit ein.3 Die Physiologie ist die Lehre von den Lebensvorgängen im gesunden Lebewesen.4 1.1.1 Aufbau der Haut Von außen nach innen sind drei Schichten zu unterscheiden: 1. Oberhaut = Epidermis Sie bildet die Grenzschicht des Körpers zur Außenwelt. Sie ist gefäßlos und erneuert sich innerhalb von 30 Tagen. 2. Lederhaut = Dermis oder Korium Sie gibt der Haut Elastizität und Dehnungsfähigkeit. Sie enthält viele Nerven und Gefäße. Sie stülpt sich in die Oberhaut ein. 3 4 Vgl. Wahrig-Burfeind, R. (2001): Wahrigs Fremdwörterlexikon. 3. Auflage. Mün chen: Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co. KG., S. 58 Wahrig-Burfeind 2001, S. 719

Anatomie und Physiologie der Haut 3. Unterhaut = Subcutis Sie besteht aus lockerem Bindegewebe. In das Bindegewebe sind Fettzellverbände eingelagert, die formgebende, isolierende und speichernde Aufgaben erfüllen.5 Abb. 1: Aufbau der Haut.6 1.1.2 Funktion der Haut Die Haut umfasst eine Fläche von ca. 1,5 bis 1,8 m2, wiegt ca. 3,5 bis 10 kg und ist somit das größte Organ des menschlichen Körpers.7 Sie ist Grenzschicht zur Umwelt und Barriere zur Außenwelt, aber auch die Verbindung zwischen der Außenwelt und den inneren Organen. 5 6 7 IGAP (2002): Dekubitus. Ein drückendes Problem. Eine Informationsschrift. 8., neu überarbeitete Ausgabe. IGAP Institut für Innovation im Gesundheitswesen und angewandte Pflegeforschung. Bremervörde, S. 5 Vgl. IGAP 2002, S. 5 Vgl. IGAP 2002, S. 4 11

12 Theoretische Grundlagen Die Haut spiegelt den Gesamtzustand des Körpers in vielfältiger Weise wider, sie drückt die Emotionen und die körperlich-geistige Verfassung des Menschen aus und erfüllt eine Vielzahl von lebenswichtigen Aufgaben.8 1. Sinnesorgan Haut Durch freie Nervenverbindungen und spezielle Rezeptoren erfolgt die Wahrnehmung und Lokalisation von Reizen wie Druck, Berührung, Vibration, Schmerz und Temperatur (Wärme/Kälte) 2. Schutzfunktion der Haut Schutz der inneren Organe vor Schädigung Schutz vor schädlichen thermischen, mechanischen und chemischen Einflüssen Schutz vor dem Eindringen von Mikroorganismen 3. Säureschutzmantel der Haut vermeidet das Eindringen von vielen Krankheitserregern 4. Temperaturregulation durch die Haut Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Körpertemperatur durch die Fähigkeit zur Wasserabgabe und Verdunstung (Schweißdrüsen) Isolierungsfunktion durch das Fett im Unterhautbindegewebe Wechselnde Durchblutung durch Weitstellung und Engstellung der Gefäße 5. Wasserhaushalt und Haut Die Haut verhindert den Verlust von Körperflüssigkeiten (Exsikkose = Austrocknung) Regulation des Wasserhaushaltes durch Abgabe von Flüssigkeit und Salzen 6. Einlagerungsort für Nährstoffreserven Einlagerung im Unterbindegewebe der Haut 8 Vgl. ebd.

Physiologie der Altershaut 7. Bildung von Vitamin D Unter dem Einfluss von Sonnenlicht wird Vitamin D gebildet 1.2 Physiologie der Altershaut Im Laufe des Lebens verändert sich in unterschiedlicher Ausprägung die Struktur aller Hautschichten. Beispielsweise verlieren elastische und kollagene Fasern ihre Funktion, was zu einer Verdünnung der Hautschichten führt. Aus der Reduzierung des Unterhautfettgewebes folgt als Konsequenz die Faltenbildung der darüber liegenden Haut. Die abnehmende Wasserbindungsfähigkeit des Gewebes führt gleichfalls zur Herabsetzung des Hautturgors (Hautspannung). Häufig wird dieser Effekt durch mangelnde Flüssigkeitsaufnahme verstärkt, bedingt durch geringeres Durstgefühl im Alter. Überdies verringern sich in der Altersphase Schweiß- und Talkproduktion, sodass die Haut austrocknet, was wiederum den Juckreiz (Pruritis) fördert. Ebenso lässt die Sinnesfunktion, insbesondere die Druckwahrnehmung der Haut, nach, sodass ältere Menschen, vor allem im Schlaf, weniger Spontanbewegungen zur Druckentlastung ausführen als jüngere. Dementsprechend erhöht sich das Dekubitusrisiko. Außerdem kann es durch Nachlassen der Gehirnfunktion oder der Schließmuskelfunktion zur Inkontinenz kommen. Die Haut wird durch die Ausscheidungen zusätzlich belastet, der Säureschutzmantel angegriffen. Der Alterungsprozess der Haut ist demnach ein physiologischer Vorgang. Die Betrachtung dieser Vorgänge zeigt auch, dass das Pflegepersonal die Haut des älteren Menschen sorgfältig beobachten muss.9 9 Vgl. Seel, M. (1999): Die Pflege des Menschen. Hagen: Brigitte Kunz Verlag, S. 630 13

14 Theoretische Grundlagen 1.3 Dekubitus Früher wurden Druckgeschwüre zunächst als Gangraena zusammengefasst und gemäß ihrer Ursache Gangraena per decubitum benannt. Der Begriff»Dekubitus«leitet sich vom lateinischen Wort decubare ab, was so viel bedeutet wie»darnieder liegen«. Gangraena per decubitum weist daher auf eine faulige Wunde hin, die durch Liegen verursacht wurde. Von der Bezeichnung Gangraena per decubitum ist im heutigen Sprachgebrauch allein das Wort Dekubitus übrig geblieben.10 Definition: Dekubitus»Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, in der Regel über knöchernen Vorsprüngen, infolge von Druck oder von Druck in Kombination mit Scherkräften. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, welche tatsächlich oder mutmaßlich mit Dekubitus assoziiert sind; deren Bedeutung ist aber noch zu klären.«11 Ein Dekubitus wird also definiert als Schädigung der Haut aufgrund anhaltender örtlicher Druckeinwirkung. Der Auflagedruck komprimiert die Blut führenden Kapillaren, das betroffene Hautgebiet wird geringer durchblutet und unzureichend mit Sauerstoff versorgt. Dadurch kommt es zur Anhäufung von toxischen Stoffwechselprodukten im Gewebe. Dies steigert die Durchlässigkeit der kleinsten Blutgefäße/Haargefäße (Kapillarpermeabilität), die Gefäßerweiterung, Ödembildung und zelluläre Infiltration. Beachte! Ausschlaggebend für die Entstehung eines Dekubitus ist die Relation von Auflage druck pro Zeiteinheit.12 10 11 12 Vgl. Schröder, G. (1997): Geschichtliche Aspekte des Dekubitus. In: Bienstein u. a. (Hrsg): Die Herausforderung für Pflegende. B earbeitet von M. Arndt, u. a. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag, S. 5 EPUAP & NPUAP 2009, S. 7. [Zugriff am 1.9.2010] Vgl. Hartmann, P. AG (1998): Kompendium Wunde und Wundbehandlung. 1. Auf lage. Heidenheim: CMC Medical Information, S. 85ff

Die Schweregradeinteilung von chronischen Wunden 1.4 Die Schweregradeinteilung von chronischen Wunden Die Schweregradeinteilung von chronischen Wunden, z. B. Dekubitusgeschwüren, kann unterschiedlich geschehen. Wir stellen einige gängige Klassifikationen vor. 1.4.1 Schweregradeinteilung nach Westerhoff et al. Abb. 2: Beurteilung des Wundzustandes.13 1.4.2 Dekubitus-Klassifikationssystem der NPUAP und EPUAP In der Leitlinie Dekubitus Prävention der National Pressure Ulcer Advisory Panel (NPUAP) und des European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP) aus dem Jahr 2009 wird der Dekubitus wie folgt eingeteilt: Kategorie/Stufe/Grad I: Nicht wegdrückbare Rötung»Nicht wegdrückbare, umschriebene Rötung bei intakter Haut, gewöhnlich über einem knöchernen Vorsprung. Bei dunkel pigmentierter Haut ist ein 13 Vgl. Lang, F. & Röthel, H. (2002): Die Wunddokumentation ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Behandlungsqualität. In: Hartmann Wund Forum, Jg. 02/2002, S. 13 15