Schuldenbarometer 1. Quartal 2011 Kernergebnisse 2,0 Prozent weniger Privatinsolvenzen im ersten Quartal 2011 (34.022 Fälle) Bürgel erwartet 2011 zwischen 135.000 und 140.000 Privatpleiten Absoluter Ländervergleich: Am meisten Privatinsolvenzen in Nordrhein- Westfalen (7.639 Fälle) Relativ: Bayern mit den wenigsten Überschuldungen von 30 Fällen je 100.000 Einwohner; Verlierer Bremen mit 87 Fällen Bundesdurchschnitt: 42 Privatinsolvenzen je 100.000 Einwohner Veränderungen auf Länderebene: Stärkster Anstieg in Hamburg (plus 12,6 Prozent); stärkster Rückgang in Hessen (minus 7,0 Prozent) Altersgruppen: Meiste Insolvenzen bei 46- bis 60-Jährigen (Anteil: 32,1 Prozent); am wenigsten Fälle bei 18- bis 25-Jährigen (6,5 Prozent) Neu: Über-60-Jährige um 6,4 Prozent stärker von Überschuldung betroffen Geschlechter: 58,3 Prozent aller Privatinsolvenzen gehen aufs Konto von Männern Stärkste Diskrepanz bei Geschlechterverteilung: 36-45 Jährige mit Männeranteil von 61,6 Prozent Ausreißer: Bei den 18-25-Jährigen überschulden sich eher Frauen (Anteil: 55,1 Prozent) 1. Überblick: Leichter Rückgang der Privatinsolvenzen im 1. Quartal 2011 Die Zahl der Privatinsolvenzen in Deutschland ist im ersten Quartal 2011 mit 34.022 Fällen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 2,0 Prozent leicht rückläufig. Die Werte stabilisieren sich derzeit auf hohem Niveau, resümiert Dr. Norbert Sellin, Geschäftsführer der Hamburger Wirtschaftsauskunftei Bürgel. Allerdings müsse man die Zahl der Privatinsolvenzen unabhängig vom konjunkturellen Aufschwung betrachten. So stiegt die Zahl im März 2011 auf 12.202 Privatinsolvenzen im Vergleich zum Februar 2011 ein Anstieg um 11,4 Prozent. Im Hinblick auf die Kreditsituation der Verbraucher, Arbeitslosenquote sowie einer steigenden Anzahl an Beschäftigten in Niedriglohnbereichen erwartet Bürgel im laufenden Jahr zwischen 135.000 und 140.000 Privatinsolvenzen siehe Grafik 1. 1/22
Grafik 1 Von einer Entspannung bei den Privatinsolvenzen kann daher aktuell keine Rede sein. Stark von Privatinsolvenzen betroffen sind erstens die 18- bis 25- Jährigen. Bei diesen jungen Erwachsenen zeichnet sich im Vergleich zum ersten Quartal 2010 bei den Fallzahlen zwar ein Rückgang um 1,7 Prozent ab. Allerdings rutschen im Untersuchungszeitraum 66 Prozent mehr dieser jungen Bürger in die Schuldenfalle als noch im Referenzquartal 2009. Zweitens treffen Privatpleiten neuerdings auch immer mehr Menschen ab 60 Jahren. Laut Bürgel Untersuchung steigt der Anteil an der Insolvenzstatistik im Vergleich zum ersten Quartal 2010 um 6,4 Prozent. 2. Insolvenzen pro Bundesland: 42 Fälle je 100.000 Einwohner im 1. Quartal 2011 Absolut gesehen verteilen sich die Privatinsolvenzen im ersten Quartal des Jahres vor allem auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen mit 7.639 Fällen, Niedersachsen (4.420), Bayern (3.751) und Baden-Württemberg (3.443) siehe Grafiken 2 und 3. 2/22
Grafik 2 3/22
Grafik 3 Bei den relativen Werten bezogen auf die Einwohnerzahlen zeigt sich ein differenzierteres Bild mit vielen Privatinsolvenzen im Norden. Einzige Ausnahme bildet hier das Saarland. Bayern verbucht mit 30 Fällen je 100.000 Einwohner im Untersuchungszeitraum am wenigsten Privatinsolvenzen, gefolgt von Baden-Württemberg (32) und Thüringen (35) siehe Grafiken 4 und 5. 4/22
Grafik 4 5/22
Grafik 5 Während der Bundesdurchschnitt im ersten Quartal 2011 bei 42 Privatinsolvenzen je 100.000 Einwohnern rangiert, meldet Schlusslicht Bremen weit abgeschlagen mehr als doppelt so viele Fälle: 87 je 100.000 Einwohner. Ebenfalls hohe Werte weisen Hamburg mit 58 Insolvenzen je 100.000 Einwohner, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (je 56) sowie das Saarland (53) auf. 3. Veränderungen auf Bundeslandebene: Stärkster Anstieg in Hamburg Zwar sanken die zahlenmäßigen Privatinsolvenzen des ersten Quartals im Bundesdurchschnitt um 2,0 Prozent. Da das letzte Jahr ein privatschuldnerisches Rekordjahr war, kann man diesen Rückgang jedoch nicht 6/22
zu euphorisch bewerten. Bestes Beispiel hierfür ist Hamburg: Die Freie und Hansestadt muss im ersten Quartal 2011 gegenüber dem Referenzzeitraum des Vorjahres den bundesweit stärksten Zuwachs an Privatpleiten um 12,6 Prozent verkraften siehe Grafiken 6 und 7. Grafik 6 7/22
Grafik 7 Aber auch in Thüringen (plus 8 Prozent), Bremen (plus 5,1 Prozent) und in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen (je plus 3,3 Prozent) stiegen die Werte. Den stärksten Rückgang meldet hingegen Hessen mit 7,0 Prozent weniger Insolvenzen, gefolgt von Bayern (minus 6,9 Prozent), Baden- Württemberg (minus 6,8 Prozent) und Sachsen-Anhalt (minus 5,0 Prozent). 4. Altersgruppen: Bei den Über-60-Jährigen steigen die Insolvenzzahlen erstmals wieder an Den größten Anteil aller Privatinsolvenzen von 32,1 Prozent im ersten Quartal 2011 stellt die Altersgruppe der 46- bis 60-Jährigen siehe Grafik 8. 8/22
Grafik 8 Die 36- bis 45-Jährigen haben einen Anteil von 30,1 Prozent. Die Quote bei den 26- bis 35-Jährigen rangiert bei 23,8 Prozent und die bei den Über-60-Jährigen bei 7,5 Prozent. Diese Altersgruppe zeichnet eine Besonderheit aus: Zum ersten Mal seit fünf Jahren steigt im ersten Quartal 2011 die Zahl der Überschuldungen um 6,4 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Diese Entwicklung übrigens die einzige prozentuale Zunahme unter den Altersgruppen hängt insbesondere damit zusammen, dass viele ältere Menschen nicht ausreichend für den Pflegefall versichert sind siehe Grafik 9. Grafik 9 Den geringsten Anteil von 6,5 Prozent an der altersmäßigen Insolvenzstatistik halten die jungen Erwachsenen mit 18 bis 25 Jahren. Diese Gruppe kann sich über einen Rückgang bei den Fallzahlen um 1,7 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2010 freuen. Allerdings verzeichnet sie einen starken Anstieg um 66 Prozent im Vergleich zum Referenzquartal 2009. Ursachen für Überschuldung, vor allem bei jungen Bürgern, sind eine unwirtschaftliche Haushaltsführung, gepaart mit wenig Erfahrung im Umgang mit Geld. Außerdem können die Betroffenen oft nicht Einkommen und Konsumverhalten in Einklang bringen. Häufig geben sie trotz begrenztem zur Verfügung stehenden Einkommen bzw. geringen finanziellen Rücklagen hohe Summen in mobile Endgeräte, Elektroartikel, Automobile und den 9/22
Kreditkartenkauf aus. 5. Geschlechter: Junge erwachsene Frauen landen häufiger in der Schuldenfalle 58,3 Prozent aller Privatinsolvenzen werden von Männern verschuldet. Dieser Trend zieht sich durch fast alle Altersgruppen siehe Grafik 8. Bei den 36-45- Jährigen sind es sogar 61,6 Prozent Männer. Beim jüngsten Segment der 18- bis 25-Jährigen dominieren hingegen die Frauen mit einem Anteil von 55,1 Prozent und mit allein erziehenden Frauen als größter Risikogruppe. Der weibliche Anteil dieser Altersklasse ist im Vergleich der ersten Quartale 2011 und 2010 gestiegen: Im vergangenen Jahr betrug die Quote nur 52,8 Prozent. Während insolvente Frauen statistisch eher durch ein unpassendes Einkaufsverhalten im Versandhandel in die Schuldenfalle tappen, haben sich Männer häufig bei der Autofinanzierung übernommen. Sind Familien von Überschuldung betroffen, suchen eher Männer die Beratungsstellen auf. 6. Fazit und Ausblick: Die Zahl der Privatinsolvenzen sank im ersten Quartal des laufenden Jahres nach dem Rekordjahr 2010 um 2,0 Prozent. Dennoch bewegen sich die Fallzahlen auf einem hohen Niveau. Neu ist, dass zunehmend auch ältere Bundesbürger finanzielle Probleme bekommen. Entsprechend geht Bürgel für das Jahr 2011 weiterhin von hohen Fallzahlen bei den Privatinsolvenzen aus von 135.000 bis 140.000 Fällen. Nach wie vor sind die Hauptursachen für Privatinsolvenz Arbeitslosigkeit, dauerhaftes Niedrigeinkommen, gescheiterte Selbstständigkeit, Trennung und Scheidung. Außerdem leisten mangelnde Erfahrungen im Umgang mit Finanzen und Banken, unpassendes Konsumverhalten und Einkommensrückgang einen essenziellen Beitrag dazu, dass derzeit so viele Bürger von Überschuldung betroffen sind. Gerade einkommensschwache Haushalte, die von Niedriglöhnen oder Transferleistungen leben, haben bei steigender Inflation kein Einsparpotenzial. Privatinsolvenzen pro Bundesland - Kreise und kreisfreie Städte 10/22
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