Turniertheorie. Ökonomische Anreize in Unternehmen und Märkten vom 10. Februar 2009

Ähnliche Dokumente
Entlohnung im Experiment Annette Kirstein

Turniertheorie versus Stücklohn

Eine Einführung in das Moral-Hazard- oder Hidden-Effort-Problem: Fixe oder variable Bezahlung?

Tournaments and Piece Rates: An Experimental Study

Die Wirtschaftlichkeit der schweren Lämmermast Symposium Forschung und Partner für die Landwirtschaft. Marie-Theres Maurer

Wie viel ist dir ein gutes Gefühl wert?

Identifikation der Arbeitsmarkteffekte

Biometrieübung 10 Lineare Regression. 2. Abhängigkeit der Körpergröße von der Schuhgröße bei Männern

Besatzdichte. Infopool: Tierschutz l. Besatzdichte. Wir, die Geflügelwirtschaft für Deutschland.

Orrison, A., Schotter, A., Weigelt, K. (2004) Management Science, Bd. 50, Heft 2, S Juli 2008

Deskriptive Statistik

Anreize -Vorlesung vom : Das Spence(1973)-Modell

Vorlesung 5: Probleme der Erwartungsnutzentheorie

Statistische Tests für unbekannte Parameter

Kapitel 8. Erwarteter Nutzen. Intertemporaler Nutzen für Mehrperioden-Entscheidungen

7. Grenzwertsätze. Dr. Antje Kiesel Institut für Angewandte Mathematik WS 2011/2012

Arbeitsmarktökonomie

Arten von Anreizen. Intrinsische Anreize. Motivationstheorien. Intrinsische Anreize: liegen in der Aufgabenerfüllung selbst begründet

Statistische Tests für unbekannte Parameter

Effiziente Anreizsysteme in der Wissenschaft Eine experimentelle Analyse

Allgemeines zu Tests. Statistische Hypothesentests

Forschungsauftrag. 1) Wählen Sie ein Beispiel, in dem Sie die Beziehung zwischen dem Input Arbeit und dem Output darstellen.

FÜHRUNGSKRÄFTEMANGEL IN LANDWIRTSCHAFTLICHEN UNTERNEHMEN: EINE GESCHLECHTSSPEZIFISCHE ANALYSE DER ER- WARTUNGEN UND ZIELE VON NACHWUCHSKRÄFTEN

Age Diversity Management Jenseits des Homogenitätsideals

Züchtungslehre - Eigenschaften von BLUP-Zuchtwerten Peter von Rohr

STELLUNGNAHME DES MENSCHENRECHTSBEIRATS AN DIE VOLKSANWALTSCHAFT

Binomialverteilung Vertrauensbereich für den Anteil

Ergebnisse der schriftlichen Zwischenprüfung Frühjahr 2018 Gärtner/Gärtnerin - Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau Zuständige Stelle: Gartenbauzen

Ein- und Zweistichprobentests

Hinweis: Es sind 4 aus 6 Aufgaben zu bearbeiten. Werden mehr als 4 Aufgaben bearbeitet, werden nur die ersten vier Aufgaben gewertet.

Signalverarbeitung 2. Volker Stahl - 1 -

B.Sc. BAE / B.Sc. WI / B.A. ICBS / B.A. SW / B. Sc. Mat

Tränkewasserhygiene - Ökonomische Versuchsbewertung Münsterlandhalle Cloppenburg

Lohnentwicklung in einer globalisierten Welt

Biometrische und Ökonometrische Methoden II Lösungen 2

vom Konsum ausschließbar Mitgliedschaft im Golfclub

Abschlussklausur zur Veranstaltung "Personalökonomie" im WS 2005/06 Prof. Regina T. Riphahn, Ph.D. 22. Dezember 2005

Vergleich von Gruppen I

Wiederholung der Klausur STATISTIK

Soziale und politische Folgen von Bildungsarmut

Klausur Wirtschaftsmathematik ( ) Name: Vorname: Matrikelnummer: Themengebiete:

IK Ökonomische Entscheidungen und Märkte

Deskriptive Statistik. (basierend auf Slides von Lukas Meier)

Biomathematik für Mediziner, Klausur WS 1999/2000 Seite 1

Zusammenhänge zwischen metrischen Merkmalen

Mikroökonomik B 5. Informationsökonomik

Theorien der Persönlichkeit. Wintersemester 2008/2009 Gabriele Helga Franke

Statistische Methoden in den Umweltwissenschaften

8. Wachstum. Welchen Einuss hat Politik auf private Kapitalakkumulation und damit Wachstum?

3. Leistungserbringer. Inhalte dieses Abschnitts 3.3 Vergütung von Krankenhäusern Kostenerstattung Diagnosis Related Groups (DRGs)

Forschungsstatistik I

Gewicht (LG) Hähne, g. gebrütet/unsortiert (g) (LG) Hennen, g

Vorlesung. Informationsökonomik und die Theorie der Firma

1 x 1 y 1 2 x 2 y 2 3 x 3 y 3... n x n y n

Gerechtigkeit in Partnerschaften

Beispiel 4 (Einige weitere Aufgaben)

Quantitative Methoden der Agrarmarktanalyse und des Agribusiness

Inhaltsverzeichnis. Teil 1 Basiswissen und Werkzeuge, um Statistik anzuwenden

nach den politischen Entscheidungsträgern werden jetzt die Akteure in der politischen Exekutive (Behörden) genauer

Statistik-Klausur vom 6. Februar 2007

Indirekte Reziprozität Karl Sigmund (2010). The Calculus of Selfishness. Princeton: Princeton University Press

Statistik II. II. Univariates lineares Regressionsmodell. Martin Huber 1 / 20

Grundlagen der Agency- Theorie: Hidden Information

Beschreibende Statistik Eindimensionale Daten

2 Anwendungen und Probleme

Aufgaben zu Kapitel 3

Anreizgestaltung in Organisationen. Die Prinzipal-Agenten-Theorie und die Verdrängung intrinsischer Motivation

Lösungen zur Klausur zur Statistik Übung am

Untersuchungen über die Mastleistung und den Schlachtkörperwert von Gebrauchskreuzungen zwischen Simmentaler Fleckvieh und einseitigen Fleischrassen

Zweiseitiger Test für den unbekannten Mittelwert µ einer Normalverteilung bei unbekannter Varianz

Pflichtlektüre: Kapitel 12 - Signifikanztest Wie funktioniert ein Signifikanztest? Vorgehensweise nach R. A. Fisher.

Statistische Tests (Signifikanztests)

Steuerwettbewerb, Finanzausgleich und Verhandlungen im öffentlichen Sektor. 24. Juni 2009

Statistik Testverfahren. Heinz Holling Günther Gediga. Bachelorstudium Psychologie. hogrefe.de

Kapitel 1 Beschreibende Statistik

Kapitel 13: Unvollständige Informationen


Die Familie der χ 2 (n)-verteilungen

Die Familie der χ 2 (n)-verteilungen

Dr. Maike M. Burda. Welchen Einfluss hat die Körperhöhe auf das Körpergewicht? Eine Regressionsanalyse. HU Berlin, Econ Bootcamp

Deskription, Statistische Testverfahren und Regression. Seminar: Planung und Auswertung klinischer und experimenteller Studien

Mathematische und statistische Methoden II

Effizienzmerkmale in der Rinderzucht

8. Ineffiziente Finanzmärkte Vorlesung an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg WS 2007/2008

Übungen mit dem Applet Zentraler Grenzwertsatz

Übungen mit dem Applet Rangwerte

Delinquenz im Kontext Schule aus Sicht der Situational Action Theory. Ilka Kammigan Universität Hamburg

1 Prognoseverfahren F H

Übung V Lineares Regressionsmodell

5 Exkurs: Deskriptive Statistik

Fairness, Reziprozität und Motivation

Neue Institutionenökonomik, Aufgabe 18 Seite 1

Colorcontex Zusammenhänge zwischen Farbe und textilem Material

Statistik I. Methodologie der Psychologie

Transkript:

Turniertheorie Annette Kirstein Quelle: Knoeber, Ch.R.; Thurman, W.N. (1994): Testing the Theory of Tournaments: An Empirical Analysis of Broiler Production, Journal of Labor Economics 12, 155-79. Ökonomische Anreize in Unternehmen und Märkten vom 10. Februar 2009

Gliederung Theoretische Vorüberlegungen Organisation einer Hähnchenproduktion Hypothesen und Ergebnisse

Gliederung Theoretische Vorüberlegungen Organisation einer Hähnchenproduktion Hypothesen und Ergebnisse

Annahmen im Turnier 2 Turnierteilnehmer (Agenten), i = 1, 2; eine Turnierrunde; Output q i = u i + ε i, (u i Anstrengung, ε i ZV mit EW 0); Kosten der Anstrengung C(u i ) mit C > 0, C > 0; Turnierpreise w 1 und w 2, w 1 geht an den Agenten mit dem höheren Output; p Wahrscheinlichkeit, dass Agenten i das Turnier gewinnt; Agent i ist Erwartungsnutzenmaximierer: max u i = EΠ i = pw 1 + (1 p)w 2 C(u i ).

Ergebnisse des Turniers B.1.O. für Optimalwahl û i des Agenten: p(u i ) u i (w 1 w 2 ) C (u i ) = h(u i u j )(w 1 w 2 ) C (u i ) = 0 1. (w 1 w 2 ) û i und h(0) û i ; 2. Ergebnis 1 ist unabhängig von der absoluten Höhe von w 1 und w 2 auf die Differenz kommt es an; 3. Wahl von u i hängt ab vom Einfluss von u i auf p, z.b. Schlechtere in einem (asymmetrischen) Turnier haben geringere Gewinnchancen; 4. je höher die Kosten der Arbeit, desto geringer ist û i ;

Annahmen bei LRPE-Vertrag (linear relative performance evaluation) 2 Agenten, i = 1, 2; Output q i = u i + ε i ; Kosten der Anstrengung C(u i ) mit C > 0, C > 0; Es gibt für jeden Agenten einen Grundlohn w ( base pay ) bei Abweichungen von der Durchschnittsleistung Q aller Agenten gibt es linear monotone Zulagen oder Abzüge m(q i Q).

Ergebnisse des LRPE-Vertrags Optimalkalkül des Agenten: EΠ i = w + m(q i Q) C(u i ) Wenn i den Durchschnitt Q als fix ansieht, gilt: EΠ i u i = m q i u i C (u i ) = 0 1. m u i ; 2. Ergebnis 1 ist unabhängig von der absoluten Höhe der Entlohnung - auf das Inkrement m kommt es an; 3. Wahl von u i ist vom Rang unabhängig, d.h. Schlechte haben dieselben Anreize wie Gute, und die Anreize sind stabil über alle Ränge; 4. je höher die Kosten der Arbeit, desto geringer ist u i.

Gliederung Theoretische Vorüberlegungen Organisation einer Hähnchenproduktion Hypothesen und Ergebnisse

Ausgangssituation Der integrator (I) kauft Hühnereier, um sie auszubrüten; I schließt Verträge mit Züchtern Z i über die Aufzucht der Küken bis zur Schlachtreife; I stellt die Küken, Futter, medizinischen Service, ein Aufzuchtprogramm und Serviceleute; I bestimmt die Größe des ausgelieferten Schwarms und bestimmt implizit durch den Auslieferungszeitpunkt den Schlachtzeitpunkt; Z i stellen Hühnerhäuser und Arbeit; die Hähnchen gehören I sie werden in den Räumen von I geschlachtet und gehen von dort auf den Markt.

Die Entlohnung Z i erhält einen Stücklohn: GE pro Pfund Lebendgewicht; der Stücklohn variiert unter den Züchtern gemäß relativer Leistung; Leistung wird gemessen in Settlement Cost pro Pfund Lebendgewicht (im Wesentlichen Futterkosten), z.b. Schlachten kranker Tiere (die oft vor Schlachtreife sterben) verringert die Settlement Cost

Beobachtungen ein I, Z i mit i {1,..., 75}, 1.174 Schwärme; im Zeitraum von November 81 - Dezember 85; im Juni 84 von Turnier auf LRPE-Entlohnung gewechselt; Schlachtung erfolgt üblicherweise 6-7 Wochen nach Platzierung bei Z i, dann 1-3 Wochen Pause für Reinigung der Ställe; Settlement Cost (SC) = (Anzahl Küken 12 + Kilokalorien 6) / (Pfund Lebendgewicht).

Der Turnier-Vertrag bis Juni 84 Ein Turnier beinhaltete Schlachtungen innerhalb von 10 Tagen; Reihung der Leistungen von SCmin bis SCmax; Bildung von Quartilen; Z i erhielt 0,3 Cent pro Pfund mehr bei Erreichen des nächsthöheren Quartils; Lohn im untersten Quartil 2,6 Cent pro Pfund. von Ende 81 bis Anfang 82 wegen Schwierigkeiten bei I: Lohn im untersten Quartil 2,45 Cent pro Pfund.

Der LRPE-Vertrag ab Juni 84: Es gibt Mindestlohn in Höhe von 2,6 Cent; liegt Z i auf dem Mittelwert der Settlement Cost, erhält er nur den Grundlohn von 3,2 Cent; Abweichungen nach oben oder unten vom Mittelwert verändern den Lohn linear; ab November 84: Mindestlohn 2,8 Cent; Grundlohn 3,4 Cent; Der Rest bleibt unverändert.

Zusammenfassung der Entlohnungssituation In den Perioden 1 und 2: Turnier; unterschiedlicher Grundlohn; identische Inkremente. In den Perioden 3 und 4: LRPE; unterschiedlicher Grundlohn; identische Inkremente.

1. Hypothese Veränderungen in der Entlohnung, die die Preisdifferentiale unverändert lassen, beinflusst die Leistung nicht, d.h. (w 1 w 2 ) = 0 q i = 0 und m = 0 q i = 0. Es konnte gezeigt werden: Es gibt Leistungsunterschiede zwischen Periode 2 und 3; Es gibt keine Leistungsunterschiede zwischen Periode 1 und 2, sowie zwischen Periode 3 und 4. Empirische Evidenz für die Gültigkeit der Hypothese!

2. Hypothese In gemischten (=asymmetrischen) Turnieren wählen fähigere/bessere Spieler eine weniger risikoreiche Strategie. (Fähigkeit des Spielers über individuelle Durchschnittsleistung definiert das Risiko einer Strategie ist definiert über ihre Varianz.) Es konnte gezeigt werden: Unfähigere/schlechtere Agenten wählen eine risikoreichere Strategie (d.h. weisen in den SC eine höhere Varianz auf als gute Agenten). Empirische Evidenz für die Gültigkeit der Hypothese!

3. Hypothese Unter LRPE wählen gute und schlechte Agenten keine unterschiedlich risikobehafteten Strategien, da Belohnung und Bestrafung gleichermaßen wirken. Es gibt keine empirische Evidenz für die Gültigkeit der Hypothese! Mögliche Erklärung: Mit dem Mindestlohn gab es auch unter LRPE einen Anreiz für Schlechte, eine risikoreiche Strategie zu wählen, da sie nach unten abgesichert waren.

4. Hypothese Gemischte (d.h. asymmetrische) Turniere sind ineffizient; sowohl Fähige als auch Unfähige haben Anreiz zur Leistungszurückhaltung, da ihre Positionen im Turnier relativ gesichert sind. Daher: Turnier-Organisatoren werden versuchen, fähigere Akteure zu handicappen (Behinderung der guten wirkt auf alle motivierend) oder homogene Turniere zu veranstalten. Es konnte gezeigt werden: Fähigere Agenten erhalten größere Schwärme (Schwarmgröße ist negativ korreliert mit Leistung) - als Handicapping interpretierbar. Organisator beeinflusst die Zusammenstellung des Turniers durch Auslieferungszeitpunkt des Küken-Schwarms. Empirische Evidenz für die Gültigkeit der Hypothese!

5. Hypothese Unterschiedliche Fähigkeiten haben bei LRPE keinen Einfluss auf die Leistung und daher wird I weder versuchen, zu handicappen noch die Schlachtzeitpunkte zu beeinflussen. Empirische Evidenz für die Gültigkeit der Hypothese! Sowohl Handicapping als auch gezielte Wahl des Auslieferungszeitpunkts der Küken-Schwärme unter LRPE weniger ausgeprägt.