Altersdifferenzen der Emotionsregulation von Lehrkräften bei belastenden Unterrichtssituationen



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Transkript:

Altersdifferenzen der Emotionsregulation von Lehrkräften bei belastenden Unterrichtssituationen Andreas Krause Heinz Schüpbach Institut für Psychologie, Freiburg

Potenzial für die Leistungsfähigkeit/ Gesundheit älterer Lehrerinnen und Lehrer Karasek et al. (1998) ordnen den Lehrerberuf als active job ein. Experten-Novizen-Forschung (z.b. Bromme, 1992): Alter und Berufserfahrung wirken sich positiv aus (Lehrer als knowledge worker ). Biographieforschung: z.b. stimmen die Vorstellungen älterer Lehrkräfte besser mit den Möglichkeit ihrer Schule überein (Flaake, 1989) Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte steigt mit dem Berufsalter (z.b. Terhart, 1991). Die Emotionsregulation verbessert sich im Laufe des Berufslebens (z.b. Kanfer & Ackermann, 2004; Magai, 2001).

Übergang in den Ruhestand im Schuldienst (Angaben vom Statistischen Bundesamt) 70 % 60 Dienstunfähigkeit 60./63. Lebensjahr 65. Lebensjahr (Regelaltersgrenze) 50 40 30 20 10 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Amtsärztliche Diagnosen bei Dienstunfähigkeit - am Beispiel von Gymnasiallehrkräften (Weber, 2003) - 22% dabei überwiegen depressive Störungen und Erschöpfungszustände 8% 45% Psyche/Verhalten Muskel/Skelett 12% 13% Herz/Kreislauf Bösartige Neubildungen Sonstige Konsens: Der Lehrerberuf ist psychisch beanspruchend. Folgen sind insb. emotionale Erschöpfungszustände, also bestehen Schwierigkeiten in der Selbstregulation. Dissens: Was sind die Ursachen?

Am Unterricht kommt man nicht vorbei. Potsdamer Lehrerstudie Verhalten schwieriger Schüler Klassenstärke (zu große Klassen) Stundenanzahl In eigenen Studien erwiesen sich Unterrichtsstörungen als bester Prädiktor für emotionale Erschöpfung (Krause, 2004).

Vorarbeiten I. Erhebungsmethoden zur Analyse, Bewertung und Gestaltung der Arbeitssituation (RHIA-Unterricht, FASS) Unterschiede in den Arbeitsbedingungen II. Was passiert in schwierigen Unterrichtssituationen? z.b. Strategien der Emotionsregulation Interindividuelle Unterschiede

Pilotstudien Unterschiede in der Emotionsregulation zwischen gesunden und nicht-gesunden älteren Lehrkräfte (video-stimulated recall) zwischen gesunden und nicht-gesunden Lehrkräften (Vignettenstudie), jedoch kein direkter Einfluss des Alters. Bereits bei Berufsanfängern fanden sich (wie bei Älteren) Unterschiede in der Emotionsregulation und in der Gesundheit: Risikopotenzial?

Fragestellungen im DFG-Projekt Welche Bedeutung hat die Emotionsregulation im Unterricht für die Lehrkräfte? Welche Situationsmerkmale beeinflussen die Emotionsregulation? Welche altersabhängigen Unterschiede bestehen bei der Emotionsregulation? Welches Lebensspannenmodell der Selbstregulation ist heranzuziehen? Welche Konsequenzen hat dies für Maßnahmen der Schul- und Personalentwicklung? Altersgemischte, videogestützte kollegiale Beratung

Geplante Vorstudien Ziel: Lehrkräfte erhalten standardisierte Stimuli (typische, emotionsauslösende Interaktionen mit SchülerInnen). Stimulusmaterial entwickeln und prüfen Vignetten Videosequenzen

I. Vignettenstudie II. Videosequenzenstudie UV (im Querschnittsdesign) Belastungssituationen (Situationsmerkmale variieren; standardisierte Stimuli) Alter Gesundheitszustand Kontrollvariablen: z.b. negative Affektivität AV (im Querschnittsdesign): Emotionsregulation Kombination von Querschnitts- und Längsschnittdesign

Zur Emotionsregulation Intensität verschiedener Emotionen (z.b. Ärger, Enttäuschung) Umgang mit Hindernissen, insb. eingesetzte Strategien (vgl. z.b. Grandey, 2000; Gross 1998; Zapf, 2002) Automatic Emotion Regulation Surface Acting/ Emotionale Dissonanz Deep Acting Emotional Deviation Bewertungsprozesse

Ziel für den zweiten Förderzeitraum Feldstudie Handeln im Unterricht, videogestützte Analysen und video stimulated recall Intervention: Videogestützte, altersgemischte kollegiale Beratung

Schnittstellen im Schwerpunktprogramm Lebensspannenmodelle: Welche systematischen (berufs-) alterbezogenen Veränderungen bestehen? Differential Emotions Theory (Izard, 1977) Cognitive-Affective Developmental Theory (Labouvie-Vief, 1996) Control Theory of Emotion (Schulz & Heckhausen, 1998) Socioemotional Selectivity Theory (Carstensen, 1995) Attachment Theory (Bowlby, 1979)

Lebensspannenmodelle der Emotionsregulation: Empirische Ergebnisse Emotionale Intensität ändert sich nicht. Keine Zu-/Abnahme positiver/negativer Stimmungen. Wut/Ärger tritt seltener auf. Die Emotionsregulation verbessert sich im Laufe des Berufslebens (Kanfer & Ackermann, 2004). Annahme: Emotional goals werden bedeutsamer. Konzentration auf positive soziale Kontakte Zunehmende Vermeidung sozialer Konflikte

Years of career experience 1-3 Karriereverläufe von LehrerInnen (in Anlehnung an Huberman, 1993) Career phases/themes Beginnings (painful or easy) 4-6 Stabilization, consolidation of a pedagogical repertoire 7-25 Diversification, activism, experimentation Reassessment, Self-doubts 26-33 Serenity, positive focusing, resolution Conservatism, non-resolution 34-40 Disengagement (serene or bitter)

Bereits Berufsanfänger unterscheiden sich in ihrer Emotionsregulation (zu beachten: emotionale Dissonanz). Besteht hier ein Risikopotenzial für die Entstehung von Erschöpfungszuständen usw.? Umgang mit Konflikten Gesundheit

Emotionsregulation und Emotionsarbeit Regulationsbehinderungen im Unterricht haben Auswirkungen auf die Selbstregulation der Lehrkräfte. Annahme: Dabei ist für die Lehrkräfte die Beeinflussung der eigenen Emotionen und z.t. auch der Gefühle der Schüler bedeutsam (Fischbach, 2003). In Metaanalysen hängen nur emotionale Dissonanz bzw. surface acting eindeutig negativ mit emotionaler Erschöpfung zusammen (Zapf, 2002: r =.32; Bono & Vey, 2005: r =.36; vgl. Burnout)

Ausprägung der emotionalen Dissonanz im eigenen Unterricht (Pilotstudie von Engler, 2005; 35 Hindernisse) Beeinflussung des Gesichtsausdrucks (Skala 1-5) 4 Gesunde Kranke 3 2 1 einfache RH problematische RH erinnerte RH