Der Umgang mit dem Thema Qualität im Case Management ist nur auf den ersten Blick klar und scheinbar einfach: die Standardisierung des Case

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Transkript:

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Der Umgang mit dem Thema Qualität im Case Management ist nur auf den ersten Blick klar und scheinbar einfach: die Standardisierung des Case Management-Ablaufs sei ja eigentlich schon eine Form von Qualitätssicherung sie anzuwenden vereinheitlicht Abläufe und macht sie transparenter. Gleichzeitig ist die Qualität aber abhängig vom Kontext des jeweiligen Falles und von den Beteiligten, die ein irgendwie geartetes Interesse am Fall haben. Dies hat weitreichendere Konsequenzen, wie wir sehen werden. 4

Tatsächlich lässt sich die verführerische Abfolge von Intaking, Assessment, Hilfeplanung, Linking und Monitoring in vielen Konzeptionen und Vorort- Praktiken nachweisen. Aber ist damit bereits Qualität im Case Management gewährleistet? So einfach ist es wahrscheinlich nicht. 5

Zum Case Management braucht es eine ganze Reihe weiterer Prinzipien, die gegeben sein müssen, um in diesem Zusammenhang von Qualität sprechen zu können. Lassen Sie mich dies kurz an einem Beispiel konkretisieren: wenn ein wohnungsloser Mensch im Rahmen einer Suchtberatung regelmäßig zu Treffen einer Betroffenengruppe erscheinen soll, so kann ihm das aufgrund seiner Alltagsorganisation wesentlich schwerer fallen als einem abhängigen Menschen, der im Rahmen seiner Tagesplanung zuverlässigere Rahmenbedingungen vorfindet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Wohnungslose langfristige mit diesem Angebot weniger erfolgreich sein wird, als ein Mensch mit einer Unterkunft. In diesem Fall wäre die Lebensweltorientiertheit ein weiteres Qualitätskriterium. Aber was folgert denn nun aus diesem Beispiel. Sollte man für wohnungslose Menschen ein eigenes lebensweltgerechteres Angebot entwickeln, dafür Geld in die Hand nehmen? Was ja mancherorts auch tatsächlich geschieht. Oder wäre es angemessener dem Wohnungslosen zuerst die materiellen Voraussetzungen zu schaffen, damit er seine Suchterkrankung angehen kann? Oder wäre es richtig, darauf zu pochen, ihm abzuverlangen, die gebotenen Rahmenbedingungen einzuhalten? schließlich gehört das auch zu einem Leben, das zukünftig mit den Suchtmitteln angemessen umgehen kann. Welche Antwort würde uns das Case Management in seinem wohlgeordneten Ablauf nahelegen? Ist das überhaupt eine Frage des Case Managements oder eine ganz Allgemeine, die in jedem Unterstützungsansatz geklärt werden muss? 6

Im Rahmen eines methodisch orientierten Case Managements, das sich an die Standards halten möchte, würde sich diese Frage frühestens im Rahmen der Hilfeplanung klären. Hier ginge es darum, den Klienten dazu zu befähigen, seine Ziele so zu entwickeln, dass sie folgerichtig und vor allem realistisch sind. Die Aufgabe des Case Managements wird es vor allem sein, die Möglichkeiten der Angebote aufzuzeigen, um damit dem Betroffenen die richtigen Entscheidungen zu ermöglichen. Kommt das Case Management allerdings zur Ansicht, dass es keine für den Fall stimmigen Angebote gibt, muss es diese Entdeckung als strukturellen Bedarf kennzeichnen und an eine strategisch verantwortliche Instanz weiterleiten. Auch wenn die Hilfeplanung in diesem Fall für den Wohnungslosen die Treffen in der Betroffenengruppe als passendes Angebot herausgearbeitet hätte, müsste spätestens dann, wenn die Teilnahme dort nicht mehr erfolgt oder unregelmäßig wird, reagiert werden, indem man den Hilfeplan korrigiert und gegebenenfalls die bestehenden Angebote in diesem Fall als unpassend, nicht anpassbar oder ineffektiv kennzeichnet. Damit wird das Problem auf eine strukturelle Ebene gehoben. Damit gegebenenfalls die strukturellen Anforderungen auch tatsächlich Gegenstand einer strategischen Entscheidung werden können, müssen sie natürlich überhaupt erst dorthin gelangen. Ist das Case Management nicht selbst in der Lage die Daten dorthin zu transportieren, müssen dazu Abläufe vorgesehen sein, die diese Transportfunktion übernehmen können, z.b. die Sozialplanung. Und letztlich muss auf der Entscheiderebene noch eine Abwägung zwischen den politischen, organisationalen und fallbezogenen Argumenten getroffen werden. An diesem kurzen Beispiel wird klar, dass der standardisierte Case Management-Ablauf alleine sicherlich noch keine ausreichende Qualitätsgarantie bereitstellt. Es müssen weitere Dimensionen hinzutreten, die z.t. schwierig mit strategischen Positionierungen verwoben sind. 7

Das wird besonders dann deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich Case Management nicht nur standardisiert darstellt sondern steuernd und damit eigentlich eine strategische Position einnimmt. Während sich Qualität mit den Dingen unter der Perspektive die Dinge richtig tun beschäftigt lautet die Fragestellung bei der Steuerung eher die richtigen Dinge tun. Wir benötigen also zusätzlich noch weitere Prinzipien. Deswegen wurden den Qualitätsstandards in der DGCC auch sogenannte Leitprinzipien vorangestellt. 8

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Mitglieder der Anerkennungskommision: Deutsche Gesellschaft für Sozialarbeit (DGS), der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH), der Deutsche Berufsverband für Pflegekräfte (DBfK) und die Bundesagentur für Arbeit (BA) 11

Eva Kanth, Dipl.-Psychologin., zertifizierte Case Managerin und Ausbilderin in Case Management (DGCC), wissenschaftliche Mitarbeiterin der Psychotherapeutenkammer NRW, Düsseldorf Prof. Dr. Hugo Mennemann, Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Dekan der Abteilung Münster, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management e.v. (DGCC) Andreas Podeswik, Dipl.-Psychologe, Schulungs- und Projektleitung im Bereich Pädiatrie am beta Institut für sozialmedizinische Forschung und Entwicklung ggmbh, Augsburg Michael Monzer, Dipl.-Psychologe, Case Management-Ausbilder (DGCC), Sozialwissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sozialplanung (LHS Stuttgart) 12

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