Die primitiv rekursiven Funktionen

Ähnliche Dokumente
Die primitiv rekursiven Funktionen

LOOP-Programme 1. Def (Meyer/Ritchie). LOOP-Programme werden induktiv aufgebaut aus den (Basis-) Anweisungen. Führe P X-mal aus ) LOOP-Programme 2

Mächtigkeit von WHILE-Programmen

GTI. Hannes Diener. 18. Juni. ENC B-0123,

Theorie der Informatik Einleitung. Theorie der Informatik Basisfunktionen und Einsetzung Primitive Rekursion. 14.

ALP I Primitiv-Rekursive Funktionen

Rekursive und primitiv rekursive Funktionen. Ein maschinenunabhängiges formales Berechnungsmodell auf den natürlichen Zahlen

Theorie der Informatik

8. Rekursive und primitiv rekursive Funktionen

Primitiv rekursive und µ-rekursive Funktionen

1.3 Primitiv rekursive und µ-rekursive Funktionen

Primitiv rekursive und µ-rekursive Funktionen

Ausgewählte Kapitel Diskreter Mathematik mit Anwendungen

Induktive Definitionen

Berechenbarkeit und Komplexität: Mächtigkeit von Programmiersprachen: WHILE- und LOOP-Programme

Algorithmen und Datenstrukturen 4. Vorlesung

Primitiv rekursive Codier- und Decodierfunktionen

Typen von Programmiersprachen

ALP I Rekursive Funktionen

2. Imperative Programmierung und Berechenbarkeit - Registermaschinen -

Primitive Rekursion. Basisfunktionen: Konstante Funktion: const 3 3 (1,1, pr 1,3(g,h) (1,1)) Projektion: proj 3 (1,1, pr. Komposition: comp 3,2

Lösungsmenge L I = {x R 3x + 5 = 9} = L II = {x R 3x = 4} = L III = { }

Kapitel 1: Die Basistheoreme

Grundbegriffe der Informatik

Berechenbarkeit und Komplexität: Mächtigkeit von Programmiersprachen: WHILE- und LOOP Programme

(b) Man nennt die Menge M beschränkt, wenn sie nach oben und unten beschränkt ist.

Mächtigkeit von WHILE-Programmen

Lösungsmenge L I = {x R 3x + 5 = 9} = L II = {x R 3x = 4} = L III = { }

Abschnitt 3: Mathematische Grundlagen

Dieser Foliensatz darf frei verwendet werden unter der Bedingung, dass diese Titelfolie nicht entfernt wird.

Berechenbarkeit und Komplexität Vorlesung 11

Einführung in die Informatik I

Numerische Verfahren und Grundlagen der Analysis

Universelle Maschinen und universelle Funktionen

Grundlagen der Programmierung

Abschnitt 3: Mathematische Grundlagen

Einführung in die Theoretische Informatik

LOOP-Programme: Syntaktische Komponenten

Mächtigkeit von LOOP-Programmen. Prof. Dr. Berthold Vöcking Lehrstuhl Informatik 1 Algorithmen und Komplexität RWTH Aachen

Vorlesung Diskrete Strukturen Abbildungen

Vorlesung Diskrete Strukturen Abbildungen

Kapitel 1.1. Aussagenlogik: Syntax. Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 1/ 1

liefern eine nicht maschinenbasierte Charakterisierung der regulären

Funktionale Programmierung ALP I. µ-rekursive Funktionen WS 2012/2013. Prof. Dr. Margarita Esponda. Prof. Dr. Margarita Esponda

Rekursionsbäume Aufstellen eines Baumes dessen Knoten die Laufzeit auf jeder Rekursionsstufe darstellen und Aufsummieren

Kapitel 6. Fixpunkte und semantische Bereiche

Einführung in die Theoretische Informatik

Kapitel III. Aufbau des Zahlensystems

Kapitel 2. Mathematische Grundlagen. Skript zur Vorlesung Einführung in die Programmierung

Rekursive Funktionen Basisfunktionen

GTI. µ-rekursive Funktionen. Hannes Diener. 20. Juni 2. Juli. ENC B-0123,

GOTO simuliert Turingmaschinen

Induktive Definitionen

Die Prädikatenlogik erster Stufe: Syntax und Semantik

6. Rekursive und primitiv rekursive Funktionen. Ein maschinenunabhängiges formales Berechnungsmodell auf den natürlichen Zahlen

3 Abbildungen. 14 I. Zahlen, Konvergenz und Stetigkeit

Einführung in die Theoretische Informatik

Konstruktion der reellen Zahlen

9. Polynom- und Potenzreihenringe

Primitiv rekursive Funktionen

2 Riemannsche Flächen

MATHEMATIK FÜR NATURWISSENSCHAFTLER I WINTERSEMESTER 2016/ OKTOBER 2016

Wie in der reellen Analysis üblich notiert man Folgen f in der Form

KAPITEL 5. Damit wird F n (B) selbst zu einer Booleschen Algebra und es gilt f(x) := f(x) 0(x) := 0 B 1(x) := 1 B

Programmierung 1 (Wintersemester 2012/13) Lösungsblatt 10 (Kapitel 11)

Theoretische Informatik SS 03 Übung 5

Mathematik I für Studierende der Informatik und Wirtschaftsinformatik (Diskrete Mathematik) im Wintersemester 2017/18

Vorbereitungskurs Mathematik zum Sommersemester 2015 Folgen und Reihen

30 Die Gammafunktion und die Stirlingsche Formel

Konstruktion reeller Zahlen aus rationalen Zahlen

Proseminar Theoretische Informatik - WS07/08 - Prof. Helmut Alt. I. Einleitung Berechnungsmodelle LOOP, WHILE, GOTO, rekursive Funktionen

Theoretische Informatik SS 03 Übung 4

Ein fundamentales mathematisches Beweisprinzip p ist die vollständige Induktion: Sei p : Falls

Seite 1. Folgen. Folgen. Klaus Messner,

Berechenbarkeit und Komplexität Vorlesung 10

heißt Exponentialreihe. Die durch = exp(1) = e (Eulersche Zahl). n! + R m+1(x) R m+1 (x) = n! m m + 2

Horton Strahler Zahlen

Kapitel 5 KONVERGENZ

Mathematik für Informatiker 1 Wintersemester 2013/14 Übungsblatt 3

Theoretische Informatik II

(alternierendes Vorzeichen) a n := ( 1)n n + 1 a n := 3n 2 7n a n := n(n 1)(n 2), n 3

Überblick. 3. Mathematische Grundlagen 3.1 Mengen und Abbildungen 3.2 Induktion und Rekursion 3.3 Boolsche Algebra

Unentscheidbarkeitssätze der Logik

Grundbegriffe der Informatik

{, wenn n gerade ist,, wenn n ungerade ist.

Theoretische Informatik II

Einführung in die Theoretische Informatik

$Id: matrix.tex,v /12/02 21:08:55 hk Exp $ $Id: vektor.tex,v /12/05 11:27:45 hk Exp hk $

Matrizen - I. Sei K ein Körper. Ein rechteckiges Schema A = wobei a ij K heißt Matrix bzw. eine m n Matrix (mit Elementen aus K).

Überblick. Ausdrücke. 3. Mathematische Grundlagen 3.1 Mengen und Abbildungen 3.2 Induktion und Rekursion 3.3 Ausdrücke

Ordinalzahlen. Sei (X, ) eine total geordnete Menge und a X. Dann

Theoretische Grundlagen der Informatik

Algebraische Kurven. Monoidringe

Analysis für Informatiker

Folgen. Kapitel 2. Folgen. Peter Becker (H-BRS) Analysis Sommersemester / 543

Rekursive und primitiv-rekursive Funktionen

Transkript:

Priv.-Doz. Dr.rer.nat.habil. Karl-Heinz Niggl Technische Universität Ilmenau Fakultät für Informatik und Automatisierung Institut für Theoretische Informatik Fachgebiet Komplexitätstheorie und Effiziente Algorithmen J Die primitiv rekursiven Funktionen Im folgenden betrachten wir zahlentheoretische Funktionen, d.h. Funktionen f : N k N mit k N. Im Mittelpunkt steht dabei eine Funktionenalgebra PR (und ihre Schichten E n ) zur Definition von bestimmten zahlentheoretischen Funktionen, die sogenannten primitiv rekursiven Funktionen. Die Menge PR ist ein Beispiel für das Prinzip der induktiven Definition (vgl. das gleichnamige Dokument). Die zugrundeliegende Basis besteht aus den folgenden Funktionen: die Null 0 als 0-stellige Funktion aufgefaßt der Successor S : N N mit S(x) = x + 1 alle Projektionen Π m i : N m N mit Π m i ( x) = x i für 1 i m (m 1). Die Regeln für den Zusammenbau (Definition) von neuen Funktionen aus bereits gebauten (definierten) Funktionen sind in Form zweier Schemata gegeben. Definition 1 (Einsetzung). Eine Funktion f : N k N heißt durch Einsetzung aus Funktionen h: N m N und g 1,..., g m : N k N definiert, in Zeichen f :=E(h, g 1,..., g m ), falls für alle x = x 1,..., x k N gilt: f( x) = h(g 1 ( x),..., g m ( x)) Definition 2 (Primitive Rekursion). Eine Funktion f : N k+1 N heißt durch primitive Rekursion aus g : N k N und h: N k+2 N definiert, in Zeichen f := R(g, h), falls f die folgenden Rekursionsgleichungen (für alle x, y N) erfüllt: f( x, 0) = g( x) f( x, y + 1) = h( x, y, f( x, y)) In f( x, y) heißen x die Parameter und y das Rekursionsargument von f; ferner heißt f( x, y) der Vorgängerwert von f( x, y + 1). Definition 3 (PR). Die Klasse PR der primitiv rekursiven Funktionen ist die kleinste Menge von zahlentheoretischen Funktionen, die die Basisfunktionen 0, S sowie alle Projektionen Π m i enthält und abgeschlossen ist unter den Schemata der Einsetzung und der primitiven Rekursion. Die Menge PR kann man auch als maschinenunabhängige Beschreibung von Algorithmen zur Berechnung bestimmter zahlentheoretischer Funktionen auffassen. In der Tat sind die durch LOOP-Programme (FOR-Schleifenprogramme über Registern nach Meyer und Ritchie) berechenbaren Funktionen genau die Funktionen in PR.

Induktive Definitionen 2 Daß jede PR-Funktion LOOP-berechenbar ist, kann man sich leicht und ohne die konkrete Syntax von LOOP-Programmen zu bemühen so klarmachen die Umkehrung ist etwas kniffliger und verwendet primitiv rekursive Kodierung und Dekodierung von n-tupeln natürlicher Zahlen. Offenbar ist jede Basisfunktion LOOP-berechenbar. Hat man schon LOOP-Programme P h, P 1,..., P m für die Komponenten h, g 1,..., g m in f = E(h, g 1,..., g m ), so erhält man in naheliegender Weise ein LOOP-Programm P f für f: Auf Input x berechnet man nacheinander (für i = 1,..., m) die Werte y i := g i ( x) mittels P i und dann h( y) mittels P h. Seien nun LOOP-Programme P g und P h für die Komponenten g, h in f = R(g, h) bereits gegeben. Der Schlüssel zur Konstruktion eines LOOP-Programms P f für f ist die folgende Ausfaltungsdarstellung, die sich durch maximales Ausfalten der Rekursionsgleichungen für f ergibt: f( x, y) = h( x, y 1, h( x, y 2,..., h( x, 0, g( x))...)) Damit wird f( x, y) wie folgt berechnet: Nacheinander berechnet man die Werte v 0 := g( x) mittels P g und (falls y > 0) in einer Schleife die Werte v 1,..., v y v i+1 := h( x, i, v i ) für i < y jeweils mittels P h und gibt dann v y aus, denn induktiv folgt v i = f( x, i) für i y. Bemerkung. Jede natürliche Zahl a, wie üblich als 0-stellige Funktion Ca 0 aufgefaßt, kann durch a-malige Anwendung des Einsetzungsschemas aus den Basisfunktionen S und 0 = C0 0 definiert werden. Damit gewinnt man jede n-stellige konstante Funktion Ca n mittels Einsetzung aus C 0 a. C n a (x 1,..., x n ) := a Dies ergibt sich durch eine präzisere Fassung des Einsetzungsschemas: Für m, n N ist E m,n ein Funktional, das Funktionen h: N m N und g 1,..., g m : N n N die Funktion E m,n (h, g 1,..., g m ): N n N zuordnet, wobei E m,n (h, g 1,..., g m )( x) := h(g 1 ( x),..., g m ( x)) Also hat C n a für n 1 die Darstellung C n a = E 0,n (C 0 a, ()). Bemerkung. Wie im Skript Induktive Definitionen erwähnt, denkt man sich die natürlichen Zahlen N ebenfalls als induktiv definierte Menge I R (B). Das aus der Schule bekannte Schema der vollständigen Induktion ist somit nichts anderes als Induktion über den Aufbau von N und das Schema der primitiven Rekursion ist nichts anderes als Rekursion über den Aufbau von N, wobei hier N k als Parametermenge X fungiert. Bemerkung. Daß das Rekursionsargument in einer primitiven Rekursion f = R(g, h) stets an der letzten Argumentstelle erscheint, hat nur vereinfachende Gründe. Mittels

Induktive Definitionen 3 Einsetzung und Projektionen kann man zeigen, daß jede Rekursion im i-ten Argument eine zulässige Instanz der primitiven Rekursion ist. Beispiele für primitiv rekursive Funktionen Die Fallunterscheidung C: N 3 N mit besitzt die Rekursionsgleichungen { y falls x = 0 C(x, y, z) := z sonst C(0, y, z) = y C(x + 1, y, z) = z und hat somit die Darstellung C = R(Π 2 1, h) mit h(u, y, z, v) := z = Π 4 3(u, y, z, v). Der Predecessor P : N N, P (x) := max{x 1, 0} hat Rekursionsgleichungen : P (0) = 0 P (x + 1) = x Hieraus liest man die Darstellung P = R(C 0 0, h) mit h(u, v) := u = Π 2 1(u, v) ab. Bemerkung. C und P sind Beispiele für sogenannte uneigentliche Rekursionen, die von den Vorgängerwerten nicht Gebrauch machen, sondern nur von der im Schema eingebauten Fallunterscheidung bzgl. des Rekursionsargumentes y nach y = 0 oder y > 0, sowie von der Dekrementierung eines Rekursionsargumentes y > 0. Die Addition add: N 2 N, add(x, y) = x+y, besitzt die Rekursionsgleichungen : add(x, 0) = x add(x, y + 1) = S(add(x, y)) Hieraus folgt add = R(Π 1 1, h) mit h(x, u, v) := S(v) = E 1,3 (S, Π 3 3)(x, u, v)). Bemerkung. Es gilt x + y = S (y) (x), wobei für eine Funktion f : N N die k-te Iterierte von f, in Zeichen f (k) : N N, wie folgt induktiv definiert ist: f (0) (x) := x f (k+1) (x) := f(f (k) (x)) Die abgeschnittene Subtraktion. : N 2 N mit x. y := max{x y, 0} besitzt wegen x. y = P (y) (x) die Rekursionsgleichungen x. 0 = x x. y + 1 = P (x. y) und damit (analog zu add) die Darstellung. = R(Π 1 1, E 1,3 (P, Π 3 3)).

Induktive Definitionen 4 Die Multiplikation mult: N 2 N, mult(x, y) = x y, hat Rekursionsgleichungen mult(x, 0) = 0 mult(x, y + 1) = mult(x, y) + x und somit folgt mult = R(C0, 1 h) mit h(x, u, v) := v +x = E 2,3 (add, Π 3 3, Π 3 1)(x, u, v)). Die Exponentiation exp: N 2 N, exp(x, y) = x y hat die Rekursionsgleichungen exp(x, 0) = 1 exp(x, y + 1) = exp(x, y) x und somit (analog zu mult) die Darstellung exp = R(C1, 1 E 2,3 (mult, Π 3 3, Π 3 1)). Praktischer Umgang mit Einsetzung und primitiver Rekursion Die obigen Beispiele zeigen zwei Aspekte der Bauart von PR. Einsetzung und primitive Rekursion sind zum einen nicht benutzerfreundlich, wenn es darum geht, für konkrete Funktionen nachzuweisen, daß sie primitiv rekursiv sind man muß ja stets die informalen Rekursionsgleichungen auf die gewünschte Form bringen. Zum anderen entsteht der Eindruck, daß man aus den jeweils angegebenen informalen Rekursionsgleichungen stets die gewünschte formale Darstellung ablesen kann. Tatsächlich sind die fraglichen Schemata nicht für den praktischen Gebrauch gedacht, sondern nur für theoretische Überlegungen zur Klasse PR, wo diese strukturierte Form von Vorteil ist. Ein Beispiel dafür war der informale Beweis, daß alle PR-Funktionen LOOP-berechenbar sind. Der Schlüssel zu einem benutzerfreundlichen Umgang mit den primitiv rekursiven Funktionen ist das folgende zur Einsetzung äquivalente und programmiersprachennahe Konzept der expliziten Definition, das die Rolle der Basisfunktionen Π m i genauer beleuchtet. Definition 4. Eine Abb. f : N n N ist explizit definierbar aus Funktionen g 1,..., g m, falls es einen (wohlgeformten) Ausdruck E mit Symbolen unter g 1,..., g m, x 1,..., x n gibt, so daß für alle a = a 1,..., a n N gilt: f( a) = I n (E)( a) Schreibweise f( x) = E. Dabei ist die Interpretation von E, I n (E): N n N, induktiv über den Aufbau von Ausdrücken mit Symbolen unter g 1,..., g m, x 1,..., x n definiert: I n (x i ) = Π n i I n (g i (E 1,..., E mi )) = E m i,n (g i, I n (E 1 ),..., I n (E mi )) Beispiel: f(x 1, x 2, x 3, x 4 ) = (x 1 + (x 1 x x 2 3 )). (x 2 x 3 ) Bemerkung. Explizite Definitionen unterstützen insbesondere das Vertauschen, Vervielfältigen und Weglassen von Parametern (Variablen) und das Ineinanderschachteln solcher Ausdrücke. Bemerkung. Für den praktischen Umgang mit expliziten Definitionen kann man natürlich neben den Funktionssymbolen g 1,..., g m und den Variablen x 1,..., x n in f( x) = E auch

Induktive Definitionen 5 beliebige Konstanten a N verwenden, denn man darf a mit dem Ausdruck S (a) (0) bzw. mit dem Symbol C 0 a identifizieren. Ferner schreibt man S(x) in der gewohnten Form x+1. Lemma 5 (Explizite Definition = Einsetzung + Projektn.). Für f : N n N gilt: f ist explizit definierbar aus g 1,..., g m f ist mittels Einsetzung aus g 1,..., g m und Projektionen definierbar. Beweis. Die Implikation folgt induktiv aus der Definition von I n (E). Für die Umkehrung definieren wir etwas allgemeiner Abbildungen J k, die jeder k-stelligen Funktion, die man mittels Einsetzung aus g 1,..., g m und Projektionen definieren kann, einen Ausdruck J k (g) in g 1,..., g m, x 1,..., x k zuordnet, für den I k (J k (g)) = g gilt. J k (g i ) := g i (x 1,..., x k ) J k (Π k i ) := x i E n,k (h, f 1,..., f n ) := J n (h)[j k (f 1 ),..., J k (f n )/x 1,..., x n ] Für Ausdrücke e, e 1,..., e l bezeichne dabei e[e 1,..., e l /x 1,..., x l ] den Ausdruck, der durch simultane Ersetzung (für i = 1,..., l) aller Vorkommen von x i in e durch e i entsteht. Anwendungen: Für den Nachweis, daß f : N k N eine Darstellung f = E m,k (h, g 1,..., g m ) in PR besitzt, genügt die Angabe einer expliziten Definition f( x) = E, für einen Ausdruck E in Symbolen x 1,..., x k und h 1,..., h l PR. Für den Nachweis, daß f : N k+1 N eine Darstellung f = R(g, h) in PR besitzt, genügt die Angabe von Rekursionsgleichungen für f in der Form f( x, 0) = E b f( x, y + 1) = E s wobei E b ein Ausdruck in x und bestimmten g 1,..., g b PR ist, und E s ein Ausdruck in x, y und bestimmten h 1,..., h s PR sowie in f( x, y). Im Fall f =R(g, h) sind die gesuchten Funktionen g, h PR einfach I k (E b ) und I k+2 (Es ), wobei Es aus E s entsteht, indem man alle Vorkommen von f( x, y) durch eine neue Variable v ersetzt. Blicken wir nun auf die obigen Beispiele zurück, so stellen wir fest, daß die jeweiligen informalen Rekursionsgleichungen schon in der Form f( x, 0) = E b f( x, y + 1) = E s angegeben wurden und daß daraus tatsächlich die formale Gestalt f = R(g, h) gewonnen werden kann dies läßt sich auch automatisieren.

Induktive Definitionen 6 Die n-te Grzegorcyk-Klasse E n Die erste Schichtung der primitiv rekursiven Funktionen in eine Hierarchie von echt aufsteigenden Komplexitätsklassen E 0 E 1 E 2... mit E n = PR n 0 geht auf den Mathematiker A. Grzegorczyk (1953) zurück. Definition 6. Die Klasse E n ist die kleinste Klasse zahlentheoretischer Funktionen, die die Basisfunktionen 0, S, alle Projektionen Π m i und A n enthält und abgeschlossen ist unter Einsetzung und beschränkter primitiver Rekursion. Dabei bezeichnet A n : N 2 N den n-ten Ackermannschen Zweig, der sich durch Festhalten des ersten Argumentes aus der 3-stelligen Ackermannfunktion A ergibt, d.h. A n (x, y)= A(n, x, y) für x, y N. Die Funktionen A n besitzen die folgenden Rekursionsgleichungen: A 0 (x, y) = y + 1 x falls n = 0 A n+1 (x, 0) = 0 falls n = 1 1 sonst A n+1 (x, y + 1) = A n (x, A n+1 (x, y)) Definition 7. Eine Funktion f : N k+1 N heißt durch beschränkte primitive Rekursion aus g : N k N, h: N k+2 N und b: N k+1 N definiert, in Zeichen f := BR(g, h, b), falls f die folgenden beschränkten Rekursionsgleichungen (für alle x, y N) erfüllt: f( x, 0) = g( x) f( x, y + 1) = h( x, y, f( x, y)) f( x, y) b( x, y) Bemerkung. Grzegorczyks Idee zur Definition der Schichten E n war, daß man Funktionen f in Schicht E n durch primitive Rekursion aus Funktionen g, h E n gewinnen darf, solange man eine bereits definierte Schranke b E n für f zur Verfügung hat. Damit dieser Ansatz in jeder Schicht zu neuen Funktionen führt, benötigt man eine Schar von immer schneller wachsenden Basisfunktionen A n, deren Wachstum im Limes n zu einer Funktion A führt, die schneller wächst als jede primitiv rekursive Funktion. In der Tat gilt: A 0 (x, y) = x+1 A 1 (x, y) = x + y A 2 (x, y) = x y A 3 (x, y) = x y A 4 (x, y) = x y mit x 0 := 1 und x l+1 := x x l und so weiter Die konkrete Wahl dieser Funktionenschar geht auf ein modernes Design der ursprünglichen Schichten E n zurück, die der Mathematiker Ritchie (1965) in weiterführenden Untersuchungen zugrundelegte.

Induktive Definitionen 7 Die Funktion A n bildet tatsächlich die Hauptfunktion der Schicht E n in dem Sinne, daß jede Funktion in Schicht n durch eine konstante Anzahl von Kompositionen von A n mit sich selbt beschränkt werden kann. Satz 8. Zu jedem f E n, n 0, findet man eine Konstante c f, so daß stets gilt: f( x) A n+1 (max(2, x), c f ) Man beachte hierbei, daß nach der Ausfaltungsdarstellung für Konstanten c gilt: A n+1 (x, c) = A n (x, A n (x,..., A n (x, 0)...)) mit c+1 Vorkommen von A n. Die Funktion B mit B(x):=A n+1 (x, c) liegt also in E n. Der Beweis des Satzes ist nicht Gegenstand dieses Kompendiums. Wir beschließen stattdessen diesen Abschnitt mit der Übertragung der Einsichten aus dem letzten Abschnitt auf die Grzegorczyk-Schichten. Lemma 9 (Explizite Definitionen in E n ). Für f : N n N und g 1,..., g m E n gilt: f ist explizit definierbar aus g 1,..., g m f ist mittels Einsetzung aus g 1,..., g m und Projektionen definierbar Beweis. Wie vorher, nur daß man nun die Abgeschlossenheit von E n unter Einsetzung berücksichtigt. Anwendungen: Für den Nachweis, daß f : N k N eine Darstellung f = E m,k (h, g 1,..., g m ) in E n besitzt, genügt es, f explizit aus Funktionen in E n zu definieren. Für den Nachweis, daß f : N k+1 N eine Darstellung f =BR(g, h, b) in E n besitzt, genügt die Angabe von beschränkten Rekursionsgleichungen für f in der Form f( x, 0) = E b f( x, y + 1) = E s f( x, y) E w wobei E b ein Ausdruck in x und bestimmten g 1,..., g b E n ist, E s ein Ausdruck in x, y und bestimmten h 1,..., h s E n sowie in f( x, y), und E w ein Ausdruck in x, y und bestimmten b 1,..., b w E n. Im Fall f = BR(g, h, b) sind die gesuchten Funktionen g, h, b E n einfach I k (E b ) und I k+2 (E s ) und I k+1 (E w ). Beispiel: Die Addition + liegt in E 2, denn es gilt: x + 0 = x x + (y + 1) = (x + y) + 1 x + y (x + 1) (y + 1)