Untiefen im Arbeitsvertrag Über die Wirksamkeit von Vertragsklauseln



Ähnliche Dokumente
Befristung Inkrafttreten des TzBfG BeschFG Abs. 1; TzBfG 14 Abs. 2 Satz 1 und 2

Der ohne sachlichen Grund befristete Arbeitsvertrag

Hinweise zur Verwendung dieses Mustervertrages

Mandantenbrief September Stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zu Stande. Konfuzius. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers

Die Änderungskündigung im Arbeitsrecht

Vollzeitarbeitsvertrag

MUSTERAUFHEBUNGSVERTRAG

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht Dr. Christian Lampe Skript S 02 April 2010

Informationsblatt. Betriebliche Übung. I. Überblick

Individualarbeitsrecht

1. Der Mitarbeiter wird ab dem als Schlosser in der Produktion eingestellt.

Ende von Vertragsbeziehungen

1 Rücktritt, 346 ff BGB Eine Darstellung über die Voraussetzungen zur Ausübung des Rücktrittsrechts

Teilzeitbeschäftigte sind nach dem TV-EKBO grundsätzlich n i c h t zu Mehrarbeit und Überstunden verpflichtet.

Konfliktmanagement im Arbeitsverhältnis

Alles Rechtens Befristete Arbeitsverträge ( )

Anstellungsvertrag. (1) Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Brutto-Gehalt in Höhe von EUR, zahlbar nachträglich am letzten Werktag des Monats.

Arbeitsvertrag (147)

Lösung Fall 8 Anspruch des L auf Lieferung von Panini á 2,-

GPA-Mitteilung Bau 5/2002

Teilzeitbeschäftigte 209

AUFHEBUNGSVERTRAG A C H T U N G! ALLGEMEINER HINWEIS für die VERWENDUNG DES NACHFOLGENDEN MUSTER-VERTRAGES

Nach der Grundsatzentscheidung des BAG vom Wie geht es weiter mit der Tarifeinheit? Praktische Folgen und rechtspolitische Möglichkeiten

Der Geschäftsführer als Verbraucher -- Anwendung der AGB-Kontrolle auf Dienstverträge

Kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer

Arbeitsvertrag für geringfügig entlohnte Beschäftigte

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Erläuterungen zu den Arbeitsvertragsmustern

Inhalt. Einführung in das Gesellschaftsrecht

Vertrag zum Schulversuch in Braunschweig

Werkstudentenvertrag

Was bin ich wert? Veranstaltung Rechtsanwalt Michael PietschRechtsanwalt Michael Pietsch

Befristete Arbeitsverhältnisse

ANFANG DES NEUEN JAHRES FRAGEN SICH VIELE MITARBEITER, WAS AUS DEM RESTURLAUB DES VORJAHRES GEWORDEN IST.

Musterschreiben: Reaktion auf eine Änderungskündigung: Musterstadt, den. An die Firma (Anschrift) Betreff: Änderungskündigung

Newsletter Immobilienrecht Nr. 10 September 2012

Kanzlei am Steinmarkt RECHTSANWÄLTE FACHANWÄLTE. Seminar. Internetrecht. Rechtsgrundlagen im Internet, ecommerce & Internetpräsenz. Dr.

Wann und wie muss ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden?

erworben hat oder nach Vertragsinhalt und -dauer die theoretische Möglichkeit zum Aufbau einer gesetzlichen Altersrente besteht.

Muster eines Sponsoringvertrages für die Stadt Köln

Rechtsanwalt. Arbeitsverhältnis

Auswirkung der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf Urlaubsund Urlaubsabgeltungsansprüche von Langzeiterkrankten.

Fachanwältin für Familienrecht. Mietverhältnis

Privatrecht I. Jur. Assessorin Christine Meier. Übung Privatrecht I

Wie Sie auf eine Änderungskündigung

6. Fall Geschäftsführung ohne Auftrag???

Ausbildungsverhältnisse in der Landwirtschaft. Rechtsanwalt Alexander Wagner, Leipzig

Lösungsstichworte zu den Handelsregister-Fällen. Zu Fall 1: Anspruch des K gegen V auf Lieferung des Safts ( 433 I BGB)

Aufhebung von Verwaltungsakten. 1. Überblick. Auf welche Weise kann ein Verwaltungsakt (VA) aufgehoben werden? auf drei Arten:

Ausschluss der Sachmängelhaftung beim Verkauf durch eine Privatperson

Eine Haftung für den Inhalt der Muster kann mit Ausnahme von Fällen von grobem Verschulden oder Vorsatz nicht übernommen werden.

Befristung von Arbeitsverhältnissen

Arbeitsverträge rechtssicher gestalten. Personalkongress IT Die besten Köpfe für Ihr Unternehmen gewinnen am Rechtsanwalt Markus Lippmann

Tarifvertrag zur sozialen Absicherung (TVsA)

Der Aufhebungsvertrag Die beste Strategie zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Dr. Markus Klimsch Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht entscheidet über die Wirksamkeit einer Versetzung

Fall 3. Ausgangsfall:

Telearbeit - Geltungsbereich des BetrVG

3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Zum Anspruch auf eine Bonuszahlung - keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch eine Bestandsklausel

Arbeitsrecht Update Juli 2014

ENTWURF. Neue Fassung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

22. Juli 2009 WA. Sonderzahlungen unter Freiwilligkeitsvorbehalt in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Inhalt

Die Seite "Befristung von Arbeitsverhältnissen" ist in folgende Abschnitte gegliedert:

Inhalt. Basiswissen Gesellschaftsrecht. I. Grundlagen 7

Preisanpassungsklauseln in der Energiewirtschaft

Altersteilzeitvertrag. wird auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetz (AltersTzG) und in Abänderung des Arbeitsvertrages vom Folgendes vereinbart:

Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz - PflegeZG)

1. Art, Beginn und Ort der Tätigkeit (1) Der/die Arbeitnehmer/in wird ab dem als für folgende Tätigkeit eingestellt. (2) Arbeitsort ist

Haftung des Telearbeiters gegenüber dem Arbeitgeber

Abmahnung, Kündigung & Co.

Montessori Verein Kösching e.v.

Nettopolicen - Honorarberatung - quo vadis?

Im Namen des Volkes URTEIL. In dem Rechtsstreit ...

Datei: teilzeitarbeit.ppt 20. September Kommentartext Seite 1

Sicherung einer Abfindung bei Insolvenz

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Bachelor of Laws Lösungshinweise zur Klausur Kurs SS

osborneclarke.de Social Media, Mobile Devices und BYOD arbeitsrechtlich ein Spagat zwischen Können Dürfen Wollen

Muster eines befristeten Arbeitsvertrages

Kapitel 3. Der allgemeine Kündigungsschutz. 1 Grundlagen des allgemeinen Kündigungsschutzes Geltung des Kündigungsschutzgesetzes

Muster eines. Arbeitsvertrages

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS. vom. 17. April in dem Rechtsstreit

Arbeitsrecht: Neue Regelungen im Hinblick auf die Kündigung von Arbeitsverhältnissen ab dem

ARBEITSRECHT I.DEFINITION. Das Arbeitsrecht ist das für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und

Was sagt der Anwalt: Rechtliche Aspekte im BEM

Informationen aus der Landesrechtsstelle Hessen

Praxis des Mietrechts. I. Sanktionsmöglichkeiten des Vermieters bei vertragswidrigem Gebrauch. 1. Unterlassungsanspruch, 541 BGB (lex speciales

KIWA Fachgespräch am 16. Februar Mindestlohn in Wohn-Pflege- Gemeinschaften

P A C H T V E R T R A G über die Internet-Domain

Der Betriebsrat, die Jugend- und Auszubildendenvertretung

I. Zustandekommen eines Arbeitsvertrages und sonstiger vertraglicher Regelungen

II. Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen

Hamburgisches Bildungsurlaubsgesetz. Vom 21. Januar Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz: 1 1)

Newsletter zum Thema Abmahnung

Muster eines Arbeitsvertrages

28. Januar 2009 WA. Befristung von Arbeitsverträgen hier: Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Personalfragebogen Kündigung / Entlassung Zusatzangaben gem. Arbeitsbescheinigung 312 SGB III

Präambel (1) Der Beihilfegeber gewährt dem Beihilfenehmer vorbehaltlich 4 einen nicht rückzahlbaren

Transkript:

Untiefen im Arbeitsvertrag Über die Wirksamkeit von Vertragsklauseln Reiner Müller Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg I. Einleitung Der Arbeitsvertrag kann grundsätzlich formfrei, als auch mündlich abgeschlossen werden; es sei denn er wird zunächst befristet zum Zwecke der Erprobung ( 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG) oder sachgrundlos befristet ( 14 Abs. 2 TzBfG), dann fordert 14 Abs. 4 TzBfG Schriftform. Darüber hinaus empfiehlt sich ein schriftlicher Arbeitsvertrag allein schon wegen seiner Klarstellungs- und Beweisfunktion. Seit 28.07.1995 ist das Nachweisgesetz in Kraft. Nach 2 NachwG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf schriftliche Niederlegung mindestens der in 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 10 NachwG genannten Arbeitsbedingungen. Bei dieser Dokumentationsverpflichtung handelt es sich zwar weder um ein konstitutives Formerfordernis, noch ist die Durchsetzung durch besondere Sanktionen gesichert. Die Rechtsprechung hat bei fehlendem Tarifhinweis allenfalls einen Schadensersatzanspruch 1 zugesprochen. Die Verpflichtung nach dem NachwG soll zugunsten der Arbeitnehmer der Rechtsklarheit und Beweiserleichterung über die vereinbarten Arbeitsbedingungen dienen 2. Aus ihr folgt der Mindestinhalt für einen Arbeitsvertrag. Alles was darüber hinausgeht, ist Kür. In der Regel wird der Arbeitgeber versuchen, mit einem rechtsicher formulierten Arbeitsvertrag den vom Gesetz eröffneten Gestaltungsspielraum zu seinen Gunsten zu nutzen. Für den Arbeitnehmer bieten die Schutzvorschriften über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen einen Ausgleich ( 305 ff. BGB). 1 BAG 21.02.2012 9 AZR 486/10 Rn. 30,34,35 der Gründe 2 BAG 20.05.2008 9 AZR 382/07 Rn. 36 der Gründe

2 II. Einbeziehungskontrolle nach 305 ff. BGB Die 305-310 BGB sind durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 mit Wirkung ab 01.01.2002 in das BGB eingefügt worden. Damit entfiel die Bereichsausnahme des AGB-Gesetzes für das Arbeitsrecht. Zuvor fand eine Vertragsinhaltskontrolle im Rahmen der Generalklauseln des BGB statt ( 138, 242 BGB). 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen Nach 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Die folgenden Tatbestandsvoraussetzungen müssen also erfüllt sein: a) Mehrfachverwendung Die Vertragsbedingungen müssen der Mehrfachverwendung dienen. Aus Inhalt und äußerer Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind. Das kann z.b. der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist. b) Vorformulierung Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn Ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist. Die Absicht der dreimaligen Verwendung ist auch dann belegt, wenn der Verwender die Klausel dreimal mit demselben Vertragspartner vereinbart 3. c) Gestellung Die Bedingungen müssen gestellt sein. Damit wird der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt, dessen Vertragspartner durch das Gesetz ge- 3 BAG 01.03.2006 5 AZR 363/05 Rn. 20 der Gründe

schützt werden soll. Ein Stellen liegt bereits dann vor, wenn ein Vertragspartner Allgemeine Geschäftsbedingungen in die Verhandlung eingeführt hat 4. 3 d) Aushandeln Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. "Aushandeln im Sinne von 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass der Vertragsinhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht. Ausgehandelt im Sinne von 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist eine Vertragsbedingung nur, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Das setzt voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt 5. Dem Aushandeln in 305 Abs. 1 Satz 3 BGB entspricht das Merkmal des Einflussnehmens in 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der darlegungs- und beweisbelastete Verwender - nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast - den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er die Klausel zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klauseln freiwillig akzeptiert 6. 2. Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag, 310 Abs. 3 BGB Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des 305 Abs. 1 BGB nicht vorliegen, kommt die Anwendung der 306 und 307-309 BGB gemäß 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB in Betracht. Bei einem Arbeitsvertrag handelt sich es um einen Verbrauchervertrag isv. 310 Abs. 3 BGB 7. Auf Verbraucherverträge finden die 305 ff. BGB mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als 4 BAG 19.05.2010 5 AZR 253/09 5 BAG 01.03.2006 5 AZR 363/05 Rn. 21 der Gründe 6 BAG 12.12.2013 8 AZR 829/12 Rn. 31 der Gründe, BAG 19.05.2010 5 AZR 253/09 Rn. 28 der Gründe 7 BAG 25.05.2005 5 AZR 572/04 Rn. 38-46 der Gründe

4 vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; 2. 305c Abs. 2 und die 306 und 307-309 BGB finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; 3. bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach 307 Abs. 1 und 2 BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen ( 310 Abs. 3 BGB). 310 Abs. 3 BGB verweist nicht auf den Vorrang der Individualabrede ( 305b BGB) und den Ausschluss überraschender Klauseln ( 305c Abs. 1 BGB). Deshalb kann es sich lohnen, nicht den kurzen Einstieg in die Inhaltskontrolle über den Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag, sondern den etwas beschwerlicheren Weg über die Tatbestandsvoraussetzungen des 305 Abs. 1 BGB zu gehen. 3. Teilbarkeit von Klauseln Blue-Pencil-Test Gegenstand einer gesonderten Inhaltskontrolle sind einzelne Allgemeine Geschäftsbedingungen dann, wenn sie nur formal verbunden sind, dh. wenn sie sprachlich und inhaltlich teilbar sind 8. Beispiel 1- Vertragsstrafe: 1 Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses 1. 2. ; es wird eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. 8 Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1. und 2 3. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen gekündigt werden. 4. Nach Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Parteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende ordentlich gekündigt werden. 8 BAG 15.03.2005 9 AZR 502/03

5 5. Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist eine ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages ausgeschlossen. 6. 10. 11. Beendet der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis vertragswidrig oder nimmt er die Tätigkeit vertragswidrig nicht auf, so hat er eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu leisten. Die Klausel enthält für unterschiedliche Vertragsverletzungen ein Vertragstrafenversprechen. Vertragstrafenversprechen stellen eine unangemessene Benachteiligung isd. 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn sie den Arbeitgeber übersichern 9. Dem stehen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht entgegen 10. Die Klausel ist mindestens insoweit unwirksam, als sie die nicht fristgemäße Kündigung während der Probezeit und den unterbliebenen Arbeitsantritt mit einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes belegt, obwohl die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, nach Arbeitsantritt während der vereinbarten Probezeit das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen zu kündigen. Insoweit liegt eine Übersicherung vor. Eine Teilung von Vertragsklauseln in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil ist möglich, wenn der unzulässige Teil sprachlich eindeutig trennbar ist. Enthält die Klausel neben den unwirksamen auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestandteile, bleiben diese wirksam, auch wenn sie den gleichen Sachkomplex betreffen. Voraussetzung dafür ist aber, dass nach dem Wegstreichen der unwirksamen Teilregelung(en) ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibt. Die Teilbarkeit einer Klausel ist demnach mit Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln. Ist eine Bestimmung nicht sprachlich und inhaltlich teilbar, so ist zu prüfen, ob sie in ihrer Gesamtheit eine unangemessene Benachteiligung isd. 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unter Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände ( 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) darstellt 11. Die 1. Alternative der Klausel vertragswidrige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasst jede nicht fristgerechte Kündigung innerhalb wie außerhalb der Probezeit. 9 BAG 23.09.2010 8 AZR 897/08 10 BAG 04.03.2004 8 AZR 196/03 11 BAG 23.09.2010 8 AZR 897/08 Rn. 24 der Gründe

Sie ist ihrerseits nicht weiter teilbar. Über die Teilbarkeit dieser Klausel müsste man nicht streiten, wenn sie wie folgt formuliert wäre: 6 Beispiel 2 richtig formuliert: Tritt der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis nicht an oder beendet er es innerhalb der Probezeit vertragswidrig, so hat er eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttowochenentgelten zu zahlen. Beendet der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit vertragswidrig, 4. Vorrang der Individualabrede, 305b BGB Beispiel 3 Doppelte Schriftformklausel: Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis. Das Prinzip des Vorrangs individueller Vertragsabreden nach 305b BGB setzt sich auch gegenüber wirksamen konstitutiven Schriftformklauseln durch 12. Bei 305b BGB handelt es sich nicht um einen zur Unwirksamkeit abweichender Klauseln führenden Maßstab der Inhaltskontrolle, sondern um eine Konkurrenzregel, die auf der Rechtsfolgenseite zu einer Verdrängung der allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Individualabrede führt. Insoweit ist 305b BGB nichts anderes als der Ausdruck des funktionellen Rangverhältnisses zwischen Individualvereinbarungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es gilt das Günstigkeitsprinzip. Der Widerspruch zwischen Individualabrede und Allgemeiner Geschäftsbedingung führt deshalb nur dazu, dass die Allgemeine Geschäftsbedingung zurück tritt, ohne zwingend unwirksam zu sein 13. Die Inhaltskontrolle führt zur Unwirksamkeit der Klausel wegen unangemessener Benachteiligung gemäß 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie den Vertragspartner des Verwenders über die Rechtslage, nämlich den Vorrang der Indi- 12 BAG 25.04.2007 5 AZR 504/06 Rn. 17 der Gründe 13 BAG 20.05.2008 9 AZR 382/07 Rn. 28 der Gründe

vidualabrede täuscht und ihn von der Geltendmachung der aus der Individualabrede resultierenden Rechte abhält 14. 7 5. Überraschende Klauseln, 305c Abs. 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil, 305c Abs. 1 BGB. Beispiel 4 Doppelbefristung: 1 Anstellung und Probezeit Die Arbeitnehmerin wird vom 01.11.2005 bis 31.10.2006 als Verkäuferin in G zeitlich befristet eingestellt. Es handelt sich um eine Neueinstellung. Die Arbeitnehmerin versichert, dass sie bisher zuvor bei dem Arbeitgeber noch nicht beschäftigt war. Die ersten 6 Monate gelten als Probezeit. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf dieser Probezeit, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Wie dargestellt, kann 305c Abs. 1 BGB nur geprüft werden, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen isd. 305 Abs. 1 BGB vorliegen. Überraschenden Charakter isd. Vorschrift hat eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrages, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äuße- 14 BAG aao Rn. 39 der Gründe

8 re Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorzuheben. 15 Bei der in 1 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages enthaltenen Befristung zum Ablauf der Probezeit handelt es sich um eine überraschende Klausel. Die Klägerin brauchte aufgrund der Gestaltung von 1 des Arbeitsvertrags und seines äußeren Erscheinungsbildes nicht mit der Vereinbarung einer Befristung zum Ablauf der Probezeit zu rechnen. 16 Beispiel 5 - Klageverzicht Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt. Auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet. Mit dieser Klausel hat ein nicht mehr existierendes Drogeriemarktunternehmen aus dem Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Ulm sich die Kündigung auf dem Kündigungsschreiben quittieren lassen. Das Bundesarbeitsgericht sah bereits aus der äußeren Erscheinungsform eine tatsächliche Vermutung dafür begründet, dass der Passus von der Arbeitgeberin vorformuliert und seine Verwendung erkennbar für eine Vielzahl von Fällen vorgesehen war und von der Arbeitgeberin bei Ausspruch von außerordentlichen Kündigungen generell genutzt wird und ging deshalb von einer Allgemeinen Geschäftsbedingung isv. 305 Abs. 1 BGB aus 17. Das Bundesarbeitsgericht hat die Klausel nicht als überraschende Klausel isv. 305c Abs. 1 BGB gewertet. Es hat die Klausel als Klageverzichtsvertrag ausgelegt 18, der eine Abweichung von 4 Satz 1 KSchG darstelle. Gemäß 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sei die Inhaltskontrolle nach 307 Abs. 1 BGB daher öffnet. Mit einer solchen Klausel versuche der Arbeitgeber, seine Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers zu verbessern, indem er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Kündigung ohne jede Gegenleistung entziehe. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar 19. 15 BAG 16.04.2008 7 AZR 132 / 07 Rn. 16 der Gründe 16 BAG aao Rn. 17 der Gründe 17 BAG 06.09.2007 2 AZR 722/06 Rn. 20 der Gründe 18 BAG aao Rn. 28 der Gründe 19 BAG aao Rn. 37 der Gründe

9 6. Auslegung Unklarheitenregel, 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zulasten des Verwenders ( 305c Abs. 2 BGB). Die Anwendung der Unklarheitenregel des 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht 20. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zwecke gelten 21. Beispiel 6 Freiwilligkeitsvorbehalt: Probearbeitsvertrag mit der Klausel: Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Das Bundesarbeitsgericht 22 hat die Auffassung vertreten, die Klausel könne so verstanden werden: Es wird ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt, wobei die Leistung anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann 20 st. Rspr. BAG 20.02.2013 10 AZR 177/12 Rn. 16 der Gründe, BAG 17.04.2013 10 AZR 281/12 Rn.12 der Gründe 21 BAG 17.04.2013 10 AZR 281/12 Rn. 12 der Gründe 22 Nach BAG 17.04.2013 10 AZR 281/12

aber wegen der Verwendung des unbestimmten Artikels eines auch wie folgt: Die etwaige Zahlung oder Es kann ein 13. Gehalt.. 10 Beispiel 7 Freiwilligkeitsvorbehalt: Sämtliche Sonderzahlungen sind freiwillige Zuwendungen, für die kein Rechtsanspruch besteht (z.b. Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld richten sich nach den Bestimmungen des BAT). Das Bundesarbeitsgericht 23 hat die Klausel als mehrdeutig angesehen. Der Klammerzusatz könnte eine beispielhafte Aufzählung von Sonderzahlungen sein. Die Worte richten sich im Klammerzusatz sprechen aber für die Begründung eines vertraglichen Anspruchs, der sich nach den Bestimmungen des BAT (konkret des TV Zuwendung) richtet. Die Klausel kann so ausgelegt werden, dass Sonderzahlungen grundsätzlich freiwillige Zahlungen sind mit Ausnahme von Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld. Die Klausel kann aber auch dahin ausgelegt werden, dass der Verweis nicht das Ob sondern nur das Wie der Leistung betrifft. III. Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit, 306 BGB 1. Rechtsfolge Die Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit von Vertragsklauseln ergeben sich aus 306 BGB. Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam ( 306 Abs. 1 BGB). Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften ( 306 Abs. 2 BGB). Der Vertrag ist (insgesamt) unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde ( 306 Abs. 3 BGB). 23 Nach BAG 20.01.2010 10 AZR 914/08

11 2. Vertrauensschutz Die Inhaltskontrolle kassiert, sie reformiert nicht 24. Daher kommen bei Neuverträgen ab dem 01.01.2002 weder eine geltungserhaltende Reduktion noch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht 25. a) Keine geltungserhaltende Reduktion Selbst bei Altverträgen scheidet eine geltungserhaltende Reduktion von vornherein aus. Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. 306 BGB sieht eine solche Rechtsfolge nicht vor. Eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt wäre auch nicht mit dem Zweck der 305 ff. BGB vereinbar. Es ist Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Dieser Umfang soll nicht erst in einem Prozess geklärt werden müssen. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen 26. Bei vertraglichen Verfallklauseln, die grundsätzlich wirksam sind, wenn sie drei Monate nicht unterschreiten 27, führt 3 MiLoG zu einer Kollision. Die Vorschrift regelt die Unabdingbarkeit des Mindestlohns. Danach sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Selbst wenn man 3 MiLoG als Lex specialis zu 306 Abs. 1 BGB ansehen wollte, könnte eine vertragliche Verfallklausel immer noch intransparent isv. 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sein. Deshalb wird es sich empfehlen, Verfallklauseln anzupassen. Ähnlich wie beim Urlaub sollte man den gesetzlichen Mindestanspruch vom weitergehenden vertraglichen Anspruch trennen ( über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgehende Ansprüche verfallen,.. ) 24 BAG 23.09.2010 8 AZR 897/08 Rn. 37 25 BAG aao 26 BAG 10.12.2008 10 AZR 1/08 Rn. 18 der Gründe 27 BAG 12.03.2008 10 AZR 152/07 Rn. 22 und 24 der Gründe

12 b) Ergänzende Vertragsauslegung bei Altverträgen Eine durch den Wegfall der unwirksamen Klausel entstandene Lücke kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen sein, wenn dispositives Gesetzesrecht für den betreffenden Regelungssachverhalt nicht zur Verfügung steht und ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen und keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragspartner Rechnung tragende Lösung bieten würde 28. Ein ersatzloser Wegfall zb des unwirksamen Freiwilligkeitsvorbehalts ist dann nicht interessengerecht, wenn der Aufrechterhaltung der unwirksamen Klausel mit anderem Inhalt eine entsprechende Anwendung der sogenannten Unklarheitenregel ( 305c Abs. 2 BGB) entgegensteht, da diese Regel bereits vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes allgemein anerkannt war und auch für Formulararbeitsverträge galt 29. Offen gelassen hat das Bundesarbeitsgericht, ob die Berufung auf einen Altfall nach Ablauf der von Art. 229 5 Satz 2 EGBGB gewährten Übergangsfrist bis zum 01.01.2003 überhaupt noch statthaft ist, wenn der Klauselverwender nicht versucht hat, die einer AGB-Kontrolle nicht standhaltenden Klauseln der neuen Gesetzeslage anzupassen 30. IV. Inhaltskontrolle Die Inhaltskontrolle findet in Form einer Angemessenheitskontrolle nach 307 309 BGB statt. 1. Kontrollfreiheit der Hauptleistungspflichten, 307 Abs. 3 BGB Beispiel 8 - Arbeitszeit: 2 Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem jeweiligen Diensteinsatzplan. 28 BAG aao Rn. 19 der Gründe 29 aao 30 aao

13 Auf das Arbeitsverhältnis findet ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag Anwendung, nach dem die Wochenarbeitszeit 39 Stunden beträgt (ergibt monatlich 169 Stunden). Nach 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur insoweit der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, wie durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird, weil in ihnen frei von gesetzlicher Regulierung die Art der Arbeitsleistung, die Höhe des Arbeitsentgelts und der Umfang der Arbeitszeit festgelegt werden, sind von der Angemessenheitskontrolle ausgenommen. Sie unterliegen jedoch der Transparenzkontrolle ( 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 ivm. Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese erfasst insbesondere Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistungen betreffen. Hierzu zählt insbesondere die Arbeitszeit, die den Umfang der von dem Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung festlegt 31. Die vorliegende Klausel ist nicht hinreichend klar und verständlich. Die Vertragsklausel bestimmt mit 150 Stunden im monatlichen Durchschnitt eine Durchschnittsarbeitszeit, ohne den Zeitraum, der für die Ermittlung des Durchschnitts maßgeblich ist, festzulegen. Es bleibt offen, ob die durchschnittliche Arbeitszeit in Bezug auf ein Kalenderjahr, auf das jeweilige Beschäftigungsjahr des Arbeitnehmers oder gar in Bezug auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berechnen ist. Durch eine solche Vertragsgestaltung wird sowohl die Durchsetzung des arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs als auch die Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen vereitelt. Der Arbeitgeber könnte den Arbeitnehmer zu jeder Zeit darauf verweisen, ihn in der Zukunft in einem Umfang zu beschäftigen, der den Ausgleich eines Stundendefizits gewährleistet. Die Klausel ist daher intransparent und gemäß 306 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam. Statt eines Teilzeitarbeitsverhältnisses ist ein Vollzeitarbeitsverhältnis zustande gekommen. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Beschäftigung im Umfang der tariflichen Arbeitszeit. 31 BAG 21.06.2011 9 AZR 236/10 Rn. 42 der Gründe

14 Beispiel 9 Überstunden: Die Parteien schlossen einen Änderungsvertrag mit folgendem Inhalt: Der Stundenlohn erhöht sich um 3 %. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 h wöchentlich, von denen 35 h wöchentlich vergütet werden. Für die Differenz zur bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 h wird keine gesonderte Vergütung gezahlt. Überstunden, die über 40 h wöchentlich hinausgehen, werden als solche weiterhin regulär vergütet. Einer über die Prüfung der nicht infrage stehenden Transparenz hinausgehenden Inhaltskontrolle unterliegt die Klausel nicht, 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift unterfallen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nur dann, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören Klauseln, die (nur) den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistungen festlegen, nicht. Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, über die 305 ff. BGB den gerechten Preis" zu ermitteln. Die Klausel, nach der eine gesonderte Vergütung für die 36. bis 40. Arbeitsstunde pro Woche ausgeschlossen wird, betrifft allein die (Mit)Vergütung dieser Arbeitsleistung und ist damit Hauptleistungsabrede. Sie regelt die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung und unterliegt als Bestimmung des Preis-/Leistungs-Verhältnisses vorbehaltlich verbindlicher Mindestentgelte bis zur Grenze der Gesetz- und Sittenwidrigkeit der Parteivereinbarung 32. Beispiel 10 Überstunden: Der Arbeitsvertrag sieht als regelmäßige Arbeitszeit 40 h in der Woche vor. Überstunden sollen erst ab der 21. Überstunde im Monat mit einem Zuschlag von 25 % vergütet werden. 32 BAG 17.10.2012 5 AZR 792/11 Rn. 14-16 der Gründe

15 Auch in diesem Falle hat das Bundesarbeitsgericht die Vergütung der Überstunden als Hauptleistungsabrede angesehen und sie deshalb von einer Inhaltskontrolle nach 307 Absatz 1 Satz 1 BGB ausgenommen 33 Kontrollfrei sind aus denselben Gründen Abschluss, Änderung und Aufhebung des Arbeitsvertrages. Auch deklaratorische Klauseln unterliegen keiner Inhaltskontrolle. 2. Unangemessene Benachteiligung, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Beispiel 11 Ausgleichsklausel: Die Parteien schlossen gegen Zahlung einer geringen Abfindung einen Aufhebungsvertrag und begründeten für die Zeit danach ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Im Aufhebungsvertrag ist vereinbart: Darüber hinausgehende Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund, bestehen nicht." Der Kläger macht einen weiteren tariflichen Ausgleichsanspruch geltend. Das Bundesarbeitsgericht 34 hat die Ausgleichsklausel als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis des Klägers ausgelegt. Es sieht in ihr eine kontrollfähige Nebenbestimmung und keine Regelung über Hauptleistungspflichten. Nur wenn die Beendigungsvereinbarung ein selbstständiges Rechtsgeschäft ist, bei dem die Hauptleistung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Verzicht auf zukünftige Ansprüche ist, kann die Beendigung als solche einer vertraglichen Inhaltskontrolle und einer entsprechenden Angemessenheitsprüfung unterzogen werden. Im Äquivalenzverhältnis stehen im Falle einer Beendigung gegen Abfindungszahlung lediglich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und die Abfindungszahlung, nicht aber eine Ausgleichsklausel 35. Gemäß 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf 33 BAG 16.05.2012 5 AZR 331/11 34 BAG 21.06.2011 9 AZR 203/10 35 BAG aao Rn. 42 der Gründe

16 Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundsätzlich geschützte Rechtsposition zu beachten. Zur Beurteilung der Angemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall gelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Beachtung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt 36. Im vorliegenden Fall soll der Arbeitnehmer einseitig und ohne kompensatorische Gegenleistung auf weitere Ausgleichsansprüche für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses verzichten. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung dar. In einer aktuellen Entscheidung vom 12.03.2015 hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Aufhebungsverträgen wegen Drohung auf den Klagverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag übertragen. Dieser unterliegt als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach 307 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung isv. 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt vor, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte 37. 3. Transparenzgebot, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB 305c Abs. 2 BGB ist unanwendbar, wenn sich zwei Klauseln inhaltlich widersprechen und deshalb unwirksam sind. Widersprüchliche Klauseln sind nicht klar und verständlich isd. Transparenzgebots des 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der 36 Bag aao Rn. 46 der Gründe 37 BAG 12.03.2015 6 AZR 82/14 PM Nr. 11/15

17 Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung isv. 307 Abs. 1 BGB 38. Beispiel 12 Freiwilligkeitsvorbehalt: Als Sonderleistung zahlt die Unternehmung als Urlaubsgeld zum 1. Juli und als Weihnachtsgeld zum 1. Dezember eines jeden Jahres 50 % des vereinbarten Bruttomonatsverdienstes. Die Zahlung von Sonderzahlungen begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt. Das Bundesarbeitsgericht 39 hat die Klausel für intransparent erklärt. Der Wortlaut des zweiten Satzes sei zwar eindeutig, stehe aber im Widerspruch zum ersten Satz; denn die Formulierung zahlt spreche für die Begründung eines Entgeltanspruchs. Beispiel 13 Denglisch : Die Arbeitgeberin hat in ihrem Intranet folgendes veröffentlicht: Krankheitspolicy Organisation: HR Rewards.. Inhalt Krankheitspolicy der H-P GmbH Philosophie Verfahren bei langfristiger Erkrankung eines Mitarbeiters. Scope Mitarbeiter der deutschen Payroll mit HP Standard Terms & Conditions Policy 38 BAG 10.12.2008 10 AZR 1/08 Rn. 15 der Gründe 39 Nach BAG 10.12.2008 10 AZR 1/08

18 Das Bundesarbeitsgericht 40 hat hierin eine Gesamtzusage gesehen. Auch eine Gesamtzusage stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung isd. 305 ff. BGB dar. Die Beschränkung des Geltungsbereichs ( Scope ) ist Vertragsbestandteil geworden. Es handelt sich nicht um eine überraschende Klausel. Die Verwendung englischer Begriffe oder einer deutsch-englischen Kunstsprache in einem international tätigen IT- Unternehmen ( Denglisch ) macht die Klausel weder intransparent noch unangemessen benachteiligend. V. Klauselverbote, 308 und 309 BGB a) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist ( 308 Nr. 4 BGB). 308 Nr. 4 BGB ist gegenüber 307 BGB die speziellere Norm. Für die Auslegung von 308 Nr. 4 BGB sind ergänzend die Allgemeinen Wertungen des 307 BGB heranzuziehen. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind nach 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB angemessen zu berücksichtigen. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Leistung von Sonderzahlungen in einem von ihm vorformulierten Arbeitsvertrag versprochen und sich zugleich vorbehalten, die Zusage der Sonderzahlung zu widerrufen, unterliegt der vereinbarte Widerrufsvorbehalt wie der Widerrufsvorbehalt bei einer laufenden Leistung 41 einer Inhaltskontrolle nach 308 Nr. 4 BGB. Die Regelung in dieser Bestimmung differenziert bezüglich der versprochenen Leistung nicht zwischen laufenden Zahlungen und Sonderzahlungen und hindert damit die Kontrollfreiheit auch bei Widerrufsvorbehalten, die sich auf Sonderzahlungen beziehen. Die Kontrolle nach 308 Nr. 4 BGB, ob dem Arbeitnehmer der Widerruf der Sonderzahlung zumutbar ist, schließt einen Widerruf der Sonderzahlung nach freiem Ermessen des Arbeitgebers aus 42. Bei einer Zusage 40 BAG 20. 8. 2014 10 AZR 453/13 41 Zum Dienstwagen BAG 21.03.2012 5 AZR 651/10 42 BAG 30.07.2008 10 AZR 606/07 Rn. 20 der Gründe

19 unter Widerrufsvorbehalt kann der Arbeitnehmer mit der Sonderzahlung rechnen und sie beanspruchen, solange der Arbeitgeber keinen Widerruf erklärt hat. Selbst wenn der Arbeitgeber von seinem vereinbarten Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat, ist der Widerruf nur dann wirksam, wenn dieser für den Arbeitnehmer nach 308 Nr. 4 BGB zumutbar ist 43. (1) Vergütungsumfang - 25 % Regel Nur wenn weniger als 25 % des regelmäßigen Verdienstes betroffen sind, ist durch einen Leistungsentzug das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis nicht grundlegend berührt und bedarf keiner Änderungskündigung 44. In solchen Fällen ist ein Widerrufsvorbehalt grundsätzlich zulässig. Beispiel 14 Widerruf Privatnutzung Dienstwagen: Der Arbeitgeber behält sich vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Die Arbeitnehmerin war berechtigt, das Fahrzeug auch für private Zwecke zu nutzen. Die Privatnutzung wurde als Sachbezug mit 277,00 monatlich versteuert. Das Bruttomonatsentgelt betrug 2.300,00. Hier sind knapp 10 % der Gesamtvergütung betroffen und die Klausel daher nicht wegen Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses unwirksam 45. (2) Zumutbarkeit, Widerrufsgründe Der Widerrufsvorbehalt muss den formellen Anforderungen von 308 Nr. 4 BGB gerecht werden. Dabei sind die Wertungen des 307 BGB heranzuziehen und die arbeitsrechtlichen Besonderheiten nach 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen. Zumutbarkeit isd. Vorschrift liegt nur vor, wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt und dieser bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. 43 BAG aao Rn. 21 der Gründe 44 BAG 31.03.2012 5 AZR 651/10 Rn. 19 der Gründe 45 Nach BAG 31.03.2012 5 AZR 651/10

Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein 46. 20 Beispiel 15 - Weihnachtsgeld: Der Arbeitsvertrag nimmt auf eine Arbeits- und Sozialordnung (AuS) Bezug. Nach dieser AuS erhalten die Mitarbeiter ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes. Die AuS soll bis zum Erlass einer Neuen gelten. In der neuen AuS wird das Weihnachtsgeld unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Das Bundesarbeitsgericht 47 hat die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag zwar an sich als arbeitsrechtliche Besonderheit gewertet, in der Regelung über die Geltungsdauer der in Bezug genommenen AuS aber einen unzumutbaren Widerrufsvorbehalt erkannt, weil er die Gründe für die Abänderung der vertraglichen Bedingungen nicht nennt. Hiervon befreien auch die arbeitsrechtlichen Besonderheiten nicht. Im Beispiel betreffend den Dienstwagen hat das Bundesarbeitsgericht die Widerrufsklausel als überschießend 48 angesehen, weil die Arbeitgeberin auch dann berechtigt ist, die Überlassung des Dienstfahrzeuges zu widerrufen, wenn hierfür kein sachlicher Grund besteht. (3) Ausübungskontrolle Sofern ein wirksamer Widerrufsvorbehalt Vertragsinhalt geworden ist, unterliegt die Ausübung des Widerrufs als Leistungsbestimmung einer Ausübungskontrolle nach 315 ff. BGB. Der Widerruf muss billigem Ermessen entsprechen. (4) Gegenläufige betriebliche Übung Unter Hinweis, dass es mit dem Klauselverbot für fingierte Erklärungen in 308 Nr. 5 BGB nicht zu vereinbaren sei, anzunehmen, dass eine dreimalige Nichtgeltendmachung einer aufgrund betrieblicher Übung entstandenen Forderung die Verpflichtung 46 BAG 11.02.2009 10 AZR 222/08 Rn. 24 der Gründe 47 Beispiel nach BAG 11.02.2009 10 AZR 222/08 48 BAG 13.04.2010 9 AZR 113/09 Rn. 34 der Gründe

des Arbeitgebers beenden kann, hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben 49. 21 b) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird, 309 Nr. 6 (Vertragsstrafe) BGB. Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen sind nach dieser Vorschrift an sich generell unzulässig 50. VI. Ausnahme nach 310 Abs. 4 BGB 1. Besonderheiten im Arbeitsrecht Die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden im Arbeitsrecht ergibt sich aber aus der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten ( 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen 51. 305 Abs. 2 und 3 BGB sind nicht anzuwenden, 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. 2. Bereichsausnahme für Kollektivverträge Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen sind von der Anwendung der 305 ff. BGB ausgenommen. Allerdings sind auch Vertragsbedingungen, die vor ihrer Verwendung kollektivrechtlich ausgehandelt wurden, Allgemeine Geschäftsbedingungen (zb das Muster für eine Abwicklungsvereinbarung als Anlage zu einem Interessenausgleich) 52. 49 BAG 18.03.2009 10 AZR 281/08 Rn. 12 der Gründe, BAG 25.11.2009 10 AZR 779/08 Rn. 28 der Gründe 50 BAG 23.01.2014 8 AZR 130/13 Rn. 21 der Gründe 51 Bag aao 52 BAG 19.03.2009 6 AZR 557/07 Rn. 20 der Gründe

22 VII. Weitere Typische Vertragsklauseln 1. Versetzungsklausel Beispiel 16 deklaratorischer Versetzungsvorbehalt: Einsatzort ist grundsätzlich Frankfurt/Main. S kann Frau X auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie befristet bei einem anderen Unternehmen einsetzen. Frau X wehrt sich gegen die Versetzung nach M. Zunächst ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat 53. Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert 54, eine Konkretisierung des Arbeitsortes also nicht statt findet. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Fall die Auffassung vertreten, durch die Formulierung grundsätzlich sei hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstelle. Der Vertrag lege damit den Ort der Arbeitsleistung nicht fest. Gemäß 106 GewO habe der Arbeitgeber das Recht, den Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen. Die Klausel sei daher nach 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei. Sie unterliege lediglich einer Ausübungskontrolle gemäß 315 BGB. 53 BAG 13.06.2012 10 AZR 296/11 Rn. 15 der Gründe 54 BAG aao Rn. 17 der Gründe

23 Beispiel 17 Erweiterung Direktionsrecht: Herr H ist zum Bereichsleiter der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H anderweitig einzusetzen und zu versetzen. C versetzt H an einen anderen Ort und weist ihm eine geringwertigere Tätigkeit zu. Diese Klausel ist deutlich problematischer. Zunächst ist durch Auslegung zu ermitteln, ob durch die Klausel ein bestimmter Tätigkeitsort festgelegt wird. Ist dies der Fall, handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht, die keiner Angemessenheitskontrolle unterliegt 55. Ist dies nicht der Fall, ist der Vorbehalt, den Kläger an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, nichts weiter als eine inhaltliche Wiederholung der Regelung des 106 Satz 1 GewO und damit kontrollfrei. Mit der Formulierung anderweitig einzusetzen behält sich die C darüber hinaus vor, den Kläger mit anderweitigen Tätigkeiten zu beschäftigen. Insoweit könnte eine Erweiterung des Direktionsrechts vorliegen, die einer Inhaltskontrolle nach 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterläge. Die Klausel berechtigt den Arbeitgeber ohne Änderungskündigung den Inhalt der vertraglich vereinbarten Leistung einseitig zu ändern und ist deshalb regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung isd. 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB 56. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Klausel überhaupt teilbar ist. 2. Kombinierter Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt in einer Klausel Beispiel 18 Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt: Gratifikationen: Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar. 55 BAG 25.08.2010 10 AZR 275/09 Rn. 21 der Gründe 56 BAG aao Rn. 28 der Gründe

24 Diese Klausel verstößt gegen 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie widersprüchlich und damit unklar ist 57. Die Arbeitgeberin hat eine freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht aber schon gar kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern. Die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt führt dazu, dass einem um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich wird, dass auch bei mehrfachen, ohne weitere Vorbehalte erfolgten Zahlungen des Weihnachtsgeldes ein Rechtsbindungswille für die Zukunft weiterhin ausgeschlossen bleiben soll. Für den Vertragspartner erschließt sich nicht hinreichend, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. In dem entsprechenden Widerrufsvorbehalt liegt auch nicht nur eine Verstärkung " des Freiwilligkeitsvorbehalts 58. 3. Freiwilligkeitsvorbehalt Der Freiwilligkeitsvorbehalt hat den Zweck, das Entstehen einer betrieblichen Übung und damit das Entstehen eines Rechtsanspruchs für die Zukunft auszuschließen. Er ist von der Rechtsprechung 59 grundsätzlich anerkannt. Beispiel 19 - Freiwilligkeitsvorbehalt: Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft. a) Bezeichnung Die im Rechtsverkehr regelmäßig verwendete Bezeichnung Freiwilligkeitsvorbehalt ist irreführend. 57 BAG 08.12.2010 10 AZR 671/09 Rn. 20 der Gründe 58 BAG 17.04.2013 10 AZR 281/12 Rn. 20 der Gründe 59 Nach BAG 20.02.2013 10 AZR 177/12

25 Beispiel 20 Kein Freiwilligkeitsvorbehalt: Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Allein die Bezeichnung einer Leistung als freiwillige Leistung stellt keinen Freiwilligkeitsvorbehalt dar. Freiwillig bringt nur zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zu dieser Leistung verpflichtet ist. Der Hinweis genügt für sich genommen nicht, um ein Anspruch auf die Leistung auszuschließen 60. Die Kombination der Vereinbarung eines 13. Gehalts mit der anschließenden Erklärung desselben als freiwillig, führt zu gleichwertigen Auslegungsergebnissen. In Anwendung der Unklarheitenregelung ( 305c Abs. 2 BGB) ist eine solche Klausel unwirksam 61. b) Betriebliche Übung Unter einer betrieblichen Übung, die wegen ihrer Rechtsfolge für den Arbeitgeber auch betrüblich werden kann, wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers wird konkludent auf eine Willenserklärung geschlossen, die vom Arbeitnehmer gemäß 151 BGB ohne ausdrückliche Erklärung stillschweigend angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des 60 BAG aao Rn. 16 der Gründe 61 Vgl. oben Beispiel 2

26 Arbeitgebers schließen durften. Für jährlich an die gesamte Belegschaft gezahlte Gratifikationen besteht die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltslose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt 62. c) Ausschluss Anschein Rechtsbindungswillen Diesen durch die vorbehaltslose Gewährung entstehenden Rechtsbindungswillen soll die Erklärung, dass ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht entsteht, ausschließen. d) Zeitpunkt Der Freiwilligkeitsvorbehalt hat bei der Leistung zu erfolgen 63. Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, jedenfalls wenn er alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen isv. 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam 64. e) Leistungsvorbehalt (auch Ermessensvergütung ) Beispiel 21 Leistungsvorbehalt oder Ermessensvergütung: Der Arbeitnehmer erhält ein Weihnachtsgeld, dessen Höhe vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegt wird. Hier liegt kein Freiwilligkeitsvorbehalt, sondern ein zulässiger Leistungsvorbehalt vor, der dem Arbeitnehmer einen klagbaren Rechtsanspruch einräumt, im Rahmen dessen er die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber gemäß 315 ff. BGB vom Gericht überprüfen lassen kann 65. Eine solche Regelung ist nicht intransparent isd. 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und benachteiligt den Arbeitnehmer nicht unangemessen 66. 62 BAG 30.07.2008 10 AZR 606/07 Rn. 27 der Gründe 63 BAG 08.12.2010 10 AZR 671/09 Rn. 16 der Gründe 64 BAG 14.09.2011 10 AZR 526/10 Rn. 29 der Gründe 65 BAG 19.03.2014 10 AZR 622/13 Rn. 59 der Gründe; BAG 16.01.2013 10 AZR 26/12 Rn. 23 der Gründe 66 BAG aao Rn. 21 und 25 ff. der Gründe