Fundamente gießen Durch Netzwerke Finanzierungen erschließen Dörte von Kittlitz, Selbsthilfe-Büro Niedersachsen, Hannover Referat anlässlich der 33. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.v. 31. Mai bis 1. Juni 2011 in Düsseldorf Die Finanzsituation der Selbsthilfekontaktstellen ein bundesweites Fazit Ausgangspunkt für die Idee zu dem Workshop war zum einen die finanzielle Situation der Selbsthilfekontaktstellen, die auch nach Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit in der Unterstützung der Selbsthilfe nicht gesichert ist, wie ein Überblick über die Fördersituation von 2008 deutlich macht. Die nachfolgende Tabelle basiert im Wesentlichen auf Ergebnisse einer NAKOS Studie zur Finanzierungssituation von Selbsthilfekontaktstellen im Deutschland im Jahr 2008 [vgl. NAKOS (Red.): Selbsthilfe im Überblick: Zahlen und Fakten 2008]. Abb. 1 Finanzierung von Selbsthilfekontaktstellen http://www.dag-shg.de Seite 1 von 8
Es gibt für die Selbsthilfe-Unterstützungsstruktur in Deutschland eine ganze Reihe von Finanzierungsquellen. Durchschnittlich finanzieren sich Selbsthilfekontaktstellen aus drei verschiedenen Quellen. Die am häufigsten genutzte Quelle ist die Förderung durch die GKV, die von 83,4 Prozent der Kontaktstellen in Anspruch genommen wird. Dann folgen die Förderung durch kommunale Mittel und die Förderung durch Bundesländer. Schon den vierten Platz nehmen Eigenmittel des Trägers ein, gefolgt von Spenden. Weniger als zehn Prozent der Kontaktstellen werden durch Rentenversicherungen, Sponsoren, Mittel der Arbeitsförderungsprogramme und Stiftungen kofinanziert. Wie viele Kontaktstellen bundesweit Mittel von aus neuen gesetzlichen Regelung des 45d SGB XI erhalten, wissen wir derzeit noch nicht. Relevanz und Sicherheit dieser Finanzierungsquellen sind sehr unterschiedlich. Die derzeit bundesweit wichtigste und sicherste Finanzierungsquelle stellt die Förderung der gesundheitsbezogenen Arbeit gemäß 20c SGB V dar. Das spiegelt sich zum einen im Anteil der Kontaktstellen, die aus dieser Quelle finanziert werden (83,4 Prozent); aber auch da rin, dass die hieraus finanzierten Kontaktstellen im Schnitt fast 40 Prozent ihres Finanzierungsbedarfs daraus decken. Außerdem ist dies die einzige Finanzierungsquelle, bei der wir zurzeit sicher sagen können, dass und in welchem Umfang die Förderung angestiegen ist. Die Förderung durch die öffentliche Hand nimmt Platz zwei und drei unserer Rangliste ein. 64,2 Prozent der Kontaktstellen wurden 2008 durch ihre Kommunen gefördert, immerhin 52 Prozent durch ihr Bundesland. Schon diese Förderungen sind freiwillige soziale Leistungen, könnten also jederzeit gekürzt oder ganz gestrichen werden. Über die Entwicklung der kommunalen Förderung wissen wir leider nichts, die Landesförderungen sind in dem 10-Jahreszeitraum von 1997-2007 um ein Fünftel gesunken [NAKOS (Red.): Selbsthilfe im Überblick: Zahlen und Fakten 2008]. Die Sicherheit der Finanzierungsquelle Eigenmittel dürfte je nach politischer Ausrichtung der Träger, deren sonstiger Finanzsituation und auch persönlicher Interessen der Verantwortlichen ganz unterschiedlich sein. Spenden sind von den Interessen der Spender/innen abhängig, die Förderung gemäß 31,5 SGB IX von den Interessen der Rentenversicherungen. Insgesamt zeigt die Zusammenschau der bundesweiten Finanzierungssituation der Selbsthilfekontaktstellen eine erhebliche Diskrepanz. Die Bedeutung der Selbsthilfe in unterschiedlichsten Feldern des Gesundheits- und Sozialwesens und die öffentlichen Bezeugungen http://www.dag-shg.de Seite 2 von 8
von Wertschätzung und Unterstützungswillen durch Politik und Geldgeber und die tatsächliche Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung der Infrastruktur klaffen allzu oft deutlich auseinander. Neben diesen Finanzierungsquellen gibt es einige weitere, die von Selbsthilfekontaktstellen genutzt werden oder genutzt werden könnten. Diese sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Zu diesen Quellen fehlen uns Daten, ob und wie sie eingesetzt werden. Sie werden hier vorgestellt, weil sie Möglichkeiten darstellen und wir dies als Information und Grundlage für Ideen zur weiteren Finanzakquise nutzen können. Die Frage an uns lautet in diesem Zusammenhang also: Welche dieser Quellen könnten wir uns zusätzlich vorstellen? http://www.dag-shg.de Seite 3 von 8
Die gute Nachricht dieser Darstellung lautet: Es gibt weitere Möglichkeiten der Mittelakquise. Die schlechte Nachricht lautet: Das kostet zunächst eine ganze Reihe von Vor-leistungen in Form von Recherche: Welche Mittel kommen in Frage? Wofür genau und wer genau kann sie bekommen? Und nicht zuletzt: wie ist die Kosten-Nutzen-Relation bei der Mittelbeschaffung aus dieser Quelle? Woher erhalten wir Kapazitäten (an Wissen, an Geschick in der Akquise, an Umsetzung und Abrechnung der Mittel) um diese Quellen nutzen zu können? Vernetzung als Teil der Mittelakquise Der heutige Workshop soll sich mit einer der Teilfragen zur zusätzlichen Mittelbeschaffung besonders beschäftigen, nämlich der Möglichkeit, durch Vernetzung zusätzliche Mittel zu akquirieren. Denn für einige der zusätzlichen Finanzierungsquellen kann dies die wesentliche Teilfrage darstellen. Was die Vernetzung angeht stehen Selbsthilfekontaktstellen gut da, denn Vernetzung ist einer der wesentlichen Arbeitsbereiche der Selbsthilfe-Unterstützung. Ergebnisse einer NAKOS-Befragung aus dem Jahr 2007 an der sich fast 50 Prozent der Einrichtungen beteiligten, stützen diese Aussage. Die folgenden Abbildungen und Daten wurden alle im Selbsthilfegruppenjahr-buch 2008 veröffentlicht, in dem diese Befragung umfassend dargestellt ist. Von den 135 Einrichtungen, die die Befragung beantworteten, waren 99,3 Prozent in Kooperationen, Netzwerken oder Beteiligungsgremien aktiv Den ersten Platz nehmen dabei wie zu erwarten die Kooperationen ein, dann kommen aber schon die Netzwerke. Immerhin 80,1 Prozent also vier Fünftel aller Selbsthilfekontaktstellen, sind an einem oder mehreren Netzwerken beteiligt. Aber auch gut zwei Drittel aller Kontaktstellen gaben an, in Beteiligungsgremien mitzuarbeiten. Alle drei Vernetzungsmöglichkeiten lassen sich theoretisch im Rahmen der Akquise von finanziellen Mitteln nutzen. http://www.dag-shg.de Seite 4 von 8
Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie vielfältig diese Arbeitskontakte von Selbsthilfekontaktstellen sind, werfen wir einen genaueren Blick auf diese drei Bereiche. Beginnen wir mit dem Bereich, der am häufigsten genannt wurde, nämlich den Kooperationen. Die nächste Abbildung vermittelt einen Eindruck von der Vielzahl der Partner und Partnerinnen, mit denen Selbsthilfekontaktstellen kooperieren. Das kann man so natürlich gar nicht erfassen. Deshalb wurde dieser Part in der Untersuchung auch nach Typen von Kooperationspartner/innen strukturiert. Die Reihe der Kooperationspartner ist beeindruckend. Es gibt wohl keinen irgendwie selbsthilferelevanten Bereich, mit dem Kontaktstellen bundesweit gesehen nicht kooperieren. Durchschnittlich hat jede Selbsthilfekontaktstelle 13,9 Kooperationspartner/innen. http://www.dag-shg.de Seite 5 von 8
Der nächste Blick gilt den Netzwerken, in denen Selbsthilfekontaktstellen aktiv sind. Die folgende Abbildung 5 gibt einen Eindruck von der vielfältigen Netzwerkarbeit der Selbsthilfekontaktstellen. Hier machen fach- und themenspezifische Netzwerke den höchsten Anteil aus, gefolgt von Netzwerken mit Selbsthilfegruppen, dem Bereich Psychosoziales, dann aber auch thematisch deutlich weiter gestreuten Netzwerken wie dem Gesunde Städte-Netzwerk, den Bündnissen für Familie, Qualitätszirkeln und anderen mehr. http://www.dag-shg.de Seite 6 von 8
Das Charmante an den Netzwerken, wenn wir die Brauchbarkeit im Rahmen der Finanzmittelakquise betrachten, ist: Kontaktstellen verfügen durch die Mitwirkung nicht wie bei den Kooperationen über Einzelkontakte oder Kontakte zu zwei oder drei Kooperationspartner/innen. Sondern ein Netzwerk besteht aus einer ganzen Reihe von Partner/innen, kann also auch entsprechend viele Möglichkeiten eröffnen. Ein Netzwerk kann thematisch aus Selbsthilfesicht natürlich sehr viel ungerichteter sein als eine direkte Kooperation. Das muss aber kein Nachteil sein, im Gegenteil: vielleicht eröffnet es ganz neue Wege zu Aktivitäten, die sich auch auf die Finanzierung auswirken. Und jede Kontaktstelle war durchschnittlich an immerhin gut 2,5 Netzwerken beteiligt. Im dritten Bereich der Vernetzungsbefrage, dem Bereich der Beteiligungsgremien, hat NAKOS ebenfalls eine Fülle verschiedener Inhalte und Ebenen aufgezeigt. Abbildung 6 zeigt, dass sich die Inhalte im Wesentlichen im Bereich Gesundheit bewegen. Aber auch hier treffen wir auf eine Fülle von Akteuren, die für Akquiseanliegen wichtig sein können. Jede der Kontaktstellen beteiligte sich im Befragungszeitraum an durchschnittlich 1,5 Gremien. http://www.dag-shg.de Seite 7 von 8
Insgesamt zeigt die Befragung der NAKOS, dass Kontaktstellen vielfältig vernetzt sind und durch diese Arbeit eine Vielzahl an Institutionen und Akteur/innen des Gesundheits- und Sozialwesens treffen und gemeinsam mit ihnen arbeiten. Diese Kontakte und Möglichkeiten wollen wir heute als eine Grundlage dafür nehmen, wie wir uns neue Finanzierungsquellen erschließen können. Vielen Dank. http://www.dag-shg.de Seite 8 von 8