Rohstoffpotenziale in anthropogenen Lagerstätten

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Transkript:

am Beispiel der Untersuchung des Rohstoffpotenzials von Deponien Stefan Gäth und Jörg Nispel 1. Einleitung und Fragestellung...109 2. Zwei Fallbeispiele...110 2.1. Kenndaten der Deponiestandorte...110 2.2. Zusammensetzung der abgelagerten Abfälle...110 2.3. Rohstoffpotenziale...111 2.4. Kosten-/Nutzenanalyse...112 3. Schlussfogerung und Ausblick...114 4. Literatur...114 1. Einleitung und Fragestellung Prognosen zeigen, dass im Jahr 2050 etwa 9,3 Milliarden Menschen auf der Erde leben und Produkte konsumieren werden [3]. Neben Grundnahrungsmitteln wird demnach, durch sich ändernde Konsummuster, auch der Verbrauch an industriellen Rohstoffen stark ansteigen. Die Folgen dieser Entwicklungen sind klar: Preise für mineralische und energetische Rohstoffe werden weiter steigen ebenso der damit verbundene CO 2 -Ausstoß. Vor diesem Hintergrund müssen innovative Strategien entwickelt werden, um die immer knapper und teurer werdenden Ressourcen zu substituieren bzw. deren Verfügbarkeit zu verlängern. Ein Baustein dieser Strategie stellt die Erschließung anthropogen geschaffener Lagerstätten wie z.b. Deponien dar [4]. In mehreren Praxisuntersuchungen konnte die Professur für Abfall- und Ressourcenmanagement zeigen, dass die Werthaftigkeit eines Deponiestandorts im Wesentlichen von folgenden Faktoren abhängt: Abfallspezifische Ablagerungsmenge und zusammensetzung Art, Lage, Quantität und Qualität der vorgefundenen Ressourcen Verfügbare Aufbereitungstechnik und Logistik Preisentwicklung auf den Rohstoff-, Energie- und Entsorgungsmärkten Energieeffizienz (Erntefaktor) und Ökologie Kostenstruktur des Rückbaus und der Nachsorge Flächengewinn 109

Stefan Gäth, Jörg Nispel Hierbei ist zu beachten, dass Deponien von räumlichen, zeitlichen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen geprägt sind [7]. Sie stellen somit Haufwerke unterschiedlicher Zusammensetzung und unterschiedlichen Alters dar [6]. Eine Pauschalisierung der Werthaftigkeit erscheint nach aktuellem Kenntnisstand nicht möglich. 2. Zwei Fallbeispiele Anhand der Kreismülldeponie Hechingen (KMDH) und der Deponie Reiskirchen (DR) wird im Nachfolgenden aufgezeigt, welche Werthaftigkeiten sowie Potenzialdifferenzen existieren, woraus diese resultieren und welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben. 2.1. Kenndaten der Deponiestandorte Die genannten Deponiestandorte unterscheiden sich generell im Zeitraum ihrer Ablagerungsphase (vergl. Tabelle 1). Hierbei ist aufgrund der damaligen Abfallmentalität oder besser gesagt, der damals gängigen Einstellung zu Abfällen, zu vermuten, dass in der Deponie Reiskirchen höhere Ressourcenpotenziale zu vermuten sind. Die deutlich höhere Dichte der auf der Deponie Reiskirchen abgelagerten Abfälle resultiert aus Nachverdichtungsmaßnahmen, die Mitte der 90er Jahre stattgefunden haben. Kenngröße Einheit KMDH DR Ablagerungszeitraum Jahre 1982-2005 1973-2001 Ablagerungsvolumen Mio. m³ 2,3 2,3 Ablagerungsmasse Mio. t 2,0 2,3 3,0-3,7 Ablagerungsfläche ha 12 12 Spezifische Dichte t/m 3 0,9 1,0 1,3 1,6 Tabelle 1: Kenndaten der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen 2.2. Zusammensetzung der abgelagerten Abfälle Der allgemeine Begriff Abfall beschreibt vorerst Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Um welche Stoffe und Gegenstände es sich handelt, kann näher durch die Abfallherkunft charakterisiert werden. Es zeigt sich, dass eine Unterscheidung folgender Abfallarten bzw. -entstehungsorte ergebnisweisend und realisierbar ist: Hausmüll und hausmüllähnlicher Gewerbeabfall/Geschäftsmüll Gewerbeabfall Sperrmüll Schlämme (ggf. nach Herkunft) Erdaushub/Bauschutt (incl. Rekultivierungsmaterial) Die Zusammensetzung der abgelagerten Abfälle der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen ergibt sich aus Tabelle 2. Es wird deutlich, dass die Deponie Reiskirchen im Bereich des wertgebenden Hausmülls deutlich höhere Mengen und verhältnismäßig gesehen Anteile aufweist. 110

Tabelle 2: Ablagerungsmengen nach Abfallarten für die Kreismülldeponie Hechingen und die Deponie Reiskirchen Abfallart KMDH KMDH DR DR t FM Gew.-% FM t FM Gew.-% FM Hausmüll 795.373 37 1.460.627 45 Gewerbeabfall 640.683 30 892.818 27 Sperrmüll 99.715 5 51.829 2 Schlämme 164.338 8 370.140 11 Erdaushub/Bauschutt 433.527 20 495.626 15 2.3. Rohstoffpotenziale Die Abschätzung des Rohstoffpotenzials beider Deponien wird aus Bild 1 ersichtlich. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass mit Ausnahme der Fe-Metallfraktion in allen übrigen Stoffgruppen mehr oder weniger große Unterschiede vorliegen. Diese resultieren letztlich in Abhängigkeit des Alters aus den zuvor beschriebenen Differenzen der abgelagerten Abfälle sowie der damit verbundenen Zusammensetzung. So sank bundesweit gesehen beispielsweise der PPK-Anteil im Hausmüll von 1973 bis 1982 von 24 auf 18 Gew.-%. Gleiches gilt für die Anteile von Glas, die im gleichen Deponiegutzusammensetzung % 50 45 44,8 40 35 30 29,2 25 20 15 10 5 0 3,7 3,8 0,8 1,4 0,2 14,1 5,8 10,5 Fe-Metalle NE-Metalle PPK Glas 20,9 10,4 1,9 Kunststoffe Organik Textilien KMDH Gew.-% TM 15,0 4,9 1,0 14,7 6,9 Mineralstoffe 3,9 0,4 0,2 0,1 1,2 0,0 Komplexe Verbunde Verpackungsverbund Schadstoffe Rest/Feinfraktion Schlämme DR Gew.-% TM 1,8 2,2 Bild 1: Deponiegutzusammensetzung der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen (Abbau der organischen Substanz und stoffspezifische Wassergehalte berücksichtigt) 111

Stefan Gäth, Jörg Nispel Zeitraum einer Reduktion von 15 auf 11 Gew.-% unterlagen. Im Gegenzug stieg der gewichtsbezogene Anteil der Rest- und Feinfraktion von 15 auf 22 Gew.-% deutlich an. Ähnliche Zusammenhänge lassen sich ebenso für die übrigen Stofffraktionen und Abfallarten ableiten. Demnach ist festzuhalten, dass neben der Art der abgelagerten Abfälle, der Zeitpunkt ihrer Ablagerung einen wesentlichen Faktor für die Beurteilung der Werthaftigkeit eines Deponiestandorts bildet. 2.4. Kosten-/Nutzenanalyse Die Bewertung der Effizienz des Rückbaus der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen ergibt sich aus folgenden maßgeblich wertgebenden Faktoren: Anfallende Rückbau- und Aufbereitungskosten Kosten, die durch Aufnahme, Transport, Aufbereitung, Verwertung bzw. Entsorgung des Deponieguts entstehen. Erlöse der Rohstoffvermarktung Erlöse, die aus der Sekundärrohstoffverwertung resultieren. Berücksichtigt werden hierbei Verwertungswege der Metall- und Energiebrache. Entfallende Nachsorge- und Folgekosten Umfasst Investitions- und Betriebskosten wie Oberflächenabdichtung und Monitoringmaßnahmen für einen Nachsorgezeitraum von 50 Jahren. CO 2 -Einsparpotenzial Die Bewertung des CO 2 -Einsparpotenzials basiert auf den aktuellen Handelspreisen für CO 2 -Zertifikate. Folgende Nebeneffekte werden im Rahmen der Kosten/Nutzenanalyse nicht bilanziert, wobei zu beachten ist, dass sich eine Wertung dieser, positiv und/oder negativ auf die Bilanz auswirken kann: Flächennachnutzung Volumengewinn im Rahmen des laufenden Deponiebetriebs Umweltentlastung/-belastung Förderung der regionalen Wirtschaftssituation und des technischen sowie wissenschaftlichen Know-hows Einen Eindruck zur Fragestellung Rückbau oder Nachsorge? gibt Bild 2. Es wird deutlich, dass unter aktuellen Rahmenbedingungen sowohl für die Kreismülldeponie Hechingen als auch für die Deponie Reiskirchen ein Rückbau des Deponiekörpers unwirtschaftlich wäre bzw. Defizite in Höhe von etwa hundert Millionen Euro verursachen würde. Ausgehend von prognostizierten Preissteigerungen auf den Sekundärrohstoffmärkten, gleichbleibenden Rückbaukosten und einer Minderung der Nachsorge- sowie Folgekosten ergeben sich die in Bild 2 dargestellten Bilanzierungsmodelle für die Bewertung 112

der zukünftigen Rückbaufähigkeit der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen. Preisänderungen für sekundäre Brennstoffe aus Abfall werden in diesem Kontext nicht betrachtet. Der Verlauf der aufgezeigten Kurven macht deutlich, dass sich für die Kreismülldeponie Hechingen im Jahr 2048 ein kostenneutraler Deponierückbau ergibt. Dies bedeutet, dass die Gewinne aus der Rohstoffvermarktung usw. den Kosten des Rückbaus entsprechen und dieser nutzeneffizienter als eine Weiterführung der Deponienachsorge ist. Für die Deponie Reiskirchen wird dieser Punkt unter den hier getroffenen Annahmen bereits im Jahr 2030 erreicht, was durch die aufgezeigten Unterschiede in der Deponiegutzusammensetzung und zu behandelten Massen zurückzuführen ist. Die aufgezeigten Prognosen für das Jahr 2060 fallen deutlich positiv aus. So könnten durch den Rückbau der Kreismülldeponie Hechingen etwa dreißig Millionen Euro bzw. den Rückbau der Deponie Reiskirchen etwa 160 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Abschließend ist festzuhalten, dass bereits kleine Änderungen an den spezifischen Kosten- und Erlösfunktionen große Auswirkung auf die Gesamtkalkulation haben können. Neben der Preisentwicklung sekundärer Rohstoffe (in dieser Betrachtung ausschließlich Metalle berücksichtigt) ist vor allem die zukünftige Entwicklung auf dem Energiemarkt ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit des Deponierückbaus. Zusätzlich sollten weitere Kalkulationen und Untersuchungen im Bereich der Rückbaukosten ein klareres Bild schaffen. Praxisnahe Angaben zum technischen Einsatz der Deponiegutaufbereitung sowie daraus resultierende Kosten existieren derzeit nur bedingt, worin dringender Forschungsbedarf zu sehen ist. Kosten und Erlöse des Deponierückbaus EUR 200.000.000 150.000.000 100.000.000 50.000.000 0-50.000.000 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060-1E+08-1,5E+08 KMDH DR Bild 2: Mittlere Kosten und Erlöse des Rückbaus der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen in Abhängigkeit des Rückbauzeitpunkts 113

Stefan Gäth, Jörg Nispel 3. Schlussfogerung und Ausblick Die Verwertung von Metallen aus Deponien scheint mit Blick auf die in den letzten Jahren stark angestiegenen Sekundär- und Primärrohstoffpreise geboten [4]. Zudem werden Importabhängigkeiten aufgrund fehlender inländischer Rohstoffvorkommen in diesem Kontext als weiterer kritischer Faktor angesehen [2]. Zukünftig müssen daher Wege gefunden werden, den zunehmenden Reichtum infolge des Ressourcenbooms zu einer nachhaltigen Entwicklung der regionalen Wirtschaftsstruktur zu nutzen [1]. Die aufgezeigten Kosten/Nutzenszenarien der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen belegen, dass ein nutzeneffizienter Rückbau innerhalb der kommenden 20 bis 30 Jahre denkbar erscheint. Dabei tragen die steigende Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen und Energie, technische Weiterentwicklungen der Recyclingbranche sowie sinkende Kosten der Reststoffentsorgung entscheidend zur Bewertung bei. Ebenso zeigen die in der Literatur beschriebenen Einzelprojekte des landfill minings mit wenigen Ausnahmen positive Ergebnisse hinsichtlich des Kosten/Nutzenverhältnisses auf, sodass mittlerweile auch verstärkt Privatunternehmen das Ressourcenpotenzial von Deponien erkennen [5]. Neben den zukünftigen Entwicklungen auf den Rohstoff- und Energiemärkten wird die Werthaftigkeit eines Deponiestandorts maßgeblich durch die Zusammensetzung seines Inventars bestimmt. Dieses ist wiederum abhängig vom Betriebszeitraum der jeweiligen Deponie sowie den jeweils abgelagerten Abfällen. Wie der Vergleich der Kreismülldeponie Hechingen und der Deponie Reiskirchen beispielhaft zeigt, sind Deponien und deren Werthaftigkeit individuell bzw. im Einzelnen zu betrachten. Vergleichsweise geringe Unterschiede der Kenndaten (Ablagerungszeitraum usw.) führen dabei in den Folgebetrachtungen zu teilweise großen Potenzial- und Werthaftigkeitsschwankungen. Zukünftig sollten daher Erkenntnisse auf diesem Gebiet zentral zusammengeführt werden und ein Rohstoff-/Deponiepotenzialkataster aufgebaut werden, um mit Hilfe dieser Datengrundlage derzeit unbekannte funktionale Zusammenhänge abzuleiten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Deponien ähnlicher Historie sowie Struktur vergleichbare Potenziale aufzeigen und allgemein gültige Aussagen zur Werthaftigkeit eines Deponiestandorts getroffen werden können. 4. Literatur [1] Bardt, H.: 2005: Rohstoffreichtum Fluch oder Segen?. IW-Trends 32. Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Heft 1. S. 33-43 [2] BGR - Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Reserven, Ressourcen und Lebensdauer von mineralischen Rohstoffen und Energierohstoffen, Hannover: Veröffentlichung der BGR, 1999 114

[3] DSW, 2011: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, Weltbevölkerung wächst bis 2050 stärker als angenommen auf 9,3 Milliarden. DSW: Menschen in Entwicklungsländern brauchen mehr Aufklärung und Verhütungsmittel. Neueste UN-Projektionen erstmals bis 2100 [4] Faulstich, M.; Franke, M.,;Löh, I.; Mocker, M. : Urban Mining Wertstoffgewinnung aus Abfalldeponien, Tagungsunterlagen Bayerische Abfall- und Deponietage 2010, Augsburg, 17.-18. März 2010 [5] van der Zee, D. J.,; Achterkamp, M. C.; de Visser, B. J.: Assessing the opportunities of landfill mining. Waste Management, Band 24/8, 2004, S. 795-804 [6] Wiemer, K.; Bartsch, B.; Schmeisdy, H.: Deponien als Rohstofflagerstätten von morgen Ergebnisse einer hessenweiten Untersuchung. In: Bio- und Sekundärrohstoffverwertung IV Neues aus Forschung und Praxis. Göttingen: Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH, 2009, S. 685-716 [7] Yokoyama, K.; Onda, T.; Kashiwahura, S.; Nagasaka, T.: Waste Input-Output Analysis on Landfill Mining Activity. Materials Transactions, 47(10), 2006, S. 2582-2587 115