Grenzen und Möglichkeiten von Patiententestamenten



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Transkript:

Stephanie Wessel Grenzen und Möglichkeiten von Patiententestamenten Seminar des Instituts für Notarrecht zum Thema: Die Vertragsfreiheit und ihre Grenzen im Zivilrecht bei Prof. Dr. Rainer Schröder Sommersemester 2004 Abgabetermin 01.06.2004

1. Literaturverzeichnis Ach, Johannes S./ Kayß, Matthias Baumgarten, Mark- Oliver Brox, Hans Bühler, Ernst/ Kren, Rita/ Stolz, Konrad Eisenbart, Bettina Esch, Heike Geilen, Gerd Kutzer, Klaus Langenfeld, Andrea Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm Meran, Johannes G./ Stell Dir vor, Du stirbst... Band 1, Münster 1998 (zit: Bearbeiter in, Ach/ Kayß, Stell Dir vor, (...), S. 7) The Right to Die? 2. Aufl., Bern 2000 (zit: Baumgarten, The Right to Die?, S. 13) Allgemeiner Teil des BGB 27. Aufl., München 2003 (zit: Brox, AT BGB, Rn. 124) Betreuungsrecht und Patientenverfügung im ärztlichen Alltag München 2003 (zit: u.a. Bühler, BetreuungsR (...), S 42) Patienten- Testament und Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten 2. Aufl., Baden- Baden 2000 (zit: Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 13. Der Patientenanwalt Reihe II, Frankfurt a.m. 2000 (zit: Esch, Der Patientenanwalt, S. 1) Das Leben des Menschen in den Grenzen des Rechts FamRZ 1968, 121 (zit: Geilen, FamRZ 1968, 121) Strafrechtliche Grenzen der Sterbehilfe NStZ 1994, 110 (zit: Kutzer, NStZ 1994, 110) Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patiententestament nach dem neuen Betreuungsrecht 1. Aufl., Konstanz 1994 (zit: Langenfeld, Vorsorgevollmacht (...), S. 178) Handbuch des Arztrechts 3. Aufl., München 2002 (zit: Laufs/ Uhlenbruck, HB des ArztR, 58 Rn. 5) Möglichkeiten und Grenzen von Patienten- Stephanie Wessel 2

May, A./ Geissendörfer, S./ Simon, A. Parlandt, Otto Rehborn, Martin Reusser, Kathrin Rickmann, Sabine testamenten Der Onkologe 2003, 1313 (zit: u.a. Meran, Der Onkologe 2003, 1313) Bürgerliches Gesetzbuch Beck scher Kurz- Kommentar 63. Aufl., Band 7, München 2004 Passive Sterbehilfe und Patiententestament MDR 1998, S. 1464 (zit: Rehborn, MDR 1998, 1464) Patientenwille und Sterbebeistand Zürich 1994 (zit: Reusser, Patientenwille (...), S. 1) Zur Wirksamkeit von Patiententestamenten im Bereich des Strafrechts Band 13, Frankfurt a.m. 1987 (zit: Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S.7) Rieger, Gregor Die mutmaßliche Einwilligung in den Behandlungsabbruch Band 18, Frankfurt a.m. 1998 (zit: Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung (...), S. 78) Saueracker, Luise Die Bedeutung des Patiententestaments in der BRD aus ethischer, medizinischer und juristischer Sicht Reihe II, Frankfurt a.m. 1990 (zit: Saueracker, Die Bedeutung des (...), S. 1) Schöllhammer, Lutz Die Rechtsverbindlichkeit des Patiententestaments Band 159, Berlin 1993 (zit: Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 6) Schreiber, Hans- Ludwig Das Recht auf den eigenen Tod- zur gesetzlichen Neuregelung der Sterbehilfe NStZ 1986, 337 (zit: Schreiber, NStZ 1986, 337) Spann, Wolfgang Sternberg- Lieben, Detlev Das Patiententestament MedR 1983, 13 (zit: Spann, MedR 1983, 13) Strafbarkeit des Arztes bei Verstoß gegen ein Patienten- Testament NJW 1985, 2734 Stephanie Wessel 3

(zit: Sternberg- Lieben, NJW 1985, 2734) Taupitz, Jochen Tröndle, Herbert/ Fischer, Thomas Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Privatautonomie am Ende des Lebens? NJW 2000, S. 6 (zit: Taupitz, NJW 2000, 6) Strafgesetzbuch und Nebengesetze Beck scher Kurz- Kommentar 52. Aufl., Band 10, München 2004 (zit: Tröndle/ Fischer, Kommentar zum StGB, 223 Rn. 9l) Uhlenbruck, Wilhelm Der Patientenbrief- die privatautonome Gestaltung des Rechtes auf einen menschenwürdigen Tod NJW 1978, 566 (zit: Uhlenbruck, NJW 1978, 566) Zur Rechtsverbindlichkeit des Patiententestaments MedR 1983, S. 16 (zit: Uhlenbruck, MedR 1983, 16) Vorab- Einwilligung und Stellvertretung bei der Einwilligung in einen Heileingriff MedR 1992, 134 (zit: Uhlenbruck, MedR 1992, 134) Patiententestament, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht: Zur Selbstbestimmung im Vorfeld des Todes Heft 8, 1. Aufl., Dortmund 1996 (zit: Uhlenbruck, Patiententestament (..), S. 3) Voll, Doris Die Einwilligung im Arztrecht Band 35, Frankfurt a.m. 1996 (zit: Voll, Die Einwilligung (...), S.1) Stephanie Wessel 4

2. Inhaltsverzeichnis A. Einführung Seite 1 I. Die Autonomie des Patienten Seite 2 II. Zielsetzung dieser Arbeit Seite 3 B. "Das Patiententestament" Seite 3 I. Entwicklung und Herkunft Seite 3 II. Begriff und Inhalt Seite 4 III. Grundsätzliches zur Behandlungsanweisung Seite 6 1. Rechtliche Bewertung der ärztlichen Behandlung Seite 6 2. Einwilligung als Rechtfertigungsgrund Seite 6 3. Rechtsnatur der Behandlungsanweisung Seite 7 a. Rechtsnatur der Einwilligung Seite 7 b. Rechtsnatur des Behandlungsverbotes Seite 8 IV. Zweck Seite 9 1. Geltungsbereich Seite 9 2. Motive und Ziele Seite 10 V. Verfügungsmöglichkeiten des Patiententestamentes Seite 10 1. inhaltliche Verfügungsfreiheit Seite 10 a. Exkurs zum Thema Sterbehilfe Seite 11 b. Relevanz der Sterbehilfe für das Patiententestament Seite 12 2. Grenzen der Verfügungsmöglichkeit Seite 12 VI. Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen an die Behandlungsanweisung Seite 13 1. Abgabe und Zugang Seite 13 2. Form Seite 14 3. Inhaltsbestimmung und Auslegung Seite 15 VII. persönliche Wirksamkeitsvoraussetzungen der Willensbildung Stephanie Wessel 5

an eine antizipierte Behandlungsanweisung Seite 16 1. Verfügungsbefugnis Seite 16 2. Entscheidungsfähigkeit Seite 17 3. Entscheidungsmöglichkeit Seite 17 4. Entscheidungsfreiheit Seite 18 5. Ernstlichkeit der Entscheidung Seite 19 VIII. Problematik der Rechtsverbindlichkeit Seite 20 1. Bindungs- oder doch nur Indizwirkung? Seite 20 a. Einwand der Widerrufbarkeit Seite 20 b. Einwand der medizinischen Aufklärung Seite 22 c. Einwand der Drittbeeinflussung Seite 23 d. Einwand der praktischen Anwendung Seite 24 e. Einwand der Suizidvergleichbarkeit Seite 25 f. Zwischenergebnis Seite 26 2. aktuelle Rechtssprechung Seite 26 3. Ergebnis Seite 27 C. Alternativen zum Patiententestament Seite 28 I. Vorsorgevollmacht Seite 28 II. Betreuungsverfügung Seite 29 III. Kombinationsmöglichkeiten mit dem Patiententestament Seite 29 D. Fazit Seite 29 Stephanie Wessel 6

3. Abkürzungsverzeichnis a.a. aao allg. BGB BGH BGHSt BGHZ bzgl. bzw. ders. DGHS d.h. etc. FamRZ GG m.e. MedR MDR NJW NStZ OLG RGSt RGZ u.a. u.u. z.b. anderer Ansicht am angegebenen Ort allgemein Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafrechtssachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilrechtssachen bezüglich beziehungsweise derselbe Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben das heißt etcetera Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Grundgesetz meines Erachtens Medizinrecht Monatsschrift für Deutsches Recht Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Strafrecht Oberlandesgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafrechtssachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilrechtssachen unter anderem unter Umständen zum Beispiel Stephanie Wessel 7

A. Einführung Der Tod ist noch das Schlimmste nicht, vielmehr den Tod ersehnen und nicht sterben dürfen. (Sophokles) Der Gedanke an den Tod- an das Endgültigste und Unausweichlichste im Leben erweckt oftmals das Gefühl der Angst und Furcht in uns. Die Vorstellung, dass das Leben irgendwann ein Ende findet, dass es kein "morgen" mehr geben wird und das alles, was uns ausmacht nicht mehr existiert, geht weit über unserer Vorstellungskraft hinaus. Um so unvorstellbarer erscheint es, dass diese Angst auch umgekehrt existieren kann. Denn der Wunsch zu sterben, wirkt absurd und unverständlich, da jede Sekunde mehr, als ein Geschenk anzusehen ist. Doch so abwegig und unbegründet scheint diese Angst nicht zu sein, dass viele Menschen weniger den Tod fürchten, als vielmehr einen langen, qualvoll und künstlich verlängerten Sterbevorgang. Ursächlich hierfür ist paradoxerweise der enorme Fortschritt der Intensivmedizin, welcher dazu geführt hat, dass das Leben eines Patienten auch dann noch aufrecht erhalten werden kann, wenn keine Aussicht auf Heilung und Besserung mehr zu erwarten ist. Somit hat der Mensch einen Weg gefunden, den Tod in immer größerem Maße zu beeinflussen. Man spricht von einer sog. Ambivalenz des Fortschritts 1 ; während einerseits durch den innovativ- medizinischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte eine Rettung und sinnvolle Lebensverlängerung möglich geworden ist, birgt sie jedoch andererseits die Gefahr, dass der bedenkenlose Einsatz aller technischen Mittel auch zur Qual und der Mensch zum lebenden Versuchsobjekt werden kann. Diese grenzenlose Ausschöpfung aller Behandlungsmöglichkeiten und die sich daraus ergebende Unempfindsamkeit gegenüber Schmerzen Dritter ist oftmals die Folge von übereifrigem ärztlichen Ethos, wissenschaftlichem Ehrgeiz, Angst und Unsicherheit vor jeglicher Prognose 2. Gerade auch der hippokratische Eid verpflichtet den Arzt zur Ausschöpfung aller medizinischer Möglichkeiten. Anderenfalls bestünde die Verletzungsgefahr seiner Garanten- und Hilfspflichten. Bezeichnend für diese ärztliche Einstellung ist auch ein Zitat des Arztes Christoph Wilhelm Hufeland: Der Arzt soll und darf nichts anderes tun, als Leben erhalten- ob es ein Glück oder Unglück sei... Dies geht ihn nichts an. Angesichts dieser Behandlungszwänge lässt sich somit erklären, weshalb viele Patienten nach einer Abkürzung der letzten Lebensphase verlangen und Möglichkeiten suchen, ihre Behandlungswünsche im Vorfeld verbindlich antizipieren zu können. 1 Saueracker, Die Bedeutung des (...), S. 20. 2 Uhlenbruck, NJW 1978, 566. Stephanie Wessel 8

I. Die Autonomie des Patienten Dieser in Deutschland herrschende Grundsatz des absoluten Lebensschutzes geht jedoch nicht so weit, dass der Arzt verpflichtet ist, bis zur Sinnlosigkeit alle Möglichkeiten der Lebenserhaltung auszuschöpfen 3. Auch ist es ein selbstverständliches und berechtigtes Anliegen jedes Patienten, dem ärztlichen Handeln nicht ausgeliefert zu sein, sondern Einfluss auf eine ärztliche Behandlung zu nehmen. Dies geschieht in der Regel bereits durch die Wahl des Arztes oder des Krankenhauses und setzt sich, auch rechtlich gesehen, durch die erforderliche Zustimmung zu jeder ärztlichen Behandlung fort. Diese Autonomie des Patienten ist das Recht auf Selbstbestimmung, wonach solche Behandlungen nicht gegen oder ohne seine Zustimmung mit ihm geschehen dürfen. Juristisch verankert ist dieses Selbstbestimmungsrecht in dem Recht auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 II 1 GG, dem allg. Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 I 1 GG sowie der in Art. 1 I 1 GG festgeschriebenen Menschenwürde. Diese Rechte ermöglichen es dem entscheidungsfähigen Patienten allein die Entscheidung über alle ihn betreffenden ärztlichen Maßnahmen zu treffen. Dies gilt auch für Entscheidungen über lebenserhaltene und verlängernde Maßnahmen am Ende des Lebens, auch wenn diese noch so unvernünftig erscheinen 4. Ebenso wirkt dieses Recht auf Selbstbestimmung auch in entscheidungsunfähigen Situation fort, in denen der Patienten nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen aktuell zu äußern 5. Hierfür bedarf es der Bekundung des Patientenwillens im Vorfeld einer solchen Situation, z.b. in Form eines Patiententestaments. Sollte solch eine antizipierte Behandlungsanweisung nicht vorliegen, muss insbesondere der Arzt versuchen, den mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Hierdurch soll aufgeklärt werden, wie sich der Patient in der vorliegenden Situation entschieden hätte. II. Zielsetzung dieser Arbeit In dieser Arbeit sollen zunächst allg. Hintergründe und Möglichkeiten des Patiententestaments, seine Form, sowie seine Wirksamkeitsvoraussetzungen erläutert werden. Schwerpunkt dieser Arbeit liegt jedoch in der Untersuchung der Rechtsverbindlichkeit. Hier liegt die Problematik, ob der Arzt überhaupt verpflichtet ist, dem im Patiententestament geäußerten Willen des Patienten zu entsprechen. Innerhalb dessen muss zudem geklärt werden, ob solche Behandlungsanweisungen antizipierbar sind und inwieweit eine widerrechtliche Handlung des Arztes vorliegt, wenn er diesem Patientenwunsch zuwiderhandelt. 3 Geilen, FamRZ 1968, 121 (125). 4 BGH NJW 1957, 268. 5 BGHZ 154, 205 (217). Stephanie Wessel 9

B. "Das Patiententestament" In den letzten Jahren konnte sich mehr und mehr der Begriff des Patiententestaments durchgesetzt. Vereinzelt wird es auch noch als Patientenbrief 6, Verfügung zu Lebzeiten 7 oder auch Patientenverfügung 8 bezeichnet. Die Bezeichnung des Patiententestament soll jedoch nicht als eine bürgerlich- rechtliche Vermögensverfügung von Todes wegen i.s.d. 1937 ff BGB verstanden werden. Vielmehr soll es sich hierbei um die Regelung der letzte Phase eines zu Ende gehenden Lebens handeln 9. I. Entwicklung und Herkunft Seine Wurzeln findet das Patiententestament in den USA. Diese Entwicklung erfolgte aufgrund der Diskussion um das "Recht des einzelnen auf seine Privatsphäre" (right of privacy). Hierbei stellte man erstmals im Jahre 1965 fest, dass jeder das Recht haben sollte, in Angelegenheiten der Persönlichkeitssphäre frei und unbeeinflusst entscheiden zu können 10. Nunmehr war es dem einwilligungsfähigen und ab 1976 auch dem einwilligungsunfähigen Patienten möglich geworden, künstlich verlängernde Behandlungsformen zu verweigern. Die Anerkennung des right of privacy ebnete sodann den Weg für die Entwicklung des sog. "living will". Luis Kutner erwähnte 1969 erstmalig die schriftlich fixierte Patientenverfügung, welche 1976 im "Natural Death Act" als verbindlich anerkannt wurde 11. Hierbei handelte es sich um den Verzicht, eines unheilbar Kranken oder Gesunden auf künstliche Lebensverlängerung. Somit gestattete man dem Arzt die Möglichkeit der Lebensverkürzung eines unheilbar kranken Patienten. Vollkommene Sicherheit der Beachtung jenes Living Will s hatte der Patient jedoch nicht, da die Ärzte mit keinerlei rechtlichen Folgen zu rechnen hatten, wenn sie die Durchführung verweigerten. Erst das 1991 verabschiedete Bundesgesetz "Patient Self Determination Act", welches das Institut des Patiententestaments regelt und anerkennt, ermöglicht dem potentiellen Patienten eine sichere Festlegung seiner Behandlungswünsche 12. Der Blick auf Deutschland hingegen zeigt, dass es zum Patiententestament bislang keine spezifische Gesetzesregelung gibt. Inspiriert vom amerikanischen Model, beschäftigt sich 1978 erstmals Uhlenbruck mit dem Living Will und entwarf hierfür ein auf den deutschen Rechtsraum zugeschnittenes Muster 13. Bis heute gibt es hiervon mittlerweile eine unüberschaubare Fülle solcher Muster, die u.a. von Organisationen wie der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben 6 Uhlenbruck, NJW 1978, 566 (569). 7 Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S.11. 8 u.a. Bühler, Betreuungsrecht (...), S. 43; Saueracker, Die Bedeutung des (...), S. 25. 9 Spann, Das Patiententestament, MedR 1983, 13; Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung (...), S. 79. 10 Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 29-30. 11 Saueracker, Die Bedeutung des (...), S. 29. 12 Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 36; u.a. Meran, Der Onkologe 2003, 1313 (1314). Stephanie Wessel 10

(DGHS) angeboten werden. All diese Muster beziehen sich ausschließlich auf die Endphase eines unheilbar Erkrankten, der damit auf weitere Behandlungen verzichten möchte. Doch auch 25 Jahre nachdem in Deutschland erstmals über die Möglichkeit der Antizipation von Behandlungswünschen diskutiert wurde, konnte bislang die Frage der Rechtsverbindlichkeit nicht vollends geklärt werden. Erst dass Urteil des BGH vom 17.03.2003 14 konnte diesbezüglich Klarheit schaffen. II. Begriff und Inhalt Da noch Unklarheit über eine einheitliche Definition des Patiententestamentes herrscht, wird dies allgemein, als eine im einwilligungsfähigen Zustand getroffene antizipierte Willensbekundung des Betroffenen bezeichnet, die im Fall der Urteilsunfähigkeit in bestimmte medizinische Behandlungen einwilligt oder diese ablehnt 15. Darüber hinaus versteht man unter einem in gesunden Tagen oder auch vor dem Endstadium einer Erkrankung aufgenommenen Patiententestament, die Verweigerung der Intensivtherapie und Reanimation, wenn der Patient irreversibel bewusstlos ist, schwere Dauerschäden seines Gehirns erlitten hat, lebenswichtige Funktionen des Körpers dauernd ausgefallen sind oder eine infauste Prognose vorliegt 16. Ebenfalls möchte der Patient hiermit festgestellt wissen, dass auch dann eine Behandlung unerwünscht ist, wenn diese nur noch dazu dient, den Sterbevorgang oder das Leiden künstlich zu verlängern 17. Ferner sind in einem solchen Dokument auch noch andere vielfältige Regelungen denkbar: So wird u.a. vertreten, dass das Patiententestament auch die Ablehnung von bestimmten Behandlungsformen, wie z.b. die Bluttransfusion, ärztliche Eingriffe, Therapien oder andere generelle Behandlungsverbote beinhalten kann 18. Hingegen Reusser sieht das Patiententestament als eine persönliche Erklärung im Voraus an den Arzt, indem er seine individuelle Wünsche in Bezug auf das eigene Sterben mitteilt 19. Somit lässt sich feststellen, dass es sich im Kern um die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen sowie die Forderung nach einer geeigneten Schmerztherapie unter Inkaufnahme von Bewusstseinsausschaltung und Lebensverkürzung handelt, welche nur im Fall der Entscheidungsunfähigkeit zum tragen kommt kann, da diese keineswegs eine aktuelle Einwilligung ersetzen kann. 13 Uhlenbruck, NJW 1978, 566 (569). 14 BGHZ 154, 205. 15 BGHZ 154, 205 (217). 16 Uhlenbruck, NJW 1978, 566 (569) 17 Uhlenbruck, aao, Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 15; Esch, Der Patientenanwalt, S. 11, Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S. 11. 18 Rickmann, aao. 19 Reusser, Patientenwille (...), S. 8. Stephanie Wessel 11

Häufig wird jedoch m.e. die Möglichkeit übersehen, dass das Patiententestament nicht nur auf die Behandlungsverweigerung zu beschränken ist, sondern auch dann Anwendung finden kann, wenn es um die Forderung geht, dass alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen werden, um eine längst mögliche Verlängerung des Leben zu erzielen. Somit würde man dem Patienten die Möglichkeit geben, seine Wünsche, aber auch deren Grenzen, explizit im voraus benennen zu können. III. Grundsätzliches zur Behandlungsanweisung Im folgenden soll nun zunächst geklärt werden, in welchem Bereich des Zivilrechts die Behandlungsanweisung, d.h. die Behandlungseinwilligung sowie die verweigerung rechtlich einzuordnen ist. 1. Rechtliche Bewertung der ärztlichen Behandlung Nach heute ständiger Rechtssprechung wird jede ärztliche Behandlung, welche die körperliche Integrität des Patienten beeinträchtigt, als eine tatbestandsmäßige Körperverletzung i.s.d. 223 ff StGB und unerlaubte Handlung i.s.d. 823 I BGB betrachtet 20. Für diese Wertung ist es demnach unbeachtlich, ob die Behandlung oder der Heileingriff erfolgreich oder misslungen, kunstgerecht oder fehlerhaft ist, mit oder ohne Einwilligung des Patienten durchgeführt wurde. Einige Autoren wiederum sehen in der gelungenen Heilbehandlung hingegen keine Körperverletzung, auch wenn hierfür keine Einwilligung, bzw. eine Verweigerung der Einwilligung vorliegen sollte 21. Dieser Auffassung kann aber angesichts der grundgesetzlichen Absicherung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gem. Art. 1, 2 GG nicht gefolgt werden. Denn dieser Schutz kann nur erzielt werden, wenn die ärztliche Heilbehandlung mit in den Schutzbereich von Körper und Gesundheit einbezogen wird 22. Somit gilt die ärztliche Behandlung sowohl als Eingriff in die körperliche Integrität des Menschen als auch in dessen Recht auf Selbstbestimmung 23. 2. Einwilligung als Rechtfertigungsgrund Wie bereits erwähnt, führt jede rechtswidrige Verletzung eines der in 823 BGB genannten Rechtsgüter oder Rechte zu einem Anspruch auf Ersatz des sich daraus ergebenden Schadens. Lediglich die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten i.s.d. Art. 2 I, II GG könnte der Widerrechtlichkeit die Grundlage entziehen 24. Demnach kann eine ärztlichen Behandlung nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn der Patient seinen Rechtswillen, d.h. seine Einwilligung in die jeweilige Behandlung erklärt hat, wodurch er dem Arzt die Befugnis zum 20 RGSt 25, 375 (378); BGHSt 11, 111 (114). 21 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 31. 22 Voll, Die Einwilligung (...), S.31-32; Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 86. 23 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 35. 24 Voll, Die Einwilligung (...), S. 50. Stephanie Wessel 12

Eingriff in den Körper erteilt 25. Hiermit hat der Patient die Möglichkeit, entweder durch Einwilligung oder Verweigerung individuelle Behandlungsanweisungen verbindlich an den Arzt zu erteilen, die im Fall einer Zuwiderhandlung gem. 823 ff BGB sanktioniert werden 26. 3. Rechtsnatur der Behandlungsanweisung Im Anschluss daran stellt sich jedoch nun die Frage, wie die Einwilligung bzw. die Behandlungsverweigerung rechtlich einzuordnen ist. Denn erst anhand dieser lässt sich klären, welche zivilrechtlichen Regelungen im Hinblick auf die Behandlungsanweisung Anwendung finden und welche Anforderungen dann an die Wirksamkeit zu stellen sind. a. Rechtsnatur der Einwilligung Hinsichtlich der rechtfertigenden Einwilligung, d.h. die Kundgabe der Zustimmung zu einer Rechtsgutverletzung durch einen anderen unter Verzicht auf den entsprechenden Rechtsgüterschutz 27 werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Während einerseits diese als Willensäußerung 28 qualifiziert wird, sehen andere wiederum lediglich eine Willenserklärung 29 in ihr. Unterschied dieser beiden Rechtsinstitute ist: Die Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, die auf die Erzielung einer Rechtsfolge gerichtet ist 30. An diesem finalen Willen einen Rechtserfolg herbei zu führen, fehlt es jedoch im Fall der Willensäußerung 31. Demnach stellt sich die Frage, als was die Einwilligung letztendlich zu verstehen ist. Grund für die Annahme einer Willensäußerung ist, dass in der Gestattung zum faktischen Eingriff durch den Patienten keine Herbeiführung eines Rechtsfolgewillens gesehen werden kann 32. Des Weiteren sieht man die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit als nicht dispositionsfähig. Schon allein diesem Argument muss entgegengehalten werden, dass jedem einzelnen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Art. 2 II 1 GG zusteht und ihm somit sehr wohl ein solches Dispositionsrecht obliegt 33. Denn gerade das Recht des Patienten, existentielle Entscheidungen über seine Integrität selber treffen zu können, muss selbstverständlich gewahrt werden. 34 Diese Gedanken gehen auch aus Art. 1 I GG hervor, wonach jedem das Recht über sein Schicksal verfügen, sowie freiverantwortlich gestalten zu können, 25 RGZ 88, 433 (436); BGHZ 29, 176 (180). 26 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 37. 27 Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S. 137. 28 BGHZ 29, 33 (36); BGH NJW 1972, 335; Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S. 138. 29 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 41-42. 30 Brox, AT BGB, Rn. 80. 31 Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 90. 32 BGHZ 29, 33 (36). 33 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 42; Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 92. 34 BVerfG NJW 1979, 1925 (1926). Stephanie Wessel 13

zugesprochen wird 35. Ebenso kann der Ansicht, dass die Einwilligung nur auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sei, nicht gefolgt werden. Denn diese Gestattung bezieht sich eben nicht nur auf eine Eingriffserlaubnis, sondern gerade auch auf deren Reichweite. In diesem Zusammenhang wird oft übersehen, dass gerade die Einwilligung als Grundlage für die rechtliche Absicherung der Behandlungswünsche von Patienten dient und somit als rechtliche Regelung zu verstehen ist 36. Dem steht auch nicht der Rechtsfolgewillen entgegen, da in den meisten Fällen der Einwilligung in eine ärztliche Behandlung davon ausgegangen werden kann, dass der Patient nicht nur den tatsächlichen Eingriff, sondern auch deren Reichweite rechtlich abgesichert wissen möchte 37. Bezugnehmend auf unser Patiententestament, das sowohl Einwilligungen als auch Verweigerungen enthalten kann, muss auch hier von einem Rechtsfolgewillen ausgegangen werden. Denn Grund der Verfügung ist es, dass die vom Patienten festgelegten Behandlungsgrenzen, sowie dessen Behandlungswünsche eingehalten werden sollen. Mithin kann man sagen, dass es dem Patienten nicht um den faktischen Eingriff, sondern um die Reichweite der ärztlichen Behandlung und deren rechtsverbindliche Absicherung geht 38. Folglich ist die Einwilligung, entgegen der Rechtsprechung als Willenserklärung anzusehen. b. Rechtsnatur des Behandlungsverbotes Im Anschluss an die oben geführte Diskussion, stellt sich nun auch hier die Frage hinsichtlich der Rechtsnatur der Behandlungsverweigerung, als Gegenstück zur Einwilligung. Im Fall dieser muss ebenso davon ausgegangen werden, dass die verbindliche Äußerung der Behandlungsgrenzen dem Rechtsfolgewillen des Betroffenen entspricht 39. Somit würde es sinnvoll erscheinen, die oben genannten Grundsätze zudem auf die Behandlungsverweigerung zu übertragen. Denn über die rein faktische Handlung hinaus, ist die Einhaltung der Behandlungsgrenzen vordergründiger Wille des Patienten. Hierdurch soll es gewährleistet werden, dass seine Wünsche unbedingt Berücksichtigung finden, um der Gefahr vor widersprüchlichen Entscheidungen durch den Arzt entgegen zu wirken. Diese Ansätze werden im Hinblick auf das Patiententestament eindeutiger. Gerade in dieser Erklärung tritt der Rechtsfolgewillen klar hervor, da hierdurch die Vorstellungen in Bezug auf den letzten Lebensweg genau zur Geltung kommen. Somit macht der Patient deutlich dar, wie wichtig ihm die rechtliche Gewährleistung seines Willens ist. 35 BVerfG NJW 1979, 595. 36 Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 94. 37 aao. 38 aao. 39 aao, S. 97. Stephanie Wessel 14

Folglich kann sowohl die Behandlungsverweigerung, als auch das Patiententestament als eine Willenserklärung angesehen werden, so dass die zivilrechtlichen Regelungen dafür entsprechende Anwendung finden 40. IV. Zweck Im weiterer Zwischenschritt soll nun erläutert werden, wen diese Behandlungsanweisung erreichen will und worin der Grund hierfür gesehen werden kann. 1. Geltungsbereich Grundsätzlich richtet sich das Patiententestament nur an den in der Zukunft behandelnden Arzt 41. Hierbei spielt es jedoch keine Rolle, ob ein Arzt speziell benannt worden ist oder nicht 42. Darüber hinaus kann zusätzlich auch eine Vertrauensperson in den Geltungsbereich mit einbezogen werden. Wobei hier zu unterscheiden ist, dass jene Person lediglich für die Bekanntmachung und Durchführung benannt werden kann 43. In Bezug auf den zeitlichen Geltungsbereich kann das Patiententestament nur dann Wirkung entfalten, wenn die dortig beschriebene Krankheitssituation auch tatsächlich eingetreten ist 44. Hierfür müsste sich der Patient dann in einem einwilligungsunfähigen Zustand befinden, welcher von einer sicheren Todesnähe gekennzeichnet ist. (s.o.) Denn erst dann, wenn er jegliche Möglichkeit zur Äußerung seines Selbstbestimmungsrechts verlogen hat, kann das Patiententestament zur Anwendung kommen, da die antizipierte Willensbekundung nicht die aktuelle Einwilligung ersetzen kann. 2. Motive und Ziele Jeder von uns kann durch Unfall, Krankheit oder Alter in die Lage kommen, dass er wichtige Angelegenheiten seines Lebens nicht mehr selbstverantwortlich regeln kann. Viele Menschen befassen sich aufgrund dessen mit der Frage: Was passiert, wenn ich auf fremde Hilfe angewiesen bin? Geleitet von dieser Unsicherheit und dem Wunsch sein eigenes Sterben 45 losgelöst von jeglicher Fremdbestimmung gestalten zu können, errichten immer mehr Menschen ein Patiententestament. Von vielen wird dies auch als eine Form der Vorsorge verstanden, um in dieser wichtigen Lebensendphase nicht völlig wehrlos dem Arzt unterworfen zu sein 46. Denn wie schon in der Einleitung erwähnt wurde, ist es gerade der Fortschritt der Intensivmedizin, welcher zunehmend Angst in Bezug auf einen langen künstlich verlängerten Sterbevorgang hervorruft. Ziel des Testators ist es somit, ein natürliches, würdiges, schmerz- und angstfreies 40 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 47. 41 Esch, Der Patientenanwalt, S. 11. 42 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 48-49. 43 Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S.22. 44 Baumgarten, The Right to Die?, S. 304. 45 Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S. 23. 46 aao S. 24; Baumgarten, The Right to Die?, S. 307. Stephanie Wessel 15

selbstbestimmtes Sterben zu verfügen. Ferner greift er hiermit der Erforschung des mutmaßlichen Willens durch den Arzt und der Gefahr der falschen Auslegung vorweg. Abschließend sollte jedoch erwähnt werden, dass die Motivation des Verfügenden grundsätzlich unerheblich für die Wirksamkeit ist. Dies ergibt sich aus dem Selbstbestimmungsrecht sowie aus dem Grundsatz der Privatautonomie 47. V. Verfügungsmöglichkeiten des Patiententestamentes 1. inhaltliche Verfügungsfreiheit Wie oben bereits dargestellt, kann der Verfasser eines Patiententestaments lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen und anderweitige Behandlungsverfügungen aussprechen. Diesbezüglich könnte jedoch die inhaltliche Anwendbarkeit, bzw. ihre Verfügungsfreiheit fraglich sein, da sich jene auf den Wunsch der Sterbehilfe beziehen. Dies könnte angesichts der in Deutschland herrschenden Rechtslage problematisch sein. a. Exkurs zum Thema Sterbehilfe Unter dem Begriff der Sterbehilfe versteht sich die Verhaltensweise, die einem unheilbar Leidenden in mehr oder minder großer Todesnähe Beistand, Erleichterung, Schmerzlinderung und sonstige Hilfe gewährt 48. Diese untergliedert sich wiederum in Sterbehilfe ohne Lebensverkürzung sowie aktive, indirekte und passive Sterbehilfe. Die Sterbehilfe ohne Lebensverkürzung bezieht sich auf ärztliche und pflegerische Maßnahmen, die sowohl die Schmerzminderung als auch die Erleichterung des Sterbevorgangs zum Ziel hat 49. Hierbei wird das lebensverkürzende Risiko aber nicht zwingend mit eingeschlossen. Diese Form der Sterbehilfe ist jedoch rechtlich unproblematisch und gehört zudem zu der Pflicht des Arztes, die u.u. auch strafrechtlich sanktioniert werden kann 50. Die aktive Sterbehilfe hingegen, die eine gezielte und direkt Tötung darstellt, ist nach rechtlicher Auffassung gem. 211 ff StGB verboten 51, auch dann, wenn diese aufgrund der Verhinderung von Schmerzen erfolgte. Als weitere Form der Sterbehilfe wird die medikamentöse Schmerzbekämpfung bei unheilbar Erkrankten und schwer leidenden Patienten verstanden. Bei dieser straflosen indirekte Sterbehilfe werden eventuelle lebensverkürzende Auswirkungen in Kauf genommen, da nach Abwägung 47 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 47. 48 Schreiber, NStZ 1986, 337 (338). 49 Kutzer, NStZ 1994, 110. 50 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 18. 51 aao. Stephanie Wessel 16

widerstreitender Interessen die Abwendung der unerträglichen Schmerzen im Vordergrund stehen 52. Als letzte Möglichkeit der Leidhilfe versteht man die passive Sterbehilfe, die auf die Linderung von Beschwerden bei gleichzeitigem Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen gerichtet ist 53. Auch hierbei handelt es sich um eine nicht sanktionierte Form der Sterbehilfe, die es dem Arzt erlaubt von weiteren Maßnahmen abzusehen, wenn das Leiden des Patienten einen unumkehrbaren Verlauf angenommen hat und der Abbruch auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Patienten beruht 54. b. Relevanz der Sterbehilfe für das Patiententestament Bereits festgestellt werden konnte, dass lediglich die aktive Sterbehilfe rechtlich und ethisch nicht rechtfertigt werden kann. Insofern stellt sich nun die Frage, welche Form der Sterbehilfe in einem Patiententestament gefordert wird, woraus sich dann eventuell Anwendbarkeitsprobleme ergeben könnten. Inhaltlich bezieht sich das Patiententestament auf die passive Sterbehilfe, da der Verfügende den Arzt nur noch auf die Anwendung der passiven Sterbehilfe beschränkt, indem er jegliche Behandlungsmöglichkeiten verweigert. Ebenso besteht er auf die Durchführung der indirekten Sterbehilfe (z.b. Schmerzlinderung). Folglich kann festegestellt werden, dass sich das Patiententestament nur auf die indirekte und passive Sterbehilfe bezieht und somit derartige Behandlungsanweisungen angewendet werden können, ohne die inhaltlichen Grenzen der Verfügungsfreiheit zu übersteigen. 2. Grenzen der Verfügungsmöglichkeit Grundsätzlich ist die inhaltliche Gestaltung des Patiententestaments dem Verfügenden weitgehend freigestellt 55. Hierzu ist folgendes zu beachten: Verfügbar kann lediglich das sein, was mit den geltenden Gesetzen und Moralvorstellungen vereinbar ist. Ferner kann nicht gefordert werden, dass die Freiheit und die Rechte Dritter ungerechtfertigt beschnitten werden. Somit kann ein Arzt nicht zu einer bestimmten Behandlung gezwungen werden, die seinem Berufsethos widerspricht 56. Ebenfalls eine Grenze muss die Behandlungsanweisung dann finden, wenn in dem Patiententestament keine aussichtslose Situation vorausgesetzt, sondern einen Hilfsverzicht schon bei nicht zum Tod oder zu dauernder Bewusstlosigkeit führenden Fällen 52 BGH NStZ 1997, 182 (183). 53 Schöllhammer, Die Rechtverbindlichkeit (...), S. 20. 54 BGHSt 32, 367 (379); Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 23. 55 Laufs/ Uhlenbruck, HB des ArztR, 132 Rn. 37. 56 u.a. Meran, Der Onkologe 2003, 1313 (1320). Stephanie Wessel 17

geäußert wird. Solch eine Hilfe zur Selbstschädigung kann, wie oben bereits erwähnt, aufgrund der verbotenen aktiven Sterbehilfe nicht vom Arzt gefordert werden 57. VI. Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen an die Behandlungs-anweisung 1. Abgabe und Zugang Im weiteren Verlauf soll nun geklärt werden, inwieweit die Einwilligung der Abgabe und des Zugangs bedarf. Diese Beurteilung ist schon aus dem Grund von Bedeutung, da der behandelnde Arzt eine unerlaubte Handlung i.s.d. 823 BGB begeht, wenn der Patient zwar innerlich mit der Behandlung einverstanden war, dieser Wille jedoch in keiner Form gegenüber dem Arzt oder einem Dritten kundgetan wurde. Aufgrund fehlender Stellungnahme in Rechtssprechung und Literatur zur Beurteilung der Wirksamkeitsvoraussetzung in Patiententestamenten soll für diese Beurteilung hilfsweise die Parallelbetrachtung der Einwilligung zu Rate gezogen werden 58. Hiernach ist man der Auffassung, dass Abgabe und Zugang der Einwilligung notwendige Voraussetzungen sind. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Einordnung der Einwilligung als Willenserklärung. (s.o.) Hiernach kann der innere Wille erst durch die Erklärung nach außen erkennbar gemacht werden 59. Ferner ermöglicht das Erfordernis der Abgabe und des Zugangs den Ausschluss der Rechtswidrigkeit einer unerlaubten Handlung, da es hierfür einer eindeutigen und kundgegebenen Erklärung bedarf 60. Zum anderen spielt jedoch auch das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ein gestalterische Rolle im Arzt- Patienten- Verhältnis. Hiernach ist die Einwilligung auf zwischenmenschliche Kommunikation angelegt, woraus ebenfalls die Notwendigkeit der Kundgabe abgeleitet werden kann 61. Folglich sind Abgabe und Zugang der Einwilligung in den ärztlichen Heileingriff Voraussetzungen der Wirksamkeit. Erst wenn diese Einwilligung zugegangen ist, kann somit die Behandlung durch den Arzt vorgenommen werden. In Bezug auf das Patiententestament entfaltet sich die Wirksamkeit erst, wenn der behandelnde Arzt dieses Erklärung erhalten hat. Denn als nicht- empfangsbedürftige Erklärung wäre die Rechtswirkung schon mit Eintreten der Wirksamkeitsvoraussetzungen anzunehmen, so dass ein Patiententestament vor Kenntnisnahme des Arztes rechtlich wirksam werden könnte. Mithin kann ein Patiententestament erst dann seine Rechtswirkung entfalten, wenn es i.s.d. 130 BGB in der Phase des Sterbens als bekannt und zugegangen gilt. 57 Langenfeld, Vorsorgevollmacht (...), S. 182. 58 aao S. 49. 59 Brox, AT BGB, Rn. 83. 60 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 51. 61 aao S. 51-52. Stephanie Wessel 18

Was für die Einwilligung in eine Behandlung gilt, muss grundsätzlich auch für das Behandlungsverbot gelten, da es die Negation der Einwilligung ist 62. Zudem wurde oben die Rechtsnatur der Behandlungsverweigerung als Willenserklärung qualifiziert, so dass auch hier Abgabe und Zugang Wirksamkeitsvoraussetzungen des Patiententestaments sind. 2. Form Eine bestimmte Form als Wirksamkeitsvoraussetzung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Jedoch sollten einige Hinweise beachtet werden: Das Patiententestament kann ein gedruckter Formulartext sein, muss aber immer mit eigenhändiger Unterschrift, Ort- und Datumsangabe versehen sein 63. An sich ist die Schriftlichkeit nicht zwingend. Somit ist es auch denkbar, dass der Verfügende seinen Willen in mündlicher Form kundtun kann 64. Diesbezüglich muss aber erwähnt werden, dass ein Nachweis hierfür schwer zu erbringen ist. Somit dient die Schriftlichkeit der Rechtssicherheit und dem Beweisrecht. Damit es ferner keinen Zweifel an der Echtheit gibt, empfiehlt es sich, die Unterschrift von Zeugen, wie z.b. vom Hausarzt bestätigen zu lassen. Der Auffassung, dass nur Volljährige ein Patiententestament erstellen könne, kann hingegen nicht gefolgt werden 65. Denn hierfür ist nicht die Geschäftsfähigkeit von Bedeutung, sondern die erforderliche Verstandsreife, um die Bedeutung der Verweigerung und deren Folgen zu erfassen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann auch ein Minderjähriger ein Patiententestament erstellen. Ebenfalls scheint es m.e. nicht zwingend notwendig zu sein, solch ein Formular alle paar Jahre zu erneuern, bzw. die Willenserklärung zu wiederholen, um den Fortbestand und die Ernstlichkeit des Willens zu dokumentieren 66. Schaden kann diese Erneuerung sicher nicht, erscheint angesichts der jederzeitigen Widerrufbarkeit jedoch nicht erforderlich. Bezüglich der Aufbewahrung ist zu raten, dass das Original bei den persönlichen Papieren aufbewahrt und stets eine Kopie oder der Hinweis, wo sich dass Original befindet, bei sich geführt werden sollte. Möglich erscheint es auch, eine Kopie einer Vertrauensperson oder dem Arzt auszuhändigen. Ebenfalls kann eine Beglaubigung oder Beurkundung durch einen Notar sinnvoll sein, ist aber rechtlich nicht erforderlich 67. Für eine solche spricht u.a., dass sich der Notar von der Testierfähigkeit überzeugen muss, der Wille des Verfügenden aufgrund einer ausführlichen Beratung erfasst, er zudem über die rechtliche Tragweite informiert und die Erklärung unzweideutig und klar formuliert wird. Darüber hinaus bleibt das Original dauernd in der 62 aao S. 52 63 Lange in, Ach/ Kayß, Stell Dir vor, (...), S. 111. 64 Reusser, Patientenwille (...), S. 22 und S. 164. 65 Saueracker, Die Bedeutung des (...), S. 28. 66 a.a. Saueracker, aao; a.a. Taupitz, NJW 2000, 6 (10). 67 Laufs/ Uhlenbruck, HB des ArztR, 132 Rn. 36. Stephanie Wessel 19

Verwahrung des Notars und kann dann im Fall der Krankheit an den behandelnden Arzt übermittelt werden. Letztendlich bleibt festzuhalten, dass die Formvorschriften der Rechtswirksamkeit nicht entgegenstehen. 3. Inhaltsbestimmung und Auslegung Probleme bietet ein Patiententestament vor allem dann, wenn es unbestimmt und unklar formuliert ist. So ist es ratsam von Formulierungen wie "nicht mehr lebenswertes Leben" oder "künstlich erhalten bleiben" Abstand zu nehmen, da nie genau ausgedrückt werden kann, wann der Einzelne sein Leben als noch lebenswert empfindet 68. Wenn trotz alle dem Deutungsprobleme vorliegen sollten, bedient man sich in diesen Fällen der Auslegung der Erklärung durch die allgemeinen Grundsätze für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen gem. 133, 157 BGB 69. Der Weg zur Ermittlung des wirklichen Willens geht von der Erklärung aus. Zu diesem dringt man nur durch, wenn alle, auch außerhalb der Erklärung liegenden Umstände mit berücksichtigt werden 70. Hinsichtlich des Patiententestaments bedeutet dies, dass der Inhalt der Auslegung unterliegt. Denn das Problem, ein solches zu entwerfen, welches prägnant, umfassend und ausreichend die Wünsche des Patienten wiedergibt, ist teilweise immer noch ungelöst. Je allgemeiner die Formulierungen, desto offener für ungewünschte Interpretationen, je strikter und enger, desto größer die Gefahr, dass manchmal entgegen den tatsächlichen Wünschen der Patienten am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet wird. Hilfe soll dann die Auslegung liefern, anhand welcher ermittelt werden soll, ob die tatsächlich eingetretene Situation mit der im Patiententestament beschriebenen Sachlage übereinstimmt 71. Auch inhaltliche und begriffliche Ungenauigkeiten lassen sich durch die konsequente Anwendung der 133, 157 BGB klären. Wenn jedoch anhand diese Methode der Patientenwille nicht mehr eindeutig geklärt werden kann, muss das Vorliegen eines wirksamen Patiententestamentes verneint werden. Infolge dessen kann dann nur noch auf die Bestellung eines Betreuers oder auf andere Rechtfertigungsgründe zurück gegriffen werden, da nur ein wirksamen Patiententestament seine verfügende Wirkung entfalten kann. 68 Langenfeld, Vorsorgevollmacht (...), S. 182. 69 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 55. 70 Brox, AT BGB, Rn. 126. 71 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 56. Stephanie Wessel 20

VII. persönliche Wirksamkeitsvoraussetzungen der Willensbildung an eine antizipierte Behandlungsanweisung Die antizipierte, d.h. die vorweggenommene Behandlungsanweisung unterscheidet sich im Gegensatz zur aktuellen Behandlungsanweisung dadurch, dass sie lange vor dem geforderten Eingriff verfügt wird. Diese Vorwegnahme sollte grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken bereiten, da auch die aktuelle Behandlungsanweisung ein antizipatorisches Element enthält, welches über den Erklärungszeitpunkt hinaus wirkt 72. So wird im Hinblick auf die Vollnarkose deutlich, dass die Behandlungszustimmung des zwischenzeitlich Bewusstlosen in der aktuellen Erklärung vorab auch für diesen Zustand gelten sollte und die vorübergehende Einsicht- und Urteilsfähigkeit überbrückt 73. Mithin gibt das Moment zeitlicher Vorwegnahme grundsätzlich keinen Anlass, an der Wirksamkeit antizipierter Behandlungsentscheidungen zu zweifeln. Dennoch bestehende Zweifel sollen erst im Anschluss an diesen Abschnitt behandelt werden. Es stellt sich daher die Frage, welche persönlichen Voraussetzungen der Einwilligende vorweisen muss. 1. Verfügungsbefugnis Ein Patient, der wirksam in eine ärztliche Behandlung einwilligen, bzw. diese verweigern möchte, muss grundsätzlich erst einmal Inhaber des zu verletzenden Rechtsguts sein. Solch eine rechtfertigende Einwilligung ist jedoch nur bei Individualrechtsgütern, und nicht bei Gemeinschaftswerten denkbar. Folglich kann ein Patient, dessen körperliche Integrität durch einen Eingriff verletzt werden soll, durch Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts über die Vor- oder Nichtvornahme einer Behandlung entscheiden, egal wie ver- oder unvernünftig sie ist. Verfügt werden darf jedoch nur dass, was nicht gegen die geltende Rechtsordnung verstößt. (s.o.) Ferner gilt zu erwähnen, dass ausschließlich der Inhaber berechtigt ist, dieses Entscheidungs- und Selbstbestimmungsrecht auszuüben. Erst wenn er hierzu nicht mehr in der Lage, d.h. entscheidungsunfähig ist, geht dieses Entscheidungsbefugnis auf Dritte, wie z.b. auf einen Betreuer über 74. 2. Entscheidungsfähigkeit Von weiterer Bedeutung für das Patiententestaments ist die abstrakte Entscheidungsfähigkeit, die sich nicht auf konkrete Kenntnisse bzgl. der Krankheit bezieht 75. Diese intellektuelle Möglichkeit, den Abwägungsvorgang durchzuführen und die Konsequenzen der Entscheidung zu erfassen und zu überblicken 76, muss der Patient zum Zeitpunkt der Antizipation vorweisen. Hierfür muss er in 72 Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 126. 73 Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S. 144. 74 Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 109. 75 Voll, Die Einwilligung (...), S.61; Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 92. 76 Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung (...), S. 80. Stephanie Wessel 21

der Lage sein, Wesen, Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen. Von dieser intellektuellen Fähigkeit kann bei einem Volljährigen grundsätzlich dann ausgegangen werden, wenn dieser erwiesenermaßen nicht geschäftsunfähig i.s.d. 104 BGB ist 77. In Folge dessen kann dann von einer natürlichen Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit ausgegangen werden. Sollte jedoch hinsichtlich dieser Fähigkeit zum Zeitpunkt der Antizipation Bedenken bestehen, so trägt der Zweifelnde die Beweislast, da nach 104 BGB jeder Erwachsene solang als geschäftsfähig und damit auch urteils- und einsichtsfähig zu gelten hat, wie nicht das Gegenteile bewiesen wurde 78. 3. Entscheidungsmöglichkeit Im Gegensatz zur Entscheidungsfähigkeit handelt es sich hierbei um die Möglichkeit des Patienten für die konkrete Krankheitssituation einen Behandlungsentschluss zu fällen 79. Hierfür bedarf es der Kenntnis der entscheidungserheblichen Faktoren, d.h. Diagnose, Prognose und der sich hieraus ergebenden Konsequenzen. Hier stellt sich aber die Problematik, dass der Patient oft keine oder nur geringe medizinische Kenntnisse besitzt und somit schwerlich den Verlauf und die Folgen seiner Krankheit einschätzen kann. Daher wird allgemein dass Erfordernis der ärztlichen Aufklärung im Hinblick auf eine verbindliche Antizipation der Behandlungswünsche gefordert 80 Dieses Erfordernis erscheint jedoch im Hinblick auf das Patiententestament fraglich zu sein, da es sich hierbei um rein präventive Behandlungswünsche in Bezug auf bloße statistische Wahrscheinlichkeiten einer tödlichen Erkrankung handelt. Eine Aufklärung könnte in diesem Zusammenhang problematisch sein, so dass im Falle des Patiententestaments ausnahmsweise hierauf verzichtet werden kann. Grund hierfür ist u.a., dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der Verfügende sich bereits zu einem vorgezogenen Zeitpunkt zumindest die notwendigen, aber ausreichenden Grundkenntnisse über Situation möglicher Erkrankungen und der sich hieraus ergebenden Folgen selbst verschafft hat. Daher bestimmt sich die Entscheidungsmöglichkeit nicht nach der ärztliche Aufklärung, sondern nach der persönlichen Abschätzungsmöglichkeit einer wirksamen Behandlungsanweisung. Zur weiteren Diskussion über das Aufklärungserfordernis siehe Abschnitt VIII. 4. Entscheidungsfreiheit Ferner ist als selbstverständliche Voraussetzung anzusehen, dass nur ein freiwillig verfasstes Patiententestament rechtliche Wirkung entfalten kann 81. Denn der unfreiwillige Rechtsgutsverzicht kann weder als Ausdruck des individuellen Willens des Berechtigten noch als 77 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S. 93; Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 129. 78 Heinrichs, in Parlandt, Kommentar zum BGB, 104 Rn. 8. 79 Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S. 171; Eisenbart, Patienten- Testament (...), S. 132. 80 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S.. 95. 81 BGH NJW 1964, 1177 (1178). Stephanie Wessel 22

Form seiner Selbstbestimmung verstanden werden 82. Das Fehlen der Entscheidungsfreiheit ist jedoch schwer nachvollziehbar, so dass auch hier auf die Beweisregel des Zweifelnden verwiesen werden muss 83. (s.o.) Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass solche Fälle der fehlenden Entscheidungsfreiheit eher selten vorkommen, da dem Verfügenden jederzeit die Möglichkeit der Vernichtung, bzw. Unterrichtung Dritter offen steht 84. Insoweit kann die Rechtswirksamkeit eines Patiententestament nicht mit dem allgemeinen Hinweis auf die bloße Möglichkeit von mangelnder Entscheidungsfreiheit in Frage gestellt werden. 5. Ernstlichkeit der Entscheidung Als letzte Wirksamkeitsvoraussetzung der Willensbildung antizipierter Behandlungsanweisungen wird allgemein die Ernstlichkeit, d.h. das ernsthafte Wollen der Erklärung gefordert 85. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit das Patiententestament Aufschluss über die Ernstlichkeit der Entscheidung liefert. So kann die schriftliche Erklärung als Endprodukt eines ernsthaften individuellen Überlegungsprozesses und nicht als Zufallsprodukt momentaner Stimmung betrachtet werden. Dagegen können aber die für Patiententestamente oft genutzten Formularvordrucke Zweifel auslösen. Hier kann zwar eine kritische Haltung gegenüber dem Fortschritt der Intensivmedizin seitens des Verfügenden vermutet werden. Jedoch stellt sich dann die Frage, wie ausführlich sich derjenige mit seinem Entschluss und deren Folgen auseinandergesetzt hat, da gerade mal eine Unterschrift hierfür ausreichend ist, um ein solches Patiententestament zu verfügen 86. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass solang der Verfügende den Tod nicht aktuell selbst erfahren hat, er dazu auch nur eine irreale Einstellung haben kann. Erst wenn er sich von ihm bedroht fühlt, wird er ihn als ernsthafte Konsequenz seiner Erklärung empfinden 87. Dies sind jedoch m.e. keine Gründe, die der Entscheidung die Ernstlichkeit nehmen könnten. Denn jeder, der ein Patiententestament aufsetzt, wird sich dessen bewusst sein, welche Folgen ein jenes mit sich bringen kann. Dies ergibt sich schon aus der Entscheidungsfähigkeit und möglichkeit. (s.o.) Ebenfalls zeigt der Entschluss für ein Patiententestament, dass sich der Verfügende mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Durchsetzung seiner Behandlungswünsche auseinandergesetzt hat. Sicher muss in Bezug auf die Unkenntnis vom Tod von einer Urteilsunfähigkeit ausgegangen werden. Darin liegt jedoch kein Problem der Ernstlichkeit der im Patiententestament getroffenen Entscheidung, sondern der Aktualität, die sie in der Krankheitssituation noch beanspruchen und realisieren kann 88. Somit 82 Voll, Die Einwilligung (...), S.109. 83 Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit (...), S.. 96. 84 Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung (...), S. 86. 85 OLG NJW 1968, 1200. 86 Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung (...), S. 86. 87 Rickmann, Zur Wirksamkeit (...), S. 190. 88 Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung (...), S. 87. Stephanie Wessel 23

muss aufgrund der Eigenverantwortlichkeit, die jeder für sich selbst besitz, m.e. grundsätzlich von einer Ernstlichkeit der im Patiententestament enthaltenden Behandlungsentscheidung ausgegangen werden, sofern keine eindeutigen Hinweise, die das Gegenteil bestätigen, vorliegen. VIII. Problematik der Rechtsverbindlichkeit Erfüllt ein Patiententestaments nun alle diese allgemeinen sowie persönlichen Voraussetzungen, kann somit von einer Wirksamkeit ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich aber nun für den Testator die wichtigste Frage hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit des Patiententestamentes. Denn ein solches kann nur Sinn und Zweck für diesen haben, wenn seine Behandlungswünsche auch durchgesetzt werden, d.h. eine bindende Wirkung für den Arzt entfalten. Hier ist es gerade wichtig, dass derjenige sich dann auf die Umsetzung verlassen kann, wenn er im Fall der Entscheidungsunfähigkeit nicht mehr in der Lage ist. Kernproblem ist somit die umstrittene Wirksamkeit eines Patiententestaments als eine rechtsverbindliche Behandlungsanweisung. 1. Bindungs- oder doch nur Indizwirkung? Hinsichtlich dieser Frage besteht seit vielen Jahren die Diskussion, ob ein Patiententestament für den behandelnden Arzt verbindlich ist oder nicht. So wird einerseits davon ausgegangen, dass das Patiententestament keine Bindungswirkung entfalten, bzw. dass es zumindest nur ein Indiz zur Bestimmung des mutmaßlichen Willens sein kann. Dagegen sieht die andere Seite hier sehr wohl eine rechtsverbindlichen Wirkung für den Arzt. Diese Diskussion dürfte sich jedoch seit der BGH- Entscheidung 89 aus dem letzten Jahr zum Teil gelöst haben, da er zur Frage nach Bedeutung und Rechtsverbindlichkeit des Patiententestaments Stellung bezogen hat. Im Folgenden soll jedoch nicht auf eine kritische Betrachtung der Einwände gegen die Rechtsverbindlichkeit verzichtet werden, da dies m.e. für die eigene Betrachtung und Meinungsbildung zur Klärung der Frage nach der Rechtsverbindlichkeit unerlässlich ist. a. Einwand der Widerrufbarkeit Allgemein anerkannt ist, dass das Patiententestament als Folge des Selbstbestimmungsrechtes jederzeit widerrufen werden kann, so dass die dort enthaltenen Behandlungsanweisungen jederzeit rückgängig gemacht oder verändert werden können 90. In diesem Zusammenhang erscheint es daher zweifelhaft, dass gerade diese Widerrufbarkeit gegen die Bindungswirkung eines Patiententestamentes sprechen soll 91. Grund für diese Annahme ist, dass im Nachhinein nicht eindeutige geklärt werden kann, ob der nunmehr Einwilligungsunfähige seinen Willen in 89 BGHZ 154, 205. 90 Sternberg- Lieben, NJW 1985, 2734 (2735). 91 Spann, MedR 1983, 13; a.a. Uhlenbruck, NJW 1978, 566 (569). Stephanie Wessel 24