Begrüßungsworte 60 Jahre Yad Vashem 50 Jahre Gerechte unter den Völkern 10. Dezember 2013, 15 Uhr, Plenarsaal des Landtags Exzellenz, verehrter Herr Botschafter, sehr geehrter Herr Professor Reemtsma, verehrte Frau Müller, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste! I. Nach den Auftaktklängen des Apollon-Quintetts mit Musik von Anton Reicha begrüße ich Sie gemeinsam mit meinen Kollegen Vizepräsidenten Eckhard Uhlenberg und Daniel Düngel sehr herzlich im Plenarsaal des Landtags Nordrhein-Westfalen. Ich freue mich, dass es so viele Gäste geworden sind. Danke für Ihr Kommen, denn der Anlass ist wertvoll und hat viele Menschen verdient:
2 60 Jahre Yad Vashem 50 Jahre Gerechte unter den Völkern geben uns Anlass, einzuhalten und zu erinnern. Und ich sehe darin auch ein wichtiges Zeichen, dass Vergangenheit und Vergangenes auch und gerade in der Verbindung mit Gegenwärtigem und Zukünftigem gesehen werden muss. II. Ganz besonders freue ich mich, dass der Botschafter des Staates Israel heute bei uns zu Gast ist. Exzellenz, verehrter Herr Botschafter Hadas-Handelsman, ich heiße Sie von Herzen willkommen. Sie erweisen uns bereits zum zweiten Mal in Ihrer bisherigen Amtszeit die Ehre Ihres Besuchs und werden auch gleich zu uns sprechen. Ich werte das als Zeichen guter, ja freundschaftlicher Beziehungen, wofür ich sehr dankbar bin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, für diese Gedenk- und Feierstunde einen Menschen gewinnen zu können, der als deutscher Philologe, Literaturwissenschaftler, Essayist, politischer Publizist und Mäzen höchstes Ansehen genießt. Die Bandbreite seines umfangreichen Wirkens reicht von der Literaturwissenschaft bis zur sozialwissenschaftlichen Analyse. Herzlich willkommen, Herr Professor Jan Philipp Reemtsma. Ich freue mich sehr über Ihre Ausführungen zum Thema Zivilcourage.
3 Gerne begrüße ich ebenfalls den Direktor von Yad Vashem für den deutschsprachigen Raum sowie die Vorsitzende des Freundeskreises von Yad Vashem Deutschland, Herrn Arik Rav-On und Frau Hildegard Müller. Der Willkommensgruß gilt weiterhin den Repräsentanten der dritten Gewalt, die zahlreichen Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Wirtschaft und Gewerkschaften, des Sozial- und Rettungswesens, der Bundeswehr sowie die Mitglieder des Konsularischen Korps und der Kommunalen Familie. Mein besonderer Gruß gilt allen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Düsseldorf und den befreundeten Vereinen wie der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der deutsch-israelischen Gesellschaft. Danke, dass Sie gekommen sind. Natürlich freue ich mich über die Teilnahme vieler Landtagsabgeordneter aller Fraktionen sowie ehemalige Mitglieder des Landtags (Ingeborg Friebe, Hans-Ulrich Klose, Jürgen Rüttgers). III. Wer Yad Vashem besucht hat, den lässt dieser Ort nie mehr los. Ich habe diesen Ausspruch schon von vielen Menschen gehört. Und auch mir geht es seit meinem Besuch im November 2004 so, als ich Israel, dieses wundervolle Land, mit Abgeordneten des Hauptausschusses bereist habe.
4 Ich habe nach dem mehrstündigen Aufenthalt in Yad Vashem jedenfalls eine ganze Zeit gebraucht, um wieder in der Gegenwart anzukommen. Ich war beschämt und berührt zugleich. Dennoch habe ich neben Betroffenheit, Fassungslosigkeit und Trauer auch Zuversicht und den Optimismus gespürt, dass man angesichts dieser Tatsachen aus der Geschichte lernen kann und muss. Und dass der feste Wille, an einer friedlichen Welt zu arbeiten eine der Lehren ist, die sich aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts zwingend ergibt. IV. Vor 60 Jahren wurde die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem errichtet. Dabei wurde auch die Grundlage dafür geschaffen, jene Personen zu ehren, die ihr Leben zur Rettung von Juden riskiert und eingesetzt haben. Yad Vashem bedeutet wörtlich Denkmal und Namen. Also eine individuelle ehrenvolle Erinnerung. Und seit 1953 ist diese Bezeichnung eine höchstrangige Auszeichnung für individuelle Menschlichkeit und Opferbereitschaft während der Nazi-Diktatur. V. Mit Yad Vashem wurde ein neues Kapitel in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust aufgeschlagen.
5 Es war dem jungen Staat Israel ganz offensichtlich ein Anliegen, nicht nur den Ermordeten ein Denkmal zu setzen, sondern auch jenen Menschen, die Leben gerettet haben. Den über 6 Millionen ermordeten jüdischen Opfern der Shoa stehen bis heute etwa 25.000 Gerechte unter den Völkern aus aller Welt zur Seite, die unter persönlichen Opfern und ständiger Gefährdung der eigenen Sicherheit Menschen vor der Verfolgung durch die Nazis und dem sicheren Tod bewahrten. Einer der bekanntesten Gerechten aus Nordrhein-Westfalen ist kürzlich mit 99 Jahren verstorben. Ich meine den großartigen Bertold Beitz. VI. 25.000 - das ist eine große Zahl und eine kleine zugleich. Groß, wenn man bedenkt, wie riskant es war, Verfolgten Schutz zu bieten, klein, wenn man bedenkt, wie viele Menschen im Nazi-System zu Tätern geworden sind. Auf jeden Fall sind die Gerechten unter den Völkern genau das Gegenstück, die Antithese zum Rassenwahn des Nationalsozialismus. Das zeigt auch die Ausstellung BESA ein Ehrenkodex von Yad Vashem Jerusalem, die draußen in der Wandelhalle Beispiele von Gerechten zeigt.
6 Sie dokumentiert die Rettung von Juden durch muslimische Albanier während des Holocaust. Bitte nehmen Sie sich etwas Zeit dafür! VII. Verehrte Gäste, Erinnern ist eine Fähigkeit, die allen Menschen zu eigen ist. Erinnerung wird aber dort zur besondere kulturellen Leistung, wo mit dem Erinnern auch ein Dienst für das Zusammenleben der Menschen erbracht wird. Erinnern ist dort eine gesellschaftliche Notwendigkeit, wo man versucht ist, schreckliche Ereignisse zu verdrängen und zu vergessen. Erinnern ist der Schlüssel dazu, aus der Geschichte die richtigen Lehren zu ziehen. Ich freue mich deshalb sehr, dass heute Schülerinnen und Schüler von acht Schulen aus ganz Nordrhein-Westfalen gekommen sind. Danke für Euer Kommen. Damit macht Ihr deutlich: Wir tragen zwar keine persönliche Schuld für das Geschehene. Aber wir übernehmen als junge Menschen die notwendige Verantwortung gegenüber den 6 Millionen Opfern, dass sich dergleichen nie mehr wiederholen kann.
7 Die Zerstörung und der moralische Zusammenbruch, den der Holocaust hervorgebracht hat, erfordern eine Auseinandersetzung auf Dauer. Deshalb nochmals: Danke für Euer Kommen! VIII. Verehrte Gäste, die Medaille, die den Gerechten der Völker verliehen wird, trägt die Inschrift, dass mit der Rettung eines Menschenlebens gleichsam eine ganze Welt gerettet wird. Yad Vashem ist also eine Gedenkstätte, die dem Gedenken an die Toten und dem Leben gewidmet ist. Und daher ist sie eine Botschaft für alle Zukunft. Ich danke Ihnen.