Die Bedeutung des Kunstvorbehalts für die Prüfentscheidungen von FSK und USK



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O B E R L A N D E S G E R I C H T M Ü N C H E N

Transkript:

Die Bedeutung des Kunstvorbehalts für die Prüfentscheidungen von FSK und USK Murad Erdemir I. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1. Kunstfreiheit und Jugendschutz Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. So heißt es in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG), der damit auch die Kunstfreiheit vorbehaltslos gewährleistet. Sie unterliegt weder den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG noch denen des Art. 2 Abs. 1 GG, kann aber durch andere verfassungsrechtlich g e s c h ü t zte Werte nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt werden (sog. kollidierendes Verfassungsrecht). Unterlag der Kunstvorbehalt nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Beschränkungen aus Gründen des Jugendschutzes (»Kunstschutz geht vor Jugendschutz«) 1, so kann heute als allgemein anerkannt gelten, dass auch das Verfassungsgut Jugendschutz abzuleiten aus dem in Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kunstfreiheit nach dem Prinzip praktischer Konkordanz Grenzen aufzeigen kann, um eine (möglichst) optimale Wirkung beider kollidierender Güter zu g e w ä h r l e i s t e n. 2 Die Abwägung zwischen den konkurrierenden Verfassungsgütern muss hierbei stets am Einzelfall getroffen werden; eine allgemeine Rangordnung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz gibt es nicht, also auch keinen prinzipiellen Vorrang. 3 2. Werk- und Wirkbereich der Kunst Unter die Kunstfreiheit fällt neben der Herstellung von Kunst (»Werkbereich«) auch die Vermittlung des Kunstwerks an Dritte im Wege der Darbietung und Verbreitung (»Wirkbereich«), wobei bei der Aktions- bzw. Performancekunst beide Bereiche auch zusammenfallen können. Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots darf Jugendschutz nicht über das Ziel hinausschießen und insbesondere Erwachsene stärker betreffen, als notwendig ist, um die Jugend zu schützen. 4 Ein Eingriff bereits in den Werkbereich der Kunst allein aus Gründen des Jugendschutzes ist daher regelmäßig nicht möglich. 5 Auch darf Erwachsenen im Hinblick auf den Wirkbereich die Rezeption eines Kunstwerks allein aus Gründen des Jugendschutzes weder rechtlich noch faktisch unmöglich gemacht werden. 6 Insoweit wäre auch das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG betroffen. 3. Zuordnung von Spielfilmen und Computerspielen zur Kunst a) Kein»angeborener«Kunstbegriff Bereits aus dem staatlichen Gebot der Neutralität und Toleranz gegenüber der Kunst folgt eine gewisse»unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren«. 7 Ein einhelliger Konsens über objektive Maßstäbe würde dem eigentlichen Wesen der Kunst völlig widersprechen, zählt doch gerade die Absage an starre Formen und strenge Konventionen zu einer der typischen Eigenheiten des Lebensbereichs Kunst. Dr. Murad Erdemir ist Justiziar der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen) und lehrt Jugendmedienschutzrecht und Medienstrafrecht an der Universität Göttingen. Er ist u.a. Mitglied des Beirats der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Ebenso dürfte sich eine pauschale Zuweisung ganzer Werkstypen verbieten, sodass Spielfilmen und Computerspielen kein natürlicher, gewissermaßen»angeborener«kunstbegriff zugeschrieben werden kann. Auszugehen ist vielmehr von einem offenen Kunstbegriff, der auf den Betrachter abstellt und»das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin sieht, dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weitergehende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielseitige Informationsvermittlung ergibt.«8 So ist zum Beispiel dem bis heute nicht endgültig feststehenden Autor der»josefine Mutzenbacher«die posthume Ehre, dass sein möglicherweise zugleich als Pornographie anzusehender Roman in den Rang eines Kunstwerks erhoben wurde, unter anderem deshalb widerfahren, weil er eine Reihe von Interpretationen zulässt. 9 b) Keine pauschale Ausklammerung von»ego-shootern«aus der Unmöglichkeit einer allgemeingültigen Definition von Kunst (»positives Definitionsverbot«) folgt aber auch die Unmöglichkeit, bestimmte Gattungen oder Genres von Spielfilmen und Computerspielen generell aus dem Kunstbegriff auszuklammern (»negatives Definitionsverbot«). In demselben Maße, wie pornographische Romane in den Rang eines Kunstwerks erhoben werden können, kann und muss dies auch für gewaltbehaftete Spielfilme und Computerspiele zutreffen. Selbst ein sog. Ego-Shooter kann daher den Rang eines Kunstwerks e i n n e h m e n. 10 Aktuell dürfte dies zum Beispiel für den 3rd-Person-Shooter»Spec Ops: The Line«zutreffen. c) Indizien für»kunst«während das Medium Spielfilm bereits vor vielen Jahrzehnten als Kulturgut Anerkennung gefunden hat und die Einstufung als Filmkunst im konkreten Einzelfall relativ mühelos gelingt, mussten sich Computerspiele diesen Status in den vergangenen Jahren erst mühsam e r k ä m p f e n. 1 1 Dabei sind die Unterschiede so groß nicht: Beim Spielfilm erfolgt die individuelle und kreative Gestaltung, also die Anordnung von Bild- und Tonfolge, durch den Regisseur, den Kameramann, den Cutter und die Schauspieler auf der Basis des Drehbuchs bzw. Storyboards. Beim Computerspiel geschieht dies regelmäßig nicht minder aufwendig durch die Umsetzung der Konzeption in das Computerprogramm, wobei an dem Prozess ganze Teams von Designern, A u t oren und Softwarespezialisten beteiligt sind. 1 2 Anhaltspunkte für den Grad der künstlerischen Gestaltung eines Computerspiels können mithin die Story bzw. der narrative Handlungsstrang, die computertechnisch-grafische Ausgestaltung, die musikalische Untermalung, der Einsatz der Soundeffekte und die Atmosphäre liefern. Lassen die Dramaturgie der Ereignisse und die intertextuellen Verweisstrukturen eines Spiels verschiedene Haltungen bzw. I n t e r p r e t a t i o n e n des Spiel e r s zu, so ist auch dies ein deutliches Indiz für den künstlerischen Gehalt eines Spiels. Im Freigabe- und Kennzeichnungs- 2 JMS-Report Oktober 5/2012

verfahren nach dem JuSchG dürfte die ggf. gebotene A n h ö r u n g der betroffenen Personen regelmäßig zusätzliches Licht ins Dunkel bringen. 1 3 4. FSK und USK als Adressaten der Kunstfreiheit Das Grundrecht der Kunstfreiheit ist ebenso wie die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG staatsgerichtet. Adressaten der Kunstfreiheit sind die in Art. 1 Abs. 3 GG genannten Staatsfunktionen und alle Träger öffentlicher Gewalt. Dass die FSK und die USK privatrechtlich organisiert sind, ändert jedoch nichts daran, dass sie bei ihren Entscheidungen neben dem Jugendschutz auch den verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsrechten verpflichtet sind. Denn die obersten Landesjugendbehörden bedienen sich der Selbstkontrolleinrichtungen als gutachterlicher Stelle (vgl. 21 Abs. 2 der FSK-Grundsätze, 21 Abs. 1 der USK-Grundsätze). Deren Altersfreigaben bis hin zur Ablehnung der Kennzeichnung auf der höchsten Freigabestufe des 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG werden von den obersten Landesjugendbehörden übernommen und sind ungeachtet der zudem starken Stellung des»ständigen Vertreters«schon allein deshalb dem Staat zuzurechnen. Darüber hinaus geht die Alterskennzeichnung mit unmittelbar kraft Gesetzes wirksamen Zugangsbeschränkungen einher. Schließlich ist das System der Altersfreigabe als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet. Die Vorschriften der 12 und 14 JuSchG sind daher im Zusammenhang zu sehen. 1 4 Dem vorliegenden Befund trägt die FSK in 2 Abs. 1 ihrer Grundsätze Rechnung, wonach sie bei der Prüfung der Filme und anderer Trägermedien»die in Art. 5 GG eingeräumte Freiheit zu beachten«hat. In der FSK-Broschüre heißt es zu den FSK- Grundsätzen:»Grundlage für die Prüfung sind das Jugendschutzgesetz und die Grundsätze der FSK. Diese regeln die Abwägung der im Grundgesetz verankerten Meinungs- und Informationsfreiheit, insbesondere auch der Presse- und Kunstfreiheit mit dem Grundrecht von Kindern und Jugendlichen auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit.«1 5 II. Bedeutung des Kunstvorbehalts für die Indizierung 1. Antragsgebundene Indizierung jugendgefährdender Medien D i e I n d i z i e r u n g ist ein scharfes Schwert. Sie zieht weitreichende Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbote ( 15 Abs. 1 JuSchG) und damit Eingriffe in die Kommunikations- und Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG und in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nach sich. Nach 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG darf ein Medium nicht in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen werden, wenn es der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre dient. Zwar untersagt der Wortlaut der Vorschrift der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) damit ohne Einschränkung (»darf nicht«) die Indizierung eines Werkes der Kunst. Da die Indizierung aber gerade aus Gründen des Jugendschutzes erfolgt, würde eine solche Lesart gegen das Verfassungsrecht verstoßen. Die Vorschrift ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein Medium nicht indiziert werden darf, wenn es Kunst ist und bei der Einzelfallabwägung die Belange der Kunst die Belange des Jugendschutzes überwiegen. 16 Wird also das Werk mehr durch seinen Kunstcharakter als durch seinen jugendgefährdenden Charakter geprägt, so ist eine Indizierung ausgeschlossen. Im umgekehrten Fall tritt die Kunstfreiheit hinter den Belangen des Jugendschutzes zurück. 2.»Automatische«Indizierung schwer jugendgefährdender Trägermedien Ebenso wie einfach jugendgefährdende Medien können auch schwer jugendgefährdende Medien von der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit erfasst sein. Gleichwohl enthält 15 Abs. 2 JuSchG anders als 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG keinen ausdrücklichen Vorbehalt für Kunst. Greift der Gesetzgeber zum Schutze gleichrangiger Verfassungsgüter in vorbehaltslos gewährleistete Freiheitsrechte ein, dann verpflichtet ihn das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsund Demokratieprinzip dazu, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblic h e n Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. 1 7 Unter keinen Umständen darf er in den Fällen der schweren Jugendgefährdung einen»allgemeinen V o r r a n g «des Jugendschutzes festlegen. 15 Abs. 2 JuSchG ist deshalb verfassungskonform dahin auszulegen, dass auch eine Indizierung schwer jugendgefährdender Trägermedien kraft Gesetzes (»automatische«indizierung) nicht in Betracht kommt, wenn im Einzelfall die Belange der Kunst überwiegen. 1 8 Die Rechtsprechung lässt ebenfalls keinen Zweifel daran, dass der Kunstvorbehalt auch für schwer jugendgefährdende Trägermedien Gültigkeit beansprucht. So hat zum Beispiel jüngst das Verwaltungsgericht Köln in seinem Rammstein- U r t e i l 1 9 unter Verweis auf die Mutzenbacher-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt:»allein der Kunstcharakter eines Mediums steht jedoch seiner Indizierung noch nicht entgegen. Vielmehr sind im Sinne einer praktischen Konkordanz der Belange des Jugendschutzes einerseits und der K u n s t- freiheit andererseits beide Belange im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein schlicht jugendgefährdendes oder um ein schwer jugendgefährdendes Medium handelt (vgl. BVerfGE 83, 130, 143; BVerwG NJW 1983, 1490).«III. Bedeutung des Kunstvorbehalts für die Beschlagnahme und Bestrafung Neben jugendgefährdenden Medien können auch unmittelbar strafrechtsrelevante Medieninhalte in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fallen mit der möglichen Konsequenz, dass ihre vollständige, nicht lediglich zur Beweissicherung erfolgende Beschlagnahme und Einziehung ebenso zu unterbleiben hat wie die Bestrafung ihrer Hersteller und Verbreiter. Denn wie weiter oben bereits angesprochen, schließen sich Kunst und Pornographie begrifflich ebenso wenig aus wie Kunst und Gewaltdarstellung. 2 0 Selbst eine im Sinne des Strafrechts»gewaltverherrlichende«oder»gewaltverharmlosende«Darstellung kann gleichzeitig als grundgesetzlich geschützte Kunst einzustufen sein, sodass bei der Prüfung der Strafbarkeit nach 131 StGB zwischen dem öffentlichen Frieden und dem Jugendschutz einerseits und der Kunstfreiheit andererseits als Güter von Verfassungsrang in jedem Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen ist. Soweit die Kunstfreiheitsgarantie durchgreift, was hier allerdings die Ausnahme bleiben dürfte, handelt es sich um einen Rechtfertigungsgrund, der die Strafbarkeit entfallen lässt. 2 1 Wird eine Menschenwürdeverletzung in einem Spielfilm oder in einem Computerspiel bejaht, kommt eine Berufung auf die Kunstfreiheit wegen des absoluten Geltungsanspruchs des Menschenwürd e p r i n z i p s nicht in Betracht. Auch bei der Kinderpornographie bleibt ebenso wie bei sog. Posendarstellungen von Kindern von vornherein kein Raum für eine Rechtfertigung durch Kunst. 2 2 E n t- sprechendes gilt für die in 130 StGB unter Strafe gestellte Volksverhetzung, will man den Kunstbegriff nicht in Beliebigkeiten auflösen. Medieninhalte, die unverhohlen zum Hass aufstacheln, zu Gewalt und Willkürmaßnahmen auffordern oder die Menschenwürde angreifen- JMS-Report Oktober 5/2012 3

de Beschimpfungen usw. enthalten, können sich ungeachtet der in 130 Abs. 6 StGB für entsprechend anwendbar erklärten sog. S o z i a l a d ä q u a n z k l a u s e l des 86 Abs. 3 StGB nicht auf die Freiheit der Kunst berufen. 2 3 IV. Bedeutung des Kunstvorbehalts für die Altersfreigabe 1. Kunstvorbehalt und Kennzeichnung Während der Kunstvorbehalt bei antragsgebundenen Indizierungen in 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG immerhin noch ausdrückliche Erwähnung gefunden hat, findet sich im Jugendschutzgesetz von vornherein kein Hinweis auf eine entsprechende Berücksichtigung der Kunst bei der Altersfreigabe. In der einschlägigen Kommentarliteratur wurde diesem Aspekt soweit ersichtlich bisher ebenfalls keine ausdrückliche Beachtung geschenkt. Dabei steht außer Frage, dass bereits jede auf einer Altersfreigabe basierende Verbreitungsbeschränkung zwangsläufig den Wirkbereich der Kunst tangiert. Schließlich ist die öffentliche Vorführung von Filmkunst zentraler Bestandteil des Wirkbereichs der Kunstfreiheit, ebenso wie die öffentliche Verbreitung von Spielfilmen und Computerspielen mit Kunstqualität auf Bildträgern (DVDs und Blu-ray Discs, CD-ROMs etc.). Je strenger die Freigabeentscheidung ausfällt, umso kleiner wird auch der Kreis der potenziellen Rezipienten. Und es ist nicht davon auszugehen, dass jeder Kunstschaffende per se nur ein erwachsenes Publikum gewissermaßen als»kern der Öffentlichkeit«vor Augen hat. Mag die Möglichkeit eines Eingriffs in den Wirkbereich der Kunst für die Altersstufen 6 und 12 Jahre insoweit noch vernachlässigbar sein, so gewinnt sie mit jeder höheren Altersfreigabe doch zunehmend an Bedeutung. Der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen jedenfalls dürfte ein hinreichendes Kunstverständnis nicht von vornherein abzusprechen sein. Wie eingangs bereits ausgeführt, gewährleistet der Kunstvorbehalt dem Grundrechtsträger jedoch keinen Anspruch darauf, dass ein zur Entwicklungsbeeinträchtigung geeignetes Kunstwerk Kindern und Jugendlichen der betroffenen Altersgruppe jederzeit frei zugänglich ist. Im Gegenteil kann das Verfassungsgut Jugendschutz der ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Kunstfreiheit nach dem Prinzip praktischer Konkordanz Grenzen aufzeigen. Vorliegend hat der Gesetzgeber in den Fällen der Entwicklungsbeeinträchtigung keinen»allgemeinen Vorrang«des Jugendschutzes festgelegt. Denn es besteht kein sektorales Totalverbot, welches die Verbreitung von Kunst an Minderjährige generell ausschließt. Vielmehr sind die einschlägigen Bestimmungen der 11 Abs. 1 und 12 Abs. 1 JuSchG als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet. Der erforderliche Ausgleich mit den Grundrechten aus Art. 5 GG erfolgt hierbei dadurch, dass gewährleistet bleibt, dass auch ein entwicklungsbeeinträchtigender Medieninhalt weiter verbreitet werden kann, sofern der zu schützende Personenkreis minderjähriger Rezipienten und Spieler dieses Angebot nicht ohne Weiteres wahrnehmen kann. Die mit der Altersfreigabe verbundenen Zugangsbeschränkungen für Minderjährige gehen nicht über die Grenzen des Erforderlichen hinaus. Der mit einer sachbezogenen Differenzierung nach Altersstufen einhergehende Eingriff in die Kunstfreiheit ist per se verhältnismäßig und durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt. Für die Prüfpraxis von FSK und USK bedeutet dies, dass der jeweilige Prüfausschuss auch im Anschluss an eine festgestellte Entwicklungsbeeinträchtigung für Jugendliche dem Kunstvorbehalt regelmäßig keine explizite Beachtung zu schenken braucht. Ist also eine Entwicklungsbeeinträchtigung für Unter-Sechzehn- oder Unter-Achtzehnjährige zu konstatieren, dann ist das Medium entsprechend mit»freigegeben ab sechzehn Jahren«oder mit»keine Jugendfreigabe«zu kennzeichnen. Der Kunstcharakter kann insoweit zwar inzident angesprochen und gewürdigt werden zum Beispiel im Zusammenhang mit Fragestellungen zur Genrezugehörigkeit und Aspekten der formalen Gestaltung; er führt aber regelmäßig nicht zu einer niedrigeren, den (bereits festgestellten) Grad der Entwicklungsbeeinträchtigung nicht zutreffend wiedergebenden Freigabeentscheidung. Lediglich in Grenzfällen, in denen der Grad der Entwicklungsbeeinträchtigung nicht eindeutig bestimmbar ist, sowie bei herausragenden Werken der Kunst kann hier das Pendel zugunsten der Kunstfreiheit ausschlagen. Für eine konsequente Umsetzung des Prüfergebnisses spricht zudem das Gebot der Klarheit und Transparenz. Schließlich sollen die Kennzeichen eine zuverlässige Auskunft über den tatsächlichen Grad der Entwicklungsbeeinträchtigung geben. Oder einfach gesprochen: Das Kennzeichen soll nicht lügen. 2. Kunstvorbehalt und Nichtkennzeichnung Deutlich differenzierter fällt der Befund jedoch aus, wenn sogar die Verweigerung der nach 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG vorgesehenen höchsten Kennzeichnung»Keine Jugendfreigabe«(»KJ-Kennzeichnung«) im Raum steht. a) Die Kennzeichnungsverbote des 14 Abs. 3 und 4 JuSchG Keine Kennzeichnung erhalten nach 14 Abs. 3 JuSchG die nach 18 JuSchG indizierten Trägermedien (antragsgebundene Indizierung) sowie jene Trägermedien, die nach 15 Abs. 2 JuSchG aufgrund schwer jugendgefährdender Inhalte den gleichen Beschränkungen unterliegen (»automatische«indizierung). Für Filmund Spielprogramme auf Bildträgern oder Bildschirmspielgeräten wird die Kennzeichnung nach 14 Abs. 4 Satz 2 JuSchG bereits dann ausgeschlossen, wenn sie, ohne indiziert zu sein, wegen jugendgefährdenden Inhalts die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Schriften erfüllen. Zur öffentlichen Vorführung vorgesehene Kinofilme sind mithin darauf zu überprüfen, ob sie schwer jugendgefährdend sind. Auf Bildträgern verfügbare Spielfilme und Computerspiele erhalten bereits dann keine Kennzeichnung, wenn eine einfache Jugendgefährdung zu besorgen ist. b) Verfassungswidrige Verlagerung des Jugendschutzes in den Erwachsenenbereich Wird bereits die generelle Vereinbarkeit der Prüfung von Erwachseneninhalten, also von solchen Medien, die sich von vornherein allein an ein erwachsenes Publikum richten (Kennzeichnungsverfahren nach 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG), mit dem Zensurverbot in der Literatur zunehmend in Frage gestellt 2 4, so legen die vorgenannten Kennzeichnungsverbote des 14 Abs. 3 und 4 JuSchG zudem einen Verstoß gegen die Kommunikationsfreiheiten einschließlich der Kunstfreiheit sowie gegen die Berufsausübungsfreiheit nahe. Degenhart 2 5 hat überzeugend dargelegt, dass der Jugendschutz mit den Kennzeichnungsverboten über sein selbst definiertes Ziel hinausschießt und gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip verstößt, da bereits mit der Kennzeichnung»Keine Jugendfreigabe«den Erfordernissen des Jugendschutzes hinreichend Rechnung getragen wird. Dieser Befund gilt im Besonderen für öffentliche Filmvorführungen, bei welchen die Kontrolle des Zugangs zum Kinosaal bereits umfassenden Jugendschutz g e w ä h r l e i s t e t. 2 6 Für den Bereich der auf Bildträgern verfügbaren Spielfilme und Computerspiele wiederum differenzieren die in 12 Abs. 3 JuSchG normierten Vertriebsbeschränkungen nicht zwischen 4 JMS-Report Oktober 5/2012

nach 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG gekennzeichneten und nicht gekennzeichneten Bildträgern. Bereits solche Bildträger, die mit»keine Jugendfreigabe«gekennzeichnet sind, dürfen über den Vertrieb Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden. Für den Filmsektor gewinnt hier schließlich auch der Umstand Bedeutung, dass 1 Abs. 2 der FSK-Grundsätze weitreichende Verpflichtungen der in der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e. V. (SPIO) zusammengeschlossenen Verbände festlegt, welche neben der ökonomischen Verwertbarkeit des Mediums auch für den Wirkbereich der Kunstfreiheit von entscheidender Relevanz sind. So ist den Filmherstellern und Filmverleihern die Weitergabe nur solcher Kinofilme zum Zwecke der öffentlichen Vorführung gestattet, die nach der vorliegenden FSK-Entscheidung öffentlich vorgeführt werden dürfen. Entsprechend dürfen Filmtheaterbesitzer nur solche Kinofilme öffentlich vorführen, die über eine gültige FSK-Freigabe verfügen. Und schließlich dürfen für die öffentliche Werbung nur solche Filmtitel Verwendung finden, die von der FSK freigegeben und dementsprechend gekennzeichnet sind. Mit den vorgenannten Selbstverpflichtungen bringt die Filmwirtschaft eine hohe Akzeptanz für den Jugendschutz zum Ausdruck. Diese Anerkennung wird durch das Kennzeichnungsverbot des 14 Abs. 3 JuSchG ohne notwendigen Anlass konterkariert. Denn ob der Kinofilm nun nach 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG mit der Kennzeichnung»Keine Jugendfreigabe«versehen wird oder ob er keine Kennzeichnung erhält, ist, wie weiter oben bereits dargelegt, aus Gründen des Jugendschutzes unerheblich. Hinzu kommt, dass Alterskennzeichnung und Indizierung als zentrale Elemente des Jugendmedienschutzes in wechselseitigem Zusammenhang stehen. So führt die Altersfreigabe über die Regelung des 18 Abs. 8 Satz 1 JuSchG zu einem Indizierungsschutz für entsprechend gekennzeichnete Trägermedien. 2 7 Das FSK- bzw. USK-Kennzeichen sorgt damit frühzeitig für die erforderliche Rechts- und Verkehrssicherheit. 28 c) Beachtung des Kunstvorbehalts bei der Nichtkennzeichnung Dem Vorgenannten zufolge fehlt es an der Verfassungskonformität der in 14 Abs. 3 und 4 JuSchG verankerten Kennzeichnungsverbote. Doch selbst wenn man in der gesetzlichen Regelung noch keine unzulässige Verlagerung des Jugendschutzes in den Bereich der Erwachseneninhalte erblicken möchte, so stellt doch jede Nichtkennzeichnung eines Mediums für den Fall, dass es der Kunst zuzurechnen ist, immerhin einen empfindlichen Eingriff in die Kunstfreiheit dar. Und ebenso wie bei der Indizierung darf der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Kunstfreiheit auch hier nicht anordnen, bei einer bestimmten Art gefährdender Medieninhalte genieße der Jugendschutz stets und ausnahmslos Vorrang. Da der Gesetzgeber die Kennzeichnungsverbote nicht mit einem ausdrücklichen Vorbehalt für Kunst versehen hat, kann hier folglich nichts anderes gelten als in dem Fall der weiter oben bereits angesprochenen»automatischen«indizierung nach 15 Abs. 2 JuSchG. 29 Die Vorschriften des 14 Abs. 3 und 4 JuSchG sind mithin verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Verweigerung der Kennzeichnung mit»keine Jugendfreigabe«nicht in Betracht kommt, wenn im Einzelfall die Belange der Kunst überwiegen. Wird ein Werk also mehr durch seinen Kunstcharakter als durch seinen jugendgefährdenden Charakter geprägt, so ist eine Nichtkennzeichnung ausgeschlossen. Etwas anderes gilt, wenn nach Einschätzung der Freiwilligen Selbstkontrolle Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Inhalte wie Gewaltverherrlichung, Volksverhetzung oder qualifizierte Pornographie (insbesondere Kinderpornographie) vorliegen. In diesen Fällen, in denen Schutzgüter wie der öffentliche Frieden oder die Menschenwürde betroffen sind, die über den Jugendschutz hinausreichen, bleibt für eine Kennzeichnung von vornherein kein R a u m. Streng genommen indiziert bei 14 Abs. 4 Satz 2 JuSchG bereits der Wortlaut eine Beachtung des Kunstvorbehalts. Denn nach dieser Vorschrift wird ein Trägermedium nicht gekennzeichnet,»wenn die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Liste vorliegen«. Diese Voraussetzungen liegen indes nicht nur dann nicht vor, wenn keine Indizierungsgründe in Gestalt einer Jugendgefährdung gegeben sind. Sie liegen vielmehr wie weiter oben bereits dargelegt 30 auch dann nicht vor, wenn zwar eine Jugendgefährdung zu konstatieren, bei der erforderlichen Abwägung der Kunst aber der Vorrang einzuräumen ist (vgl. 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG). Auch 14 Abs. 4 Satz 3 JuSchG entpflichtet die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle nicht von einer eigenständigen Abwägung zwischen Kunst und Jugendschutz. Nach dieser Vorschrift ist in Zweifelsfällen eine Entscheidung der BPjM herbeizuführen. Ein solcher Zweifelsfall liegt dann vor, wenn nach Auffassung des befassten FSK- oder USK- Prüfausschusses bei dem betreffenden Medieninhalt einer der Indizierungsgründe nicht ausgeschlossen werden kann. 3 1 Hat der Prüfausschuss dagegen das Vorliegen einer Jugendgefährdung zweifelsfrei festgestellt, dann kann er den Aspekt des Kunstvorbehalts nicht einfach aus der Hand geben. Der Antragsteller hat vielmehr gerade auch vor dem Hintergrund der vorstehend geschilderten, besonders grundrechtssensiblen Sach- und Rechtslage bis hin zum faktischen Aufführungsverbot beim Kinofilm einen Anspruch auf vollumfängliche Prüfung und Güterabwägung durch»seine«selbstkontrolleinrichtung. Ein»Kunstmonopol«der BPjM gibt es nicht. d) Praxisbezogene Ausführungen der FSK zum Kunstvorbehalt Grundsätzlich in die richtige Richtung weisen die praxisbezogenen Ausführungen der FSK zur Kriterienbildung und Begriffsbestimmung»Jugendbeeinträchtigung Jugendgefährdung«, wenn es dort heißt:»kunstvorbehalt: Der Begriff des Kunstvorbehalts spielt in der Diskussion um eine Jugendbeeinträchtigung keine explizite Rolle. Implizit wird dieser Aspekt durch die Moderation des Ständigen Vertreters und die Diskussion im Arbeitsausschuss b e z ü g- lich der Genrezugehörigkeit des F i l m s oder seiner formalen Gestaltung immer als ein Teilaspekt für die Beurteilung des Films mit angesprochen. Entscheidend ist dabei, die angenommene Wirkung des Films auf Jugendliche zu beurteilen. Bei der Frage der Grenzziehung zwischen Jugendbeeinträchtigung und Jugendgefährdung kann es nicht nur allein um die Wirkung des Films gehen, sondern auch um die formale, sprich künstlerische Ausgestaltung einer Thematik im Film. Hier kann es notwendig sein, in der Diskussion um Jugendgefährdung zwischen inhaltlicher Aussage und ihrer formalen Ausgestaltung den Aspekt des Kunstbegriffes mit abzuwägen (Filmbeispiele:»Baise Moi«Frankreich 2000,»Kill Bill«USA 2003,»Michael Bay s Texas Chainsaw Massacre«USA 2003 )«. 32 Indes kann es bei der Anwendung des Kunstvorbehalts nicht um die»grenzziehung zwischen Jugendbeeinträchtigung und Jugendgefährdung«gehen. Kunst und Jugendgefährdung schließen sich ebenso wenig aus wie Kunst und Pornographie oder wie Kunst und Gewalt. Auch ein jugendgefährdendes Medium JMS-Report Oktober 5/2012 5

kann Kunst sein. Umgekehrt nimmt die Kunsteigenschaft dem Medieninhalt nicht seinen gefährdenden Charakter. Die Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle muss also zunächst Farbe bekennen und für den Fall, dass eine Jugendgefährdung zu konstatieren ist, dies in ihren Prüfentscheiden auch unmissverständlich kenntlich machen. Ist bei der sodann anstehenden Abwägung im Einzelfall jedoch ggf. der Kunst der Vorrang einzuräumen, so ist der Spielfilm bzw. das Computerspiel trotz festgestellter Jugendgefährdung nach 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG zu kennzeichnen, soweit nicht zugleich Anhaltspunkte für eine Verletzung des Kernstrafrechts ( 86, 130, 130a, 131, 184 bis 184c StGB) vorliegen. Alles andere hat mit dem verfassungsrechtlichen Aspekt des Kunstvorbehalts wenig zu tun. e) Anhörung der betroffenen Personen Zur Feststellung des künstlerischen Wertes im konkreten Einzelfall ist regelmäßig eine Anhörung der betroffenen Personen notwendig, sofern dies nicht unangemessen ist. 33 Anzuhören sind nicht zwingend die Künstler selbst. Die anzuhörenden Personen müssen allerdings typischerweise in der Lage sein, etwas über die in dem Kunstwerk umgesetzten, von einer etwaigen N i c h t k e n n- zeichnung betroffenen Belange der Kunstfreiheit im Widerstreit zu den Belangen des Jugendschutzes auszusagen. Dies sind regelmäßig diejenigen Personen, die an der Herstellung des Kunstwerks schöpferisch oder unternehmerisch mindestens beteiligt waren. Eine unzureichende Ermittlung der widerstreitenden Belange hat zwangsläufig ein Abwägungsdefizit und damit die Rechtswidrigkeit der Prüfentscheidung zur Folge. 34 Die Anhörung kann jedoch unterbleiben, wenn fundamentale Belange des Jugendschutzes offenkundig überwiegen. 35 V. Exkurs: Bedeutung des Kunstvorbehalts im Anwendungsbereich des JMStV Für den Anwendungsbereich des J u g e n d m e d i e n s c h u t z - S t a a t s v e r t r a g s (JMStV) wiederum hat die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Landesmedienanstalten von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass der dort gänzlich unerwähnt gebliebene Kunstvorbehalt bei jedweder Beschränkung der Rezeptionsmöglichkeiten angefangen mit einer Sendezeitbeschränkung bis hin zum totalen Sendeverbot Berücksichtigung zu finden hat. So heißt es in den Kriterien der KJM für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien mit Stand August 2010:» Auch wenn im JMStV im Unterschied zum JuSchG keine ausdrückliche jugendschutzrechtliche Antwort auf die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre enthalten ist, so bestimmen diese verfassungsrechtlichen Freiheiten dennoch auch die Auslegung des Staatsvertrages. Namentlich müssen Angebote im Rundfunk und in T e l e- medien, die Kunst i. S. des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sind, nach Maßgabe der Verfassungsnorm gegen ein Verbot oder eine Beschränkung ihrer Rezeptionsmöglichkeiten geschützt sein. Die Verbote nach 4 JMStV und die Beschränkungen nach 5 JMStV greifen nämlich in den durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Wirkbereich der Kunst ein Ist bei der Abwägung der Kunst der Vorrang einzuräumen, so ist ein Angebot im Rundfunk oder in einem Telemedium trotz ggf. schwerer Jugendgefährdung ausnahmsweise abweichend von 4 f. JMStV nicht unzulässig. Überwiegt dagegen die Jugendgefährdung, so darf auch ein Kunstwerk nicht oder nur nach den Maßgaben des 4 Abs. 2 und des 5 JMStV im Rundfunk oder in einem Telemedium verbreitet oder zugänglich gemacht werden «36 VI. Fazit Auch ohne einfachgesetzliche Verankerung des Kunstvorbehalts in den einschlägigen Vorschriften des JuSchG zur Altersfreigabe und zur Kennzeichnung kann der Verfassungsgrundsatz für die Prüfentscheidungen von FSK und USK Bedeutung erlangen. Steht lediglich eine Entwicklungsbeeinträchtigung für Kinder und Jugendliche in Rede, dann braucht der jeweilige Prüfausschuss dem Kunstvorbehalt zwar regelmäßig keine ausdrückliche Beachtung zu schenken. Denn der im JuSchG vorgesehene, mit einer sachbezogenen Differenzierung nach Altersstufen verbundene Eingriff (auch) in die Kunstfreiheit ist verhältnismäßig bzw. durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt. Ausnahmen sind insoweit möglich bei herausragenden Werken der Kunst. Zudem ist der Aspekt der Kunst in Grenzfällen, in denen der Grad der Entwicklungsbeeinträchtigung nicht eindeutig bestimmbar ist, mit in die Waagschale zu werfen. Besondere Bedeutung erlangt der Kunstvorbehalt aber in den Fällen, in denen die Verweigerung der nach 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG vorgesehenen höchsten Kennzeichnung»Keine Jugendfreigabe«auf der Grundlage der Kennzeichnungsausschlussgründe des 14 Abs. 3 und 4 JuSchG im Raum steht. Stellt die Freiwillige Selbstkontrolle eine Jugendgefährdung fest, so darf die Kennzeichnung des Mediums mit»keine Jugendfreigabe«gleichwohl nicht versagt werden, wenn es sich (1.) bei dem Werk um Kunst handelt und (2.) bei der Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz im konkreten Einzelfall die Belange der Kunst überwiegen. Zur Ermittlung der widerstreitenden Belange müssen diejenigen Personen, die an dem Kunstwerk schöpferisch und/oder unternehmerisch mitgewirkt haben, soweit möglich angehört werden. Der mit den Kennzeichnungsverboten des 14 Abs. 3 und 4 JuSchG verbundenen verfassungswidrigen Verlagerung des Jugendschutzes in den Bereich der E r w a c h s e n e n i n h a l t e kann dagegen nur de lege ferenda Rechnung getragen werden. Der vorstehende Beitrag baut auf einen Vortrag auf, den der Autor anlässlich der Tagung der Jugendschutzsachverständigen der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) am 31. Mai 2012 in Berlin gehalten hat. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 1 Vgl. BVerwGE 23, 104, 109 f. = NJW 1966, 2 3 7 4. 2 Vgl. BVerfG, NJW 1991, 1471, 1472 f. Josefine Mutzenbacher; BGH, NJW 1990, 3026, 3028 Opus Pistorum ; BVerwGE 91, 223, 225; siehe hierzu auch von Gottberg, in: Wandtke, Medienrecht, Praxishandbuch, 2. Aufl. 2011, Band 4, Kapitel 4, Jugendmedienschutz (ohne Strafrecht), Rn. 3. 3 So ausdrücklich BVerfG, NJW 1991, 1471, 1472 f. Josefine Mutzenbacher sowie BGH, NJW 1990, 3026, 3028 Opus P i s t o r u m. 4 S t a r c k, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Band 1, Art. 5 Abs. 3 Rn. 344, unter Bezugnahme auf BVerfGE 30, 336, 354. 5 Vgl. J a r a s s, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 12. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 115. 6 Siehe hierzu auch E r d e m i r, Filmzensur und Filmverbot Eine Untersuchung zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrechtliche Filmkontrolle im Erwachsenenbereich, 2000, S. 17, 123. 7 BVerfGE 67, 213, 225 Anachronistischer Z u g. 8 BVerfGE 67, 213, 226 f. Anachronistischer Zug. 9 BVerfG, NJW 1991, 1471 Josefine Mutz e n b a c h e r. 10 Dass die pauschale Annahme einer Exklusivität der Kategorien»Ego-Shooter«und»Kunst«nicht durchführbar ist, war jüngst auch einhelliger Konsens unter den Teil- 6 JMS-Report Oktober 5/2012

Kurznachrichten nehmern des Eröffnungspanels auf dem gamescom congress 2012 am 16. August 2012 in Köln; vgl. hierzu J u n g e n, In der digitalen Kirche, F.A.Z. vom 18.08.2012 (Nr. 192), S. 34 sowie L a u m a n n, Kunstwerke und Hightechprodukte, GamesMarkt 18/2012, S. 36 f. 11 Instruktiv hierzu Z i m m e r m a n n / G e i ß l e r (Hrsg.), Streitfall Computerspiele: Computerspiele zwischen kultureller Bildung, Kunstfreiheit und Jugendschutz, 2. Aufl. 2008, abrufbar unter http://www.kulturrat. d e / d o k u m e n t e / s t r e i t f a l l - c o m p u t e r s p i e l e. p d f 12 Vgl. hierzu G ö t t l i c h, Online-Spiele im Spiegel des Medien- und Urheberrechts, IRIS plus, S. 5, Redaktionsbeilage von IRIS, Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, Ausgabe 10/2007. 13 Siehe unten Ziff. IV.2.e. 14 Vgl. hierzu D e g e n h a r t, V e r f a s s u n g s f r a g e n des Jugendschutzes beim Film, UFITA 2009, S. 331, 370 f. sowie G u t k n e c h t, in: Nikles/Roll/Spürck/Erdemir/Gutknecht (im Folgenden: Nikles et al.), Jugendschutzrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2011, 14 JuSchG Rn. 20 f. 15 FSK-Broschüre, S. 19, abrufbar unter http:// www.spio.de/media_content/2010. pdf. 16 Vgl. A l t e n h a i n, in: Löffler, Presserecht, Kommentar, 5. Aufl. 2006, 18 JuSchG Rn. 54. 17 BVerfG NJW 1991, 1471, 1472 Josefine M u t z e n b a c h e r. 18 Vgl. hierzu A l t e n h a i n, in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006, 15 JuSchG Rn. 9; L i e s c h i n g / S c h u s t e r, Jugendschutzrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2011, 15 JuSchG Rn. 96; S p ü r c k / E r d e m i r, in: Nikles et al., Jugendschutzrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2011, 15 JuSchG Rn. 36; S t u m p f, Jugendschutz oder Geschmackszensur? Die Indizierung von Medien nach dem Jugendschutzgesetz, 2009, S. 207 f. sowie U k r o w, Jugendschutzrecht, 2004, Rn. 325. 19 VG Köln, ZUM-RD 2/2012, 111, 114. 20 Eine Exklusivität von Pornographie und Kunst ausdrücklich verneinend BVerfG, NJW 1991, 1471 Josefine Mutzenbacher sowie BGH, NJW 1990, 3026, 3027 Opus P i s t o r u m. 21 Vgl. F i s c h e r, StGB, Kommentar, 59. Aufl. 2012, 131 Rn. 19 ff. sowie L e n c k n e r / S t e r n b e r g - L i e b e n, in: Schönke/Schröder, S t G B, Kommentar, 28. Aufl. 2010, 131 Rn. 17. 22 Näher hierzu E r d e m i r, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, Kommentar, 2. Aufl. 2011, 4 JMStV Rn. 30 und 34; siehe auch S p ü r c k / E r d e m i r, in: Nikles et al., Jugendschutzrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2011, 15 JuSchG Rn. 36 und 70. 23 Ähnlich deutlich L e n c k n e r / S t e r n b e r g - L i e b e n, in: Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 28. Aufl. 2010, 130 Rn. 25 sowie F i s c h e r, StGB, Kommentar, 59. Aufl. 2012, 130 Rn. 46; siehe auch S c h ä f e r, in: Münch- Komm-StGB, Kommentar, 2. Aufl. 2012, 130 Rn. 105 ff., 108. 24 Eingehend zur Verfassungswidrigkeit der Prüfung von Erwachseneninhalten durch die FSK E r d e m i r, Filmzensur und Filmverbot Eine Untersuchung zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrechtliche Filmkontrolle im Erwachsenenbereich, 2000, S. 180 ff.; beipflichtend G u t k n e c h t, in: Nikles et al., Jugendschutzrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2011, 14 JuSchG Rn. 5 sowie L i e s c h i n g / S c h u s t e r, Jugendschutzrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2011, 11 JuSchG Rn. 11; ähnlich Degenh a r t, Verfassungsfragen des Jugendschutzes beim Film, UFITA 2009, S. 331, 365 ff., 379 f. (»zensurgleiche Wirkungen«); kritisch auch C o l e, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht Recht der elektronischen Massenmedien, 2008, S. 243. 25 D e g e n h a r t, Verfassungsfragen des Jugendschutzes beim Film, UFITA 2009, S. 331, 331, 369 ff. 26 D e g e n h a r t, Verfassungsfragen des Jugendschutzes beim Film, UFITA 2009, S. 331, 373 ff.; im Ergebnis ebenso von Wahlert, in: Klimpel, Bewegte Bilder starres Recht? Das Filmerbe und seine rechtlichen Rahmenbedingungen, 2011, Kap. 13, Jugendschutz, S. 145, 150 f. 27 Siehe hierzu R o l l, in: Nikles et al., Jugends c h u t z r e c h t, Kommentar, 3. Aufl. 2011, 18 JuSchG Rn. 19. 28 Vgl. von Wahlert, in: Klimpel, Bewegte Bilder starres Recht? Das Filmerbe und seine rechtlichen Rahmenbedingungen, 2011, Kap. 13, Jugendschutz, S. 145, 150. 29 Siehe oben Ziff. II.2. 30 Siehe oben Ziff. II.1. 31 L i e s c h i n g / S c h u s t e r, Jugendschutzrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2011, 14 JuSchG Rn. 37. 32 Die praxisbezogenen Ausführungen der FSK zur Kriterienbildung und Begriffsbestimmung sind unter http://www.spio.de/ media_content/856.pdf abrufbar als Anlage zur Stellungnahme der FSK vom 09.04. 2008 zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes (Drs. 16/8546). 33 BVerwG NJW 1999, 75, 76; 78 Lost Girls; siehe auch J a r a s s, in: Jarass/Pieroth, 12. Aufl. 2012, Art. 5 GG Rn. 115; A l t e n h a i n, in: Löffler, Presserecht, Kommentar, 5. Aufl. 2006, 18 JuSchG Rn. 60 sowie U k r o w, Jugendschutzrecht, 2004, Rn. 308; dort jeweils für die Indizierung jugendgefährdender Videofilme. 34 Vgl. BVerwG NJW 1999, 75, 76. 35 BVerwG NJW 1999, 75, 77, 79; siehe hierzu auch A l t e n h a i n, in: Löffler, Presserecht, Kommentar, 5. Aufl. 2006, 18 JuSchG Rn. 60. 36 Kriterien der KJM für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien mit Stand August 2010, S. 45 ff.; abrufbar unter w w w. k j m - o n l i n e. d e. Urteil AG Kassel: Admin-C haftet für J u g e n d s c h u t z v e r s t ö ß e Das Amtsgericht Kassel hat in einem rechtskräftigen Urteil vom 17. Februar 2012 (Az.: 370 OWi 4660 Js 29029/11) den bei der Vergabestelle DENIC eg registrierten administrativen Ansprechpartner (»Admin-C«) einer Domain, deren Inhaber seinen Sitz im Ausland unterhält und auf der unter dieser Domain zugänglichen Website eine deutschsprachige Handelsplattform für Filme und Spiele auf Bildträgern betreibt, wegen Verstoßes gegen den JMStV zu Geldbußen in insgesamt vierstelliger Höhe verurteilt. Der Bußgeldsache liegt ein Bescheid der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen) auf der Grundlage eines Prüfverfahrens der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zu Grunde. In dem Bußgeldbescheid wird der inländische Admin-C vor allem wegen unzulässiger Werbung für indizierte A n- gebote nach 6 Abs. 1 i. V. mit 24 Abs. 1 Nr. 5 JMStV zur Verantwortung gezogen. Bereits die Registrierung als Admin-C stelle einen kausalen Beitrag für das Angebot dar, da es ohne einen administrativen Ansprechpartner mit Sitz in Deutschland für den ausländischen Betreiber der Website nicht möglich sei, eine DE-Domain zu unterhalten. Da der Betroffene zudem bereits durch jugendschutz.net konkret auf den rechtswidrigen Zustand der von ihm administrativ betreuten Seite hingewiesen worden und auch nach Kenntniserlangung wissentlich und willentlich nicht aktiv geworden sei, trage er adäquat kausal zu den Störungen bei, die von der maßgeblichen Domain ausgehen. Das AG Kassel ist dieser Auffassung mit seinem ohne schriftliche Begründung ergangenen Urteil gefolgt. Dass auch der Admin-C als beteiligter Dritter ähnlich der Haftungslage für Host- Provider von den Gerichten für Jugendschutzverstöße zur Verantwortung gezogen wird, ist kein Novum. So hatte mit dem AG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 14.03.2007, Az.: 5 Cs 23 Js 2841/06 = MMR 2007, 402) erstmals ein Strafgericht eine als Admin-C eingetragene Person zu einer Geldstrafe wegen Zugänglichmachens pornographischer Inhalte an Minderjährige rechtskräftig verurteilt. Hiern a c h macht sich der zum Tatzeitpunkt bei der DENIC registrierte administrative Ansprechpartner eines frei im Internet abrufbaren pornographischen Angebots nach 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, wenn er von dem rechtswidrigen Zustand wusste und es willentlich unterlassen hat, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. D N JMS-Report Oktober 5/2012 7