W i n t e r t h u r. An den Grossen Gemeinderat. Winterthur, 17. März 2004 Nr. 2003/079

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Transkript:

Winterthur, 17. März 2004 Nr. 2003/079 An den Grossen Gemeinderat W i n t e r t h u r Beantwortung der Interpellation betreffend Kontrollstelle gegen Sozialhilfe-Missbrauch, eingereicht von Gemeinderat Herbert Iseli (EDU) und Gemeinderätin Natalie Rickli (SVP) Am 22. September 2003 reichten Gemeinderat Herbert Iseli (EDU) und Gemeinderätin Natalie Rickli namens der SVP Fraktion mit 22 Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichnern die folgende Interpellation ein: Zeitungsmeldungen haben an den Tag gebracht, dass das Sozialdepartement keine wirkliche Kontrolle bei Sozialhilfebezüger(innen) ausübt. Es gibt keine Nachkontrolle und Nachprüfungen der tatsächlichen Verhältnisse der Bezüger(innen). Gemäss Interpellationsantwort 1999/022 wurden in den Jahren 1994-1998 63 Missbrauchsfälle mit einem Schaden von Fr. 464'181.- beziffert. In der Bevölkerung wächst der Unmut, dass der Anspruch auf Sozialhilfegelder nicht konsequent überprüft wird. Im Ausland wird, bspw. mittels Hausbesuchen, abgeklärt, ob der Anspruch der Sozialhilfe rechtens ist. Eine richtige Kontrolle ist für die Stadt Winterthur, die immer mehr Sozialfälle zu verzeichnen hat, unserer Meinung nach unabdingbar. Das veranlasst uns zu folgenden Fragen: 1. Wie hoch (in Franken) werden die Missbräuche bei der Sozialhilfe in den Jahren 2001 und 2002 geschätzt? 2. Wieviele neue bekannte Fälle im Sozialhilfe-Missbrauch hat die Stadt Winterthur in den Jahren 2001 und 2002 zu verzeichnen? 3. Ist der Stadtrat bereit, eine vom Departement Soziales unabhängige und kostenneutrale Kontrollstelle/Kontrollorgan gegen Sozialhilfe-Missbrauch einzurichten? 4. Wie würde eine solche Kontrollstelle funktionieren und wo würde sie angegliedert? 5. Was hält der Stadtrat davon, wie im Ausland üblich, sogenannte verdeckte Ermittler einzusetzen? Der Stadtrat erteilt folgende Antwort: Unabhängig vom Ausmass richtet jeder missbräuchliche Bezug von Sozialhilfeleistungen Schaden an: finanziell, aber auch politisch und ideell. Der Stadtrat verurteilt deshalb jeglichen missbräuchlichen Bezug von Sozialhilfe scharf und trägt der Missbrauchsbekämpfung auf allen Ebenen konsequent Rechnung. Die Fachleute der Sozialberatung gehen jedem Verdacht auf Missbrauch nach und überprüfen laufend ihre konsequente und transparente Praxis zur Vermeidung und Ahndung von Missbrauch unter Berücksichtigung der rechtsstaatlichen Anforderungen und der methodischen Überlegungen der Sozialarbeit. Arten des Sozialhilfemissbrauchs Im landläufigen Sinne werden unter dem Begriff Sozialhilfemissbrauch sehr unterschiedliche Sachverhalte verstanden:

2 1. Das Erschleichen von Leistungen durch falsche, unvollständige Angaben zu den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen. Als Beispiele: Verschweigen von Erwerbseinkommen aus Schwarzarbeit oder von Vermögenswerten, falsche Angaben zur Zusammensetzung des Haushalts, nicht deklarierter Bezug von Versicherungsleistungen. 2. Die zweckwidrige Verwendung von Leistungen. Als Beispiel: Für Mietzinszahlung bestimmte Sozialhilfe wird zur Schuldentilgung verwendet. 3. Das schuldhafte Herbeiführen einer Notlage, die zu einem rechtmässigen Sozialhilfebezug führt. Als Beispiel: Einkommen und Vermögen werden im Casino verspielt, die daraus resultierende wirtschaftliche Notlage berechtigt zum Sozialhilfebezug. 4. Passives und unkooperatives Verhalten: Als Beispiel: Arbeitsfähige Person nimmt Stelle nicht an oder verweigert Teilnahme in Beschäftigungsprogrammen. Das kantonale Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz) vom 14. Juni 1981 (SHG) definiert in 26 den unrechtmässigen Bezug von Sozialhilfe sehr eng: Wer unter unwahren oder unvollständigen Angaben wirtschaftliche Hilfe erwirkt hat, ist zur Rückerstattung verpflichtet. Lediglich diese gesetzliche Umschreibung des Missbrauchs bietet die Möglichkeit, rechtswidriges Verhalten zu qualifizieren und zu ahnden. Von den oben beschriebenen Missbrauchsbeispielen erfüllt nur der erste Sachverhalt (Ziffer 1) den Tatbestand des unrechtmässigen Bezugs im Sinne des Gesetzes und ermöglicht der Sozialberatung das Einschreiten gegen missbräuchliches gesetzwidriges Verhalten. Bei den in Ziffern 2, 3 und 4 beschriebenen Sachverhalten setzt die Sozialberatung andere Sanktionierungsinstrumente ein (Auflagen, Leistungskürzungen). Zur Zeit ist im Zürcher Kantonsrat eine Motion hängig, die eine Änderung von 26 SHG anstrebt 1, im Sinne einer Ausweitung des Missbrauchssachverhaltes auf zweckwidrige Verwendung von Sozialhilfeleistungen. Um Missbrauch wirkungsvoll vorzubeugen, wurden in der Praxis der Sozialberatung Winterthur bereits hohe Hürden eingebaut: - Standardisierte und umfassende Abfragen zu Einkommens- und Vermögenssituation (inkl. Fahrzeugbesitz) bei allen neuen Fällen und bei allen Unterstützungsverlängerungen. - Bei Verdacht auf missbräuchlichen Leistungsbezug vertiefte Einzelfallkontrollen. - Leistungsvereinbarungen und Auflagen, um bei der Überprüfung der Mitwirkung auf allfälligen Missbrauch zu stossen. Bei Verdacht auf Schwarzarbeit müssen sämtliche Bank- und Postcheckauszüge vorgelegt werden, oder es erfolgt eine Zuweisung in ein Beschäftigungsprogramm, um die allfällige Schwarzarbeit abzubrechen. 1 Motion KR-NBr. 225/2003 von Emy Lalli (SP), Urs Lauffer (FDP) und Hansruedi Bär (SVP): Im Sozialhilfegesetz (SHG) ist 26 mit folgendem Absatz zu ergänzen: Rückerstattungspflichtig ist auch, wer zweckgebundene Leistungen entgegen einer entsprechenden Anordnung der Fürsorgebehörde zweckwidrig verwendet und dadurch eine Doppelzahlung der Fürsorgebehörde erwirkt. Begründung: Wenn unterstützte Personen zweckgebunden ausgerichtete Unterstützungsleistungen (primär Leistungen für die Bezahlung der Miete, Krankenkassenprämien) anderweitig verwenden, führt dies meist dazu, dass die gleichen Leistungen von den Sozialdiensten ein zweites Mal ausgerichtet werden müssen, um zum Beispiel die Kündigung einer günstigen Wohnung zu vermeiden. Solche Doppelzahlungen wurden bisher in der Stadt Zürich von den unterstützenden Personen zurückgefordert. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat nun aber mit einem Entscheid festgehalten, dass Fremdverwendung von tatsächlich benötigter finanzieller Sozialhilfe keinen Grund zu deren Rückerstattung gestützt auf 26 SHG bildet.

3 - Ändern des Auszahlungsmodus: Direkte Einzahlung, kürzere Auszahlungsperioden. - Kürzung der Unterstützungsleistungen: Bei grober Pflichtverletzung werden die Leistungen entsprechend den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe gekürzt. - Rückerstattung der unrechtmässig bezogenen Sozialhilfe: Durch Abzug von der laufenden Sozialhilfe oder Rückzahlung in Raten nach Unterstützungsabschluss wird die Rückerstattung eingefordert. - Strafanzeige wegen Betruges gemäss Art. 148 StGB: Besteht Verdacht auf Betrug, wird Strafklage erhoben (Für eine strafrechtliche Verfolgung des missbräuchlichen Sozialhilfebezugs müssen jedoch alle Tatbestandsmerkmale des Betrugs erfüllt sein). Bei allen Sanktionen muss das Verhältnismässigkeitsprinzip gewahrt bleiben, insbesondere darf das Grundrecht auf Existenzsicherung 2 nicht tangiert werden. Daraus ergibt sich, dass auch bei Kürzungen der Unterstützungsansätze wegen missbräuchlichem Sozialhilfebezug das verfassungsmässige Recht auf eine menschenwürdige Existenz beachtet werden muss. Zu den einzelnen Fragen: Vorbemerkung zu Fragen 1 und 2: Die Interpellanten erkundigen sich in Frage 1 und 2 nach den durch missbräuchlichen Sozialhilfebezug verursachten Mehrkosten (Missbrauchsschäden) und nach den neu aufgedeckten Missbrauchsfällen (Missbrauchsquote) in den Jahren 2001 und 2002. Aus folgenden Gründen beschränken sich die Antworten jedoch auf das Jahr 2003: Die Grundlagen für eine qualitativ hochwertige Beantwortung der Fragen 1 und 2 bezogen auf die Jahre 2001 und 2002 müssten aus den Akten einzeln eruiert werden. Dieser Aufwand ist bei der aktuell hohen Arbeitsbelastung ohne externe Unterstützung nicht zu leisten. Um der Behandlung von Missbrauchsfällen nach heutigen Controlling-Ansprüchen gerecht zu werden, wurden diverse Instrumente und neue Abläufe eingeführt. Seit dem 1. Januar 2003 werden alle Fälle 3 von Rückforderungen zentral erfasst, indem in der Buchhaltung pro Fall eine Sollstelle ( Schuld-Konto ) eröffnet wird. So kann auf einfache Weise jederzeit die Restschuld abgefragt werden. Zudem unterschreiben die Klientinnen und Klienten bei unrechtmässigem Bezug immer eine Schuldanerkennung, die ebenfalls zentral abgelegt wird. Daraus sind die Umstände des Missbrauchs ersichtlich. Seit Mitte 2002 werden die monatlichen Bedarfsbudgets der Klientinnen und Klienten elektronisch in der Fallapplikation ROFA geführt. Kürzungen werden vom laufenden Sozialanspruch abgezogen und regelmässig in die zentrale Buchhaltung übertragen. Bei Fallabschluss werden die Abzahlungsmodalitäten betreffend Restschuld neu geregelt. Dank dieser Massnahmen ist die Sozialberatung in der Lage, Angaben zur Häufigkeit, zum Umfang der missbräuchlich bezogenen Sozialhilfe und zur Höhe der Rückerstattungen zu machen. Nebst anderen Massnahmen hat die transparentere Darstellung zur Folge, dass sich der ausgewiesene allgemeine Rückerstattungsbetrag (inkl. freiwillige Rückzahlungen von KlientInnen, Rückerstattungen aus Erbschaften und Nachlässen so- 2 Art. 12 Bundesverfassung (BV) 3 Mit Ausnahme von kleinen Beträgen, die in den nächsten drei Monaten durch Verrechnung mit dem laufenden Bezug vollständig zurückerstattet werden können.

4 wie Rückzahlungen von Mietzinsdepots) im Jahre 2003 bereits stark erhöht hat (von Fr. 480 845.-- auf Fr. 915 721.--). Zur Frage 1: Wie hoch (in Franken) werden die Missbräuche bei der Sozialhilfe in den Jahren 2001 und 2002 geschätzt? Weil Schätzungen zum Ausmass der Missbrauchsschäden extrem schwierig sind, wird an dieser Stelle auf eine Schätzung der Dunkelziffer verzichtet. Eine der wenigen Untersuchungen zum Sozialhilfemissbrauch in Deutschland zeigt auf, dass Schätzungen von Experten zu Umfang und Höhe des Sozialhilfemissbrauchs sehr weit auseinander liegen. Die Höhe der Missbrauchsschäden wurde pro Jahr und pro Sozialberater/in zwischen 2'500 Euro und 50'000 Euro geschätzt. Als am Missbrauch beteiligt wurden zwischen 1 und 50% der Sozialhilfebeziehenden geschätzt 4. Die empirische Untersuchung im gleichen Landkreis ergab dann eine tatsächliche Missbrauchsquote von 3.1%. Die folgende Aufstellung zeigt die Missbrauchschäden (brutto und netto) der unter den Vorbemerkungen erwähnten, aufgedeckten Fälle im Jahr 2003 nach Missbrauchsformen. Der Gesamtschaden am Stichtag vom 31. Dezember 2003 beträgt Fr. 260 920.--, somit 0.5 % vom Brutto-Unterstützungsaufwand der gesetzlichen Hilfe (Fr. 49'400'323.--). Nach Rückerstattungen in der Höhe von Fr. 98'020.-- verbleibt eine Restschuld von Fr. 162'900.--. Über das Jahr 2003 entspricht dies einer Rückerstattungsquote von 38%. Form 19 Fälle 211'530.- 82 170.- 129'360.- Davon 11 Fälle über 5'000.- Einkommen: falsche/keine Angaben Sozialversicherungsleistungen: falsche/keine Angaben oder Zweckentfremdung Haushaltzusammensetzung: falsche Angaben Anzahl Fälle Schaden Rückerstattung Restschuld Bemerkungen 15 Fälle 37'910.- 11'830.- 26'080.- Davon 2 Fälle über 5'000.- 6 Fälle 11'480.- 4 020.- 7'460.- Alle Fälle unter 5'000.- Total 40 Fälle 260'920.- 98'020.- 162'900.- Rückerstattungsquote: 38% 4 Löffler, Berthold, Pauschalierung als Strategie gegen den Sozialhilfemissbrauch, in: Sozialmagazin, 27.Jg., H. 2, Februar 2002.

5 Zur Frage 2: Wieviele neue bekannte Fälle im Sozialhilfe-Missbrauch hat die Stadt Winterthur in den Jahren 2001 + 2002 zu verzeichnen? Im Jahr 2003 hat die Sozialberatung 40 neue Fälle von missbräuchlichem Sozialhilfebezug aufgedeckt und bearbeitet. Dies ergibt eine Missbrauchsquote von 1.4% aller im Berichtsjahr behandelten Fälle (2 845). In 15 Fällen unterliessen es Sozialhilfebeziehende Einkommen zu melden, oder sie deklarierten ihr Erwerbseinkommen nicht korrekt. Es handelt sich beispielsweise um nicht gemeldetes Einkommen aus Schwarzarbeit, welches in der Bedarfsrechnung hätte verrechnet werden sollen, oder eine Gelegenheitsarbeit wurde zu spät gemeldet, so dass die Unterstützungsleistung im betreffenden Monat zu hoch ausfiel. In 19 Fällen wurde der Bezug von Sozialversicherungsleistungen oder von Alimentenzahlungen nicht oder nicht korrekt gemeldet, z. B. IV-Nachzahlungen oder ALV-Taggelder, welche ohne Wissen der Sozialberatung direkt an die Sozialhilfebeziehenden ausbezahlt werden 5. Da solche Nachzahlungen vielfach für eine längere Zeitperiode ausgerichtet werden, weisen Missbräuche in dieser Kategorie hohe Beträge pro Fall aus. Hingegen ist die Wahrscheinlichkeit grösser, einen grossen Teil dieser Beträge wieder einzuholen, weil die Sozialberatung jeweils sofort veranlasst, dass weitere Sozialversicherungsleistungen (z. B. Zusatzleistungen zur IV-Rente) abgetreten werden, und so der geschuldete Betrag getilgt werden kann. Bei 6 weiteren Fällen von unrechtmässigem Bezug wurden die persönlichen Verhältnisse nicht wahrheitsgetreu gemeldet. Zum Beispiel wird angegeben, dass im Haushalt zwei statt drei Personen wohnen oder die Meldung, dass ein Kind nicht mehr im Haushalt lebt, wird unterlassen. Wenn keine Änderung in den Meldedaten der Einwohnerkontrolle erfolgt, kann dies zur Folge haben, dass die Unterstützungsleistung unter Umständen über mehrere Monate zu hoch ausfällt. Zur Frage 3: Ist der Stadtrat bereit, eine vom Departement Soziales unabhängige und kostenneutrale Kontrollstelle/Kontrollorgan gegen Sozialhilfe-Missbrauch einzurichten? Das Sozialhilfegesetz betraut in 6 und 7 die kommunalen Fürsorgebehörden mit der Gewährleistung der persönlichen und wirtschaftlichen Hilfe. In der Stadt Winterthur regelt die Geschäftsordnung der Fürsorgebehörde die Organe und deren Zuständigkeiten abschliessend. Eine vom Departement Soziales und von der Fürsorgebehörde losgelöste Kontrollstelle ist in diesen Bestimmungen nicht vorgesehen, denn es ist die dafür gewählte Fürsorgebehörde, welche die Funktion der Kontrolle innehat. Für eine wirksame Missbrauchskontrolle sind weitgehende Abklärungen im Einzelfall erforderlich. Besonders schützenswerte Personendaten müssten deshalb von der Sozialberatung an die unabhängige Kontrollstelle weiter gereicht werden. Diese Weitergabe von sensiblen Daten braucht eine gesetzliche Grundlage. Gleichzeitig muss das Verhältnismässigkeitsprinzip gewahrt bleiben, was die Weitergabe sensibler Daten ledglich in schwerwiegenden Fällen rechtfertigt. In Anbetracht der fehlenden gesetzlichen Grundlage und der 5 Dieser Sachverhalt kann beispielsweise eintreten, wenn Sozialhilfebeziehende, die in aller Regel handlungsfähig sind, ohne Meldung an die Sozialberatung Sozialversicherungsleistungen beantragen und diese auch zugesprochen bekommen.

6 vergleichsweisen tiefen Missbrauchsquoten sind die erforderlichen Voraussetzungen für die Schaffung einer externen Kontrollstelle nicht erfüllt. Die Fürsorgebehörde Winterthur ist sich ihrer Verantwortung für die Gewährleistung des rechtmässigen Sozialhilfebezugs bewusst. Insbesondere ihre Geschäftsprüfungskommission übt Funktionen im Kontrollbereich aus. Die durch die Sozialberatung praktizierte konsequente Ahndung von Missbrauch wird von der Fürsorgebehörde beaufsichtigt. Die Mitglieder der Fürsorgebehörde haben sich in einer auf schriftlichem Weg durchgeführten Befragung im Januar dieses Jahres dafür ausgesprochen, dass sie zusammen mit der Verwaltung die bisherige Praxis im Umgang mit Sozialhilfemissbrauch überprüfen wollen und wenn nötig ein Konzept ausarbeiten werden, das zusätzliche Massnahmen und organisatorische Anpassungen zur Verhinderung von Sozialhilfemissbrauch vorsieht. Zur Kostenneutralität: Festzuhalten ist, dass auch ein interner Kontrollausbau nicht kostenneutral erfolgen kann. Falls die Fürsorgebehörde ihre Bemühungen im Bereich der Missbrauchsbekämpfung verstärkt, sind entweder Mitglieder zeitlich vermehrt gefordert, was wiederum den Umfang der Sitzungsentschädigungen beeinflusst, oder der Stellenetat der Sozialberatung müsste erweitert werden (um zeitaufwendige Vorarbeiten leisten zu können). Zur Frage 4: Wie würde eine solche Kontrollstelle funktionieren und wo würde sie angegliedert? Aus der Antwort auf Frage 3 ergibt sich, dass der Stadtrat keine von der Fürsorgebehörde unabhängige Kontrollstelle einrichten kann, weil das Sozialhilfegesetz die Übertragung der gesamten Sozialhilfeaufgaben, mitunter auch der Missbrauchsbekämpfung an eine externe Stelle, nicht zulässt. Im übrigen liegt es in der Kompetenz der Behörde selbst, alle erforderlichen Massnahmen zur Vermeidung und Ahndung von missbräuchlichem Sozialhilfebezug zu treffen. Zur Frage 5: Was hält der Stadtrat davon, wie im Ausland üblich, verdeckte Ermittler einzusetzen? Wie schon in zur Frage 3 ausgeführt, ist die Weitergabe von besonders schützenswerten Personendaten zur Abklärung eines Missbrauchsverdachts sehr heikel. Die Bekanntgabe solcher Daten an private Ermittler ist daher ausgeschlossen. Bei begründetem, starkem Verdacht auf Sozialhilfemissbrauch können die Sozialhilfeorgane schon heute (wenn ein hoher Missbrauchsschaden vermutet wird) einen Abklärungsauftrag an die Stadtpolizei geben. Da eine derartige Ermittlung in jedem Fall einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre darstellt, muss wiederum das Verhältnismässigkeitsprinzip gewahrt werden. Mit den in der Frage 5 erwähnten im Ausland tätigen verdeckten Ermittlern ist sehr wahrscheinlich eine Entwicklung in Deutschland gemeint, über die in den letzten Monaten in den Medien häufig berichtet wurde: Viele deutsche Kommunen haben in der Sozialverwaltung einen Prüfdienst eingerichtet, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Sozialhilfebeziehenden sowie deren tatsächlichen Bedarf an Hilfeleistungen vor Ort in den Wohnungen der Gesuchsteller abklärt. Ist das alte Sofa wirklich nicht mehr zu gebrauchen, verfügt der Bedürftige über Vermögenswerte oder lebt er gar mit einem wirtschaftlich gut gestellten Lebensgefährten zusammen? Die Prüfer weisen sich jedoch als Mitarbeitende der

7 Sozialämter aus, arbeiten also nicht verdeckt. Schliesslich muss berücksichtigt werden, dass die Praxis im Ausland auf einer anderen Sozialhilfegesetzgebung beruht. Ob Hausbesuche als wirksame Massnahme der Missbrauchsbekämpfung geeignet und wirtschaftlich sinnvoll sind, wird die erwähnte Arbeitsgruppe der Fürsorgebehörde in ihre Überlegungen einbeziehen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Stadtrat alles unternimmt, um den Aufwand für die Sozialhilfe im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und in Erfüllung seines Auftrags zur sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit minimal zu halten, und die Balance zwischen einer wirksamen Missbrauchsbekämpfung und einem angemessenen Ressourceneinsatz für diese Aufgabe zu schaffen. Die Berichterstattung im Grossen Gemeinderat ist der Vorsteherin des Departements Soziales übertragen. Vor dem Stadtrat Der Stadtpräsident: E. Wohlwend Der Stadtschreiber: A. Frauenfelder