Plasmabasierte Dekontaminationsverfahren Eine Alternative zur Inaktivierung lebensmittelassoziierter Viren?

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Transkript:

Plasmabasierte Dekontaminationsverfahren Eine Alternative zur Inaktivierung lebensmittelassoziierter Viren? 4. BfR Symposium Lebensmittel-assoziierte Viren, 07.11.2018 Albert, T.

AGENDA Hintergrund Plasmatechnologie im Überblick Antivirale Wirkung plasmabasierter Verfahren Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 2

HINTERGRUND Übertragung lebensmittelassoziierter Viren (u.a. Noroviren, Hepatitis A- Virus) vor allem über zum Rohverzehr vorgesehene Produkte Kaum technologische Maßnahmen zur Risikominimierung hinsichtlich dekontaminierender Technologien (schonende Behandlung vs. Erregerstabilität) für Rohprodukte verfügbar Forschungsbedarf zu alternativen Technologien Plasma-basierte Verfahren als Alternative zur Virusinaktivierung auf Produktoberflächen? 3

PLASMATECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK teilweise oder vollständig ionisiertes Gas vierter Aggregatzustand frei bewegliche Ionen und Elektronen heiß oder kalt bei unterschiedlicher Elektronendichte 4

PLASMATECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK thermisches Plasma nicht-thermisches Plasma (Niederdruckplasma, Atmosphärendruckplasma) direkte und indirekte Verfahren direkte Verfahren (Plasmajets) Hoentsch et al 2012 J. Phys. D: Appl. Phys. 45 025206 5

PLASMATECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK Direkte Verfahren (DBD-Dielectric Barrier Discharge) Quelle: Subedi et al., 2017 6

PLASMATECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK Direkte Verfahren (DBD-Dielectric Barrier Discharge) Quelle: Leipold et al., 2010 Quelle: INP, Greifswald 7

PLASMATECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK Mehrere Wirkmechanismen (geringe/keine Resistenzproblematik) Temperatur < 60 C Elektromagnetische Felder Oberflächenbehandlung Sicheres Verfahren Schädigung der Zellmembran/ DNA Zelltod 8

PLASMAAKTIVIERTES WASSER Einwirkung eines Plasmajets auf der Wasseroberfläche Einwirkung eines ionisiertes Plasma- Gases im Wasser 9

PLASMATECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK pflanzl. LM tierische LM 10

ANTIVIRALE WIRKUNG PLASMABASIERTER VERFAHREN 1. Direktes / indirektes Plasma 2. Plasma-aktiviertes Wasser Antivirale Wirkung? 11

ANTIVIRALE WIRKUNG VON DIREKTEM / INDIREKTEM PLASMA Virus Plasmaart Reduktion Quelle MS2-Phage (ATTC 15597-B1) kaltes Atmosphärendruckplasma (Plasmajet) 99,25 % Helium + 0,75 % O 2 oder 100 % Helium 1,38 log 10 nach 3 min (ohne O 2 ) 3 log 10 nach 3 min (mit O 2 ) > 7 log 10 nach 9 min (mit O 2 ) Alshraiedeh et al., 2013 Humanes Norovirus G II.4 (Stuhlisolat) kaltes Atmosphärendruckplasma (SMD-Surface Microdischarge) 1 log 10 nach 2 min Ahlfeld et al., 2015 Murines Norovirus (MNV-1) kaltes Atmosphärendruckplasma (Plasmajet) 99,5 % Stickstoff 2 log 10 nach 5 min auf Fleischoberflächen Bae et al., 2015 Hepatitis A-Virus (HM-175) kaltes Atmosphärendruckplasma (Plasmajet) 99,5 % Stickstoff 1 log 10 nach 5 min auf Fleischoberflächen Bae et al., 2015 FCV kaltes Atmosphärendruckplasma (Plasmajet) Argon 100 %, Argon mit 1 % O 2 6 log 10 nach 30 s (100 % Argon) 6 log 10 nach 15 s (Argon+1 % O 2 ) Hamada et al., 2015 Aviäres Influenzavirus kaltes Atmosphärendruckplasma (Plasmajet) 88 % Argon + 2 % O 2 + 10 % N komplette Inaktivierung nach 2 min Wang et al., 2015 12

EIGENE UNTERSUCHUNGEN MIT DIREKTEM PLASMA Virologische Parameter Viren: Zellkulturen: Virustiter: Probenvorbereitung: murines Norovirus MNV-2, Newcastle Disease Virus Montana murine Makrophagen (MM-Zellen), LMH 10 6 bis 10 7 TCID 50 / Edelstahloberfläche (1x1 cm) gemäß DVG-Desinfektionsmittelprüfung Viruzidie, Ermittlung von Reduktionsfaktoren, Kontrollen 13

EIGENE UNTERSUCHUNGEN MIT DIREKTEM PLASMA Teststand-Parameter Anregungsart, Leistung: Mikrowelle, 6 Watt Prozessgase: Ar (33 %), N 2 (66,5 %), O 2 (0,5 %) Temperatur Messeroberfläche: < 50 C Abstand: 6 mm Modelloberfläche: Edelstahl (Ø 2 cm) Bewegung Plasmaquelle: mäanderförmig, v=16 mm/s, Vorschub 3 mm (4-16 Durchläufe, Gesamtexpos.: 8-128 s) 14

EIGENE UNTERSUCHUNGEN MIT DIREKTEM PLASMA Ergebnisse Reduktionsfaktoren murines Norovirus: max. 0,75 log 10 Reduktionsfaktoren Newcastle Disease Virus: max. 1,75 log 10 15

ANTIVIRALE WIRKUNG VON PLASMA-AKTIVIERTEM WASSER Antimikrobielle Wirkung bislang vor allem für bakterielle Erreger belegt - Escherichia coli, Staphylococcus aureus (Oehmigen et al., 2010) - Staphylococcus epidermidis, Hafnia alvei (Kamgang-Youbi et al.,2009) - Escherichia coli (Traylor et al., 2011) Antimikrobielle Wirkung durch reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies RONS (OH, atomarer Sauerstoff O, H 2 O 2, NO, NO 2-, NO 3- ) Antivirale Wirkung bislang kaum untersucht - Newcastle Disease Virus, PAW+0,9 % NaCl/3 % H 2 O 2 (Su et al., 2018) - Phagen (T4, MS2, ɸ174) (Guo et al., 2018) 16

EIGENE UNTERSUCHUNG MIT PLASMA-AKTIVIERTEM WASSER (PAW) Testanlage 1 Testanlage 2 PAW 1: Leitungswasser nach 30 min Aktivierung: ph 3,96 5,04, T.: 33,1 33,7 C Leitfähigkeit: 3,08 3,14 ms PAW 2: Leitungswasser + 0,85 % NaCl nach 30 min Aktivierung: ph 3,32 3,96, T.: 32,9 34,2 C Leitfähigkeit: 52,6 54,5 ms PAW 3: Leitungswasser nach 5 min Aktivierung: ph 6,62 T.: 22,17 C Leitfähigkeit: 2,95 ms PAW 4: Leitungswasser + 0,85 % NaCl nach 5 min Aktivierung: ph 5,40 7,1 T.: 21,2 25,1 C Leitfähigkeit: 52,6 54,8 ms Prüfviren Tulane Virus RT 0450 (AT: 10 5,5 10 7 TCID 50 ) Newcastle Disease Virus Montana (AT: 10 6,75 10 7,5 TCID 50 ) 17

EIGENE UNTERSUCHUNGEN MIT PLASMA-AKTIVIERTEM WASSER Reduktionsfaktoren für MNV und NDV bei allen geprüften Varianten von PAW <1 log 10 18

ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN Direkte und indirekte Plasmatechnologien Nachweis antiviraler Wirkung (abhängig von Virusspezies + Plasmaart) Weiterführende Untersuchungen sind notwendig: - erweitertes Erregerspektrum (z.b. humane Noroviren, Hepatitis E-Virus) - Optimierung von Plasmaquellen - Wirkung auf LM-Oberflächen (Sensorik, Toxizität?) - industrielle Umsetzung Plasma-aktiviertes Wasser Wirkung gegenüber Viren ist bis dato in Literatur kaum beschrieben. Wenige Daten suggerieren potentiellen antiviralen Effekt. In eigenen ersten Untersuchungen konnte keine signifikante antivirale Wirkung festgestellt werden. Weiterführende Untersuchungen sind notwendig (proof of principle). 19

VIELEN DANK! Thiemo Albert Institut für Lebensmittelhygiene An den Tierkliniken 1, 04103 Leipzig T +49 341 97-217 F +49 341 97-249 albert@vetmed.uni-leipzig.de www.lebensmittelhygiene.vetmed.uni-leipzig.de