Rede Plenum Eckhardt Rehberg Mitglied des Deutschen Bundestages Mitglied des Haushaltsausschusses Vorsitzender der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin (030) 227-75613 (030) 227-76570 eckhardt.rehberg@bundestag.de www.eckhardt-rehberg.de Dienstag, 08.09.2015 1. Lesung Haushaltsgesetz 2016; Allgemeine Finanzdebatte Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen wir uns einmal die Herausforderung des Jahres 2015 zurückverlegt in das Jahr 2010 vor, als der Bundeshaushalt mit Schulden in Höhe von 86 Milliarden Euro im Soll war und die Konjunktur sich nur langsam erholte. Was wäre gewesen, wenn wir vor der gleichen Herausforderung wie heute gestanden hätten? - Wir hier im Deutschen Bundestag sind für den Haushalt zuständig. Wir sollten einmal Revue passieren lassen, was in den letzten fünf Jahren passiert ist, und den Blick auf dieses Jahrzehnt werfen. Erste Bemerkung: In dieser Zeit, vereinbart bis 2019 und teilweise schon vollzogen, gab es finanzielle Zugeständnisse des Bundes an Länder und Kommunen in Höhe von 150 Milliarden Euro. Dabei war die Grundsicherung im Alter der größte Brocken. Hinzu kamen die komplette Übernahme des BAföG, der Kitaausbau - der Bundesfinanzminister hat die Summe von 5,4 Milliarden Euro genannt -, der Hochschulpakt usw. Kollege Schneider, ich wäre ein bisschen vorsichtig, ständig das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld zu zitieren. Der Bund ist auch nicht
zuständig für Kitas und auch nicht für Schulen. Der Bund ist auch nicht zuständig für Hochschulen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen uns fragen: Wofür sind wir zuständig, und was tun wir politisch? Stichwort Steuereinnahmen: Wir werden in diesem Jahrzehnt gesamtstaatlich rund 224 Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen haben. Davon entfallen auf den Bund rund 97 Milliarden Euro, auf die Länder 92 Milliarden Euro und auf die Kommunen etwa 34,4 Milliarden Euro. Eines hat mich wirklich geärgert, Kollege Bartsch, nämlich wenn man sagt, dies sei alles ein Gezerre. Es bedarf doch erst einmal einer Definition dessen, was strukturell getan werden muss, um das Problem der Flüchtlinge und der Asylbewerber in den Griff zu bekommen, und welche finanziellen Mittel in einem ersten Schritt zur Verfügung gestellt werden müssen. Im Gegensatz zu meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, das nicht das strukturstärkste ist, in dem die Kommunen jedoch die Kosten für die Flüchtlinge in voller Höhe ersetzt kriegen, und zwar spitz abgerechnet, sagen jetzt schon die ersten Länder, zum Beispiel der Innenminister aus Nordrhein-Westfalen: Das alles ist viel zu wenig. Dort klagen die Kommunen, dass sie auf 70 Prozent der Kosten sitzen bleiben. Dazu kann ich nur sagen: Wenn wir das Thema Flüchtlinge als gesamtstaatliche Aufgabe ansehen, dann muss auch entsprechend gehandelt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich sage dies auch noch aus einem anderen Grund: Auch das Land Nordrhein- Westfalen - und ich könnte noch andere Länder nennen; das ist jetzt überhaupt nicht mein Thema - (Johannes Kahrs (SPD): Hessen zum Beispiel!) hat in den letzten 18 Monaten 3 Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen gehabt. Im letzten Jahr waren es 1,7 Milliarden Euro, im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es 1,3 Milliarden 2
Euro. Daher lautet meine Botschaft an dieser Stelle gerade zu diesem Thema: Wir sollten fair miteinander umgehen. Ein zweiter Punkt - und hier sind wir alle gefordert; ich sage das nicht zum ersten Mal von dieser Stelle aus -: Ich finde es richtig, dass sich die Bundesbauministerin Gedanken um das Thema sozialer Wohnungsbau macht. Nicht richtig finde ich aber folgendes: In den Entflechtungsmitteln sind 518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung enthalten. Diese Summe steht den Ländern frei zur Verfügung. Gucken Sie sich aber einmal an, welches Bundesland wirklich den kompletten Betrag aus der alten Verwaltungsvereinbarung für den sozialen Wohnungsbau einsetzt. Wir wären miteinander gesamtstaatlich mehrere Meilen weiter, wenn die Länder die Mittel wirklich für den Zweck vereinnahmten und an die Kommunen weitergäben, den wir politisch miteinander vereinbart haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deswegen ist es ganz wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir, wenn wir am 24. September mit den Ländern und Kommunen die Bereitstellung von Mitteln politisch vereinbaren und danach die entsprechenden Dinge im Bundestag umsetzen - struktureller Nachtragshaushalt und dann Ausfinanzierung im Haushalt 2016 -, wirklich Mechanismen einfügen, die sicherstellen, dass die Mittel für den vereinbarten Zweck vor Ort ankommen. Ansonsten wird es in einem halben Jahr oder in einem Jahr, auch wenn das Geld auskömmlich zur Verfügung steht, über die Parteigrenzen hinweg heißen - wir haben ganz unterschiedliche politische Farben in den Ländern -: Der Bund stellt nicht genug zur Verfügung. - Wir alle miteinander in diesem Deutschen Bundestag haben nichts gekonnt, wenn das Geld für Flüchtlinge und Asylbewerber, das politisch vereinbart worden ist, nicht für den Zweck vor Ort ankommt, den wir miteinander vereinbart haben. Dass es dort ankommt, muss eine Grundbedingung für die Verhandlungen am 24. September sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD)) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein dritter Punkt ist mir wichtig: Wir werden das umsetzen, was wir miteinander politisch vereinbart haben. Kollege Kindler, die Frage im 3
Verkehrsinfrastrukturbereich, bei Schiene, Straße, Wasserstraße und darüber hinaus, wird nicht mehr sein, ob genug Geld zur Verfügung steht; es wird eine Frage der Umsetzung sein. Das heißt, die Bahn wird gefordert sein, der Bund wird bei der Wasserstraße gefordert sein, und die Länder werden beim Straßenbau gefordert sein, dass das Geld - auch das Geld, was gerade im Einzelplan 12 steht - auch wirklich ausgegeben wird. Deswegen war es gut und richtig, die Entscheidung zu treffen, die Bereitstellung der ganzen Verkehrsinfrastrukturmittel überjährig zu gestalten. Kollege Kindler, Sie sollten mal den neuen Straßenbauplan lesen. Ich nehme nur mal das Beispiel der A 14, bei dem Sie von Kostensteigerungen reden. Mittlerweile ist ein Drittel der gesamten Kostensteigerungen ökologischen Maßnahmen anzulasten: Ausgleichsmaßnahmen, Wildbrücken, Krötentunnel usw. Gucken Sie sich die Kostensteigerungen bei der A 14 an! 30 Prozent basieren auf diesem Bereich. Wenn die Gesellschaft das will, dann müssen wir das auch ausfinanzieren. Aber Sie sollten sich nicht hier hinstellen und dem Bundesfinanzminister vorwerfen, er hätte an dieser Stelle ein mangelndes Controlling. Das halte ich für unredlich. Sie sagen, wir dächten nicht an die Zukunft. Natürlich denken wir an die Zukunft. Ich will Ihnen nur sagen: Der Familienetat steigt in dieser Legislaturperiode von 6 Milliarden auf über 9 Milliarden Euro. Lassen Sie mich noch einige Sätze zu dem Thema sagen, weil der Kollege Schneider damit angefangen hat. Lieber Kollege Schneider, ich bin Haushälter, (Bettina Hagedorn (SPD): Ich auch!) und in den zukünftigen Jahren möchte ich eines nicht erleben: dass wir beim Elterngeld ständig Geld nachschieben. Der Vorwurf, dass der Bundesfinanzminister kein Herz für Kinder hat, trifft nicht. Wir haben allein in den letzten vier Jahren über 1 Milliarde Euro aus dem Gesamthaushalt für das Elterngeld nachgeschoben. (Bettina Hagedorn (SPD): Weil so viele Kinder geboren wurden! Ist doch super!) 4
Meine Priorität ist, dass das Elterngeld vernünftig ausfinanziert wird. Wir haben steigende Nominaleinkommen, wir haben verbesserte gesetzliche Leistungen, und deswegen sollten wir erst mal die Etats ausfinanzieren, ehe wir dann über neue Projekte reden, für die der Bund zudem nicht zuständig ist. Auch der Vorwurf, dass wir für Forschung und Entwicklung nicht genug Geld ausgegeben haben, trifft nicht. Seitdem Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, hat sich der Etat des Einzelplanes 30 für Bildung und Forschung schlichtweg verdoppelt. Die Renditen fahren wir mittlerweile ein: Wissenschaftler aus der ganzen Welt kommen nach Deutschland, die Zahl der Patente nimmt zu, und die Forschungs- und Bildungslandschaft blüht wirklich. Hier hat der Bund - nehmen wir den Hochschulpakt, den Qualitätspakt Lehre, den Pakt für Forschung und Innovation - keine unmittelbare Zuständigkeit. Ich will jetzt gar nicht davon reden, was das eine oder andere Land mit den Mitteln aus dem Hochschulpakt macht. Aber wenn der Bund hier nicht massiv eingestiegen wäre, dann wären wir im Forschungs- und Bildungsbereich nicht so weit, wie wir heute sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mit dem Kollegen Kahrs völlig einer Meinung (Zurufe von der CDU/CSU: Oha! - Volker Kauder (CDU/CSU): Das bringt Irritationen bei der SPD, nicht bei uns! - Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Er hat doch noch nichts gesagt!) - bei dem, was du, lieber Johannes, heute in der Welt hast verlauten lassen -: Wir werden keine neuen Schulden machen. - Das hat nichts mit einem Fetisch zu tun, mit einem Hobby von irgendwem. Keine neuen Schulden - das ist Generationengerechtigkeit, das ist Basis für die Zukunft, für zukünftige Generationen in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) In dieser Hinsicht gab es einen Tabubruch in der Großen Koalition zwischen 2005 und 2009. 2009 wurde dann die Schuldenbremse vereinbart. Die sollten wir wirklich einhalten und nicht 5
nach dem Motto verfahren, das in den vergangenen Jahrzehnten galt: Es ist uns wurschtegal, wie viele Schulden wir aktuell machen, die nachfolgenden Generationen werden sie schon abbezahlen. - Das ist der Tabubruch, den wir begangen haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Flüchtlingsproblematik werden lösen können, und zwar ohne neue Steuern und neue Abgaben. Wir dürfen keine neue Steuererhöhungsdebatte anfangen. Herr Ramelow fordert jetzt, dass die Einnahmen aus dem Soli, rund 20 Milliarden Euro jährlich, umgewidmet werden sollen. Die Hälfte der Einnahmen aus dem Soli soll in die Bund-Länder-Finanzbeziehungen gesteckt und die andere Hälfte für die Flüchtlinge ausgeben werden, dann sei man bei null. Ich kann dazu nur sagen: Kollege Ramelow, so macht man vielleicht in Thüringen Haushaltspolitik, aber nicht im Deutschen Bundestag. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf keine Abstriche bei den vereinbarten politischen Leistungen im Infrastrukturbereich geben. Ich sage auch ganz klar und deutlich: Wir werden die Bürgerinnen und Bürger weiterhin entlasten, vor allem die Familien, Stichwort: Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kinderzuschlag und kalte Progression. Ich glaube, mit dem Dreiklang - keine neuen Schulden machen trotz der Herausforderungen durch die Flüchtlingsproblematik, politische Zusagen einhalten und Bürger entlasten - sind wir gut aufgestellt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das glaube ich auch!) 6