Dietmar Hexel 28. Oktober 2004 DGB Bundesvorstand

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Transkript:

1 Dietmar Hexel 28. Oktober 2004 DGB Bundesvorstand Statement Mitbestimmung - Der Erfolgweg für Europa Workshop SPD-Bundestagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort. Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlichen Dank für die Einladung. Gerne stelle ich auf diesem Workshop die Position des DGB zur aktuellen Diskussion über die europäische Mitbestimmung dar. Einen besseren Zeitpunkt für diesen Workshop hättet ihr nicht wählen können. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene rückt die Mitbestimmung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Immer unverhohlener propagieren die Spitzen von BDA und BDI einen Abbau der Mitbestimmung und begründen dies mit der europäischen Politik. In Wahrheit allerdings, liebe Genossinnen und Genossen, wird hier das Thema Europa missbraucht, um aus höchst egoistischem verbandlichem Machtstreben heraus die Mitbestimmung in Deutschland zu schwächen. Das ist auch deshalb empörend, weil aus historischer Sicht die Unternehmensmitbestimmung die Geburtsstunde für die Montanunion - und damit das heutige Europa war. Ohne Mitbestimmung wäre es 1948 zur Sozialisierung von Kohle und Stahl gekommen. Alternativ wurde die Montanunion - und die paritätische Mitbestimmung geschaffen.

2 Leider konnten wir 1976 diese Parität und damit den Gleichklang von Menschen und Kapital nicht mehr erreichen. Zu entscheiden ist, ob in Europa zukünftig nicht demokratisch legitimierte Managern und anonyme Fondsanteile die Geschicke eines Unternehmens und der damit verbundenen Region bestimmen sollen oder das Primat der Politik und die Regeln der demokratischen Republik gelten sollten. Mindestens sollten sie nicht weniger zu sagen haben, bei uns nicht und nicht in ganz Europa. Wie aber genau sehen die von unseren Gegnern angeführten europäischen Herausforderungen eigentlich aus? Und welche Auswirkungen haben sie auf die Mitbestimmung in Deutschland? Wenn wir über Mitbestimmung in der europäischen Perspektive sprechen, dann lassen sich im Wesentlichen drei Herausforderungen unterscheiden: 1) Die Gründung von Europäischen Gesellschaften (Societas Europea, kurz SE). 2) Die grenzüberschreitenden Aktivitäten von Unternehmen (z.b. durch eine Fusion). 3) Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit der Unternehmen. Die Kritiker schlussfolgern aus dieser europäischen Entwicklung - die keineswegs vom Himmel fällt, sondern Ergebnis politischer Handlungen von Menschen ist : Da die Mitbestimmung in Deutschland einzigartig ist, sei ein Standortrisiko für Investitionen gegeben. Unternehmen (insbesondere Holdings) verlegten ihren Sitz ins Ausland. Mitbestimmung vertreibt sozusagen die Holdings. Die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat sei nicht auf das Board, den Verwaltungsrat im monistischen System übertragbar. Deshalb wird die BDA einen Rückfall ins Kaiserreich das Wort reden und Konsultationsräte vorschlagen, weil Arbeitnehmer auf der Unternehmensebene nichts zu suchen hätten. Sie seien von den Entscheidungen nicht betroffen. Man staunt. Allenfalls eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmervertreter/innen sei im Board vertretbar - wenn es denn nicht anders geht.

3 Liebe Genossinnen und Genossen, nur weil diese Argumente gebetsmühenartig wiederholt werden, werden sie nicht richtiger. Meine Antworten lauten daher: Ja, ein Teil der deutschen Mitbestimmung ist einzigartig! Wir kennen die unterschiedlichen Formen: Montanmitbestimmung, 76er Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz. Was einzigartig und überaus erfolgreich ist das bestreiten nicht einmal die Gegner das sollte man schätzen und sich darüber freuen. Zweitens sollte man für ein solches Produkt werben, seine Vorteile preisen und es nicht schlecht reden. Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist auch kein Standortnachteil. Es gibt auf europäischer Ebene keine Anzeichen dafür, dass Investoren die paritätische Mitbestimmung in Deutschland als Standortnachteil betrachten. Im Gegenteil spielen ganz andere Faktoren hier eine Rolle: die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur des Standortes die Nähe zu wichtigen Kunden das Vorhandensein qualifizierter Arbeitnehmer/innen die Lohnstückkosten die geringen Streiktage, ohne Zweifel auch ein Ergebnis der Mitbestimmung, der Konsenspolitik. Nicht ohne Grund kommt eine Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young bei den Topmanagern international tätiger Unternehmen vom Mai 2004 zu dem Ergebnis, dass Deutschland nach China und den USA über den weltweit drittattraktivsten Standort für Investitionen verfügt. Dreist ist die Behauptung von BDA und BDI, die Mitbestimmung vertreibe die Holdings. Im Gegenteil, ist Deutschland gerade ein gefragter Standort für US-amerikanische Holdings: Die amerikanische Handelskammer - die American Chamber of Commerce - in Deutschland hat die 100 umsatzstärksten US-Unternehmen in Deutschland befragt. Ergebnis: Deutschland ist der attraktivste europäische Standort für Management und Kompetenzzentren, Deutschland hält den 1. Platz als attraktivsten Standort für Holdings - noch vor der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien.

4 Mir ist kein Beispiel bekannt, dass die Mitbestimmung in den Aufsichtsräten eine Investition oder gar eine Innovation in Deutschland verhindert hätte. Von den 763 Unternehmen im Geltungsbereich der paritätischen Mitbestimmung gehörten im Jahr 2003 immerhin 30% mittelbar oder unmittelbar einem ausländischen Investor! Und die mitbestimmten Blue Chips des DAX sind so attraktiv, dass ca. 50 % des Kapitals von ausländischen Investoren kommen. Es bleibt festzuhalten, dass die Investoren wesentlich pragmatischer mit der Mitbestimmung umgehen als ihre Kritiker, Amerikaner sowieso. Auch eine Flucht ins Ausland wegen der Mitbestimmung lässt sich nicht feststellen. Im Gegenteil mehren sich die Stimmen kluger Manager und Wissenschaftler, die die Mitbestimmung in Deutschland demonstrativ unterstützen. Dem US-Ökonom Edward P. Lazaer ist gerade der Preis für Arbeitsökonomie am nicht gerade gewerkschaftsfreundlichen Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit verliehen worden. Er bringt es auf den Punkt und sagt zur Mitbestimmung: Wer gegen dieses Prinzip ist, riskiert Produktivitätsverluste der deutschen Wirtschaft. Zahlreiche empirische Untersuchungen gehen nicht ohne Grund von einer hohen Zustimmung des Managements zur Mitbestimmung aus: Mitbestimmung verbessert das Betriebsklima und fördert die Motivation. Gerade das hohe Maß an Arbeitsfrieden stellt einen entscheidenden wirtschaftlichen Vorteil der Mitbestimmung dar. Mitbestimmung erleichtert und unterstützt eine gute Unternehmensführung durch eine höhere Akzeptanz der Entscheidungen des Managements bei der Belegschaft. Damit begünstigt die Mitbestimmung einen kooperativen Modernisierungspfad und unterstützt aktiv den Strukturwandel.

5 Mitbestimmung sichert die Personal-Investitionen. In mitbestimmten Unternehmen gibt es (beiderseitig) weniger Kündigungen und damit einen stabileren Stamm an Beschäftigten. Dies stärkt zum einen die Identifikation mit den Unternehmenszielen und die Bereitschaft der Beschäftigten wie auch des Unternehmens, in Fort- und Weiterbildungen zu investieren. Weiterbildung wiederum ist notwendige Voraussetzung von Innovation. Mitbestimmung senkt die Transaktionskosten: Kostenspielige individuelle Verhandlungen zwischen Unternehmen und Beschäftigen werden durch Betriebsrat und Arbeitnehmervertreter/innen im Aufsichtsrat gebündelt. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass die Arbeitnehmervertreter/innen einschließlich der Gewerkschaftsvertreter über eine demokratische Legitimation im Aufsichtsrat verfügen. Ihr Wort wird von der Belegschaft als ihr Interessenvertreter ernst genommen. Die Idee der Mitbestimmung kann ein Vorbild, eine Blaupause für die Zukunft der Unternehmen in einem demokratischen Europa sein. Dabei müssen wir Rechtskulturen anderer Länder respektieren. Eine wissensbasierte Industriegesellschaft gelingt nur, wenn der Mensch Ausgangspunkt ist - sowohl als Produzent wie als Konsument. Beschäftigte wollen gestalten, mitverantworten und mitentscheiden. Demokratische Teilhabe am Sagen und Haben wird der Pluspunkt gerade in anonymen Kapitalgesellschaften sein. Soziale Macht, die sich aus Privatkapital ergibt, muss demokratisch legitimiert und kontrollierbar sein besonders in globalen Unternehmen. Gerade die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist dazu geeignet, zur demokratischen Kontrolle wirtschaftlicher Macht beizutragen. Nun zum Board-System: Der Gesetzgeber hat mit dem SE-EG einen guten Weg gefunden. Innerhalb des monistischen Systems kann ein Unternehmen zwischen zwei Varianten wählen. Doch warten wir ab, ob sich monistische Systeme überhaupt durchsetzen. Das dualistische System hat durchaus Vorteile - das ist sogar im Ausland deutlich erkannt. Auf jeden Fall kann auch in einem monistischen System die Parität der Arbeitnehmer erhalten bleiben - wenn auch die Anteilseigner stets eine Stimme mehr haben.

6 Eine Drittelbeteiligung egal ob im Aufsichtsrat oder im Board stellt gegenüber der paritätischen Mitbestimmung oder gar der Montanmitbestimmung die schwächste Form dar. Sie dokumentiert, dass die Wertschöpfung durch die Arbeitnehmer und die Würde des Menschen weniger wert ist als totes Kapital. Die Botschaft der Arbeitgeberverbände für die Beschäftigten lautet: Herzlichen Dank für eure 30jährige (im Montanbereich 50jährige) Mitarbeit und Verantwortung im paritätischen Aufsichtsrat. Jetzt brauchen wir euch nicht mehr! Nehmt am Katzentisch Platz! Dieses werden wir nicht tun. Wir brauchen mehr, nicht weniger Teilhabe. Eines ist klar, wer Konsultationsräte oder Drittelbeteiligung fordert wird Streikräte und Verweigerungshaltung bekommen. Wer nachhaltige, gesunde Unternehmen will, muss die Kooperation ausbauen. Mitbestimmung ist gelebte Kooperation. Liebe Genossinnen und Genossen, ohne jeden erkennbaren Grund gefährden BDA und BDI die Mitbestimmung als einen wesentlichen Erfolgsfaktor der bundesdeutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Diese Forderung kommt nicht aus der Mitte der Unternehmen und auch nicht aus der Mitte der Gesellschaft. Nach aktuellen Meinungsumfragen sind 82 % der Befragten der Auffassung, dass die Mitspracherechte von Arbeitnehmer/innen in den Aufsichtsräten nicht verringert werden sollten. Natürlich muss das Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht weiter entwickelt werden. So ist es z.b. überfällig, dass ausländische Arbeitnehmer/innen eines deutschen Unternehmens das Recht erhalten, für den Aufsichtsrat dieses Unternehmens zu kandidieren. Vor allem müssen die Aufsichtsratsmandate auf maximal drei begrenzt werden. Wie geht das eigentlich, folgende Unternehmen gleichzeitig gut zu beaufsichtigen: ThyssenKrupp AG (als Vorsitzender des Aufsichtsrates), Allianz, Axel Springer Verlag, E.ON, Lufthansa, Ruhrgas, Hochtief, Siemens, Volkswagen, BNP Paribas S.A. und SUEZ S.A. Fragt bitte gelegentlich Herrn Dr. Gerhard Cromme persönlich, wie er fast ein Dutzend Unternehmen qualifiziert beaufsichtigen kann.

7 Eine echte Reform wäre außerdem die Grenze von 2000 Beschäftigten abzusenken das undemokratische Doppelstimmrecht in Fragen der Geschäftsordnung abzuschaffen die Einführung des passiven Wahlrechtes für ausländische Beschäftigte eines deutschen Konzerns zu ermöglichen Drittelbeteiligung und Konsultationsrat sind keine Reform sondern Restauration bekannter Machtverhältnisse. Liebe Genossinnen und Genossen, es tut gut, dass SPD-Bundestagsfraktion und Deutscher Gewerkschaftsbund in dieser wichtigen Frage einer Meinung sind! Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche der Veranstaltung weiter gutes Gelingen.